Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Die Sicherheit muss man ablegen.

Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Die Sicherheit muss man ablegen.

Sicher Leben ist der Tod.

Denke, andächtige Seele, an die Schwierigkeit des Heils, und du wirst leicht alle Sicherheit ablegen. Niemals und nirgends ist Sicherheit, weder im Himmel, noch im Paradies, viel weniger in der Welt. Der Engel ist gefallen unter den Augen der Gottheit, Adam ist gefallen am Ort der Anmut. Adam war geschaffen zum Bild Gottes 1 Mos. 1,27, nichts desto weniger ist er durch die Nachstellungen des Teufels getäuscht worden. Salomo war der weiseste unter allen Menschen 1 Kön. 3,12, nichts desto weniger ist er durch Weiber von Gott abgewendet worden 1 Kön. 11,4. Judas war in der Schule des Heilandes Luk. 22,3, und täglich vernahm er die heilsamen Worte jenes höchsten Lehrers, und doch ist er nicht sicher gewesen vor den Stricken des Verführers, ist in die Tiefe des Geizes, und aus dem Geiz in die Tiefe des ewigen Jammers gestürzt worden. David war ein Mann nach dem Herzen Gottes 1 Sam. 13,14, und war dem Jehova der werteste Sohn, aber durch Mord und Ehebruch war er ein Kind des Todes geworden 2 Sam. 12,5.7. Wo ist also in diesem Leben Sicherheit?

Halte dich mit fester Zuversicht des Herzens an die Verheißungen Gottes, und du wirst sicher sein vor den Angriffen des bösen Geistes. Es gibt keine Sicherheit in diesem Leben, außer welche die Untrüglichkeit der Verheißungen denen gewährt, die da glauben und auf Gottes Wegen einher gehen. Wenn wir zur ewigen Seligkeit gelangt sein werden, dann erst werden wir volle Sicherheit haben. In diesem Leben sind Furcht und Gottesfurcht mit einander verbunden, und das eine darf nicht sein ohne das andere. Sei nicht sicher im Unglück, sondern alles Unglück, das dir begegnet, halte für Züchtigungen wegen deiner Sünden: öfters straft Gott verborgene Vergehen durch offenbare Züchtigungen. Denke an die große Schmach deiner Sünden, und fürchte den gerechten Vergelter der Sünden. Sei nicht sicher im Glück, denn dem zürnt Gott, der in diesem Leben nicht gezüchtigt wird Ebr. 12,5.6.

Was sind die Züchtigungen der Frommen? Bittere Pfeile von der süßen Hand Gottes geschickt. Viele hält Gott unwert der gegenwärtigen Strafe, die er doch in Ewigkeit verwirft. Der Fortgang des menschlichen Glücks ist oft ein Anzeichen der ewigen Verdammnis. Nichts ist unglückseliger als das Glück der Sünder, nichts elender als der, welcher sein Elend nicht kennt. Wohin du deine Augen wendest, da findest du Grund zum Schmerz und gegen die Sicherheit erblickst du diese Heilmittel: denke an Gott droben, den wir beleidigt haben; an die Hölle drunten, die wir verdient haben; an die Sünden hinter uns, die wir begangen haben; an das Gericht vor uns, das wir zu fürchten haben; an das Gewissen in uns, das wir befleckt haben; an die Welt außer uns, die wir geliebt haben. Siehe, woher du kommst, und erröte; wo du bist, und seufze; wohin du gehen willst, und erzittere. Eng ist die Pforte des Heils, aber noch enger der Weg des Heils Matth. 7,14.

Den Schatz des Glaubens hat dir Gott gegeben, aber diesen Schatz tragen wir in irdischen Gefäßen 2 Kor. 4,7. Die Engel hat dir Gott zur Hut bestellt Ps. 91,11. Ebr. 1,14; aber der Teufel ist nicht fern, um zu verführen. Gott hat dich erneuert im Geiste deines Gemüts Eph. 4,23; aber du hast noch viel vom alten Fleisch. Du bist eingesetzt in Gottes Gnade; aber du bist noch nicht eingesetzt in die ewige Herrlichkeit. Bereitet ist im Himmel die Stätte Joh. 14,2; aber die Welt ficht zuvor an mit ihrer Reizung. Dem Reumütigen hat Gott Gnade verheißen; aber die Lust zur Reue hat er nicht verheißen dem Sünder zu geben. Es erwarten dich die Tröstungen des ewigen Lebens; aber doch musst du durch viel Trübsal in das Reich Gottes gehen Ap. Gesch. 14,22. Verheißen ist die Krone der ewigen Belohnung; aber doch ist zuvor ein schwerer Kampf zu bestehen 2 Tim. 2,5.

Gott ändert seine Verheißung nicht; aber du darfst auch die Übung in einem heiligen Leben nicht ändern. Wenn der Knecht nicht tut, was befohlen wird, so wird der Herr tun, was er droht Luk. 12,47. Darum ist fort und fort zu seufzen und mit Hintansetzung der Sicherheit zu trauern, damit nicht der Mensch dem gerechten und verborgenen Gericht Gottes überlassen und der Verdammnis wert in der Gewalt der bösen Geister verlassen werde. So lange die göttliche Gnade da ist, ergötze dich an ihr, doch so, dass du nicht meinst, du besitzt die Gabe Gottes wie ein berechtigter Erbe, nämlich dass du nicht so sicher wegen derselben bist, als könntest du sie nie verlieren, damit du nicht, wenn Gott vielleicht die Gabe entzieht und die Hand abzieht, plötzlich den Mut verlierst, und trauriger wirst, als sich ziemt. Selig fürwahr bist du, wenn du mit aller Sorge darauf denkst, vor der Sorglosigkeit, der Mutter aller Übel, dich zu hüten. Gott verlässt dich nicht, aber hüte dich, dass Gott nicht von dir verlassen werde. Gott hat Gnade gegeben, bitte, dass er auch das Beharren gebe. Gott gebietet, du sollst wegen deines Heils nicht in Zweifel sein, aber er hat nicht geboten, du sollst sicher sein. Du hast mutig zu kämpfen 2 Tim. 4,7, damit du endlich fröhlich siegst. Dein Fleisch kämpft in deinem Innern wider dich. Je näher der Feind, desto furchtbarer. Die Welt kämpft um dich her wider dich. Je zahlreicher der Feind, desto furchtbarer. Der Teufel kämpft über dir wider dich. Je mächtiger der Feind, desto furchtbarer. In der Kraft Gottes fürchte dich nicht mit diesen Feinden in Kampf zu geraten, in der Kraft Gottes wirst du den Sieg erringen können. Aber so große Feinde wirst du nicht durch Sicherheit, sondern durch Unermüdlichkeit im Kampfe überwinden. Die Zeit des Lebens ist eine Zeit des Kampfs. Du wirst dann am meisten angegriffen, wenn du nichts weißt vom Angriff. Sie sammeln da vornehmlich ihre Kräfte, wo sie sich zu einem Waffenstillstand zu verstehen scheinen. Jene wachen, und du schläfst? Jene rüsten sich, Schaden zu tun, und du rüstest dich nicht zur Gegenwehr? Viele ermüden auf dem Weg, ehe ihnen die Stätte im Vaterland gegeben wird. Wie viele Israeliten starben in der Wüste, von denen keiner das gelobte Land erreichte! 5 Mos. 1,35. Wie viele geistliche Kinder Abrahams gehen unter in der Wüste dieses Lebens, bevor sie das verheißene Erbe des himmlischen Reichs antreten! Nichts ist wirksamer zur Ablegung der Sicherheit, als wenn wir bedenken, wie selten die sind, welche beharren. Wie groß daher in uns das Verlangen nach der himmlischen Herrlichkeit und die Lust, dahin zu gelangen, ist, so groß sei der Schmerz, dass wir noch nicht dahin gelangt sind, so groß die Furcht, dass wir nicht dahin gelangen möchten, damit wir aus nichts Freude schöpfen als aus dem, was entweder Hilfe oder Hoffnung auf Erreichung des Ziels darreicht. Was hilft es, auf einen Augenblick fröhlich zu sein, wenn du ewig trauern musst? Welche Freude könnte es in diesem Leben geben, wenn das vergeht, was ergötzt, das aber nicht vergeht, was peinigt?

Wir leben sicher, gleich, als hätten wir die Stunde des Todes und des Gerichts bereits hinter uns. Christus spricht, dass er zum Gericht kommen will zu der Stunde, da wir's nicht meinen Matth. 24,44. Dies spricht die Wahrheit, und wiederholt es gleich also, höre es und fürchte dich! Wenn der Herr kommen wird zu der Stunde, da wir's nicht meinen, so haben wir uns sehr zu fürchten, dass wir nicht unbereitet zum Gerichte kommen. Wenn wir unbereitet kommen, wie werden wir die strenge Entscheidung dieses Gerichtes ertragen können? Nichts desto weniger wird das, was in diesem einen Augenblick verloren wird, nicht in Ewigkeit wieder gut gemacht werden können; in der Kürze eines Augenblicks wird gerichtet werden, was wir in Ewigkeit sein werden: in diesem einigen Augenblick wird Leben und Tod, Verdammnis und Seligkeit, Strafe und ewige Herrlichkeit wem's gebührt zugesprochen.

O Herr, der du Gnade zum Guten gegeben hast, gib dazu auch Beharrlichkeit im Guten!

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