Frommel, Emil - Die zehn Gebote Gottes in Predigten - Zweites Gebot.

Frommel, Emil - Die zehn Gebote Gottes in Predigten - Zweites Gebot.

Die Gnade unsere Herrn und Heilandes Jesu Christi und die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns Allen. Amen.

Text: 2. Mose 20,7.
Du sollst den Namen des Herrn deines Gottes nicht missbrauchen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen der seinen Namen missbraucht.

In Christo geliebte Freunde! Das erste Gebot mit seinem reichen Inhalt, und seiner tiefgreifenden Forderung hat die vergangenen Sonntage hindurch vor unserer Seele gestanden. Länger mussten wir ihm ins Auge schauen, länger ihm still halten, denn dies Gebot ist wahrhaftig das erste, der König unter den Geboten. Wenn es von allen Geboten gilt, was der Herr sagt: „wer da sündigt an Einem der ist das ganze Gesetz schuldig,“ so gilt es von diesem Gebot ganz besonders; denn ohne Furcht und Liebe des Gottes, der sich im ersten Gebot geoffenbart, ist es unmöglich irgend Eines der anderen zu halten. Wer aber diesen heiligen Gott im tiefsten Herzen empfände, Ihn fürchtete als seinen Richter, Ihn fürchtete als seinen Vater; wer Ihn, der die Liebe selber ist, liebte und sich ihm ganz zu eigen gäbe; wer sich an sein Herz bettete, in kindlichem Vertrauen ruhte in seinem Arm und Schoß und hineinschüttete alle seine Sorge; wer so dies erste Gebot hielte, der hätte auch alle andern gehalten; dem würde nicht not sein zu sagen: „Ich bin der Herr, du sollst,“ sondern es würde aus ihm heraus dringen: „Abba, lieber Vater, ich will.“

So stände es mit Dem, der das erste Gebot gehalten hätte. - Steht es so mit uns? Wer kann es kühnlich bejahen? Damit Keiner sich über sich selbst täusche, gibt der Herr das zweite Gebot. An ihm kannst du dich prüfen wie du das erste gehalten hast. Wie dein Herz, so ist dein Mund, und wie dein Mund, so ist auch dein Herz.

Denn indem sich Gott uns im ersten Gebot geschenkt hat mit dem Wort: „Ich bin der Herr dein Gott,“ hat Er uns damit auch einen heiligen Namen von Ihm gegeben und uns Allen geschenkt, dass wir ihn damit anriefen, lobten und priesen. Wäre nun unser Herz ein heiliger Tempel Gottes, und wohnte Er darin, dann müssten alle unheiligen Lieder schweigen und kein Wort geredet werden, das diesen Tempel entweihte. Lieder der Anbetung und des Lobpreises im höheren Chor, Lieder der Bitte und des Flehens aus der Tiefe, müssten in ihm wiederhallen: unsere Lippen müssten heilige Priester und Zeugen werden, die da predigten den Namen des Herrn; ja es müsste unseres Herzens Freude und Wonne sein, diesen heiligen Namen mit fröhlichem Mund loben zu dürfen, denn „Wes das Herz voll ist, geht der Mund über.“ Nun prüfe dich, ob es so bei dir steht! oder ob du nicht solch hohes Gut, wie es dir mit dem Namen Gottes geschenkt ist, gar mit Füßen trittst. Vor solcher Entheiligung will der Herr wenigstens seinen Namen schützen, Er will darüber wachen, dass Niemand ihn ungestraft missbrauche; darum, indem er allen Gotteskindern seinen Namen gibt; schützt Er ihn zugleich gegen alle Verächter, der bietet allen Missbrauch und spricht: „der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht,“ und gebietet jeden rechten Gebrauch seines heiligen Namen und will ihn segnen an allen Denen, die seinen heiligen Namen mit Ernst anrufen. So steigt denn der Herr mit dem zweiten Gebot herauf aus dem unheiligen Herzen an den unheiligen Mund und spricht: „Du sollst den Namen des Herrn deines Gottes nicht missbrauchen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“

Lasst uns denn schauen:

  1. Was uns Gott schenkt in seinem heiligen Namen.
  2. Wodurch dieser Name missbraucht wird.
  3. Wie dieser Name recht gebraucht wird,

und dabei zugleich weder des Fluchs vergessen welcher auf dem Missbrauch, noch des Segens, welcher auf dem rechten Gebrauch dieses Namens liegt.

I. Was uns Gott in seinem heiligen Namen schenkt.

In Christo geliebte Freunde! „Du sollst den Namen des Herrn deines Gottes nicht hinbringen zum Eitlen, zum Nichtigen“ so lautet ursprünglich dies Gebot. Gottes Name ist etwas Großes und Heiliges, das sich mit Nichts Unheiligem verträgt. es ist ein großes Gut, das nicht verdorben oder verschleudert werden darf. Ein Gut, sagst du, ist der Name Gottes, wie soll ich das verstehen? Nun, wir haben schon einmal bei dem heiligen Vaterunser davon geredet, was dieser Name sagen will, drum möchte ich es Euch nur mit kurzen Worten und zunächst nur von einer Seite klar machen. Siehe, wenn du den Namen eines Menschen hörst, den du kennst, so steht mit dem Namen schon der ganze Mensch vor deiner Seele, wie er leibt und lebt. Es steht dir vor der Seele alles, was jener Mensch dir ist, oder was er dir war wenn er schon hingeschieden; an alle dir erwiesene Treue und Liebe, an alle köstlichen Stunden in seinem Umgang erinnert dich sein Name. Ja es ist oftmals genug, einem Menschen nur den Namen eines Andern zu nennen und sein Gemüt wird im Innersten bewegt, und sein Auge füllt sich mit Tränen. Tuts der Name? oder tun es die Buchstaben, die zum Namen zusammengesetzt sind, oder der Klang im Ohr? Nein. Sondern mit dem Namen ist dir auch die Person gegeben.

Oder nimms auf andere Art. Es kann ein Menschennamen, der dir genannt wird, plötzlich dein Angesicht verfinstern, er dringt in dein Herz wie ein giftiger Stachel. Schon Mancher ist erblasst und in den Tod hinein erschrocken, als er einen Namen hörte, der in seinem Leben einen furchtbaren Klang hatte. Nicht der Klang des Namens wars, der dich erschreckt, sondern das, dass mit dem Klang dieser Mensch vor dir stand, seis mit Allem, womit er sich an dir versündigt, oder womit du dich an ihm versündigt. - Das ist nun nur ein Menschenname, der ja meistens gar Nichts mit dem Menschen selbst zu tun hat, und meistens Nichts bedeutet; und doch hat er solche Kraft, dir die Person und was du an ihr hast, vor die Seele zu bringen. Nun siehe einmal Gottes Name an. Hier ists noch gar anders. Sein Name zeigt dir seine Person und sein Wesen, und stellt Alles vor die Seele, wer und was dieser große Gott ist. Wie sein Name ist, so ist Er auch. Sein Name und sein Wesen passen aufeinander wie eine Hand auf die andere. Er heißt nicht nur der Heilige, sondern Er ist auch der Heilige. So bringt dir also Sein heiliger Name deinen Gort mit Allem, was Er dir ist und sein will vor die Seele. Hätte Er sich dir nicht genannt, du hättest ihn nicht erkannt; du hättest wie die Heiden herumbuchstabiert an Seinem Namen, wie Er ihn in die Schöpfung geschrieben, hättest geahnt etwa, dass es einen Gott gibt und dass dieser Gott allmächtig sei; aber in sein innerstes Herz und wie es gegen dich gesinnt ist, hättest du niemals geschaut. Darum hat er sich dir genannt. Jeder seiner Namen ist eine offene Tür, durch die du deinem Gott ins Herz sieht, ja jeder Name ist eine reiche Schatzkammer voller Trost für dich. So du in Not bist und nimmer weißt, wo aus und ein und der Herr spricht: Ich bin der Allmächtige - wirst du da nicht stille? wirst Er dir nicht seinen Namen zu als einen Anker in den stürmischen Wellen? So dir deine Lebensführung finster ist und unbegreiflich, gibt Er dir nicht ein Licht auf deinem Weg mit Seinem Namen, dass Er der „Alleinweise“ ist? Schreckt Er dich nicht auf, wenn er sich dir und allen Sündern, den „Heiligen in Israel“ nennt?

Aber einen Namen kenne ich noch, mit dem Er sich dir genannt, ein Name, der dir zum Herzen dringt, so du ihn hörst; ein Name, der sein Herz bewegt, wenn du ihn damit anrufst: das ist der teure Name „Vater.“ „Unser Vater in Christo Jesu,“ das ist sein neutestamentlicher Name. Seinem Volke Israel im alten Bund kann er sich nur nennen: Jehovah, d. h. „Ich werde sein, der ich sein werde“ - der ewige unveränderliche Gott, der Treue halten wird; - im neuen Bund aber nennt er sich „Vater,“ der da Treue gehalten und seine Zusage erfüllt hat, der seinen Sohn gesandt und durch ihn unser Vater geworden ist. So schenkt Er dir in seinem Namen sein Herz und sich selbst; mit Jedem seiner Namen steht Er vor dir, erinnert dich an Alles, was Er je und je gewesen, was Er dir sein will in Zeit und Ewigkeit.

Ach sollte man nicht glauben, wir müssten uns mit aller Macht an diesen heiligen Namen halten, der uns so teure Schätze offenbart? es müsse etwas köstlicher sein, diesen Namen anrufen zu dürfen, ja eines Kindes Stolz, seines Vaters Ehrentitel zu nennen; statt dessen müssen wir hören, wie Sein heiliger Name tagtäglich missbraucht, in den Staub und in den Kot getreten wird. So kommen wir denn von dem köstlichen Geschenk, das uns mit dem Namen Gottes gegeben ist, zu dem Missbrauch desselben, und schauen:

II. Wodurch dieser heilige Name Gottes missbraucht wird.

Geliebte! Groß und mannigfaltig ist solcher Missbrauch, wer könnte allen und jeden nennen! Da steht voran der gedankenlose, leichtsinnige Gebrauch des Namens „Gott“ oder „Herr Jesus.“ Wie oft geht den Tag über das „Ach Gott“ über deine Lippen, ohne dass du an den Herrn deinen Gott denkst! Gefällt dir eine Musik, oder ein Kleid, oder des Etwas, muss nicht schnell unser Herrgott dazu mit deinem „Gott! wie schön?“ Muss nicht Etwas, das dir schön vorkommt gleich „göttlich“ oder „himmlisch“ heißen? Welchen Menschennamen, und wenn’s der allerelendste wäre, bringst du so oft und so gedankenlos über die Lippen, als den heiligen Namen deines Gottes? Da möchte ich dich zu einem längst verstorbenen Manne in die Schule schicken, der einst zu London lebte, das war Newton, einer der gewaltigsten Geister die je gelebt, ein Mann, der tief in die Geheimnisse der Schöpfung eingedrungen war. Nie hat er den Namen Gottes genannt, ohne sein Haupt zu entblößen, aus Ehrfurcht vor dem gewaltigen Schöpfer und Herrn aller Dinge. Und du, der du doch einem solchen Mann die Schuhriemen aufzulösen nicht wert bist, brauchst den Namen des Herrn ohne Sinn und Gedenken an ihn!

Aber die Strafe bleibt nicht aus. Wenn du einmal aus tiefstem Herzen, aus tiefer Not ein „Ach Gott“ sagen willst, dann hat es seine Kraft verloren. Drum musst du dich nicht wundern, wenn in der Not der Herr auf dein „Ach Gott“ nicht viel gibt und zuerst eine Weile zuschaut, obs dir auch Ernst damit ist.

Von diesem leichtsinnigen Gebrauch und Missbrauch des Namens Gottes kommen wir zu dem freventlichen Missbrauch des Namens Gottes, den unser Katechismus bezeichnet mit den Worten: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir bei seinem Namen nicht fluchen, schwören, zaubern, lügen oder trügen.“ Fluchen ist das häufigste Gebet der Christenheit, das überall ohne Gebetbuch, frei aus dem Herzen gebetet wird. Du hörst es überall, auf der Straße, in den Werkstätten, in den Wirtshäusern, daheim im Haus; von den Alten, von den Jungen, ja bis zu den kleinsten Kindern herunter, die eher und schneller zehn Flüche lernen, als ein Gebet. Du hörst die Flüche nicht etwa nur draußen bei den sogenannten „rohen“ Bauern, sondern auch bei den gebildeten und vornehmen Herren in der Stadt; oder frage einmal etwa einen Bedienten oder eine Magd über das Fluchregister ihrer „gebildeten“ Herrschaft, was wirst du da zu hören bekommen! Da wird Gottes Allmacht, sein Blitz, sein Donner, des Herrn Jesu heiliges Kreuz, daran er starb, sein heiliges Sakrament, wodurch er unsere arme Seele trösten und erquicken will, herunter geflucht vom Himmel, als wohne dort ein Scharfrichter, der uns jederzeit zu Gebot stünde, und kein barmherziger Gott, der nicht Gefallen hat am Tod des Gottlosen; ja zuletzt wird wohl auch der Teufel angerufen, als habe er Macht wie Gott; angerufen von denen, die gewaltig sich beklagen, wenn man ihnen einmal, nach Gottes Wort, von dem Dasein des Teufels predigt! Da wird geflucht und über wen? Ach dass sich Gott erbarme! Da flucht der Eine über sich selbst und ruft „Gott verdamme mich“ oder „der Teufel soll mich holen!“ Da wird geflucht von den Lehrern über die Schüler, und von den Schülern über ihre Lehrer, von den Beamten über ihre Untergebenen und von ihnen über die Beamten; in jedem Stand, von Soldaten und Handwerkern, von Herrschaften über ihre Dienstboten, ja, ich schäme mich, es zu sagen, geflucht von Eltern über ihre eigenen Kinder, die sie blind, taub, stumm und tot wünschen! Bis herunter über die vernunftlose Kreatur ziehen die Flüche, über das arme Tier, das vor Müdigkeit nicht mehr gehen kann, über die Sonne, die zu lange scheint, über den Regen, der zu kurz oder zu lang dauert; über wen und was alles wird nicht geflucht?

Bei den Einen kommen die Flüche im Zorn, wenn die Galle steigt und wogt, im Unmut und in der bösen Laune, wo mancher meint, wenn er recht geflucht: „jetzt sei es ihm wieder leicht ums Herz.“ Bei dem andern im Übermut, wo man meint, man habe eine rechte Heldentat getan, wenn man Himmel und Hölle herabgeflucht; dort flucht Einer, weil er meint „man müsse sich ein Ansehen dadurch geben“ oder „man käme ohne Fluchen nicht fort;“ und doch gehts tausendmal besser und lässt sich ohne das trefflich auskommen. So antwortete einst ein Geistlicher einem hochstehenden Mann, der ihm sagte: „es sei für ihn fast unmöglich, in seinem Beruf ein Christ zu sein, schon um des Fluchens willen, denn ohne das käme er bei seinen Leuten nicht durch.“ „und doch kenne ich einen Mann,“ sagte der Geistliche, „der nicht geflucht hat und dem seine Leute doch aufs Wort folgten.“ „Nun den nennen Sie mir, den möchte ich auch kennen,“ rief Jener. „Das war ein römischer Hauptmann und ein Heide dazu,“ sagte der Geistliche, „der kommandierte mit sanften und guten Worten: „gehe hin“, sprach er zu dem Einen und er ging, „komm her“ sprach er zu dem Andern und er kam, „tue das“ zu dem Dritten und er tats. Nun ich denke, was bei einem heidnischen Kriegsvolk möglich war, wird doch auch bei der Christenleuten möglich sein.“ Die aber, die sich mit ihrem Fluchen entschuldigen: „es sei eben eine böse Gewohnheit und nicht so schlimm gemeint“ möchte ich fragen: Ist denn ein Gebot weniger als das andere vor Gottes Augen und nicht jede Übertretung gleich strafbar? was würdet ihr zu einem Menschen sagen, der, wenn er gestohlen hätte, sich damit entschuldigte:, es sei das eben eine böse Gewohnheit von ihm und nicht schlimm gemeint?“

Aber der HErr, der da geschworen hat, dass er seinen Namen nicht ungestraft missbrauchen lassen wolle, hält sein Wort gewaltig. Ists ein Wunder, wenn er diese Flüche auf der Flucher Haupt zurückfallen lässt? Ists ein Wunder, wenn er den so oft verfluchten Himmel verschließt, und nicht regnen lässt auf Erden? Wenn trotz der reichen Ernten, der Segen fehlt, und die teure Zeit alle Stände drückt? Wenn er über vielverfluchten Häusern sein Feuerzeichen aufsteckt? Ja ists ein Wunder, wenn aus den Kindern, in die hineingeflucht wird von den Eltern, ein Fluchgeschlecht wird? Wir freuen uns, wenn in unserem Land da und dort ein Rettungshaus für solche arme Kinder gebaut wird; wir freuen uns, weil solche Häuser Zeugnisse der christlichen Liebe und Barmherzigkeit sind, aber sind sie nicht auch furchtbare Strafzeugnisse Gottes über den Verfall unseres Volkes? Die furchtbarste Strafe der Flucher ist aber die, dass sie nicht mehr beten können. Wahrlich der alte Gott lebt noch, der den nicht ungestraft lässt, der seinen Namen missbraucht!

Vom Fluchen ists nicht weit zum Schwören. Wie geht doch das leichtsinnige Schwören unter uns im Schwang! Da rufst du den Herrn zum Zeugen an in nichtssagenden Dingen, da bist du so schnell bei der Hand mit dem: „so wahr Gott lebt“ oder „so wahr wir hier stehen und gesund sind“ oder „bei meiner Seele,“, „bei meiner Ehr und Seligkeit.“ Überall setzt du etwas zum Pfand ein, was gar nicht dir gehört. Oder weißt du nicht des Heilands Wort: „Du sollst auch nicht bei deinem Haupt schwören, denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen?“ Was aus solch leichtfertigem Schwören kommt, das magst du an Herodes sehen. Herodis leichtsinniger Eid hat Johannes dem Täufer den Kopf gekostet, und den Herodes, obwohl sein Gewissen ihm schlug, zum Mörder gemacht. Herodes ist nicht der Einzige gewesen, dem es also ergangen. Wie Mancher hat sich schon durch einen leichtfertigen Eid, aus falscher Ehre vor der Welt, aus einer großen Sünde in eine zweite, noch viel größere gestürzt! „Des Eides soll man brauchen,“ sagt Luther, „wie eines Schwertes, das zuckt man nicht für die lange Weile.“ Alles solches Schwören ist ein Zeichen der Lügenhaftigkeit unseres Herzens und unseres Geschlechtes, denn sonst müsste unsere Rede sein Ja, ja, Nein, Nein. Wären wir wahrhaftige Leute, so müsste unser, „Ja“ ein „Ja“ und unser „ Nein“ ein „Nein“ sein und besser denn ein Eid.

Um der Unwahrhaftigkeit der Menschen willen wird aber der Eid von der Obrigkeit gefordert, und ein Christ darf und soll ihn schwören. Wie denn unser Katechismus auf die Frage: „Mag man denn auch gottselig bei dem Namen Gottes einen Eid schwören“, antwortet: „Ja, wenn es die Obrigkeit von ihren Untertanen verlangt, Treue und Wahrheit zu Gottes Ehr und des Nächsten Heil dadurch zu erhalten und zu fördern.“ Der Herr selbst hat vor dem Hohenpriester geschworen und „der Eid macht ein Ende alles Haders, dabei es festbleibt unter ihnen.“ Aber nimms nicht leicht mit dem Eid. Es ist eine große Sache, dass du feierlich deine Hand aufhebst gen Himmel und ein gewaltiges Wort, das du sprichst mit dem: „So wahr mir Gott helfe!“ Feierlich sagst du dich los von der Hilfe und Erbarmung deines Gottes, wenn das nicht wahr ist, was du sagst; Er soll dir dann nicht mehr gnädig sein, weder im Leben noch im Tod! Sollten wir nicht glauben, es müsse einem Menschen der Tag des Eidschwurs ein ernster, heiliger Tag sein; es müsse ihm der Ernst dieser Stunde durch Mark und Bein gehen, als stehe er vor den Schranken der himmlischen Gerichts? Und doch wie leicht nimmts unser Volk, mit wenigen Ausnahmen, mit dem Eidschwur! man verrichtet ihn, wie man ein anderes Geschäft auch verrichtet. Schon die Vorbereitung bei dem Geistlichen dauert Vielen zu lang. Mit eigenen Ohren hab ichs gehört, dass ein Mann zu dem Geistlichen sagte, der ihn vorbereitete: „Machen sies kurz, Herr Pfarrer, ich habe schon bei 60 Eide geschworen.“ Es ist ein schlimmes Zeichen, wenn so viele Eide geschworen werden müssen; aber ein weit traurigeres Zeichen sind die Meineide, die unwissentlich und wissentlich geschworen werden. Da schwört Mancher und weiß nicht einmal, was er schwört; der Andere weiß die Sache nur halb und halb; der Dritte will sie nur halb wissen oder die Verwandtschaft liegt ihm in den Ohren und sagt: „er werde doch nicht einen Mann ins Zuchthaus bringen wollen;“ oder er denkt an die Feindschaft, die er sich macht und sagt die Wahrheit nur halb oder gar nicht. Wie stehen aber Solche da, die ihre Hand aufheben, den lebendigen Gott zum Zeugen nehmen und sich wegschwören können von einer Schuld oder sogar von ihrem eigenen Fleisch und Blut! Meine Freunde! Wo sind die Leute unter uns, die auch die bitterste Not nicht zum Meineid bringt, die kein noch so großer Vorteil zum Eidbruch reizt? Wie einst der Markgraf Christoph von Baden einem Gesandten zur Antwort gab, der ihn zum Bruch seines geschworenen Eides verleiten wollte und ihm mit glänzenden Farben die Vorteile schilderte, die er davon haben würde:

„Ehr und Eid gilt bei uns mehr
als Land und Leut.“

Wo sind die Leute, auf deren Grab man mit gutem Gewissen schreiben könnte:

Sein Nein war Nein gerechtigt,
Sein Ja war Ja vollmächtig,
Er war seins Ja gedächtig,
Sein Grund, sein Mund einträchtig?

Aber liebe Freunde, der Fluch des Herrn und seine Strafe bleibt nicht aus über denen, die durch Schwören seinen Namen missbrauchen; nicht einen Arm, nicht eine Zunge hat der Herr gelähmt, sondern Tausende bei denen, die falsch geschworen haben; oft von Stund an schlägt sie der Herr mit Plagen. - Das erschworene, unrechte Gut hat keinen Segen, schon die Heiden sagten:, der Meineid hat einen namenlosen Sohn, der ohne Hände und Füße ist und die Geschlechter zu Grunde richtet. Dem Herzog Rudolf von Schwaben, der sich gegen den Kaiser empört hatte, wurde in der Schlacht die rechte Hand abgehauen. „Das ist Gottes Gericht,“ rief er, „denn mit dieser Hand habe ich einst dem Kaiser Treue geschworen.“ Aber die furchtbarste Strafe verhängt der Herr durch die Qual im Gewissen, die oft schon aus dem verstörten Blick und unheimlichen Wesen heraus schaut. Der Friede ist gewichen, kein Gebet kann mehr auf die Lippen kommen; und zuletzt hast du schon einen Meineidigen sterben sehen? Ich sage dir, sie nehmen ein Ende mit Schrecken. - Geliebte! ob Eines unter Euch ist, das solchen falschen Eid, solches Brandmal im Gewissen und in seiner Seele trägt - ich weiß es nicht - der Herzenskündiger aber, der mit Flammenaugen Euch durchschaut, ER weiß es. Einen solchen beschwöre ich bei dem lebendigen Gott, dass er, so lange es Heute heißt, zu Ihm fliehe, der bei seinem Leben geschworen hat, dass Er keinen Gefallen habe am Tode des Gottlosen, und zu dem Heiland, der auch diese blutrote Sünde weiß waschen kann! Zu Ihm fliehe er, ehe die Nacht kommt, da Niemand wirken kann!

Der Katechismus sagt ferner: Wir sollen nicht bei Gottes Namen zaubern. Man hat dieses Wort schon streichen wollen und gesagt, so etwas käme ja nicht mehr vor; in einer so aufgeklärten Zeit, wie in der unsrigen, müsse man von solchen Dingen gar nicht reden. Aber wie? Wenn diese Dinge doch da wären, wenn gerade bei den sogenannten „Aufgeklärten“ ein Stück solcher Finsternis zu finden wäre und das Wort von ihnen gesagt werden könnte: „Da sie sich für Weise hielten sind sie zu Narren geworden?“ Und so ists. Das Zaubern mit Gottes Namen, das heißt, das glaubenslose, eigenwillige Brauchen des heiligen Wortes und des Namens Gottes, das vielgestaltige, abergläubische Wesen, das so viele anwenden, um das zu erfahren, was Gott uns verborgen, oder zu erlangen, was Er verweigert hat, ist eine rechte Zeitsünde; eine Sünde die man in allen Ständen des Volkes trifft. Heute noch gilt diesem Geschlecht das Wort des Herrn: „dass nicht unter dir gefunden werde der seinen Sohn oder Tochter durchs Feuer gehen lasse, oder ein Weissager, oder ein Tagewähler, oder der auf Vogelschrei achte, oder ein Zauberer, oder Beschwörer, oder Wahrsager, oder der die Toten frage, denn wer solches tut, der ist dem Herrn ein Gräuel.“ 5. Mose 18,10-12.

Es liegt in jedem Menschen, mehr oder weniger, ein dunkler und unheimlicher Drang, das zu wissen, worüber Gott gnädig den Schleier gedeckt hat; es liegt in ihm ein dunkler Zug, sich übernatürliche Kräfte zu verschaffen, mit denen er nach eigenem Gutdünken schalten und walten könnte. Wo Einem das himmlische Licht, das Wort des Herrn, nicht mehr genügt und die Kräfte, die aus ihm uns zufließen, da greift man denn zu solchen Dingen, nimmt Gottes Namen, seine heiligen Worte oder Zeichen oder gar des Teufels Macht in Anspruch. Sehr wahr hat ein teurer Mann, der die Nachtseite der menschlichen Natur kennt, diesen verderblichen Zug im Menschen dargestellt, wenn er etwa sagt: Im Lichte des milden Sonnenstrahls siehst du eine Menge von Insekten sich fröhlich bewegen, denn die Sonne hat Licht und Wärme für sie, ohne sie zu verzehren. Aber wenn die Sonne untergegangen, und die Nacht hereingebrochen, und das Erdenlicht auf dem Tische brennt - da beginnt ein unheimliches Leben in diesen Geschöpfen, sie kommen aus ihren Schlupfwinkeln heraus und drängen sich in wildem Flug um das Licht. Erst freien sie langsam um dasselbe, dann wird der Tanz immer schneller und wilder, bis sie endlich mit versengten Flügeln auf den Tisch fallen; aber damit ists nicht genug, ein unwiderstehlicher Zug drängt das arme Tier wieder zu der unheimlichen Flamme; mit den versengten Flügeln und halbverbrannten Füßen macht es sich auf und endet sein Leben in der Flamme. Du Menschenkind! wenn für dich die warme Himmelssonne des Wortes Gottes, in der du Leben hast und Licht auf deinem Weg in die dunkle Zukunft, untergegangen ist, dann kommst auch du in deiner Nacht zu solchem Irrlicht, das über bodenlosen Sümpfen tanzt. Ein finsterer Zug drängt dich hin, bis die Flügel deiner Seele verbrannt sind. Siehst du den König Saul, den Gott herrlich gemacht vor allem Volk, nachdem er abgefallen war von dem lebendigen Gott, hingehen zum Wahrsagerweib zu Endor und die Toten fragen? Hörst du die Todesworte die er vernehmen muss?

