Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von der Selbstverleugnung.

Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von der Selbstverleugnung.

Der verleugnet Christum, welcher sich nicht selbst verleugnet.

Will mir jemand nach folgen, der verleugne sich selbst, sprach der Erlöser Matth. 16,24. Sich selbst verleugnen heißt der Eigenliebe entsagen; die Eigenliebe hindert die Gottesliebe. Willst du Christi Schüler sein, so muss die Wurzel der Eigenliebe in dir völlig ersterben: Niemand liebt Christum, außer wer sich selbst hasst. Es sei denn, dass das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein Joh. 12,24. 1 Kor. 15, 36.37: so wirst du auch die Frucht des Heiligen Geistes nicht schmecken können, wenn in deinem Herzen die Eigenliebe nicht erstirbt. Der Herr sprach zu Abraham 1 Mos. 12,1: Gebe aus deinem Vaterland, und von deiner Freundschaft, und aus deines Vaters Hause, in ein Land, das ich dir zeigen will. Abraham konnte kein so großer Prophet werden, bevor er nicht aus seinem Vaterland ging: du wirst auch kein wahrer Jünger Christi und kein wahrhaft geistlicher Mensch werden, bevor du nicht von der Eigenliebe lässt. Durch das Ringen mit dem Engel hinkte Jakob auf dem einen Fuß, während der andere gesund und unversehrt blieb 1 Mos. 32,25. Mit diesen beiden Füßen wird die zweifache Liebe bedeutet, die Eigenliebe und die Gottesliebe: dann wird der Mensch der göttlichen Segnung teilhaftig sein, wenn er auf dem Fuß der Eigenliebe hinken wird, während jener andere der Gottesliebe gesund und unversehrt bleibt. Es ist unmöglich, dass du mit einem und demselben Auge den Himmel und die Erde betrachtest: eben so ist es unmöglich, dass einer mit einem und demselben Willen sich selbst unordentlich und Gott liebt. Die Liebe ist das höchste Gut unserer Seele; darum ist dieses höchste Gut der Seele dem höchsten Gute, nämlich Gott, zu geben. Deine Liebe ist dein Gott, das will sagen, was du am höchsten liebst, das stellst du an Gottes Statt; was du am höchsten liebst, das hältst du für das Höchste. Gott aber ist in Wahrheit das höchste Wesen. Wer also sich selbst liebt, der hält sich für Gott, und stellt sich an Gottes Statt, was fürwahr der höchste Götzendienst ist. Was du am höchsten liebst, das hältst du für das Ende aller Dinge und für das Ziel aller deiner Wünsche. Gott aber allein ist der Anfang und das Ende der Geschöpfe; er ist der Erste, und er ist der Letzte Jes. 44,6; er allein stillt das Verlangen unsers Herzens, und nichts Geschaffenes kann deine Wünsche stillen. Die Gottesliebe musst du darum der Eigenliebe vorziehen. Gott ist der Anfang und das Ende 1. Joh. 1,8; in ihm also muss unsere Liebe anfangen, in ihm muss sie auch aufhören. Das Wesen Gottes ist außer allen Geschöpfen, wie er von Ewigkeit her in sich selbst Gott gewesen ist: von allen Geschöpfen ziehe darum deine Liebe ab. Wie deine Liebe, so sind auch deine Werke. Wenn deine Werke aus dem wahren Glauben und der Liebe zu Gott hervorgehen, so sind sie Gott angenehm und groß in seinen Augen, wenn sie auch in den Augen aller Menschen gering sind. Wenn sie aus der Eigenliebe hervorgehen, so werden sie Gott niemals gefallen können. Die Eigenliebe verunreinigt auch die trefflichsten Werke. Da Christus im Hause Simonis war, da zerbrach ein Weib ein Glas mit köstlichem Wasser, und goss es Christo auf das Haupt Matth. 26,6.7. Dem Anschein nach war das ein geringes Werk, nichts desto weniger war es Christo angenehm, weil es aus wahrem Glauben, aus reiner Liebe, aus ernster Reue kam Matth. 26,10.12.13. Das Opfer unter dem alten Bund war Gott angenehm; dennoch aber gefiel es Gott nicht, dass Saul die Beute der Amalekiter verbannte, um sie Gott zum Opfer darzubringen 1 Sam. 15,19. Warum? Weil das nicht aus Liebe zu Gott hervorging. Denn hätte er Gott wirklich geliebt, so hätte er das Gebot Gottes, dass alle Beute verbrannt werden solle, nicht verachtet; sich selbst liebte er, und seine Demut 1 Sam. 15,24. Die Liebe ist ein Feuer, denn die Kirche betet also: Komm, heiliger Geist, und entzünde in den Gläubigen das Feuer deiner Liebe. Das Feuer hängt nicht an der Erde geheftet, sondern strebt immer aufwärts: so darf deine Liebe nicht in dir seinen Ruhepunkt finden, sondern muss sich aufwärts zum Herrn erheben.

Sich selbst verleugnen heißt weiter auf seine Ehre verzichten. Dem höchsten Gut allein gebührt die höchste Ehre. Gott ist das höchste Gut. Wer seine Ehre sucht, kann Gottes Ehre nicht suchen, wie der Heiland zu den Pharisäern sagte Joh. 5,44: Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre von einander nehmt? Christi Vorbild sieh an und folge ihm nach. Wiederholt bezeugt er von sich, dass er nicht seine Ehre suche Joh. 8,50, dass er nicht Ehre von Menschen nehme Joh. 5,41, dass er von Herzen demütig sei Matth. 11,29. Alle deine Gaben empfängst du von Gott; alle gib also Gott auch wieder. Alle Bächlein der Güter fließen aus dieser Quelle der göttlichen Güte; darum sind auch alle Güter wieder in dieses Meer zu versenken. Die Pflanzen, welche Sonnenwende heißen, richten sich immer nach dem Lauf der Sonne, von der sie Leben und Saft empfangen: so wende dich mit allen deinen Gaben und mit aller deiner Ehre zu Gott, und gib dir nichts. Hast du etwas von dir, so magst du deine Ehre suchen und dir selbst deine Gaben geben: aber weil du nichts von dir, alles vielmehr von Gott hast, darum musst du auch nicht deine, sondern Gottes Ehre suchen. Die Eigenliebe wendet den Menschen von Gott ab; ein Beispiel ist zu sehen an Nebukadnezar, welcher sprach: Das ist die große Babel, die ich erbaut habe, zum königlichen Haus, durch meine große Macht, zu Ehren meiner Herrlichkeit Dan. 4,27. Aber was folgt? Noch hatte der König diese Worte nicht ausgeredet, da fiel eine Stimme vom Himmel: Dir König, Nebukadnezar, wird gesagt: Dein Königreich soll von dir genommen werden, und man wird dich von den Leuten verstoßen, und sollst bei den Tieren, so auf dem Feld gehen, bleiben Dan. 4,28.29. So wirst auch du, wenn du dein geistlich Babylon, das will sagen, den Bau deiner guten Werke nach deiner Eigenliebe und deinem Hochmut preist, und die Ehre dafür dir gibst, und nicht Gott allein, von dem Angesicht Gottes verworfen werden.

Sich selbst verleugnen heißt endlich auf den Eigenwillen verzichten. Dem besten Willen muss man immer gehorchen; Gottes Wille aber ist der beste. Dem Willen dessen müssen wir gehorchen, von dem wir alles haben 1 Kor. 4,7; von Gott aber ist alles uns zu Teil geworden. Dem Willen des müssen wir gehorchen, der uns immer zum Leben und zum Guten führt; der Wille Gottes führt immer zum Leben und zum Guten. Habe deine Lust am Herrn, der wird dir geben, was dein Herz wünscht Ps. 37,4. Der Eigenwille führt uns zum Tod und zur Verdammnis. Wodurch ist unser erster Vater aus der Gnade Gottes und dem Stand der Seligkeit in die ewige Verdammnis gefallen? 1 Mos. 3. Er folgte mit Geringschätzung des göttlichen Willens seinem Eigenwillen, verachtete Gottes Gebot und hörte auf den Rat des Teufels. Der wahre Jünger Christi verzichtet darum auf den Eigenwillen und verlangt dem göttlichen Willen zu folgen. Siehe Christum an; der bringt, da er in den heißesten Kampf des Leidens gestellt ist, den Eigenwillen Gott dar gleichwie das süßeste Opfer Matth. 26,39.42; opfere auch du Gott den Eigenwillen, und so wirst du vollbringen, was Christus fordert, die Verleugnung deiner selbst.

O Herr, dein heiliger Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden! Matth. 6,10.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/g/gerhardt_j/hb/gerhard_johann_hb_von_der_selbstverleugnung.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain