Frommel, Max – Am fünften Sonntage nach Epiphanien.

Frommel, Max – Am fünften Sonntage nach Epiphanien.

Offenb. Joh. 3, 1-6.
Und dem Engel der Gemeinde zu Sardes schreibe: Das sagt, der die Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich weiß deine Werke; denn du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot. Sei wacker und stärke das Andere, das sterben will; denn ich habe deine Werke nicht völlig erfunden vor Gott. So gedenke nun, wie du empfangen und gehört hast, und halte es und tue Buße. So du nicht wirst wachen, werde ich über dich kommen wie ein Dieb, und wirst nicht wissen, welche Stunde ich über dich kommen werde. Du hast auch wenige Namen zu Sardes, die nicht ihre Kleider besudelt haben; und sie werden mit mir wandeln in weißen Kleidern, denn sie sind es wert. Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angelegt werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buche des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt.

Im Süden unseres deutschen Vaterlandes steht auf vielen Türmen evangelischer Kirchen statt des Kreuzes ein Hahn als Bild des Rufes, welcher an die Christenheit ergeht. Das Sinnbild deutet auf den Hahnenschrei zur Buße, wie ihn Petrus vernommen, als er den Herrn verleugnet hatte, und will der Gemeinde wie dem einzelnen Christen zurufen: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ Es deutet aber auch auf den Hahnenschrei der Wiederkunft Christi zum Gericht und ruft in die Gemeinde hinein: „Wacht! denn ihr wisst nicht, wann des Menschen Sohn kommen wird, es sei um Mitternacht oder um Hahnenschrei.“

Christus der Herr, der sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe, lässt diesen Doppelruf ergehen durch die Jahrhunderte in seiner Christenheit, und gerade in der ganzen Offenbarung Johannis und sonderlich in den sieben Sendschreiben ist dieser Buß- und Weckruf mit mächtigen Tönen vernehmbar aus dem Munde dessen, der da war, der da ist und der da kommt. Denn unser Christenleben wird beherrscht von seinem Grund und von seinem Ziel und ist hineingestellt zwischen die Taufe und den Heimgang. Es kann aber nur gesund bleiben, wenn sein Anfang in täglicher Reue und täglichem Glauben lebendig fortwirkt, und wenn sein Ende und Ziel, das Heimkommen zu Christo, das Warten auf die Vollendung und der Blick aufs Erbe die Schritte beflügelt und zum Überwinden freudig macht.

Auch unser heutiger Text ist ein Hahnenschrei wider die schlafenden Gemeinden und wider die schlafenden Christen unserer Tage, und als solchem wollen wir ihm lauschen. Wir vernehmen darin den Ruf von der Zinne:

Wach auf, du Stadt Jerusalem!

und hören

  1. was Jesu Auge sieht,
  2. was Jesu Herz uns rät.

Du aber, Herr Jesu, lass uns stille werden vor Dir, der Du bist mitten unter Denen, die in Deinem Namen versammelt sind; lass Alles in uns schweigen und feiern, dass wir vernehmen, was Du uns sagen willst. Amen.

I.

Der Herr nennt sich in dem Sendschreiben an Sardes mit einem Namen, wie er gerade dem Zustand dieser Gemeinde entsprach: „Das sagt, der da hat die sieben Geister Gottes und die sieben Sterne.“ Sieben ist die Zahl des Bundes zwischen Gott und der Menschheit, weil in der Zahlensprache der Schrift drei die Zahl Gottes und vier die Zahl der Welt ist, so ist sieben die Zahl, wo Gott mit der Welt in Gemeinschaft tritt, die heilige Zahl. Christus aber hat die sieben Geister Gottes, weil ihm der Vater den heiligen Geist gegeben hat ohne Maß, in der Fülle seiner Erweisungen, in der Mannigfaltigkeit seiner Gaben, wie sie die Kirche bedarf. Er nennt sich aber hier so, weil sein Geist allein das Feld voll Totengebeine durch sein Rauschen lebendig machen kann, weil Er allein solche Christen, welche zum geistlichen Tode entschlummern wollen, durch seinen Geist aufwecken und erneuern kann. Die Sterne aber bezeichnen nach Johannis eigener Auslegung (1,20) die Prediger der Gemeinden, weil sie wie die Sterne von der Sonne, so nur von Christo als der Geistersonne ihr Licht haben und von Ihm allein den lebendig machenden Geist empfangen können und das empfangene Licht dann ausstrahlen, als Sterne von Ihm, der Sonne, zeugend in der dunkeln Nacht der Welt.

Auch hier beginnt das Sendschreiben an die Gemeinde mit dem majestätischen Wort: „Ich weiß deine Werke.“ So spricht der thronende Christus, der Allwissende, der Augen hat wie Feuerflammen und dessen Blick bis auf den Grund dringt, vor dem keine Entschuldigung noch Ausflucht gilt und wider dessen Spruch es keine Appellation gibt an eine höhere Instanz. Denn Er, der der Welt Heiland ist, Er ist auch der Weltenrichter, weil der Vater Alles in seine Hände gelegt und ihm gegeben hat, das Gericht zu halten über alles Fleisch. Das will nur mit andern Worten sagen: Wir sollen endgültig gerichtet werden nicht nach unserer Stellung zu Mose oder zum Gesetz, auch nicht nach unserer Erbsünde von Adam, sondern nach unserer Stellung zu Christo. Ob wir an Christum geglaubt, Ihn geliebt, auf Ihn gehofft und Ihm nachgefolgt sind, das wird den Ausschlag geben im jüngsten Gericht; nicht der Besitz der Rechtgläubigkeit, nicht unser einzelnes Tun, nicht die Gestaltung unseres Lebens in christliche Formen, nicht unsere Opfer für das Reich Gottes werden das Schlussurteil bestimmen, sondern die Antwort auf die Frage: „Simon Johanna, hast du mich lieb?“ und das Urteil Christi: „Ich habe euch erkannt als meine Jünger im Leben und im Sterben, oder das andere Urteil, welches er gerade zu Solchen spricht, welche „Herr, Herr“ zu ihm sagten und in seinem Namen große Taten getan hatten: „Ich habe euch noch nie erkannt, weicht alle von mir, ihr Übeltäter.“ Die Entscheidung liegt in dem, was Jesu Ange auf dem Grunde der Seele sieht.

Der Gemeinde zu Sardes macht der Herr den Vorwurf: „Du hast den Namen, dass du lebst und bist tot.“ Sardes hatte ein Scheinleben bei geistlichem Tode, wie Paulus es einmal bezeichnet: „Sie haben einen Schein der Gottseligkeit, aber ihre Kraft verleugnen sie.“ Es liegt kein spezieller Tadel gegen Sardes vor, weder in Lehre noch Zucht, wie bei Pergamus und Thyatira, es muss sogar an Zügen christlicher Rührigkeit und Geschäftigkeit nicht gefehlt haben, weil der Herr sagen kann: Du hast den Namen, dass du lebst und dennoch das furchtbare Wort aus Jesu Munde: Du bist tot. Sagt der Herr dies auch zu unserer Gemeinde? Sagt Er es zu dir?

Es fragt sich, wo das Leben deines Herzens im tiefsten Grunde quillt und sprudelt, wo deine Freude und dein Leid ihren Mittelpunkt haben, um was deine Gedanken am tiefsten sich drehen und am höchsten sich schwingen, wo sie am liebsten verweilen, wo dein Interesse am meisten beschäftigt ist, wo deine Liebe ruht und dein Friede wohnt, wohin der eigentliche Pulsschlag deines Lebens geht. Ist es das Leben aus Gott und in Gott, das Leben mit Gott und zu Gott, oder ist es das Leben in den Dingen dieser Welt, das Berufsleben, das häusliche Leben, ist es die Freude außer Gott oder das Leid ohne Gott, das dich so tief erregt, oder hat die Kreatur deine Liebe ganz in Beschlag genommen, sei es nun ein Menschenherz oder die Ehre vor Menschen oder das Genießenwollen oder das Reichwerdenwollen? Der geistliche Tod ist die Trennung der Seele von Gott; geistliches Leben ist die Gemeinschaft der Seele mit Gott. Wo ein Christ im geistlichen Leben steht, da ist Gott sein A und O, da ist Christus sein tägliches Manna, ohne das er nicht leben kann, da ist der heilige Geist sein Tröster und Begleiter, ohne den er nicht pilgern kann. Gott und seine Liebe in Christo, dem Mittler und Versöhner, ist ihm ganz unentbehrlich, und in der Gemeinschaft mit Ihm kann er sagen: „Herr, wenn ich nur dich habe, frage ich nichts nach Himmel und Erde; mit dem Herrn kann ich Taten tun und mit meinem Gott über die Mauer springen.“ Aber wo das geistliche Leben erstirbt, da treten die Dinge dieser Erde, das Interesse des Tages, vor Allem das liebe Ich mit seinem Wünschen und Wollen in den Vordergrund; der Mensch will dann glücklich werden um jeden Preis auf dieser Erde, auch ohne Gott, ja, wohl gegen Gottes Führung, und das Göttliche tritt zurück, es verliert seinen Glanz, seine Kraft, seine Einzigkeit; der Pulsschlag des Gebetes stockt, der Blick nach Oben schließt sich, das Gehör für die Stimme Gottes wird leise, das freudige Bekennen des Mundes verstummt, die Knie werden steif und die Füße lahm zum Lauf nach dem Kleinod und des Herrn Urteil ergeht: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot.

Der Herr gibt noch zwei Kennzeichen des geistlichen Todes in unserem Text, wenn Er sagt: „Ich habe deine Werke nicht völlig erfunden vor Gott.“ Jesu Auge sucht das Sein, nicht den Schein. Wo den Werken, d. h. dem ganzen Wandel die innere Glaubens- und Lebenskraft fehlt, wo dem Opfer des Christenlebens das Feuer der göttlichen Liebe fehlt, das es verzehrt, da kann das Werk vor Menschen sehr stattlich und das Opfer sehr groß erscheinen, vor Gott sind sie nicht völlig erfunden, es fehlt ihnen die Hauptsache, nach welcher Er fragt, es fehlt ihnen das Leben aus Gott sie sind tot. Da können Brautjungfrauen mit geschmückten Lampen dem Herrn entgegen gehen im Gefolge der wahren Christen, vor Jesu Augen sind es doch törichte Jungfrauen, wenn ihnen das Öl des Geistes in den Gefäßen fehlt.

Endlich sagt der Herr: „Du hast auch wenige Namen zu Sardes, die nicht ihre Kleider besudelt haben.“ In der Bekehrung hat der geladene Gast ein hochzeitlich weißes Kleid empfangen durch Vergebung der Sünde. Nun gilt es dasselbe zu bewahren. Wer aber Eine Sünde bei sich herrschen lässt und will nicht mit ihr brechen, auch nachdem der heilige Geist das Gewissen darüber geschärft hat, der besudelt sein Kleid, der betrübt den heiligen Geist und treibt ihn von sich und verfällt dadurch dem geistlichen Tode, der Trennung von Gott. Denn die Sünde hat eine scheidende Gewalt, wenn sie nicht immer wieder in der Buße gehasst und im Glauben an Christum vergeben wird.

II.

Haben wir uns so unter das Auge Jesu gestellt, so wollen wir nun hören, was Jesu Herz uns rät. Zuerst ruft er dem Bischof zu: „Sei wacker und stärke das Andere, das sterben will.“ Erkenne vor Allem die Gefahr, in welcher du samt der Gemeinde schwebst, reib dir den Schlaf aus den Augen und wache auf, denn von dir wird gefordert werden, ob du die Herde gewarnt, ob du die Schlafenden geweckt und die Sterbenden gestärkt hast.

Dann aber gibt er Allen den Rat, Buße zu tun: „So gedenke nun, wie du empfangen und gehört hast, und halte es und tue Buße.“ Sein Rat zur Buße ist ein doppelter: Blick rückwärts auf deinen Anfang, und blick vorwärts in deine Zukunft. Gedenke an dein früheres Hören und Empfangen des Wortes Gottes, als deine Seele aufwachte wie aus einem schweren, bösen Traum, und das Licht schien in deine Finsternis. Als Samuel im Tempel schlief, hörte er seinen Namen rufen: „Samuel, Samuel!“ und antwortete: „Rede, Herr, denn dein Knecht hört,“ und der Herr gab ihm die Verheißung, dass er Gnade vor seinen Augen gefunden und dass er sein Prophet sein solle. Da kam der Geist Gottes über ihn, und er öffnete die Tür am Tempel und schaute hinaus in den goldenen Morgen, und vor ihm lag eine neue Welt, ein neues Leben mit seinem Gott, ein neues Wirken im heiligen Beruf. Kennst du solche Samuelstunden in deinem Leben, und war dir's bei der Konfirmation, als träte der Herr zu dir und riefe dich mit Namen und spräche: Folge mir nach? Als Maria zu Bethanien den Herrn eintreten sah, setzte sie sich zu seinen Füßen und lauschte auf das Eine, was not ist, und auf der ganzen Welt däuchte ihr kein Platz so schön als der Schemel zu Jesu Füßen mit dem guten Teil, das nicht sollte von ihr genommen werden. Kennst du solche Marienstunden in deinem Leben hier unter der Kanzel, wenn die frohe Botschaft von Jesu erscholl, Weihnachtsbotschaft: Gott mit uns, Karfreitag- und Osterbotschaft: Gott für uns, Pfingstbotschaft: Gott in uns, und deine Seele breitete ihre Flügel aus und flog über Tal und Hügel an das Abbaherz Gottes und ruhte in seinem Vaterschoß?

Als der verlorene Sohn von den Träbern der Säue umkehrte und von ferne das Vaterhaus erblickte, als er den Vater ihm entgegeneilen und die Arme nach ihm ausbreiten sah, als er sein: „Nicht wert, nicht wert!“ stammelte und in das versöhnte Vaterantlitz blicken und in das reigendurchtönte heimatliche Haus eintreten durfte, da hörte er die Stimme des Vaters: „Dieser mein Sohn war verloren und ist wiedergefunden, er war tot und ist lebendig geworden.“ Sag an, kennst du solche Stunden in deinem Leben, wenn du in deinem Kämmerlein knietest und zum ersten Mal so von Herzen jubeln konntest: „Ich glaube eine Vergebung der Sünde“? Siehe, das ist erstes Hören und Empfangen, wie es der Herr meint, wenn er dir rät: „Gedenke, wie du empfangen und gehört hast, und halte es und tue Buße.“ Denn das ist ja das Große, dass eine Umkehr möglich ist, so lange es heute heißt, und dass die Treue und Langmut Gottes nicht aus ist, so wir nur in uns gehen und unsern Sinn ändern und das Wort wieder so auf uns wirken lassen wie in der Zeit, da es war wie ein sonniger Frühling nach dem kalten, dunklen Winter ohne Licht und Leben aus Gott. „Heute, so ihr meine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht, sondern wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“

Blicke aber auch in die Zukunft, denn der Herr fährt fort: So du nicht wirst wachen, werde ich über dich kommen wie ein Dieb, und wirst nicht wissen, welche Stunde ich über dich kommen werde.“ Jesus droht das Gericht. Denn wer ihn hier nicht zum Heiland haben will, der muss ihn dort zum Richter bekommen. Wer hier weiter schlafen will, dem droht ein schreckliches Erwachen, wenn der Herr kommt. Darum mahnt der Herr, dass wir uns bereit halten, Ihm entgegen zu gehen mit geschmückten Lampen und heiligem Öl denn darauf will's doch hinaus mit unserm Christenleben: hinan und hinauf zu dem verklärten Haupte. Darum sollst du nicht Hütten bauen auf Erden und dein Leben nicht lieb haben wie die Menschen in den Tagen Lots, da sie aßen und tranken, bauten und pflanzten, kauften und verkauften, freiten und sich freien ließen und darin ihr Leben hatten. Sondern wache und harre des Herrn. Es ist noch nicht aller Tage Abend, sondern der kommt noch, und er kommt gewiss.

Zu Sardes herrschte einst ein König mit Namen Krösus, der kleidete sich in Purpur und lebte herrlich und in Freuden. Er baute Speicher um Speicher, Keller um Keller, und in seiner Schatzkammer lag das Gold aufgetürmt ohne Zahl. Dieser König lud eines Tages einen weisen Mann mit Namen Solon zu Gaste, zeigte ihm alle seine Schätze und fragte ihn, ob er ihn nicht für einen glücklichen Mann halte. Solon schüttelte das Haupt und sprach: „Krösus, es ist noch nicht aller Tage Abend!“ Siehe, kurze Zeit darauf wurde Krösus im Kriege gefangen und sollte sterben. Da rief er auf dem Scheiterhaufen mit durchdringender Stimme: „O Solon, Solon, Solon!“ Denn Solon hatte Recht gehabt.

Sag an, gleicht dein Leben etwa dem des Königs zu Sardes? Lebst du dahin, als sollte es nur immer so fortgehen, als gäbe es keine Wiederkunft des Herrn, keine Rechenschaft über dein Leben, kein Gericht über deine Seele? Der Weise über alle Weisen, der Prophet aller Propheten hat zu seiner Kirche gesagt: „Siehe, ich komme bald, ich komme wie ein Dieb in der Nacht.“ Wer jetzt nicht in seinem Pilgergang, das Herz voll Heimweh, rufen kann: „Ja, komm, Herr Jesu,“ der wird einst vor dem Richterstuhl stehend ausrufen: O Jesu, Jesu, Jesu! Denn Jesus wird Recht behalten, wenn das Ende aller Dinge kommt.

An diesen Rat zur Buße fügt der Herr die liebliche Verheißung: „Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden.“ Was heißt das?

Siehe, von Natur sind wir sündig und werden unserer Blöße inne, sobald wir den Mangel an vollkommener Gerechtigkeit fühlen und uns schämen vor Gott. Freilich, Viele versuchen es erst wie Adam und Eva mit den Feigenblättern der Entschuldigung, mit der tugendstolzen Vergleichung gegen Andere, mit den Kleidern der eigenen Gerechtigkeit; aber damit besteht man nicht im Gericht, in welchem auch die verborgene Sünde ins Licht gestellt und der Mensch bloß erfunden wird. Im Gericht besteht nur der, der das rechte hochzeitliche Kleid der Gerechtigkeit Christi trägt, den Rock des Heils, welcher dem, der an Christum glaubt, frei und umsonst geschenkt wird, wie der verlorene Sohn vom Vater Kleid und Ring und Schuhe empfängt. Da lernt man mit David frohlocken: „Wohl dem, dem die Sünde bedeckt ist.“ Wer nun in diesem Kleide hienieden wandelt, dahinein sich birgt und hasst den befleckten Rock des Fleisches, dem verheißt Christus, dass er mit ihm wandeln soll in weißen Kleidern. Das ist nun nicht ein verschiedenes Kleid von demjenigen, welches er schon hier im Glauben empfangen hat, nein, es ist ein und dasselbe Kleid, hier weiß in der Vergebung der Sünde, dort weiß und hell in der Verklärung. Denn wenn der Christ erlöst wird im seligen Sterben von dem Leibe dieses Todes und von dem Kampf mit dem alten Menschen und der Welt, dann wird das schon jetzt geschenkte Kleid der Gerechtigkeit Christi anfangen zu leuchten in seinem vollen Glanz, weil es nicht mehr getrübt wird durch die inwohnende Sünde. Wie das Kleid Christi leuchtete bei der Verklärung auf Tabor, so weiß, wie es kein Färber auf Erden schaffen kann, so wird auch unser Kleid Christi leuchten bei unserer zukünftigen Verklärung.

Aber das Seligste ist nicht das herrliche Kleid, sondern dass wir mit Ihm darin sollen wandeln dürfen, gerade wie nicht das Paradies das Seligste war in dem Worte des sterbenden dorngekrönten Herrn an den Schächer am Kreuz, sondern das: „Heute sollst du mit Mir im Paradiese sein.“ So will die Verheißung sagen: Wir sollen einmal in die Ruhe kommen aus dem Kampf mit der Sünde, in den Sabbat aus dem Werktag und der Arbeit im Staub der Erde, in das Wandeln mit Ihm, den unsere Seele liebt, in seine holdselige Nähe und den ununterbrochenen Umgang mit Ihm von Angesicht zu Angesicht.

Christus schließt aber die Verheißung mit den Worten: „Ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buche des Lebens.“ Wer in Christo ist, des Name steht im Bürgerverzeichnis des himmlischen Jerusalem; wer in Christo bleibt, des Name wird nicht ausgetilgt daraus. Hier redet der Herr von dem Buche des Lebens; an einer andern Stelle der Offenbarung Johannis ist die Rede davon, dass im Gericht die Bücher aufgetan werden, darin die Werke stehen, nach welchen die Menschen gerichtet werden. Das Buch des Lebens ist nur Eines, der Bücher der Sünden sind viele; im Buch des Lebens steht nur der Name, nichts von Werken, denn die Seligen wissen nichts von Werken, die linke Hand weiß nicht, was die rechte getan, und die Geretteten zur Rechten des Weltenrichters fragen erstaunt: „Wo haben wir dich hungrig gesehen?“ - Aber in den Büchern der Sünde, da stehen alle Werke, um die Verlorenen zu überzeugen, dass Gott gerecht ist in seinem Gericht. So kommt Alles darauf an, dass unser Name nicht ausgetilgt werde, weshalb auch der Herr zu seinen Jüngern sagt: „Freut euch nicht darüber, dass euch die Geister untertan sind, sondern dass eure Namen im Himmel angeschrieben sind.“ Und diesen Namen eines armen Sünders, der durch Christum gerettet ist, den will Er bekennen vor seinem himmlischen Vater, vor dem die Seraphim sich verhüllen und vor dem die Engel und Erzengel auf den Knien liegen und tief anbeten.

O meine Brüder und Schwestern, was tut sich hier für ein Himmel auf, dass Jesus Christus darum, dass seine Christen seinen Namen hienieden getragen haben, funkelnd auf dem Grunde eines bußfertig-gläubigen Herzens, und getragen haben als freudiges Bekenntnis auf ihren Lippen auch unter dem Spott der Leute, will nun ihren Namen tragen vor dem Vater und will sie als die Seinen bekennen vor Gott und vor seinen Engeln.

Dahin will es hinaus mit denen, die überwinden, die sich durch den Hahnenschrei erwecken lassen aus dem Schlaf der Sicherheit und aus dem geistlichen Tode, von denen es nun nicht heißt: „Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot“, sondern die mit Paulus sagen können: „Als die Sterbenden, und siehe, wir leben.“ Darum nur immer hinab in die tägliche Buße und in den Kampf mit der Sünde und täglich hinauf im Glauben an den Gekreuzigten und Auferstandenen; darum nur hinein ins Überwinden in täglicher Treue auch im Kleinen, so soll uns das weiße Kleid nicht fehlen und der neue Name und das Wandelndürfen mit Ihm, der unseres Herzens Freude und Wonne ist.

Wenn ich einmal in Himmel komm,
So heißt es nicht: Wie gut, wie fromm
Da kommt ein armer Sünder her,
Der gern ums Lösgeld selig wär.

Christi Blut und Gerechtigkeit,
Das ist mein Schmuck und Ehrenkleid;
Damit will ich vor Gott bestehn,
Wenn ich in Himmel werd eingehn.
Amen.

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autoren/f/frommel_max/frommel_max_-_5_nach_epiphanias.txt · Zuletzt geändert: von aj
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