Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am 2. Sonntage nach Trinitatis.

Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am 2. Sonntage nach Trinitatis.

Evang. Luc. 14, 16 - 24.

Vom großen Abendmahl.

Daß Christus nicht gekommen ist, die Welt zu richten, sondern selig zu machen; nicht um den Menschen unerträgliche Lasten aufzulegen, sondern diese ihnen abzunehmen, und lauter Freude und Seligkeit ihnen zu geben: das beweist Er recht handgreiflich und anschaulich durch dieses Gleichniß vom großen Abendmahl. Die Welt scheut sich vor Christo, will nicht zu Ihm heran, weil sie Ihn nicht kennt, nicht weiß, was Er will. O wüßten es doch alle Leute! rc. Wenn Ihn die Menschen kennten, ich glaube, sie entbrennten durchgängig gegen Ihn. Wahrhaftig, ihre Herzen empfänden Liebesschmerzen, und Seine Schönheit riß sie hin. In diesem Gleichnisse ist Sein ganzer Sinn ausgedrückt, Sein ganzes Evangelium anschaulich und reizend dargestellt. Man kann nichts Schöneres hören und lesen.

Als Er bei einem Obersten der Pharisäer bei Tische war, würzte Er die Tafel mit himmlischen Lehren durch mancherlei Gleichnisse, und zeigte dem Wirth und den Gästen, was für Gastmähler sie halten, und wen sie dazu laden sollten; nicht Reiche und Verwandte, die sie wieder laden und es ihnen vergelten mit einem Gegenschmaus, sondern Arme, Krüppel, Lahme, Blinde und Hungernde sollten sie laden, die es ihnen nicht wieder vergelten könnten; es würde ihnen aber im Himmel vergolten werden. Und da Einer darauf sprach: Selig ist, wer das Brod isset im Reiche Gottes, so knüpfte Er daran dieses herrliche Gleichniß, um zu zeigen, welch ein Abendmahl der himmlische Vater bereitet habe, und wen Er dazu einlade. Er sprach:

Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl, und lud Viele dazu. Das Evangelium ist also eine Berufung und Einladung - nicht zum Frohndienst und zu schwerer Arbeit - sondern zu lauter Genuß und Seligkeit - zur Herrlichkeit Gottes im Himmel. Wir sollen am Ende eingehen in die Freude unsers Herrn, und mit Ihm Seine Herrlichkeit genießen - Freude und Wonne und liebliches Wesen immer und ewiglich. Was könnte die Menschen mehr anziehen und reizen, als daß Er unsere Berufung, wozu wir berufen werden, unter dem Bilde eines Gastmahls, eines großen Abendmahls darstellt, wozu sonst alle Menschen gern kommen, wenn sie geladen werden. Aber diesem Gastwirth, der doch der Wahrhaftigste ist, trauen sie nicht, sondern meinen, Er wolle sie zum Gericht schleppen, und ihnen Böses mit Bösem vergelten. Und Er hat doch lauter Friedensgedanken, und will nichts Anderes, als daß alle Menschen selig werden und zur Erkenntniß der Wahrheit kommen. Das ist aber die Wahrheit, daß Jesus Christus ist in die Welt gekommen, die Sünder selig zu machen, oder ihnen ein großes, ewiges Abendmahl durch Sein Leiden und Sterben zu bereiten. Denn Er hat dieses große Mahl, die ewige Seligkeit für uns verdient und erworben mit Seinem blutigen Schweiß und bittern Tod. Durch Ihn hat es der Vater zubereitet. Das Lamm, das geschlachtet ist, hat uns Gott erkauft mit Seinem Blute, und Gott zu Königen und Priestern gemacht, daß wir das Brod mit essen dürfen im Reiche Gottes. Offenb. 2. Denn es heißt ferner:

Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, zu sagen den Geladenen: Kommt, denn es ist Alles bereit. Die Knechte, die Prediger des Evangeliums haben also den Auftrag, unbedingt einzuladen, ohne weitere Forderung, als bloß: zu kommen und theilzunehmen. Es darf nicht erst verdient, vorausbezahlt werden; es ist schon Alles bezahlt und zugerichtet; die Geladenen dürfen nur glauben und kommen, und sich an den gedeckten Tisch setzen und genießen, frei und umsonst. Aus Gnaden sind wir selig geworden, durch den Glauben; nicht aus uns selber, Gottes Gabe ist es; nicht aus den Werken, auf daß sich nicht Jemand rühme, denn wir sind Sein Werk rc. Ephes. 2, 8 - 10. Die Stunde des Abendmahls, oder der Berufung zum Abendmahl ist jetzt von Christi Zeiten an bis an den jüngsten Tag; denn es sollen alle Menschen aller Zeiten und aller Orten geladen und berufen werden. Es ist für Alle Alles bereitet; Christus ist für Alle gestorben, die Seligkeit für Alle verdient und bereitet. Geht hin in alle Welt, und prediget aller Kreatur - hieß es, da Er Seine Knechte aussandte. Es ist keine Seele ausgeschlossen. Alle, die da kommen, werden mit Freuden angenommen.

Aber sie kommen nicht Alle.

Und sie fingen Alle übereins an, sich zu entschuldigen. Der Erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft, und muß hinausgehen, und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Wer sollte auf eine solche Einladung eine solche Antwort und Entschuldigung erwarten? Gott bietet Sein Himmelreich umsonst zu geben an, und der Mensch schlägt es aus, und bleibt an einer Erdscholle hangen, und zieht eine Handvoll Erde dem ganzen Himmelreiche vor; will lieber zeitliche, vergängliche, unsichere Güter, die ihm doch bald genommen werden, besitzen, als der ewigen, unvergänglichen und gewissen Himmelsgüter theilhaftig werden: Das Irdische klebt dem Menschen von Erde so sehr an, daß er es gar nicht lassen, und sein Herz nicht über das, was er vor Augen hat, erheben, noch sich eine größere Freude über der Erde denken kann. So ist jeder natürliche Mensch; darin stimmen sie alle überein; sie bedanken sich; sie wollen das ihnen bereitete, durch Christum theuer erworbene Himmelreich nicht, wenn sie eine Handvoll Erde haben. O die Verblendeten, wie werden sie es einst bereuen, wenn sie, wie der reiche Mann, den armen Lazarus in Abrahams Schooß sitzen sehen, sich aber aller Erdengüter beraubt in der Qual und den Flammen erblicken, und im äußersten Mangel verschmachten werden!

Und der andere sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft, und ich gehe jetzt hin, sie zu prüfen; ich bitte dich, entschuldige mich. Wie aber, wenn der Tod kommt, und ladet dich zum Grabe ein, weß sind dann deine Ochsen? wer wird sie prüfen? Wirst du dir dann nicht Zeit nehmen müssen, deine Ochsen zu verlassen, und dem Tode zu folgen? Es ist kein Ding in der Welt, welches sich der Mensch nicht zum Stricke macht, der ihn gefangen nimmt, und vom Himmelreiche abhält - oft ist es ein Schooßhündchen, oder sonst eine Puppe, die das Menschenherz glücklicher und reicher zu machen scheint, als Alles, was ihm Gott im Himmel darbietet, um ihn ewig selig zu machen. Wer nicht, wenn der Herr ruft zur Seligkeit, alles Irdische stehen und gehen läßt, und folgt dem Rufe Gottes, der ist nicht geschickt zum Himmelreiche. Wer aber einmal geschmeckt hat, wie freundlich der Herr ist, oder wer nur einmal beim Schlüsselloch in's Reich Gottes hineingesehen, nur einige Sonnenblicke der Klarheit Gottes im Angesichte Jesu erhalten hat, der läßt tausend Ochsen und alle vierfüßige, kriechende und fliegende Thiere und Dinge der Erde gern fahren, und trachtet nach dem Reiche Gottes und Seiner Gerechtigkeit. Sein Wahlspruch ist: Wenn ich nur Ihn habe, was frage ich nach Himmel und Erde?

Weg Welt! weg Sünd‘! dir geb‘ ich nicht mein Herz; nur Jesu, Dir
Ist dies Geschenke zugericht't, behalt es für und für.
Nimm Du zu Deinem Tempel ein mein Herz hier in der Zeit,
Und laß es Deine Wohnung seyn in alle Ewigkeit!
Dir geb‘ ich's ganz zu eigen hin, brauch's, wie es Dir gefällt;
Ich weiß es, daß es Deine ist, ja Dein und nicht der Welt.

Und ein Anderer sprach: Ich habe ein Weib genommen, und kann nicht kommen. Der ist der gröbste; der bittet nicht einmal um Entschuldigung, sondern halt es für ganz billig, dem Weibe mehr als Gott anzuhangen; halt es für eine Unmöglichkeit, die Fleischeslust mit der Himmelslust zu vertauschen. Wie aber, können wir wieder fragen, wenn dir Gott dein Weib, oder dich dem Weibe nimmt, was erhältst du dann dafür? was bleibt dir? Dann hast du weder Gott noch ein Weib. Du könntest immer ein Weib auf Erden haben, aber nicht dein ganzes Herz daran hängen, sondern haben, als nicht haben, und d. h. Gott mehr als dem Weibe anhangen; das Weib in der Ordnung lieben, aber Gott und Seligkeit, Christum und das Himmelreich nicht darüber wegwerfen, und leben, als ob du nur um des Weibes Willen geschaffen, und das Weib dein zeitliches und ewiges Heil und Glück wäre, und es nichts Höheres und Besseres gäbe. Der Mann liebe sein Weib und das Weib den Mann, aber im Herrn, und um des Herrn willen, und Beide sollen suchen dem Herrn anzuhangen, und mit einander Hand in Hand zur Ewigkeit pilgern, und das Eine suchen, das Noch thut. Der Mann soll mit dem Weibe, und das Weib mit dem Manne kommen zum Abendmahl. Sie sollen Beide bedenken vom ersten Tage ihrer Verbindung an, daß sie sterben und getrennt werden müssen - und wie bald kann das geschehen! wenn dann nicht Jedes sich dem Herrn ergeben, und seine Seele gerettet hat, so ist zeitliches und ewiges Wohl und Glück dahin.

Und der Knecht kam und sagte das seinem Herrn wieder. Und der Hausherr ward zornig, und sprach zu seinem Knechte: Gehe aus auf die Straßen und Gassen der Stadt, und führe die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden herein, die keine Güter, keine Ochsen und keine Weiber haben, oder doch nicht so daran hangen, daß sie das Himmelreich darüber fahren lassen.

Seht, die Knechte klagen's dem Herrn, wenn man sie nicht hört, ihrer Einladung zum Himmelreiche nicht folgt, hartnäckig widerstrebt, die Predigt des Evangelii verachtet, und die Bitte im Namen und an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott! zurückweist. Die Knechte klagen endlich, und der Herr hört sie, und wird zornig, und spricht den ewigen Bann aus über solche Verächter des Heils über solche irdisch gesinnte, thierische und fleischliche Ochsen-Knechte und Weiber-Sklaven. Dieser Zorn des Herrn hat etwas Heiliges und Erschreckliches und doch Tröstliches. Man sieht, wie ernst es Ihm ist, wie gern Er Alle selig machen möchte, und wie Er sogar zürnt, wenn man nicht kommt, und sich selig machen läßt. Du kleinmüthige, verzagte Seele, meinst du, du dürfest nicht kommen, der Herr zürne über dich? Ja Er zürnet; aber nur darum, daß du nicht glaubst und nicht kommst. Komm, wirf dich Ihm in die Arme, so hat Sein Zorn ein Ende, und verwandelt sich in lauter Liebe; Er küßt dich und umarmt dich, und schenkt dir alle Herrlichkeit des Himmels. Was zauderst du, und reizest den Zorn des Herrn?! Sonst kann man wohl eine Einladung zu einem irdischen Gastmahl ablehnen - obwohl auch die Menschen sich beleidigt fühlen, wenn man ihre Einladungen verschmäht - aber wer die Einladung und den Ruf zum himmlischen Abendmahl verwirft, den trifft Gottes Zorn, weil er die Majestät des Allerhöchsten beleidigt, die Gnade wegstößt, und das Blut Christi mit Füßen tritt, welches ihm das große Abendmahl erworben hat. Wenn aber der Herr gleich den Undankbaren und Verstockten zürnt, so bleibt Er doch die Liebe für Alle, die sich lieben lassen. Er hebt deswegen, weil die Geladenen nicht kommen, das Abendmahl nicht auf, sagt nicht: nun soll gar keiner mein Abendmahl genießen; nein, sondern Seine Liebe kann nicht aufhören; darum sucht Er sich Andere, und zwar die Allergeringsten und Aermsten. Da die Reichen, die Begüterten, Thierischen und Weibischen nicht kommen, so sollen es die Krüppel, die Lahmen und die Blinden, die Verachtetsten und Unwerthesten in der Welt haben. Das sind die, welche sich dem Geiste nach also fühlen, und wohl oft auch äußerlich körperlich es sind. Zu Solchen sendet der Herr Seine Knechte, wie Er selbst sagte zu den Jüngern Johannis: Den Armen wird das Evangelium gepredigt. Und Paulus weiß in seiner Korinthischen Gemeinde von keinen Andern zu sagen als Solchen: Seht euch nur an, was seyd ihr denn für Leute? Was verachtet ist, was da nichts ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, auf daß Er zu Schanden mache, was etwas ist, auf daß sich vor Ihm kein Fleisch rühme. 1 Kor. 1, 28. Selig aber sind in jedem Falle die geistlich Armen, denn ihrer ist das Himmelreich. Wer sich im Geiste arm, lahm, blind und krüppelhaft fühlt, und es bekennt, und kommt so zu Christus, der kommt zum Genuß des großen Abendmahls, der schmeckt das ewige Leben und die Herrlichkeit Gottes.

