Gerhard, Johann - Tägliche Uebung der Gottseligkeit – 2. Abteilung - Das fünfte Capitel. Danksagung für das Leiden Christi.

Gerhard, Johann - Tägliche Uebung der Gottseligkeit – 2. Abteilung - Das fünfte Capitel. Danksagung für das Leiden Christi.

Wie großen Dank bin ich dir schuldig, o frommer Jesu, daß du die Strafen meiner Sünden auf dich nahmst, und Hunger, Durst, Kälte, Ermüdungen, Verläumdungen, Verfolgungen, Schmerzen, Armuth, Banden, Geißeln, Dornenstiche, ja, den bittersten Kreuzestod ertragen wolltest! Wie groß ist die Flamme deiner Liebe, die dich getrieben hat, für den verachtungswürdigsten und undankbarsten Knecht dich selbst freiwillig in jenes Meer der Leiden zu versenken! Deine Unschuld und Gerechtigkeit machte dich von allen Leiden frei; aber deine unermeßliche und unaussprechliche Liebe stellte dich an unserer Statt als Schuldner und Angeklagten dar. Ich hatte übertreten, du thust genug; ich hatte geraubt, du bezahlst; ich hatte gesündigt, du leidest. O gütigster Jesu, ich erkenne die Herzlichkeit deiner Erbarmung und die Gluth deiner Liebe an. Du scheinst mich mehr zu lieben, als dich, da du dich selbst für mich dahingibst. Was hast du Unschuldigster mit dem Todesgedanken? was du Schönster unter den Menschenkindern mit dem Speichel? was du Gerechtester mit den Geißeln und Banden zu thun? Mir gebührte dies Alles; du aber steigst aus unaussprechlicher Liebe in den Kerker dieser Welt herab, ziehest mein Knechtsgewand an, und übernimmst ganz bereitwillig die mir gebührenden Strafen. Ich sollte um meiner Sünden willen zu den ewigen Flammen des höllischen Feuers verurtheilt werden; du aber machst, vom Feuer der Liebe auf dem Altar des Kreuzes geängstet, mich von jenen frei. Ich sollte um meiner Sünden willen vom Angesicht des himmlischen Vaters verworfen werden; du, aber klagest um meinetwillen, daß du vom himmlischen Vater verlassen seyst. Ich sollte in Ewigkeit vom Teufel und seinen Engeln gemartert werden; du aber gibst dich selbst aus unermeßlicher Liebe für mich zum Schlagen und Kreuzigen des Satans Dienern hin. So viel ich Werkzeuge deines Leidens ansehe, so viel sehe ich Anzeigen deiner Liebe gegen mich, denn meine Sünden sind jene Banden, jene Geißeln, jene Dornen, die dich geschlagen haben, die du alle aus unaussprechlicher Liebe um meinet: willen erduldet hast. Deiner Liebe war noch nicht Genüge geschehen durch die Annahme unsers Fleisches, du wolltest sie noch offenbarer beweisen durch jenes bitterste Leiden deiner Seele und deines Leibes. Wer bin ich, allmächtiger Herr, daß du um eines ungehorsamen Knechtes willen so viele Jahre dienen wolltest? Wer bin ich, schönster Bräutigam, daß du um meinetwillen, der ich auf's Schändlichste an die Sünde verkauft und dem Teufel zu Willen ergeben bin, dich nicht einmal zu sterben weigertest? Wer bin ich, gütigster Schöpfer, daß du um meinetwillen, der ich die verächtlichste Creatur bin, vor dem Holze des Kreuzes nicht schauderst?

Ich bin dir, o liebreichster Bräutigam, wahrlich eine Blutbraut, um deren willen du eine so große Menge Blut vergießest.

Ich bin dir, der schönsten Lilie, wahrlich ein Dorn, der dich verletzet und sticht.

Ich lege dir eine harte und beschwerliche Last auf, deren Gewicht dich so sehr drückt, daß Blutstropfen reichlich aus deinem Leibe fließen. Dir, Herr Jesu, einiger Erlöser und Mittler, will ich um dieser deiner Liebe willen ewiglich lobsingen! Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/g/gerhardt_j/tudg/gerhard_johann_tudg_2_5.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain