Gerok. Karl - Vom christlichen Hausstande - 4. Predigt am Feiertag Johannes des Täufers.
(1846.)
Matth. 14,1-12.
Zu der Zeit kam das Gerüchte von Jesu vor den Vierfürsten Herodes. Und er sprach zu seinen Knechten: dieser ist Johannes, der Täufer; er ist von den Toten auferstanden, darum tut er solche Taten. Denn Herodes hatte Johannem gegriffen, gebunden und in das Gefängnis gelegt von wegen der Herodias, seines Bruders Philippus Weib. Denn Johannes hatte zu ihm gesagt: es ist nicht recht, dass du sie hast. Und er hätte ihn gerne getötet, fürchtete sich aber vor dem Volk; denn sie hielten ihn für einen Propheten. Da aber Herodes seinen Jahrestag beging, da tanzte die Tochter der Herodias vor ihnen. Das gefiel Herodes wohl; darum verhieß er ihr mit einem Eide, er wollt ihr geben, was sie fordern würde. Und als sie zuvor von ihrer Mutter zugerichtet war, sprach sie: gib mir her auf einer Schüssel das Haupt Johannes des Täufers. Und der König ward traurig; doch um des Eides willen, und der, die mit ihm zu Tische saßen, befahl er's ihr zu geben und schickte hin und enthauptete Johannes im Gefängnis. Und sein Haupt ward hergetragen in einer Schüssel und dem Mägdlein gegeben, und sie brachte es ihrer Mutter. Da kamen seine Jünger und nahmen seinen Leib und begruben ihn und kamen und verkündigten das Jesu.
Das scheint keine erbauliche Geschichte, an der wir uns heut erbauen sollen, diese blutige Mordgeschichte in der Burg des Herodes. Die Natur draußen ist jetzt so schön, das Jahr steht in seiner höchsten Blüte; lauter Lust und Leben ist auf den Bergen und in den Tälern, auch unser Herz erfreut sich dieser fruchtbaren, herrlichen Sommerzeit; und mitten in dieser Sommerlust und Blütenpracht wird uns vorgehalten das blutige Haupt des Täufers in einer Schüssel. Hätte man da nicht einen friedlicheren Text wählen sollen für diese fröhliche Zeit? Wie viel lieblicher klingt da das Evangelium des ersten Jahrgangs auf den heutigen Feiertag, die Geschichte von der Geburt des Johannes und vom begeisterten Lobgesang seines Vaters Zacharias. Wer hätte damals, als die Freunde des Hauses staunend fragten: was meinst du, will aus dem Kindlein werden? wer hätte damals an seiner Wiege geahnt, dass dieser gottgeschenkte Sohn einst so blutig enden sollte?
Es gibt Leute, die überhaupt solche Mordbilder und Sündengeschichten hinauswünschten aus der Bibel. Was tun, so fragt man, solche unheilige Gräuel im heiligen Buch? Was sollen sie vollends auf der Kanzel? Kann man sich daran auch erbauen, kann man daraus auch etwas Gutes lernen? Aber, liebe Freunde, wenn die heilige Schrift nur von lauter Heiligen und Tugendmustern uns erzählte, wäre sie dann ein Spiegel des menschlichen Herzens; wäre sie dann ein Wegweiser durch diese arge Welt; wäre sie dann eine Warnerin vor der Sünde? Wenn man die Sünde nicht auf die Kanzel bringen dürfte: könnte man dann predigen für die Welt, wie sie ist und wie sie es braucht? Unsere Kanzeln stehen ja nicht in den Wolken des Himmels, zwischen den Chören anbetender Engel, sondern mitten in einer sündenvollen Welt! Und gerade heut, am Gedächtnistag des großen Bußpredigers, welcher der Welt ihre Sünde vorgehalten hat mit so scharfen, zweischneidigen Worten, gerade heute dürfen wir uns am allerwenigsten wehren, wenn man uns an die Sünde mahnt und sie uns vorhält in ihrer schrecklichen Gestalt. So lasst uns denn immerhin hereintreten in den Palast des Herodes und sehen, wie es da hergeht zwischen den marmornen Wänden, hinter den purpurnen Vorhängen:
Ein von der Sünde zerrüttetes Haus ist's, was wir da erblicken und betrachten wollen als warnendes Beispiel. Wir sehen;
- die heiligsten Liebesbande sind da gelöst;
- die süßesten Lebensfreuden sind da vergiftet;
- die schönsten Herzensanlagen werden da verdorben;
- der edelste Gottessegen geht da zu Grunde.
Gibst Du uns irdisch Glück ins Haus,
Herr, schließ den Stolz, die Weltlust aus,
Des Reichtums böse Gäste;
Denn wenn das Herz von Demut leer
Und voll von eitler Weltlust wär,
So fehlte uns das Beste:
Jene schöne,
Tiefe, stille Gnadenfülle,
Die mit Schätzen
Einer Welt nicht zu ersehen. Amen. `
Ein von der Sünde zerrüttetes Haus, meine Lieben, sehen wir in unserem Texte; zerrüttet ist's von der Sünde, denn
1) die heiligsten Liebesbande sind da gelöst.
Die heiligsten Bande des Bluts. Eine ganze hochgeborene Familie finden wir da beisammen: den Fürsten Herodes und seine Gemahlin Herodias nebst deren Prinzessin Tochter: Gatte, Gattin und Kind, Alles, was zu einem schönen Familienkreise gehört. Aber wenn man näher hineinsieht in diesen Familienkreis, wie sieht's zwischen diesen Blutsverwandten aus, wie sind da die heiligsten Bande von der Sünde zerfressen! Da ist ein Gatte und doch kein Gatte, sondern ein Ehebrecher! da ist eine Gattin und doch keine Gattin, sondern eine Buhlerin! Da ist eine Mutter und doch keine Mutter, sondern eine Verführerin ihres Kindes! „Denn Herodes hatte Johannem ergriffen, gebunden und in das Gefängnis gelegt von wegen der Herodias, seines Bruders Philippi Weib. Denn Johannes hatte zu ihm gesagt: es ist nicht recht, dass du sie hast.“ Sie waren nicht ehrlich zusammengekommen, diese zwei Leute; die Sünde hatte sie zusammengeführt, die heiligsten Bande waren zerrissen worden, Herodes war an seinem Bruder Philippus zum Verräter, Herodias war an ihrem rechtmäßigen Gatten zur Ehebrecherin geworden, und so lebten sie nun zusammen, durch nichts verbunden, als durch die böse Lust. Und wie das heilige Eheband entweiht ist in diesem verbrecherischen Haus: so auch das heilige Band zwischen Mutter und Kind. Und als sie zuvor von ihrer Mutter zugerichtet war, sprach sie: „gib mir her auf einer Schüssel das Haupt Johannes des Täufers.“ Sagt, ist das eine Mutter, die ihr Kind zurichtet zu solch gräulichen Gelüsten? die ein zartes Mädchen herabwürdigt zur blutigen Henkerin, zur Dienerin und Handlangerin ihrer Bosheit und Rachsucht? Statt dass sie ihr Kind wohltun lehrt, lehrt sie's fluchen und verderben, statt dass sie's zu allem Guten aufzieht, richtet sie's ab zum Verbrechen.