Wer alle Schuld bei sich gesucht und gefunden,
Der hat einen offenen Weg zu den Wunden.
Kaum laßt man die eigne Gerechtigkeit fahren,
So kommt Er im Herzen, Sein Heil offenbaren.

Man bleibt in sich selbst eine dürftige Made,
Und wirft sich in's Meer der erbarmenden Gnade.
Man hält als ein Kleinod das Elendsgefühle,
Und hat seinen Heiland zum ewigen Ziele.

Die elend und arm sind, und gar nichts mehr haben,
Für die ist sein Opfer die Gabe der Gaben,
Wodurch Er die Sünder mit Gott hat versöhnet,
Und sie nun mit Gnad und Barmherzigkeit krönet.

Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, wie du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. O daß alle Knechte so sagen könnten: Herr, es ist geschehen, wie du befohlen hast! O daß alle diesen Befehl des Herrn vollzögen! O daß alle den Armen, Lahmen, Blinden und Krüppeln predigten und bezeugten, daß sie zum großen Abendmahl geladen sind! daß Jesus sie, gerade solche will; daß sie kommen sollen. O daß man nicht nur den Reichen, Satten und Selbstgerechten schöne, bewunderungswürdige Predigten halten möchte, die weiter nichts wirken, sondern verhallen, wie klingende Schellen und tönendes Erz! O daß sich doch alle Knechte mehr bemühten, die Armen und Elenden hereinzuführen, und mehr Mühe und Sorgfalt auf sie wendeten! Wie viele würden herbeigebracht werden, und würde doch noch Raum bleiben!

Ach geht hinaus auf allen Wegen,
Und holt die Irrenden herein;
Streckt jedem eure Hand entgegen.
Und ladet froh sie zu uns ein.

Der Himmel ist bei uns auf Erden;
Im Glauben schauen wir ihn an.
Die Eines Glaubens mit uns weiden,
Auch denen ist er aufgethan.

Es ist noch Raum - auch heute noch, und so lange die Welt steht, wird der Himmel nicht zu klein und zu enge, der Wohnungen im Hause, der Plätze am Tische des Vaters nicht zu wenige seyn. Es ist noch Raum auch für dich, liebe Seele, die du so gern hin möchtest, und fürchtest, nicht angenommen zu werden, nicht kommen zu dürfen, kein Plätzchen zu finden. Es ist noch Raum für dich und so Viele du mitbringen willst; komm nur! Wäre auch kein Raum mehr, Gott könnte ihn wohl machen.

Und der Herr sprach zu dem Knechte: Gehe aus auf die Landstraßen und an die Zäune, und nöthige sie herein zu kommen, auf daß mein Haus voll werde. Wie hat doch der Herr die Leute so lieb, alle Leute, die Krüppel, die Lahmen, die Blinden, die an den Straßen und hinter den Zäunen - das sind doch die schlechtesten Leute, die ärmsten, die elendesten, die ungebildetsten, rohesten und meistens ungesittetsten - Und doch schickt Er Seinen Knecht gerade zu diesen, und will Sein Haus mit solchen füllen, Sein großes Abendmahl mit solchem Gesindel besetzen. Wenn auch unter den letzteren an den Straßen und Zäunen, nicht ausschließend die Heiden zu verstehen sind, so sind doch heidnische Christen, verwahrloste Getaufte gewiß auch mit verstanden. Kurz, der Herr nimmt Niemand aus; Er will Alle haben. Es versteht sich, daß sie nicht in ihrem eigenen, lumpigten oder schönen, geborgten oder erkünstelten Kleide kommen dürfen, sondern sich das Hochzeitskleid vom Herrn und Heiland, der das Abendmahl bereitet, und auch das Kleid dazu verdient und umsonst giebt, schenken lassen müssen. Alle diese Blinde, Verwahrloste, an Gerechtigkeit und Tugend Verarmte werden also durch Christi Verdienst neu bekleidet, umgeschaffen und tüchtig gemacht zum Erbe der Heiligen im Lichte, was ihnen von dem Knechte mit dem: „es ist Alles bereit,“ gleich angeboten wird. So können und sollen Heiden und Juden und Türken und Menschenfresser, und was sie immer sind, kommen, sie werden angenommen.

Das „nöthiget sie herein,„ heißt wohl nicht: prügelt sie herein, zieht sie an den Haaren herbei, sondern: brauchet alle Gewalt der Liebe und des Mitleidens, sie zu bereden und zu reizen; prediget das Wort, haltet an, es sey zu rechter Zeit oder zur Unzeit, strafet, drohet, ermahnet mit aller Geduld und Lehre. 2 Tim. 4,2. Was hat doch Gott davon, daß Er so um die Menschen wirbt, daß Er sie, diese schlechten Leute mit Allgewalt der Liebe haben will?- Er kann nicht anders, Er kann ohne uns nicht selig seyn - Liebe, lautere Liebe treibt Ihn - nicht, als wenn's an uns läge - nein, an Ihm, in Ihm liegt's - Er will lieben, selig machen; darum geht Er an die, welche es am meisten bedürfen und fühlen, daß sie unselig sind; weil Er bei ihnen am sichersten Seinen Zweck erreicht. Wenn dich Gott so nöthiget, wirst du dich ja nicht sträuben. Doch noch ein Wort ist übrig:

Ich sage euch aber, daß der Männer keiner, die geladen sind, mein Abendmahl schmecken wird. Die sich nicht bereden, nicht nöthigen ließen, sondern hartnäckig jeden Ruf und Einladung Gottes von sich wiesen, die sind dahingegeben in verkehrten Sinn. Wer sind die Geladenen? Gewiß die Kirchenleute, die im Alten Testamente durch die Beschneidung, und im Neuen durch die Taufe in den Bund Gottes aufgenommen wurden und werden. Diese haben das Vorrecht dazu, sind von Kindheit an geladen; und gerade diese widersetzen sich am meisten, und haben tausend Entschuldigungen, warum sie nicht kommen könnten. Ueber diese ist der Herr böse, und darum schickt Er in Seinem heiligen Zorn über diese Undankbaren, Seine Knechte nun zu den Heiden, um aus allen Völkern der Erde wenigstens Einige zu Seinem großen Abendmahl zu erhalten. Wie soll das alle Christen aufwecken, ernstlich danach zu trachten und zu fragen: Was muß ich thun, daß ich selig werde? da sie die Boten hinziehen sehn zu den Heiden. Denn es heißt: Viele werden kommen vom Aufgang und Niedergang - zum Abendmahl - und die Kinder des Reichs, die Geladenen, werden hinausgestoßen werden in die äußerste Finsterniß, wo Heulen und Zahnknirschen ist. Aus Allem in diesem Gleichnisse leuchtet nur Liebe heraus, die allerzudringlichste, herzlichste, ernstlichste Liebe und Bereitwilligkeit, Alle selig zu machen, Alle in den Himmel zu bekommen. Laßt uns doch an diese Liebe glauben; sie ist ja unsere Seligkeit; sie schlägt allen Zweifel nieder; sie erhebt das Gemüth hoch in den Himmel hin. Sie läßt uns in des Vaters Herz so tief wie möglich hineinschauen. Die Liebe Gottes zu den Menschen kann sich nicht schöner und deutlicher und mächtiger aussprechen - nicht anschaulicher machen. Laßt sie uns immer betrachten, vor Augen haben, und Andern vor die Augen malen; daß nicht nur wir, sondern noch recht Viele mit uns sich rufen lassen und kommen zum großen Abendmahl. O ihr Lieben! nehmet mit, wen ihr bekommt, vor Allem die Eurigen, die Verwandten und Nachbarn, und Alle, wo ihr sie findet, hinter den Zäunen und an den Straßen. Lasset Keinen zurück, nehmet euch Aller herzlich an, zur Freude des Vaters, zur Ehre und zum Lohne des Sohnes. Amen.

Wie wenig werden sich dort finden,
Spricht der verzagte Wankelmuth?
Doch ist die Zahl nicht zu ergründen,
Wie Vielen Gott die Gnade thut,
Daß sie sich zu der Wahrheit kehren,
Und zu der sel‘gen Schaar gehören.

Viel tausend, tausend sind erkoren,
Kein Volk hat hier das Vorzugsrecht;
Kein Ort, an welchem sie geboren,
Nicht ihre Sprache, noch Geschlecht
Kann sie darinnen unterscheiden,
Er rechnet auch dazu die Heiden.

Die Botschaft muß zu Allen kommen;
Denn die Erlösung ist gemein;
Wer sie im Glauben angenommen,
Der tritt in Christi Kirche ein,
Und hat nun Antheil an dem Bunde;
Denn die Verheißung liegt zum Grunde.

Der große Reichthum Seiner Güter,
Das süße Evangelium,
Beruft und reinigt die Gemüther,
Es schallet überall herum;
Und welche Gott darinn beschlossen,
Die werden Seine Hausgenossen.

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