Gerok. Karl - Vom christlichen Hausstande - 3. Predigt am Feiertag Johannis des Täufers.
(1847.)
Luk. 1, 57-80.
Und Elisabeth kam ihre Zeit, dass sie gebären sollte, und sie gebar einen Sohn. Und ihre Nachbarn und Freunde hörten, dass der Herr große Barmherzigkeit an ihr getan hatte, und freuten sich mit ihr. Und es begab sich am achten Tage, kamen sie zu beschneiden das Kindlein und hießen ihn nach seinem Vater Zacharias. Aber seine Mutter antwortete und sprach: mitnichten, sondern er soll Johannes heißen! Und sie sprachen zu ihr: ist doch Niemand in deiner Freundschaft, der also heiße! Und sie winkten seinem Vater, wie er ihn wollte heißen lassen? Und er fordert ein Täfelein, schrieb und sprach: er heißt Johannes. Und sie verwunderten sich Alle. Und alsbald ward sein Mund und seine Zunge aufgetan, und redete und lobte Gott. Und es kam eine Furcht über alle Nachbarn; und diese Geschichte ward alle ruchbar auf dem ganzen jüdischen Gebirge. Und Alle, die es hörten, nahmen's zu Herzen und sprachen: was meinst du, will aus dem Kindlein werden? Denn die Hand des Herrn war mit ihm. Und sein Vater Zacharias ward des heiligen Geistes voll, weissagte und sprach: gelobt sei der Herr, der Gott Israel, denn er hat besucht und erlöst sein Volk, und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils in dem Hause seines Dieners David, als er vor Zeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten, dass er uns errettete von unsern Feinden und von der Hand Aller, die uns hassen, und die Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern, und gedächte an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat unserem Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand unserer Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig ist. Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen, du wirst vor dem Herrn hergehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gibst seinem Volk, die da ist in Vergebung ihrer Sünden durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch welche uns besucht hat der Aufgang aus der Höhe, auf dass er erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Und das Kindlein wuchs und ward stark im Geist, und war in der Wüste, bis dass er sollte hervortreten vor das Volk Israel.
Ein neugeborenes Kindlein ist's, zu dessen Betrachtung wir heute versammelt werden, und das die Hauptperson bildet in unserem feiertäglichen Evangelium. Kindlein treten gar oft als Hauptpersonen auf in der heiligen Schrift und werden dargestellt als Gefäße der göttlichen Gnade, als Gaben der göttlichen Liebe. Denkt an die Verheißung des Knaben Isaak, an den Knaben Moses im Kästlein, an den Knaben Samuel, an die Kindlein auf Jesu Schoß, an das Jesuskind selber. Welche freundliche Bilder, welche liebliche Familiengeschichten führt da die Schrift an uns vorüber. Es ist das auch ein Beweis der Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, dass Er in Seinem Worte, wo es sich um so große, ernste, gewaltige Dinge handelt, Himmel und Hölle, Schöpfung und Erlösung, Sünde und Gnade, sich doch so liebreich auch den Kleinen zugetan hat, und Seine Gnade offenbart in Elternglück und Kindersegen. Und wiederum ist es ein Beweis von der Heiligkeit des Familienlebens, und wie hoch diese Dinge, Hausstand und Ehestand, Kindereinfalt und Elternliebe, in Gottes Augen geachtet sind, dass die Schrift mit so sichtbarem Wohlgefallen bei solchen Familiengeschichten verweilt.
Auch wir, meine Lieben, haben gewiss Alle unser Wohlgefallen dran, wenn uns die Schrift in so ein freundliches, frommes Hauswesen hineinschauen lässt, wie das des Zacharias, und der Elisabeth mit ihrem Kindlein Johannes; mir wenigstens, dem der Herr erst in diesen letzten Tagen Seine Freundlichkeit hat kund getan, ähnlich wie dort im Hause des Zacharias, werdet ihr zu gut halten, wenn ich heute gern einstimme in den Lobgesang jenes priesterlichen Vaters: gelobt sei der Herr, der Gott Israel! und ihr, meine Lieben, werdet auch gern im Geiste Teil nehmen an dem frommen Familienfest, von dem da unser Evangelium uns berichtet, sei's, damit ihr dabei dankbar denkt an euer eigenes Glück, oder damit ihr daraus lernt, wie es hergehen soll in einer christlichen Familie, oder damit ihr bei solchem Anblick ein wenig vergesst euer eigenes Leid daheim und Trost holt für häusliche Sorgen.
Das Kindlein Johannes und die Seinen oder
eine fromme Familie in ihrem Glück,
das sei nach Anleitung unseres Textes der Gegenstand unserer Betrachtung. Wir fassen dabei ins Auge:
- die Mutter in ihrer Freude,
- den Vater mit seinem Lobgesang,
- das Kindlein und sein Gedeihen.
O selig Haus, wo man die lieben Kleinen
Mit Händen des Gebets ans Herz Dir legt,
Du Freund der Kinder, der sie als die Seinen
Mit mehr als Mutterliebe hegt und pflegt;
Wo sie zu Deinen Füßen gern sich sammeln,
Und horchen Deiner süßen Rede zu,
Und lernen früh Dein Lob mit Freuden stammeln,
Sich Deiner freu'n, Du lieber Heiland, Du! Amen.
Eine fromme Familie in ihrem Glück, meine Lieben, führt uns unser Evangelium vor, und da wollen wir
1)
ins Auge fassen die Mutter in ihrer Freude, mit ihrem Kindlein auf den Armen, mit ihren Freundinnen im Kreise, mit ihrem Gott im Herzen.
Seht die Mutter Elisabeth in ihrer Freude mit ihrem Kindlein auf den Armen. „Und Elisabeth kam ihre Zeit, dass sie gebären sollte, und sie gebar einen Sohn.“ Das sind wenig schlichte Worte, und doch welch eine Fülle von Freuden, welch ein Himmel von Wonne liegt darin verborgen. Wer schon eine Mutter gesehen hat, wie sie ihr Neugeborenes in den Armen hält mit stiller Wonne, wie aller Schmerz vergessen ist, weil es nun da ist, wie sie es anblickt mit Augen, strahlend von Stolz und Freude und herzinniger Liebe - ja wer selber schon das kostbarste Geschenk der Erde, womit die ewige Liebe uns erfreuen kann, ein Kindlein hat in den Armen gewiegt, der kann sich gewiss die würdige Mutter Elisabeth vorstellen in ihrer Freude mit dem Kindlein in den Armen, kann sich die Wonne und Seligkeit denken, mit der sie dasaß, als nun ihre Armut zum Reichtum, ihre Schmach zur Ehre, ihre Sehnsucht zur Befriedigung, ihre Hoffnung zur Erfüllung, ihr Schmerz zur Freude, ihr Lebens-Herbst wieder zum Frühling geworden war durch dies Herbströslein, das ihr so spät noch aufgeblüht.
Und wen unter uns der Herr gesegnet hat mit einer ähnlichen Gabe, der freue sich seines Glücks und danke dem Vater, von dem alle gute Gabe kommt; und wem Sorgen die Seele verdüstern, der schaue auf seine blühenden Kleinen, die können uns oft werden zu Tröstern und Sorgenbrechern; in ihren hellen Augen kann auch dein Auge sich erheitern, auf ihren roten Wangen werden auch dir wieder Freudenrosen blühen, ihre lachenden Gesichter können auch dir das finstere Herz wieder fröhlich machen. Und wem die Not und der Mangel auch diese Freude verbittern, wem seine Kinder bittere Sorgen machen, statt Sorgen zu stillen, wem diese Gaben Gottes zu einer Last werden wollen, statt zu einer Lust - der hoffe auf den Herrn und glaube, dass der, der diese Gaben geschenkt, sie auch wird helfen erhalten, der seine Freundlichkeit gezeigt durch ihre Geburt, auch Barmherzigkeit an ihnen tun wird ihr Leben lang. Das soll uns die Mutter Elisabeth lehren in ihrer Freude mit ihrem Kindlein auf den Armen.
Und mit ihren Freundinnen im Kreise. „Und ihre Nachbarn und Freunde hörten, dass der Herr große Barmherzigkeit an ihr getan hatte und freuten sich mit ihr.“ Das ist ja heute noch so: wo in einem Hause Freude widerfahren ist und ein neuer Erdengast eingekehrt, da füllt sich das Haus von teilnehmenden Freunden und neugierigen Nachbarn. Und vollends Elisabeth mit ihrem Kind: die Priestersfrau, die bejahrte Frau, die Unfruchtbare bisher, die fromme Frau, bei Vielen beliebt und geachtet, wie werden sie da gelaufen sein an ihr Bett, die Nachbarn und Freunde, um selber zu sehen, ob's denn wahr sei, um der Mutter Glück zu wünschen und guten Rat zu geben, um das Wunderkind zu bewundern, wie es so stark sei, und zu loben, wie es der ähnliche Vater sei, und zu prophezeien, was aus ihm werden solle! Nun, die guten Leutlein haben freilich nicht prophezeit und nicht geahnt, was aus diesem Kindlein werden würde, dass aus dieser Wiege hervorgehen sollte ein Prophet des Höchsten, ein zweiter Elias, ein Vorläufer des Heilands, ein Zuchtmeister von Königen, ein Märtyrer der Wahrheit. Aber es ist doch lieblich, was von ihnen geschrieben steht: „sie freuten sich mit ihr.“ Es wird wohl eine aufrichtige Freude gewesen sein und nicht jene heuchlerische, wo man, nachdem man den Leuten allerlei Schönes ins Gesicht gesagt, auf dem Heimweg die Stiege hinab mit einander spottet und lästert und lieblose Anmerkungen macht; es wird eine tätige Teilnahme gewesen sein, und nicht bloß Neugierde und Langeweile eine Stunde zu verschwätzen in der Wochenstube; es wird eine fromme Freude gewesen sein, die dem Herrn die Ehre gab über Seine Barmherzigkeit und sich nicht bloß kund gab in lustigen Scherzen und so sollen denn diese Leutlein uns lehren: freut euch mit den Fröhlichen; sollen uns die uneigennützige Liebe lehren, die da Teil nimmt am Glück des Nächsten, als wär's das eigene Glück, und ihm durch ihre Teilnahme seine Freude erhöht, statt sie ihm neidisch zu verbittern und zu verkleinern; die tätige Liebe, die gern bei der Hand ist mit Rat und Tat; die fromme Liebe, die dem Herrn die Ehre gibt über alle Barmherzigkeit, die Er an dem Nächsten tut. Ja, allenthalben, wo der Herr etwas Großes getan und ein Haus heimgesucht hat mit Seiner Gnade und Erbarmung, da sollte sich ihm eine Gemeinde sammeln, ein Häuflein von Frommen, die sich vereinigten zum Preise Seiner Macht und zum Lobe Seiner Barmherzigkeit. Das soll uns Elisabeth lehren, die glückliche Mutter mit ihren Freundinnen im Kreis.
Und mit ihrem Gott im Herzen. „Sie waren alle Beide fromm vor Gott,“ heißt es schon vorher von dem priesterlichen Ehepaar. Und als eine fromme Magd des Herrn zeigt sich Elisabeth auch mitten in ihrem Glück. „Und es begab sich am achten Tage, kamen sie, zu beschneiden das Kindlein, und hießen ihn nach seinem Vater Zacharias. Aber seine Mutter antwortete und sprach: mitnichten, sondern er soll Johannes heißen.“ Nach dem Gesetz Mosis wird das Kind von seinen Eltern am achten Tage dem Herrn dargebracht, dass es durch die Beschneidung aufgenommen werde in den Bund des Volkes Gottes. Und da wird nun ein Familienrat gehalten, wie das Kindlein heißen soll. Eins schlägt diesen, ein Anderes jenen Namen vor; endlich vereinigen sie sich auf den väterlichen Namen Zacharias. Aber die Mutter aus ihrem Bett heraus spricht ruhig und bestimmt dazwischen: „mitnichten, sondern er soll Johannes heißen.“
Was ist das für eine Stimme? Kam der Geist Gottes über sie plötzlich, wie damals, als Maria sie besuchte, und Elisabeth ward voll heiligen Geistes? Oder hatte Zacharias ihr zuvor schon etwas mitgeteilt von der Engelserscheinung im Tempel und von dem himmlischen Gebot: seinen Namen sollst du Johannes heißen? Genug, ihr Mund hat gesprochen, was Gott wohlgefiel. Auch in ihrem Glück hat sie Gott im Herzen. Sein Wille ist der beste: darum muss Er den Ausschlag geben im Familienrat. Sein Eigentum ist das Kind: darum Ihm muss es auch durch den Namen angehören; des Herrn Gnade betet die Mutter an in ihrem Glück, darum soll das Kind Johannes heißen, denn Johannes bedeutet: „der Herr ist gnädig.“
Das wollen auch wir nicht vergessen, meine Lieben, wenn der Herr uns heimsucht mit Seiner Gnade. Auch wir wollen Ihm die Ehre geben mitten im Glück und Ihn im Herzen tragen mitten in der Freude. Sein Wille soll den Ausschlag geben in jedem Familienrat und Sein Wort entscheiden bei jeder Lebensfrage, die uns oder die Unsern berührt. Dann, o dann wären unsere Häuser gesegnet, dann wären unsere Familienfeste rechte Feste und glücklich kämen wir auch über die Familiensorgen hinüber. Mit den Kindern kommen auch Sorgen ins Haus, und jedes Glück bringt auch seine Gefahren mit. Aber wer Gott im Herzen trägt und von Seinem Geiste sich regieren lässt, der ist auch da nicht ohne Rat. Und während die Menschen raten herüber und hinüber, so berät sich die fromme Seele im stillen Gebet mit ihrem Gott und tut am Ende ruhig und gelassen den Ausspruch, der das Rechte trifft, wie Elisabeth, da sie sprach: er soll Johannes heißen.
O selig Haus, wo Du die Freude teilest,
Wo man bei keiner Freude Dein vergisst;
O selig Haus, wo Du die Wunden heilest,
Und aller Arzt und Aller Tröster bist!
Wo Aller Herzen Dir entgegenschlagen,
Wo Aller Augen freudig auf Dich seh'n,
Wo Aller Lippen Dein Gebot erfragen
Und aller Hände Dir zu Diensten steh'n!
Aber nun von der glücklichen Mutter lasst uns auch einen Blick werfen auf den glücklichen Vater! Lasst uns
2)
ins Auge fassen den Vater mit seinem Lobgesang die gelöste Zunge, das Lob Gottes, den Preis des Kindes.
Die gelöste Zunge. „Und sie sprachen zu ihr: ist doch Niemand in deiner Freundschaft, der also heiße. Und sie winkten seinem Vater, wie er ihn wollte heißen lassen. Und er forderte ein Täfelein, schrieb und sprach: er heißt Johannes. Und sie verwunderten sich Alle. Und alsobald ward sein Mund und seine Zunge aufgetan und er redete und lobte Gott.“ Von dem Tag der Verkündigung an, da er herausging aus dem Tempel, war ja Zacharias stumm gewesen und war stumm geblieben bis auf diesen Augenblick. Und siehe, nun, da die Verheißung erfüllt ist, nun, da sein Unglaube beschämt ist, nun, da er dem Herrn die Ehre gegeben durch stummes Harren und schweigenden Gehorsam, nun wird das Schloss von seinen Lippen genommen und das Band seiner Zunge gelöst und er bricht aus in frohen Lobgesang. Könnte uns nicht auch dieser Zacharias, meine Lieben, mit seiner gelösten Zunge ein schönes Gleichnis und Vorbild werden? Wir gehen oft auch zeitenweise stumm durchs Leben, Sorgen drücken uns nieder und lähmen uns die Zunge; Missgeschick zieht uns das Herz zusammen und verschließt uns den Mund; geheime Anliegen machen uns zu schaffen; stille Zweifel treiben uns um; der Glaube ist schwach; das Herz ist matt; es will kein fröhliches Bekenntnis, kein freundliches Wort der Liebe, kein kräftiges Gebet über unsere Lippen, wir möchten mit dem Psalmisten sprechen: meine Kräfte sind vertrocknet wie ein Scherben und meine Zunge klebt an meinem Gaumen.
Siehe, da nimmt sich der Herr unseres Elends an, Er kehrt in unserem Hause ein mit seinem Segen und lässt uns Sein Angesicht wieder leuchten, Er lässt eine fröhliche Ernte folgen auf die Zeit der Teuerung, oder Er schickt uns eine unverhoffte Freude ins Haus, oder Er rührt uns innerlich an mit Seinem Geist der Kraft und des Trostes, und die Zunge ist uns gelöst, und das Herz geht uns auf, und der Stein ist uns vom Herzen, und die Sonne lacht uns wieder, und Gott ist uns wieder nah, und die Menschen sind uns wieder lieb, und das Leben ist uns wieder etwas wert und Alles ist wieder da: Der Glaube und die Liebe und die Hoffnung und der Mut, und wir können nicht anders, wir müssen reden, beten und bekennen: lobe den Herrn, meine Seele und was in mir ist, Seinen heiligen Namen, lobe den Herrn meine Seele, und vergiss nicht, was Er dir Gutes getan! O das sind selige Freudenstunden, himmlische Feste im Leben des Christen. Der Herr schenke sie uns Allen, die wir so oft niedergedrückt sind von den Sorgen des Lebens! Seht, es braucht ja nicht immer ein äußerliches Glück, um uns die Zunge zu lösen, der Herr kann's auch im Stillen tun. Ein brünstig Gebet, ein Gespräch mit frommen Freunden, ein andächtiger Kirchenbesuch oder Abendmahlsgenuss kann Wunder tun, kann uns Zentnerlasten vom Herzen und das eherne Band von den Lippen nehmen, kann uns die Zunge lösen zum Lobe des Herrn.
Zum Lobe des Herrn. In ein feuriges Lob Gottes bricht Zacharias aus, in ein Lob, das daherbraust wie ein Wasserstrom aus verborgenen Tiefen: „gelobt sei der Herr, der Gott Israel, denn Er hat besucht und erlöst sein Volk, und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils in dem Hause seines Dieners David, als Er vor Zeiten geredet hat durch den Mund Seiner heiligen Propheten, dass Er uns errettete von unsern Feinden und von der Hand Aller, die uns hassen, und die Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern, und gedächte an Seinen heiligen Bund und an den Eid, den Er geschworen hat unserem Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand unserer Feinde, Ihm diente ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die Ihm gefällig ist.“ Fürwahr ein herrlicher Lobgesang auf die großen Taten Gottes. Die Mutter in ihrem stillen, bescheidenen Sinn freut sich ihres Kindleins und des Heils, das in ihm ihrem Hause widerfahren. Der Mann, der Priester, der Prophet, der schaut weiter, der betrachtet sein Familienglück im Zusammenhang mit den großen Reichsangelegenheiten Gottes, und freut sich des Heils, das dem ganzen Volk widerfahren, und lobt den Herrn, den Gott Israel, dass Er besucht und erlöst Sein Volk!