Ihr schaudert und zürnt! Aber o blickt hinein auch unter uns in so manches von der Sünde zerrüttete Haus, sei's ein vornehmes oder ein geringes, wie da zerrissen sind die heiligsten Bande des Bluts! Seht, wie da Mann und Weib einander nicht mehr achten, einander nicht mehr lieben können, weil sie nur durch die Sünde, nur durch ein böses Gewissen mit einander verbunden sind. Man heißt vor der Welt noch Mann und Frau, aber insgeheim geht jedes seine eigenen bösen Wege. Man wohnt noch zusammen und ist noch zusammen, aber innerlich sind die Herzen geschieden, ja vielleicht auch äußerlich kommt der innere Zwiespalt zu Tag in Zank und Streit, in Scheltwort und Schlägen. Seht, wie dann da das Kind die Eltern nicht mehr ehren kann, weil es nur Böses von ihnen sieht und hört. Wie da die Eltern ihre Kinder, statt sie aufzuziehen in der Zucht und Vermahnung zum Herrn, wild aufwachsen lassen in aller Unart und Sünde, ja zur Sünde, zum Lügen und Betrügen, zum Betteln und Stehlen, zum Fluchen und Lästern, und Gott sei's geklagt, zu welchen andern Sünden noch anhalten und zurichten durch Wort und Beispiel! O es gibt nichts Schöneres, nichts Heiligeres und Seligeres auf Erden, als eine Familie, wo Mann und Weib, wo Eltern und Kinder mit einander verbunden sind in der Furcht des Herrn, und Eins das Andere sucht mit sich in den Himmel zu bringen: da ist eine Hütte Gottes bei den Menschen. Aber wehe dem Haus, wo man Gott vergisst und der Sünde dient; da werden die heiligen Bande der Liebe zu Stricken der Versuchung und Verführung, oder zu lästigen Ketten, die man murrend von einem Tag zum andern schleppt, wo nicht gar frevelhaft zerreißt; da werden die, welche einander zu tröstenden Begleitern durchs Erdenleben, ja zu Gehilfen der ewigen Seligkeit bestimmt sind, Eins dem Andern zum Plagegeist und zum Seelenverderber!
Und nicht nur die heiligsten Bande des Bluts, auch die heiligsten Bande der Religion werden in einem solchen Hause zerrissen. Im Palaste des Herodes sitzt ein Gefangener, Johannes der Täufer, der Prophet Gottes. Warum ist er gefangen? Weil er zum Fürsten gesagt hatte: es ist nicht recht, dass du deines Bruders Weib hast. Darum war der König dem Propheten Gottes feind geworden, die Sünde und die Wahrheit vertragen sich nicht miteinander. Noch ist's zwar nicht ganz zerrissen, das heilige Band der Ehrfurcht vor dem Mann Gottes und vor dem Wort Gottes. Herodes fürchtet den Täufer noch, obwohl er sein Gefangener ist, er wird traurig, da er den Mordbefehl geben soll, aber umsonst; das Böse gewinnt doch die Oberhand, das eigene königliche Wort geht dem Worte Gottes vor. Der heilige Mann, der geistliche Ratgeber, der Prophet Gottes wird aufgeopfert, sein Haupt muss fallen. Ja, wo die Sünde herrscht in einem Haus, da gelten die heiligsten Bande der Religion am Ende nichts mehr. Da kann man keinen redlichen Freund mehr brauchen, der einem die Wahrheit sagt, man nimmt's ihm übel, es gibt Verdruss, man wird ihm fremd. Da mag man keinen Prediger mehr hören, keinem Seelsorger mehr begegnen, man weicht ihm aus, man vergisst seine Lehren, man verachtet seinen Zuspruch, man sagt sich los von Kirche und Altar. Da mag man die Bibel nicht mehr ansehen, den treuesten Freund und Warner, sie liegt im Winkel. Die heiligsten Bande der Religion werden zerrissen, wo das Haus zerrüttet ist durch die Sünde. Und wenn's einmal dahin gekommen ist im Hause, wenn kein redlicher Freund mehr warnen darf, wenn das Wort der Wahrheit, Gottes Wort, sich nicht mehr darf hören lassen, dann fahr hin, Glück und Heil! Dann ist der gute Engel vom Hause gewichen. Dann ist der letzte Riegel weg und Tür und Tor stehen weit offen der Sünde und dem Verderben. Denn dann gilt auch das Andere:
2) Auch die süßesten Freuden sind vergiftet in einem durch die Sünde zerrütteten Haus.
Ein Fest ist in Herodes Haus. Er begeht seinen Jahrestag, er feiert sein Geburtsfest, und solch ein Tag ist ein Freudentag im Haus für Alt und Jung, wenn der Vater des Hauses seinen Jahrestag feiert im Kreise der Seinen, wenn die Mutter ihm ihre herzlichen Wünsche, wenn die Kinder ihm ihre kleinen Gaben bringen, wenn Alle zusammen dem Vater im Himmel danken für Seine Behütung und Bewahrung, für Seinen Schutz und Segen, und Alt und Jung einstimmt, wie's in einem Geburtstagslied heißt: Liebe, wie vergelt ich's Dir, was Du Guts getan an mir!
Ja, die süßesten Lebensfreuden sind die häuslichen Freuden; unter dem niedrigsten Dach werden da selige Feste gefeiert in einem Hause, wo die Furcht Gottes obenan sitzt bei Tische. Aber wo die fehlt, wo die Sünde herrscht im Haus, da werden auch die Feste entweiht, die Freuden vergiftet. Wie feiert Herodes seinen Jahrstag? mit Gebet und Dank gegen Gott? Davon lesen wir nichts, sondern nur von einem üppigen Festmahl. Und was ist das Ende dieses Festes? Sünde und Gräuel! Das Haupt des Täufers auf einer Schüssel hergetragen, das ist der blutige Nachtisch; Gewissensbisse, eine lastende Blutschuld, das ist der bittere Nachschmack des Festes. Seht, so geht's mit den Festen der Sünder, mit den Freuden der Gottlosen. Da weiß man nichts von einer Freude in dem Herrn: Essen und Trinken, Augenlust und Fleischeslust, Hoffart und Üppigkeit - das ist die einzige Freude, die man kennt. Faules Geschwätz und leichtfertiges Gelächter, oder gar Zank und Streit, das ist die einzige Würze des Mahls, Missmut und Ekel, wo nicht gar blutige Köpfe und Brandmale im Gewissen, das sind die Nachwehen des Festes.
An seinen Freuden erkennt man den Mann, wes Geistes Kind er ist; an seinen Festen sieht man ein Haus, wie es ist; die Freude macht den Rat der Herzen offenbar. Liebe Freunde dürfte man bei euren Festen immer zugegen sein? Kann sich Gott, können sich die Engel im Himmel mitfreuen bei euren Sonn- und Feiertagsgenüssen, bei euren Hochzeitfesten, bei euren Geburtstagsfreuden, bei euren Taufschmäusen, bei euren Konfirmationsmahlzeiten, bei euren Weihnachtsbescherungen, bei euren Neujahrsnächten, bei euren Sommerlustfahrten und. Wintergesellschaften? Wo das Haus, wo das Herz von Sünde zerrüttet ist, da werden auch die Freuden vergiftet, werden Sündenfreuden, wie des Herodes Geburtstagsfreude.
Und wie seine Vaterfreude. „Die Tochter der Herodias tanzte vor ihnen, das gefiel dem Herodes wohl.“ Es gibt ja nichts Edleres und Süßeres als eine reine Elternfreude, wenn das Auge des Vaters mit Wohlgefallen ruht auf seinem Kinde, wenn er sich freut über eine selbstverfertigte Gabe, die es ihm zum Feste bringt, über ein neues Sprüchlein, das es in der Schule gelernt, über sein Wachstum an Alter und Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen. Aber wo Sünde das Haus und das Herz zerrüttet hat, da werden auch diese Freuden hohl, eitel, sündhaft. Womit hat das Mädchen des Stiefvaters Herz so bezaubert? Hat sie ihm einen schönen Glückwunsch überbracht? Hat sie ihn mit einem selbstgemachten Gewand beschenkt zu seinem Geburtstag? Nein „sie tanzte vor ihnen.“ Schwerlich ein sehr züchtiger Tanz, wenn er einen Herodes entzückte! War doch schon das Erscheinen in einer männlichen Tafelgesellschaft einem ehrbaren Mädchen unanständig nach der Sitte des Morgenlands. Aber daran stößt man sich nicht mehr in eines Herodes Haus. Das sind die eitlen Freuden törichter Herzen. So freut sich eine eitle Mutter über das schmucke Gesicht ihres Töchterleins und nährt dessen Eitelkeit durch Putz und Staat, anstatt seine Seele zu bilden und zu schmücken, und prunkt mit ihm in Gesellschaften, statt es zu erziehen zu einer fleißigen Hausfrau. So ist ein törichter Vater stolz auf die wilden Streiche seines Sohnes und preist sie als Zeichen von Witz und Mut, statt ihn aufzuziehen in der Zucht und Vermahnung zum Herrn. Ja, putzt nur, ihr verblendeten Eltern, an euren Kindern und verwahrlost ihre Seele darüber: ihr putzt sie auf zum Opfer der Wollust und Sünde; zärtle mit deinem Kinde, so musst du dich hernach vor ihm fürchten, spiele mit ihm, so wird es dich hernach betrüben.
