Gerhardt, Johann - Tägliche Übung der Gottseligkeit - Dritte Abtheilung. - Das zwölfte Capitel. Gebet um Trost in Widerwärtigkeit und um die wahre Seelenruhe.

Gerhardt, Johann - Tägliche Übung der Gottseligkeit - Dritte Abtheilung. - Das zwölfte Capitel. Gebet um Trost in Widerwärtigkeit und um die wahre Seelenruhe.

Allgütiger Vater, Gott aller Hoffnung und alles Trostes, verleihe mir in allen Widerwärtigkeiten den lebendig machenden Trost und die wahre Beruhigung der Seele! Ich fühle in meinem Herzen viele Bekümmernisse, aber deine Tröstungen werden meine Seele ergötzen können. Eitel und vergeblich ist aller Trost der Welt; in dir allein liegt die Stärke und Stütze meiner Seele. Es drückt mich die Last von mancherlei Unglück; aber durch dein innerliches Zureden und deinen Trost wird sie leichter gemacht. Keine Creatur wird mich so traurig machen können, daß du nicht vielmehr durch den Geist der Freude mich aufheitern könntest. Keine Widerwärtigkeiten werden mich so sehr ängstigen können, daß nicht mein Herz durch deine Gnade noch mehr erweitert werden könnte. Es bedrängt mich die Hitze von mancherlei Anfechtungen; aber das Kosten deiner Süßigkeit gewährt mir eine angenehme Labung. Es träufeln aus den Augen die Thränenströme; aber deine allgütige Hand wischt sie ab. Wie du dem Stephanus, dem ersten Märtyrer, mitten unter den Steinwürfen dein freundliches Antlitz anzuschauen gabst, so wollest du mir Elenden in allen Widerwärtigkeiten deinen Trost zu genießen geben. Wie du im traurigsten Todeskampfe Deinem Sohn einen Engel zum Tröster sandtest, so wollest du mir in dieser meiner Traurigkeit deinen Geist zur Unterstützung senden. Ohne deine Stärke falle ich unter der Last des Kreuzes hin, ohne deinen Beistand werde ich vom Angriff der mancherlei Widerwärtigkeiten zu Boden geworfen die Veränderlichkeit der Creaturen nicht bitter werden. Wer mit seinem Herzen, der Welt und den Creaturen anhanget, wird niemals der wahren und ungetrübten Ruhe theilhaftig werden können; denn alles Irdische ist dem beständigen Wechsel der Veränderungen unterworfen. Wer aber den gegenwärtigen Gütern dieses Lebens nicht mit unordentlicher Begierde der Liebe anhangt, der wird, wenn dieselben entweichen, nicht durch die Angst einer allzu großen Bekümmerniß gequält werden. Gieße aus, gieße aus, o Gott, aus meinem Herzen die Liebe und das Verlangen zur Welt, daß der himmlische Elisa in das Gefäß der Witwe, das ist, der Seele, die von irdischem Troste verlassen ist, das Oel der himmlischen Freude eingieße. Mag alles Irdische zerrüttet, verändert, über und über gestürzt werden, du bist dennoch der unbeweglich und unerschütterlich feste Fels meines Herzens. Sollte eine dürftige und schwache Creatur die Ruhe der Seele stören können, welche ich in dir, dem Schöpfer, gewiß und uns beweglich besitze? Sollten die Fluthen der Welt, jenes unruhigsten Meeres, den Felsen meines Herzens erschüttern können, den ich in dir, dem höchsten und unveränderlichen Gute, unbeweglich fest habe? Ja, dein Friede übertrifft alle Erkenntniß; derselbe wird auch den Angriff aller Widerwärtigkeiten überwinden. Um diesen innern Frieden bitte ich dich, allgütiger Vater, mit demüthigem Seufzen! Amen.

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