Seht, meine Lieben, so sollten auch wir über unsern Haus- und Herzensangelegenheiten nicht vergessen die großen Reichsangelegenheiten Gottes, sollten unsere kleinen Freuden und Leiden auffassen im Zusammenhang mit den großen Ratschlüssen der ewigen Weisheit und Liebe. Da wären unsere Freuden noch viel heiliger, wenn wir bei einem Kindlein, das uns geboren ist oder konfirmiert wird, dächten: es ist ein Gotteskind, ein Reichsgenosse Christi, ein Himmelsbürger; da wären unsere Leiden viel erträglicher, wenn wir bei einem Leid, das uns widerfahren, dächten: es muss so sein nach Gottes heiligem Ratschluss, zum Besten Seines Reiches und zu meinem ewigen Heil. Da hätten wir alle Tage Ursache, Gott zu loben und zu preisen, wenn wir fleißiger dächten an Seine großen, ewigen, geistlichen Liebesgaben und Gnadenwunder, an das Kindlein, das uns Allen zum Heile geboren ist, an unsern Heiland; an das Heil, das allem Volk widerfahren, die Erlösung durch Jesum Christum; an die Erbschaft die uns Allen zugefallen, das Erbe, das uns behalten wird im Himmel. So soll euer Herz übergehen vom Lobe Gottes, liebe Abendmahlsgäste, wenn ihr morgen hintretet zum Altar des Herrn, denn da wird's euch wieder aufs Neue besiegelt im Leib und Blut Christi, dass der Herr besucht hat und erlöst Sein Volk. So, meine lieben Christen alle, können wir mitten in Not und Teuerung jeden Sonntag, jeden Feiertag, jeden Tag den Gott schenkt, ein stilles Lob- und Dankfest feiern und den Herrn preisen, der uns in Jesu Christo zu Seinem Volk berufen, dass wir erlöst aus der Hand unserer Feinde, der Sünde und des Todes, Ihm diente ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig ist, und zum Herrn sprächen:
Herr, von unendlichem Erbarmen, Du unergründlich Liebesmeer,
Ich danke Dir mit tausend Armen, Mit einem ganzen Sündenheer
Für Deine Huld in Jesu Christ, Die vor der Welt gewesen ist!
Das soll uns der priesterliche Zacharias lehren mit dem Lob Gottes aus seinem Munde. Aber nun vernehmen wir auch von ihm einen Preis seines Kindes. „Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen; du wirst vor dem Herrn hergehen, dass du Seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gibst Seinem Volk, die da ist in Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch welche uns besucht hat der Aufgang aus der Höhe, auf dass Er erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“ Was meinst du, will aus dem Kindlein werden? fragten die Leute voll Staunens bei seiner Beschneidung. Und der Vater sagt's ihnen in heiliger Begeisterung, was aus dem Kindlein werden soll: etwas Großes, ein Prophet des Höchsten, ein Vorläufer des Welteilands. Und er hat nicht zu viel prophezeit. Denn heute noch nach fast zweitausend Jahren feiert man in der weiten Christenheit den Geburtstag dieses Kindleins.
Was meinst du, wird aus dem Kindlein werden? Diese Frage bewegt auch heute noch unser Herz, wenn wir so ein neugeborenes Kind auf den Armen halten, das wir von Herzen lieben. Ach, wir sind keine Propheten, dass wir darauf antworten könnten, wie Zacharias. Wohl meint das Vaterherz in seinem Stolz, das Mutterherz in seiner Liebe: aus ihrem Kindlein soll etwas Großes werden, so ein Wunderkind sei noch nicht da gewesen, und da legt mans in seiner Eitelkeit oft recht darauf an, etwas ganz Besonderes, einen Alleswisser, ein Genie aus seinem Kinde zu ziehen. Aber was helfen alle diese Wünsche und Sorgen? Was meinst du, wird aus dem Kinde werden? Ach, es wird dir vielleicht genommen, eh' du's aufgezogen, geknickt mit all seinen Anlagen wie eine Rosenknospe, eh' sie sich entfaltet. Oder wenn's heranwächst, wehe, so wächst dir's vielleicht heran zum Kummer und zur Schande, statt zum Stolz und zur Freude. Oder wenn's gut geht, wenn's gerät, o so wird's eben doch auch ein Mensch, ein schwacher, sündiger, beschränkter Mensch, und es geht dir mit deinen Hoffnungen an ihm wie mit deinen Bäumen: von all den tausend Blüten, die sie im Frühling bedeckt, musst du froh sein, wenn der zehnte Teil dir Früchte bringt. Das muss uns demütig machen in unserm Glück, und bescheiden in unserem Hoffen. Aber Etwas, meine Lieben, wollen wir uns doch auch zueignen von den Hoffnungen des Zacharias. Und du, Kindlein, wollen wir sagen, du sollst, wenn nicht ein Prophet des Höchsten, so doch ein Diener des Höchsten heißen, sollst, wenn nicht ein Vorläufer des Heilands, doch Sein Nachfolger und Jünger werden. Darum will ich für dich beten, dazu will ich dich erziehen und das Andere dem Herrn überlassen. Ja das, meine Lieben, ist unserer Kinder, das ist unser Aller Beruf, Diener Gottes zu sein und Jünger Jesu Christi. Dazu wollt ihr euch, liebe Kommunikanten, dazu wollen wir uns Alle aufs Neue verpflichten:
Ich und mein Haus, wir sind bereit,
Dir, Herr, die ganze Lebenszeit
Mit Seel und Leib zu dienen;
Du sollst der Herr im Hause sein,
Gib Deinen Segen nur darein,
Dass wir Dir willig dienen.
Eine Kleine, fromme, reine Hausgemeine
Mach aus Allen, Dir nur soll sie wohlgefallen.
3)
Und nun, liebe Freunde, noch einen kurzen Blick aufs dritte Glied in dieser frommen Familie: auf das Kindlein und sein Gedeihen, das Wachstum im Geist, die Schule der Wüste, den Antritt des Amts.
Das Wachstum im Geist. „Und das Kindlein wuchs und ward stark im Geist.“ Schönes Zeugnis! So ist Johannes auch als Kindlein der Vorläufer Dessen, von dem es heißt: Er nahm zu an Weisheit und Alter und Gnade bei Gott und den Menschen. Und das Kindlein wuchs und ward stark im Geist, im heiligen Geist Gottes! o dass es so auch von unsern Kindern hieße! Was hilft's, wenn sie körperlich noch so schön gedeihen, was hilft's, wenn sie äußerlich noch so geputzt und gesittet sind, was hilfts, wenn sie noch so viel lernen, und werden nicht angefasst und geheiligt und gestärkt durch den heiligen Geist Gottes, der allein sie kann wohlgefällig machen vor Gott und Menschen, tüchtig für Erde und Himmel, selig in Zeit und Ewigkeit? Da, liebe Eltern, gilt's zu arbeiten an ihnen und uns, da gilt's zu beten für sie und uns: erneure und vermehre in uns und unsern Kindern um Jesu Christi willen die Gabe des heiligen Geistes, zur Stärkung des Glaubens, zur Kraft in der Gottseligkeit, zur Geduld in den Leiden und zur seligen Hoffnung des ewigen Lebens.
Aber dazu gehört eine strenge Schule, die Schule in der Wüste. „Und war in der Wüste, bis dass er sollte hervortreten,“ heißt's von dem jungen Johannes. Er hat eine harte Jugend gehabt; in der Einsamkeit mit Übungen der Selbstverleugnung hat er die schönsten Jahre seines Lebens, die Rosenzeit der Jugend hingebracht. Auch wir, meine Lieben, wir und unsere Kinder müssen durch eine strenge Schule, müssen durch eine Wüste gehen, wenn etwas aus uns werden soll zum Lob Gottes. Nicht am Jordan liegt diese Wüste, auch nicht in der Einsamkeit der Wälder und in den Zellen der Klöster. Nein, hier und überall kannst du durch diese Wüste gehen. Es ist die Zucht des göttlichen Gesetzes, es ist die Wüste der Buße und der Selbstverleugnung. Ihr Eltern, sollen eure Kinder etwas werden, so verzärtelt sie nicht, zieht sie auf in der Zucht und Vermahnung zum Herrn; nicht dass ihr durch Härte ihnen den Frühling ihres Lebens sollt verbittern, aber dass ihr ihnen frühe zeiget den heiligen Ernst Gottes und Seines Gesetzes. Nicht in weichen Kleidern und eitlem Putz, nicht unter Naschwerk und kostbarem Spielzeug nach kindischen Gelüsten, nicht in rauschenden Gesellschaften oder bei üppigen Romanen, nicht unter den Liebkosungen eines schwachen Eli-Vaters oder einer törichten Affenmutter wird ein Kind stark an Geist und Körper, sondern in der Wüste, d. h. in der gesunden Luft heilsamer Zucht, früher Abhärtung, frommer Mäßigkeit und Nüchternheit. Das könnet ihr lesen in den Lebensläufen aller tüchtigen Menschen, aus denen etwas Rechtes geworden ist. Und ihr Christen alle, wollt ihr etwas werden zum Lobe Gottes, in diese Schule der Zucht müsst ihr noch, und hättet ihr schon graue Haare, in diese Wüste der Buße müsst ihr noch, und wär's auf dem Sterbebette. Der Herr nehme uns Alle, nehme euch besonders, liebe Kommunikanten, auch jetzt in die heilsame Zucht Seines heiligen Geistes und führe uns durch die Wüste der Buße, damit wir tüchtig seien zum Dienste Seines Reichs und etwas werden zum Lobe Seiner herrlichen Gnade, wie Johannes, als er sein Amt nun antrat.
„Bis dass er sollte hervortreten vor das Volk Israel.“ Und wie ist er hervorgetreten! Wir sehen ihn in der Wüste, Buße predigend Seinem Volk, umringt von Tausenden, denen die gewaltige Predigt durchs Herz geht. Wir sehen ihn sich beugen als einen demütigen Knecht vor Dem, der größer ist als er, vor dem Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt. Wir sehen ihn als einen furchtlosen Hofprediger vor König Herodes und ihm sagen: es ist nicht recht, dass du deines Bruders Weib hast. Wir sehen ihn schmachten im Gefängnis als einen Märtyrer der Wahrheit. Wir sehen sein blutig Haupt auf einer Schüssel hergetragen beim frechen Königsmahl. Und immer sehen wir in ihm den Mann Gottes, den Propheten des Höchsten, immer, bis an seinen blutigen Tod hin, geht bei ihm in Erfüllung die Weissagung seiner Kindheit, der Segen seines Vaters.
Liebe Freunde! Was unser und der Unsrigen Schicksal sein wird im äußeren Leben, das wissen wir nicht. Ist's auch nicht so rau und stürmisch, wie das des Täufers: ohne Kampf, ohne Trübsal geht's bei keinem ab; Leiden, Dienen, Streiten, das ist unser Aller Menschenlos und Christenamt. Wohl uns, wenn wir unser kleines Amt auch so schön ausrichten wie Johannes sein großes. Wohl unsern Kindern, wenn auch sie, ob sie gleich nicht berühmt werden vor der Welt, doch an ihrem Ort und nach ihrer Kraft etwas wirken für Gottes Reich, fürs Reich der Wahrheit und Gerechtigkeit, der Freiheit und der Liebe. Dazu, o Herr, Du treuer Gott, weihen wir Dir heut aufs Neue uns und die Unsern, Mann und Weib, Alt und Jung; Dazu stärk uns Du durch Deines Geistes Kraft, einen Jeden an seinem Ort, und lass uns Dir dienen als Deine Knechte ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit.
Gott, sende Deinen Segensstrahl
Eltern und Kindern allzumal;
Halt sie verbunden in der Zeit,
Verbunden in der Ewigkeit! Amen.