Betrüben, wie die Tochter der Herodias ihren Vater betrübte, als sie sprach: gib mir das Haupt des Johannes. So schön tanzen und so furchtbar reden! So ein liebliches Gesicht und so ein grausames Herz! - Das ist ein schlimmes Ende der Vaterfreude! Und das ist das Ende von tausend Vater und Mutterfreuden: wenn sie lange genug gezärtelt haben am Kind ohne Zucht und Vermahnung zum Herrn, und sich seiner gerühmt und gefreut, was kommt am Ende zum Vorschein: ein schlechtes Herz, ein missratenes Kind, ein verlorener Sohn, eine gefallene Tochter. Wer Ohren hat zu hören, der höre! Die süßesten Freuden sind vergiftet in einem von Sünde zerrütteten Haus.
3) Selbst die schönsten Herzensanlagen werden da verdorben.
Seht das zuerst an Herodes. Dieser Fürst erscheint ja in unserer Erzählung keineswegs ohne alle edleren Anlagen und besseren Regungen. Schon während er den Täufer gefangen hielt, lesen wir beim Evangelisten Markus, fürchtete er Johannem, denn er wusste, dass er ein frommer und heiliger Mann war, und gehorchte ihm in vielen Sachen und hörte ihn gerne. Also Herodes war nicht ohne Sinn für die Wahrheit, nicht ohne Ehrfurcht vor Gottes Wort. Und dann in unserem Text, nachdem er das unbesonnene Wort gegeben und die entsetzliche Bitte vernommen: gib mir her auf einer Schüssel das Haupt Johannis des Täufers, da heißt's: „Und der König ward traurig. Doch um des Eides willen und derer, die mit ihm zu Tische saßen, befahl er, es ihr zu geben und schickte hin und enthauptete Johannes im Gefängnis.“ Er ward traurig; also sein Gewissen regte sich, sein Gefühl sträubte sich, mitten im Übermut seiner Tischlaune überkommt ihn eine menschliche Rührung. Und wenn er nicht mehr glaubt zurückzukönnen, weil er sein Wort gegeben, einen Eid geschworen: liegt nicht auch da noch eine edle Regung zu Grund? Versprechungen müssen ja gehalten werden, Worthalten ist ja königlich! Ja, wenn nur nicht auch diese seine Tugend ihm zum Verbrechen würde! Auch darauf liegt der Fluch der Sünde. Weil er sein Herz gehängt hat an jenes buhlerische Weib, weil er in der Tischlaune leichtsinnig sein königliches Wort verpfändet mit einem Eid, darum ist er jetzt in seine Sünde verstrickt, darum kann er nicht mehr heraus, sein besseres Ich muss schweigen und auch sein Worthalten wird zur Sünde! Ja, hätte er sich nicht der Sünde verkauft, wäre ihm nicht in seinem leichtfertigen Leben der wahre Maßstab ganz abhanden gekommen für Gut und Böse, für Recht und Unrecht, für Pflicht und Ehre: auch jetzt noch hätte er zurück können, lieber hätte er seinen Eid zurückgenommen und sich geschämt vor Allen, die dabei saßen, als unschuldig Blut vergossen. Aber weil er schon zu tief drin ist in den Netzen der Sünde, darum kann er nicht mehr zurück, er muss vorwärts von Sünde zu Sünde. Und so steht er da mit dem Schein eines Königs, dem sein Wort heilig ist, und doch innerlich im Herzen ein Schwächling, der einem leichtfertigen Kind nicht zu widersprechen wagt; so wird er mit all seinen edlen Anlagen und fürstlichen Gedanken dennoch ein gewissenloser Tyrann, ein blutiger Mörder.
Aber so geht's allenthalben, wo die Sünde herrscht in einem Haus: auch die scheinbaren Tugenden werden zum Laster, auch die edleren Anlagen gehen da zu Grund. Da ist ein Mann: er wäre im Grund seines Herzens nicht so schlimm, er hat seine guten Seiten, seine weichen Stunden, seine rechtschaffenen Grundsätze. Aber weil zu dem Allem das rechte Fundament fehlt, die Furcht des Herrn, das rechte Licht fehlt, das Licht aus Gottes Wort, die rechte Leitung fehlt, die Zucht des heiligen Geistes, darum kommt auch bei diesen besseren Anlagen nichts Gutes heraus, ja die scheinbare Tugend wird zur Sünde. Die Liebe zu Weib und Kind wird zur schmählichen Nachgiebigkeit, oder die Festigkeit und Konsequenz wird zum Eigensinn und zur Tyrannei, oder das männliche Ehrgefühl wird zur falschen Scham, da man es für Schande hält, einen Fehler einzugestehen und umzukehren von einem falschen Weg. Dort ist eine Frau: nur mit der innigsten Wehmut kann man sie anblicken, wenn man denkt, was sie einst war und was aus ihr hätte werden können. Sie hat ein frommes Herz, ein sanftes Gemüt, eine für alles Gute empfängliche Seele mit in die Ehe gebracht; aber sie war nicht fest genug im Guten, nicht treu genug ihrem Gott und Heiland, nicht stark genug zu halten, was sie hatte, dass Niemand ihre Krone raube. Und so ist sie nun eitel und vergnügungssüchtig worden im Umgang mit einem weltlich gesinnten Mann, oder sie ist eine Zänkerin worden in einer unglücklichen Ehe, oder sie ist matt, stumpf, geistig tot geworden unter den Misshandlungen eines rohen Mannes und schleppt mutlos, fühllos, trostlos ihr trauriges Leben dahin. So gehen auch edle Anlagen zu Grund in einem vom Geiste Gottes verlassenen, von der Sünde zerrütteten Haus.
Seht davon noch ein Beispiel an der Tochter der Herodias. Da habt ihr ein lenksames Kind, das dem Vater zu gefallen sucht, von der Mutter sich raten und zurichten lässt. Ist das nicht Gehorsam, kindlicher Gehorsam? Aber weg mit einem solchen Gehorsam, der wider Gottes Gebot ist, der sich zur Sünde missleiten, zum Bösen missbrauchen lässt! Weg mit aller Weltfreundschaft, die Feindschaft ist wider Gott! Weg mit aller Menschengefälligkeit, die wider das Gewissen geht! Ach, es gibt freilich auch heute noch arme Kinderseelen, die ratlos stehen zwischen dem Gehorsam gegen ihre gottlosen Eltern und zwischen dem Gehorsam gegen Gott. Wehe, wehe den Eltern, die ihre Kinder in solche Gewissensnot bringen, wo Gehorsam Sünde ist; die eine, von Gott ihnen anvertraute, reine, schuldlose, weiche, für alles Gute empfängliche Kinderseele mit ihren schmutzigen Händen verderben, missbilden und ihrem Schöpfer zu Grunde richten! Und wehe dem jugendlichen Herzen, das da nicht fest ist in dem Gebot: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen, nicht fest in der Wahrheit: Was hilft es dem Menschen, so er die ganze Welt gewänne, aller Welt Lob und aller Welt Lust - und nähme doch Schaden an seiner Seele! Ja, was hilft es dem Menschen! Wo die Sünde das Haus zerrüttet hat, da ist kein Heil und keine Hilfe.
4) Der edelste Gottessegen geht da verloren.
Welchen Gottessegen hatte Herodes im Hause mit dem Täufer Johannes! Wie hätte der ihm und seinem ganzen Haus ein Prediger der Gerechtigkeit werden können, ein Führer zu Christo, ein Wegweiser zur Seligkeit! Und wie unverantwortlich ist er mit diesem Segen umgegangen und hat sich selbst um Frieden, Ruhe und Ehre gebracht! Das war nun freilich eine süße Augenweide für die Herodias, als sie das bleiche Haupt des Propheten auf der Schüssel sah, starr das Auge, vor dessen heiligem Ernste sie so oft den schuldbewussten Blick hatte senken müssen, stumm der Mund, der ihr so bittere Wahrheiten gesagt. Auch Herodes wird sich vielleicht Glück gewünscht haben, dass er nun des lästigen Hofpredigers los sei. Aber kurzer Triumph! Nun war der Segen hinweg aus dem Haus. Nun erst war der König arm geworden, recht arm, denn nun hatte er den gemordet, der ihm allein noch zum Heil hätte helfen können. Nun fehlte die Stimme der Wahrheit, die warnende, ratende, mahnende Stimme des göttlichen Worts. Glaubt nur nicht, Freunde, wenn ihr euch das Wort Gottes vom Halse geschafft habt, wenn ihr das Gewissen zum Schweigen gebracht, wenn ihr euch von Christentum und Religion losgesagt, glaubt nur nicht, dass dann viel gewonnen sei! Nein, dann ist das Beste verloren, der höchste Segen: die Stimme der Wahrheit. Und wenn er auch lästig ist, der Bußprediger hier in Gottes Wort und der Bußprediger da drinnen in euren Herzen, wenn er auch oft bittere Wahrheiten sagt, er ist doch ein Segen; so lang man ihn noch hat und hört, ist noch nicht Alles verloren. Aber wenn er weg ist, wenn ihm das Haupt abgeschlagen ist, dann ist dem Hause sein Schutzgeist genommen, dann steht man da ratlos und trostlos in tiefer Nacht, dann geht man hin mit blinden Augen, dem Verderben entgegen. Wo Sünde das Haus zerrüttet hat, da ist der edelste Gottessegen vernichtet, die Stimme der Wahrheit ist zum Schweigen gebracht.
Und der Friede eines guten Gewissens ist dahin. „Zu der Zeit kam das Gerüchte von Jesu vor den Vierfürsten Herodes. Und er sprach zu seinen Knechten: dieser ist Johannes der Täufer: er ist von den Toten auferstanden, darum tut er solche Taten.“ O diese Rede des Herodes lässt uns tief hineinblicken in ein geängstetes, von Gewissensbissen umgetriebenes Herz. Wohl hatten die Jünger Johannis dessen Leib begraben und der edle Geist des treuen Zeugen der Wahrheit war eingegangen zu seines Herrn Freude. Aber sein Andenken, das ließ dem Mörder keine Ruhe, das trieb ihn um bei Tag und bei Nacht, darum meinte er, Johannes sei wieder auferstanden. So geht's dem Sünder. Das misshandelte Gewissen rächt sich durch Todesfurcht und Höllenangst. Das verabschiedete Wort Gottes verfolgt ihn doch immer wieder. Die Ruhe ist weg aus dem Herzen, und wär's ein königliches Herz; der Friede ist fort aus dem Haus, und wär's ein fürstlicher Palast. Davor behüt uns Gott in Gnaden; Er lehre uns tun nach seinem Wohlgefallen, Sein guter Geist führe uns auf ebener Bahn!
So soll uns denn der große Bußprediger Johannes auch durch seinen Tod noch vor der Sünde warnen und uns zurufen: Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; so soll er als ein rechter Vorläufer des Herrn auch durch sein Sterben uns dem in die Arme führen, der allein Friede und Freude, Heil und Segen in ein Haus bringen kann, dem Menschenfreund und Sünderheiland Jesus Christus!
Wohl einem Haus, wo Jesus Christ Allein das All in Allem ist!
Ja, wenn er nicht darinnen wär, Wie finster wär's, wie arm und leer!
Wohl, wenn der Mann, das Weib, das Kind Im rechten Glauben einig sind,
Zu dienen ihrem Herrn und Gott Nach seinem Willen und Gebot!
So mach ich denn zu dieser Stund Samt meinem Hause diesen Bund:
Wich alles Volk auch von ihm fern - Ich und mein Haus stehn bei dem Herrn! Amen.