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Funcke, Otto - Demut

Funcke, Otto - Demut

Es gibt eine echte und es gibt eine unechte Demut; es gibt eine, die nur Demuts-Schein und -Gestalt hat, und eine, die wirklich Frucht hat, wie der gute Weizen; es gibt eine, die sich im Feuer in Nichts auflöst, und es gibt eine, die gerade im Feuer der Demütigungen nur desto tiefer gegründet, verherrlichet und verklärt wird, wie das durchläuterte Gold.

Welches ist denn nun die nachgemachte Demut? Die falsche Demut beweiset sich nur in demütig klingenden Worten, in demütig scheinenden Gebärden und Taten, fließt aber nicht aus einem gedemütigten Herzen.

Laßt mich frei und ehrlich reden, wie ein Nachfolger des Wahrheitskönigs tun soll! Viele derer, die Christen heißen wollen, bilden sich ein, das sei Demut, wenn sie nur immer recht volltönend „von ihren zahllosen Sünden, von ihrer unermeßlichen Schuld, von ihrer namenlosen Verderbtheit“ redeten, tüchtig den Kopf hängen ließen und ein sauertöpfisches Gesicht aufsetzten, das nach sieben Tagen Regenwetter aussieht; - wenn sie dagegen ferner das Gute, was etwa an ihnen ist, immer ableugnen vor andern und sich stellen, als ob sie nichts davon wüßten noch wissen wollten, während sie doch keinen süßeren Ohrenschmaus haben, als wenn man sie lobt. Auch verstehen diese Leute ganz vortrefflich, auf ihre Tugenden und Großtaten das Gespräch zu bringen, nicht so grob und dumm, sondern fein schlangenklug, von hinten heranschleichend, indem sie sich über die Maßen - tadeln und vermaledeien… Und ich meine, ein lauteres, gedemütigtes Gotteskind hat gewiß schon immer einen Widerwillen, wenn ihm einer vorkommt, der sogleich mit der Tür ins Haus fällt und unaufhörlich von seinem inneren Elend und seiner Verdorbenheit redet. Das ist ein fratzenhaftes Christentum… Wer immer bekräftigt, wie sehr er verdorben sei, wie sehr er sich selbst hasse, bei dem wird's gewiß mit der Demut nicht weit her sein. Wer wirklich den Jammer seiner Sünde in Mark und Bein fühlt, der ist auch zu keusch, um davon überall Lärm zu schlagen; außer wo er sich ein Wort der Zucht und ein Wort des Trostes holen kann, da mag er sich entdecken.

Ach, es gibt deren viele, die treiben nur Hochmut in ihrer Demut, und es findet sich sehr oft, daß diejenigen, die immer die Sündentrompete in der Hand haben, gar wild und zornig werden, wenn man sie über eine bestimmte Sündenhandlung oder über einen einzelnen Fehler anfaßt und das Kind beim rechten Namen nennt…

Im allgemeinen verfluchen und verabscheuen sie sich; macht man aber Ernst mit ihrem Bekenntnis, faßt man sie darauf an, dann rückt das sanfte Lämmlein die versteckten Bockshörner heraus und richtet sich stolz in die Höhe auf die Hinterfüße: - „Wie? Ich - ich - ich - sollte so sein?“

Der alte Pastor Gottfried Daniel Krummacher selig kam einst zu einer Frau, die in ihren eigenen Augen ein vorzügliche Christin war von anderen. „Ich kann es Ihnen gar nicht sagen, lieber Herr Prediger (so fing sie gleich an), was für ein miserables, greuliches Geschöpf ich bin.“ - „Das glaub' ich auch!“ war die trockene und kühle Antwort des Menschenkenners. - „Wie, Herr Pastor, was haben Sie denn von mir gehört? Was haben Sie gegen mich?“ so schrie nun wie besessen das selbstgerechte Weib, die mit ihrem Sündengeschwätz den Pastor nur reizen wollte, sie recht zu loben!

Wer sich demütigen kann unter Gottes Hand und im Bewußtsein seiner eigenen namenlosen Unwürdigkeit - wer sich sagen lassen kann von Menschen, die es treu mit ihm meinen, ja auch aus der Verleumdung der Feinde das Körnlein Wahrheit heraussuchen - wer sich selbst aufgegeben hat und von sich selbst nichts mehr wissen will - wer einfältiglich Gott gibt, was Gottes ist, und sich selbst gibt, was ihm selbst zugehört - der ist demütig.

Quelle: Pagel, Arno - Otto Funcke - Ein echter Mensch - ein ganzer Christ

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