Gerhard, Johann - Tägliche Uebung der Gottseligkeit – Das achte Capitel.
Einweisung, wie wir aus den Wirkungen der Reue der Schwere der Sünden überzeugt werden. Heiliger Gott, gerechter Richter, mein Herz ist zerbrochen und niedergeschlagen, mein Geist ist traurig und geängstet um der Schwere meiner Sünden willen, die mich drückt. Die Kraft meines Herzens ist verfallen, die Frische meiner Augen ist vergangen; mein Herz ist gepreßt, daher stürzen die Thränen hervor; mein Geist ist gepreßt, daher vergesse ich meiner Speise; mein Herz ist verwundet, daher ergießt sich das Blut des wunden Herzens, die Thränenquelle. Wer kennt die Fehltritte? Wer kennt daher auch den Schmerz eines über die Fehltritte geängsteten Herzens? Meine matte und geängstete Seele dürstet nach dir, der Quelle des Lebens, o Christe, tränke mich mit dem Thau des Geistes und der Gnade! Zu dir seufzet mein geängstetes Herz; o wahre Freude, gib mir den Frieden und die Ruhe des Herzens, daß ich durch den Glauben gerechtfertigt bei Gott Frieden habe! Mein Herz verdammet mich; sprich du mich los, der du stärker bist, als mein Herz. Mein Gewissen verklagt mich; sprich du mich los, der du die Handschrift des Gewissens an's Kreuz geheftet hast. Ich biete dir dar, mein Gott, mein zerbrochenes und niedergeschlagenes Herz zu einem dir wohlgefälligen Opfer; ich biete dir meine Seufzer dar, die Boten einer wahren und ernstlichen Reue; ich biete dir meine vielen Thränen dar, die Zeugen eines ernstlichen Schmerzes. In mir verzage ich, in dir athme ich wieder auf; in mir sinkt der Muth, in dir erquicke ich mich wieder; in mir fühle ich Angst, in dir finde ich wieder Freude. Ich mühe mich ab, und bin allzu beladen; du wirst mich erquicken und meiner Seele Ruhe geben. Ein Abgrund ruft den andern an: der Abgrund meines Elends den Abgrund deiner Barmherzigkeit. Aus der Tiefe rufe ich zu dir; wirf meine Sünden in die Tiefe des Meeres! Es ist nichts Gesundes an meinem Fleische vor deinem Zorn; es ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde; denn meine Sünden geben über mein Haupt, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden. Heile meine Seele, himmlischer Arzt, daß ich nicht vom ewigen Tode verschlungen werde! Nimm von mir die Last meiner Sünden, der du sie am Kreuz auf dich genommen hast, daß ich nicht verzage unter dieser unerträglichen Bürde! Erbarme dich meiner, o Quelle der Gnade und Barmherzigkeit! Amen.