Gerhardt, Johann - Tägliche Übung der Gottseligkeit - Vierte Abtheilung. - Das sechste Capitel. Fürbitte für Feinde und Verfolger.

Gerhardt, Johann - Tägliche Übung der Gottseligkeit - Vierte Abtheilung. - Das sechste Capitel. Fürbitte für Feinde und Verfolger.

Herr Jesu Christe, eingeborner Sohn Gottes, der du in deinem Wort uns diese Richtschnur der Liebe vorgeschrieben hast: Liebet eure Feinde, thut wohl denen, die euch hassen, und bittet für die, die euch verfolgen und euch Fluchen! dich, der du mit größter Güte vergibst, bitte ich auch für meine Feinde und für die Verfolger der Kirche! Gib mir die Gnade des heiligen Geistes, daß ich meinen Feinden nicht nur von Herzen vergebe, sondern auch für ihr Heil von Herzen bete, O schärfe, ich bitte dich, nicht über sie das Schwert der strengen Rache, sondern salbe ihr Haupt mit dem Oel der Barmherzigkeit. Lösche in ihren Herzen aus die Gluth des Zorns und Hasses, daß sie nicht in unterirdische Flammen der Hölle ausbreche. Laß sie erkennen, daß unser Leben ein Dampf und Rauch sey, der schnell verschwindet, daß unser Leib flüchtige Asche und Staub sey, daß sie nicht im sterblichen Leibe unsterblichen Zorn tragen, noch in das zerbrechliche Haus ihres irdenen Leibes den Feind ihrer Seele aufnehmen. Laß sie erkennen, daß dieser eingewurzelte Haß ihr größter Feind sey, da er ihre Seele tödtet, und sie von der Theilnahme am himmlischen Leben ausschließt. Erleuchte ihre Gemüther, daß sie in den Spiegel der göttlichen Barmherzigkeit schauen, und die Mißgestalt des Zornes und Hasses erkennen; regiere ihren Willen, daß sie durch das Beispiel der göttlichen Vergebung bewogen, von dem Vorsatze zu zürnen und zu beleidigen abstehen. Verleihe mir aus Gnaden, daß, so viel an mir ist, ich mit allen Menschen Frieden haben könne, und wende die Herzen meiner Feinde zur brüderlichen Versöhnung. Laß uns einträchtig auf dem Wege dieses Lebens gehen, da wir auf Einen Ort im himmlischen Vaterlande hoffen, daß wir nicht auf Erden uneinig seyen, da wir einmal beisammen im Himmel zu leben wünschen. Wir rufen dich als Einen Herrn und Gott im Himmel an; es schickt sich nicht, daß Knechte Eines Herrn mit einander uneins sind. Wir sind ein geheimnißvoller Leib unter dem Haupte Christus; es ist sehr schändlich und schmachvoll, daß die Glieder Eines Leibes wider einander streiten. Die Einen Glauben und Eine Taufe haben, denen ziemt es auch, daß sie Ein Geist und Herz seyen. Und ich bete nicht allein für meine persönlichen Feinde, sondern auch für die öffentlichen Feinde und Verfolger der Kirche. Bekehre sie zum Weg der Wahrheit, o höchste Wahrheit, und zerstöre ihre blutgierigen Unternehmungen, o höchste Macht! Der Glanz der himmlischen Wahrheit treffe ihre verschlossenen Augen, daß endlich die rasende Verfolgungswuth in ihren Seelen ruhe. Ach laß sie erkennen, daß es nicht nur vergeblich, sondern auch gefährlich sey, wenn sie fortfahren, wider den Stachel zu löcken! Warum ahmen sie die Wuth der Wölfe nach, die da wissen, daß Christi, des unbefleckten Lammes, Blut für uns vergossen sey? Warum dürsten sie darnach, jenes unschuldige Blut zu vergießen, für das, wie sie wissen, das Blut des Sohnes Gottes selbst auf dem Altare des Kreuzes vergossen ward? Bekehre sie, o Gott, daß sie zu dir von Herzen bekehrt werden, und die Frucht ihrer Bekehrung in diesem und dem zukünftigen Leben erlangen! Amen.

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