Zu aller und jeder Zeit bis herunter zu uns haben Leute, welche die Bibel verachten, zu den Karten gegriffen, um daraus ihr Schicksal zu lesen; haben die, die das Gut des Glaubens verloren, das Blei in der Neujahrsnacht gesucht; haben Solche, die nicht mehr schauten auf die Hände des lebendigen Gottes, auf die Linien in ihrer Hand geschaut, auf den Lauf der Sterne geachtet, statt auf Den, der sie regiert; nach den klopfenden Tischen und den geträumten Zahlen, nach den Toten und ihrem finstern Verkehr gefragt, statt nach dem lebendigen Gott. Denn etwas muss der Mensch glauben. An Mosen und die Propheten glaubt der reiche Mann nicht, aber Lazari Gespenst soll Wunder wirken. Voltaire, ein Meister im Spott über die Bibel, kam immer betrübt nach Haus, so oft er zur Linken die Raben auf dem Feld hatte krächzen gehört. Herzog Philipp von Orleans, der ein großer Freigeist war und in der französischen Revolution mitgeholfen den lieben Gott abzusetzen, und Viele zum Tod gebracht, kam zuletzt selbst ins Gefängnis. Dort ließ er sich mit banger Seele aus dem Kaffeesatz lesen, ob er freigesprochen oder hingerichtet würde! Wie anders dagegen leuchtet das Bild des Landgrafen Wilhelm von Hessen, der, als ihm das Buch eines Sterndeuters gezeigt wurde, worin des Landgrafen Sterbetag bezeichnet war, ruhig an den Rand jener Stelle schrieb: Psalm 31,19: „Meine Zeit steht in den Händen des Herrn.“

Aber der Herr lässt den Missbrauch seines Namens nicht ungestraft. Seine Hilfe in der Not bleibt aus, den Er will dann kein Lückenbüßer sein. So lässt Er dem König Ahasja sagen, der in seiner Krankheit auch zu solch widergöttlichen Mitteln seine Zuflucht genommen: „Ist denn kein Gott in Israel, dass du hinsandtest zu Baal Sebub, dem Gott in Etron? Darum sollst nun nicht kommen von deinem Bett, darauf du dich gelegt hast, sondern sollst des Todes sterben.“ Was aber noch trauriger ist, ist das, dass solche Leute, die entweder selbst auf solche Art Gottes heiligen Nanen missbrauchen, oder an sich von Andern missbrauchen lassen, sich dadurch in eine unheimliche, gottfeindliche Macht begeben haben, in eine Macht, die sie nicht mehr beten lässt, die sie ängstigt, ja eine Angst erzeugt, deren Folge nicht selten ein früher Tod, oder das Irrenhaus ist.

Noch einen Missbrauch nennt uns der Katechismus, der da geschieht durch Lügen und Trügen bei Gottes Namen. Das geschieht nicht nur bei falschem Schwur und Meineid, sondern auch da, wo man Gottes Name wohl im Mund, aber nicht im Herzen hat; ihn braucht zu falscher Lehre oder gar zum Deckel der Bosheit. Gelogen und betrogen mit Gottes Name wird da, wo des HErrn Name das bloße Aushängeschild und die schöne Firma ist, während das Herz ganz andere Dinge feil hält. „Wo man anders lebt, denn das Wort Gottes lehrt.“ Dazu gehört alles das Redensarten-Christentum, das bloße „Herr, Herr“ sagen, ohne den Willen des Vaters im Himmel zu tun; da kommt Einer fleißig zur Kirche, ist in der Predigt auch gerührt, aber daheim bleibt es beim Alten; der Andere kommt alle Karfreitag ein Mal, damit Gott und die Welt nicht glaube, dass er ein purer Heide sei. Da glaubt Mancher, es sei genug getan, wenn er nur dabei sei in einer Stunde, oder bei einem Missionsfest, oder wo es Etwas gibt im Reich Gottes, wenn auch sein Herz weit von der Sache entfernt ist; das heißt „den Schein haben des gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen.“ Da muss der Herr wohl sagen: „Dies Volk naht sich zu mir mit seinen Lippen, aber sein Herz ist fern von mir.“ Gelogen und betrogen bei Gottes Namen wird auch da, „wo man anders lehrt, denn das Wort Gottes lehrt“, auf der Kanzel und in mancher Versammlung, wenn man statt Gottes heiliges Wort seine eigene Weisheit und Menschenfündlein predigt, oder dreht und deutet an der Schrift, ihr den Sinn und die Glieder so lange bricht, bis sie endlich zu dem passt, wonach Einem die Ohren jucken; wo man durch viele Künste den schlichten und kindlichen Glauben raubt; wo man den schmalen Weg breit und die enge Pforte weit macht, oder auch den schmalen Weg noch schmaler macht denn er ist, Mücken seigt und Kamele verschluckt.

Gelogen wird da, wo Gottes Wort zum Deckel der Bosheit gemacht wird. Da man, wie Herodes zu den Weisen im Morgenland, redet vom Anbeten des Kindleins und es doch töten will; wo man wie Judas spricht: „Warum ist diese Salbe nicht verkauft um dreihundert Groschen und den Armen gegeben,“ und dabei ein Dieb ist, wo man zu den Armen spricht: Gott berate Euch - und ihnen nichts gibt, oder es macht wie Ananias und Sapphira; wo man die Schrift gebraucht, wie der Teufel in der Versuchung Jesu; mit Davids Ehebruch seinen eigenen entschuldigt und Gottes Langmut auf Spott zieht, oder Gottes Wort braucht zu allerlei leichtem Scherz und feineren Witzwort - sieh, da überall ist solches Lügen und Trügen.

Was ist die Folge von solchem Lügen und Trügen? Dass hier schon oft, namentlich auf dem Sterbebett, offenbar wird was Gold und Messing, was Spreu und Weizen war, und wie solch „Herr, Herr“ sagen nicht Stich hält; wer sich aber gegen Gottes Wahrheit gestellt und in Unwahrheit gekehrt, gegen den stellt sich dann Gottes Wahrheit als ein verschlossenes Buch mit sieben Siegeln, und bei den Spöttern verliert das Wort des Herrn seine Kraft. Mit Einem Worte: die mit Gottes Wort lügen und trügen, lügen und betrügen zuletzt nicht den HErrn, sondern sich selbst um ihre eigene Seligkeit und werden das Wort des Herrn hören müssen: Wahrlich ich kenne Euch nicht, weicht von mir ihr Übeltäter.“

Nun denn, meine Teuren, wer da ohne Sünde ist, wes Lippe nie geflucht, noch geschworen, noch betrogen, der trete unter das Angesicht dieses Gebotes und sage: „Das habe ich alles gehalten von Jugend auf.“ - Wer sich aber mit mir geschlagen fühlt - fühlt, dass wir Leute von unreinen Lippen sind, wer da fragt, wie soll ich denn solchen Missbrauch des Namens meines Gottes los werden, dem sage ich: Brauche den Namen deines Gottes recht, das ist das beste Mittel gegen den Missbrauch. Wir schauen darum noch

III. Wie der Name Gottes recht gebraucht wird.

Geliebte! Nur wenige Winke kann ich Euch noch hierüber geben; denn wer könnte in kurzgemessener Zeit alles der Gemeinde sagen, was das Wort des Herrn Köstliches über das Gebet, was rechte Beter über den Segen desselben gesagt? Schlicht und einfältig redet unser Katechismus von solchem rechten Gebrauch des Namens Gottes wenn er sagt: „Wir sollen Gott fürchten und lieben dass wir denselben in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken.“ Dazu darf und soll ein Christ den Namen des Herrn gebrauchen, dann verwertet er dies Gut und die reichlichen Zinsen bleiben nicht aus. Denn es versündigt sich an dem Namen Gottes eben so sehr der, der ihn gar nicht gebraucht, als der, welcher ihn missbraucht; denn ein Solcher hält ihn für Etwas Wertloses, und ist ein fauler Knecht, der seines Herrn Pfund vergräbt, darum, dass er in der Welt herumläuft ohne Gebet, ohne Lob und Dank gegen Gott.

Da steht denn voran: „das Anrufen des Namens Gottes in allen Nöten.“ Das geschieht dadurch, dass du in aller eigenen oder fremden Not, sei sie noch so groß oder noch so klein, vor allen Dingen bei Gott Hilfe suchst, und um seines Namens willen die Erfüllung deiner Bitte erwartest. Denn mit seinem Namen hat er dir ja auch ein Recht an Ihn gegeben; wenn er sich deinen Vater nennt, so will er auch als dein Vater an dir handeln, so greifst du ihn damit an seinem eigenen Wort an. Wenn nun schon einem Vater auf Erden das Herz aufgeht, wenn das Kind zu ihm sagt: „Lieber Vater,“ glaubst du, dass Ihm, dem himmlischen Vater, das Herz weniger aufgehe, wenn du ihn mit diesem Namen rufst? Jeder Name Gottes ist eine Verheißung, an deren Erfüllung du deinen Gott in der Bitte erinnerst; darum sagt auch Luther „man müsse Gott mit seinen Verheißungen wecken, und wenn er nicht aufwache, Ihm damit die Ohren reiben.“ Darum sollen wir auch in allen Nöten mutig und getrost an seinem Herzen anklopfen und heilige Hände ohne Zweifel zu unserem Gott aufheben. Denn so lange du hin und her überlegst, „obs denn auch wirklich nötig,“ oder „ob es was nütze,“ oder „ob er auch wirklich höre oder nicht,“ oder mit den übergescheiten Reden kommst, „der liebe Gott wisse ja schon, was man bitte, oder es sei ja doch schon alles bestimmt, man dürfe Ihm nicht vorgreifen,“ oder gar Anstand nimmst, zu Ihm zu kommen, „weil du ihn nicht belästigen willst,“ oder „weil du dein Gebet nicht so schön hinbringst wie David, Assaph und Salomo,“ so lange du Solches denkst, glaube nicht, dass du Etwas empfängst. Denn wer da bittet, der bitte im Glauben und zweifle nicht; denn „wer da zweifelt, der ist gleich wie die Meereswoge, die vom Wind getrieben und gewebt wird, solcher Mensch denke nicht, dass er Etwas von dem Herrn empfangen werde,“ sagt Jakobus. Man kann einem Menschen, der da bittet, nichts geben, wenn er seine Hand nicht herstrecken will. Darum verlasse dich auf das Wort deines Herrn: „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, so sollst mich preisen.“ Warte aber nicht mit deinem Gebet, bis die Not aufs Höchste gestiegen, meine nicht, du müsstest es erst mit der Menschenhilfe probieren und dann wenn die nichts sei, stehe dir ja der Weg zum lieben Gott immer noch offen; - Nein! Geradezu macht die besten Renner! Das ist kein rechtes Kind, das zuerst an alle andern Türen läuft, ehe es zu seinem Vater kommt. Ihn vor allen Dingen und zuerst rufe an, Er lenkt dann auch, wenn er will, der Menschenherzen wie Wasserbäche, darum heißt es: „Rufe Mich an.“ Es heißt aber auch: „Rufe mich an,“ das heißt auch, sprich laut und vernehmlich mit mir, mache keine Umschweife. Oder wirst du wohl, wenn du am Ertrinken bist, und sähest Einen der dir helfen könnte und dessen Namen du wüsstest, viel schöne Worte machen, damit er dir hilft? „Rufe mich an in der Not“, ja in allen Nöten, wie denn der Apostel sagt, „betet stets in allem Anliegen,“ sage nicht du wolltest Ihn nur in den großen Nöten anrufen, in den kleinen aber nicht - was weißt denn du, was klein oder groß ist in Gottes Augen? Worin zeigt sich denn eines Kindes Vertrauen zu seinem Vater, wenn nicht darin, dass das Kind auch die kleinste Not dem Vater offenbart? Und wenn du keine eigene Not hättest, so hat dir der Herr dafür fremde Not genug vor Augen gestellt, „denn wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit.“ Aaron hat auf seinem Brustschild nicht seinen Stamm allein auf dem Herzen getragen, sondern die elf andern auch; so sollst auch du nicht nur dich selbst und deine Not, sondern auch deinen Bruder auf dem Herzen tragen. Der selige Pfarrer Oberlin hatte in seinem Pfarrhause eine Türe, die hieß die schwarze Türe. Er hatte sie schwarz anstreichen lassen und mit Kreide alle die darauf geschrieben, für die er besonders beten wollte. Ist in deinem Hause auch eine, lieber Christ? - Wenn der Flucher glaubt ohne Missbrauch des Namens Gottes nicht durchzukommen, so glaube du, als rechtes Gotteskind, dass du ohne das rechte Anrufen deines Gottes auch nicht durchkommst; nimm dir statt einem Fluch ein gottseliges Losungswort, womit du in den Streit und den Kampf eines jeglichen Tages ziehen willst. Wenn es die Ehre deines Gottes gilt, sollst du auch fröhlich deinen Gott mit Paulo anrufen, die Wahrheit bekräftigen und sprechen: „Ich rufe Gott an zum Zeugen auf meine Seele,“ durch Alles solches Anrufen des Namens Gottes wird sein Name recht geheiligt; dadurch wird der Welt und allen ihren Kindern Zeugnis gegeben, dass wir keinen tauben Götzen haben, der nicht hören könnte, und keinen stummen, der nicht antworten könnte, sondern einen lebendigen Gott, der da reich ist über allen denen, die ihn anrufen, des Name wunderbar ist und herrlich in allen Landen! Denn erhört wird jedes gläubige Gebet, und mit Segen gekrönt; rechte Gebete kommen nicht leer zurück; aber merke dir, erhört wirst du gar oft auch dadurch, dass dich Gott nicht erhört, dass er dir das versagt, was für dich nicht heilsam ist; oder gibt auch eine Mutter ihrem Kind Gift, wenn es im Unverstand darum bittet, und das Gift für Zucker ansieht?

Aber nicht etwa in allen Nöten nur sollst du zu deinem Vater kommen und seinen heiligen Namen anrufen, sondern auch immerdar zu deinem Herrn beten. Oder sprichst du mit deinem Vater nur wenn du in Not bist? du wärst ja dann kein rechtes Kind. Solches Beten muss nicht immer ein Bitten sein, es ist vielmehr ein Ausschütten deines Herzens vor dem HErrn, wie der Psalm sagt: „Lass dir wohlgefallen die Rede meines Mundes und das Gespräch meines Herzens vor dir, mein Hort und mein Erlöser.“ Zu solch innigem, betendem Umgang mit Ihm, gibt er dir seinen Namen, als eine goldene Pforte, die bei Tag und Nacht offen steht. Wie leicht wird dirs doch ums Herz, wenn du einem treuen Freund so alles sagen kannst, was dich drückt und traurig macht; du willst ja nicht gerade von ihm geholfen haben, sondern schon dass sein Auge mit dir weint, sein Herz dir sich öffnet und seine Lippen sich zu einem Trostwort öffnen, ist dir genug. Nun

„Der treuste Freund ist in dem Himmel
Auf Erden sind die Freunde rar“

Es gibt unaussprechliche Dinge, die man nur in Seufzern kund geben kann; es gibt ja ein Reich das, wie man es in Worte fasst, schon nicht mehr dasselbe ist; du musst ein Herz haben, in das du Alles hineinversenken kannst, das verschwiegen ist und nur mit dir allein im Stillen redet. Das ist dein Gott und HErr, dein treuer Heiland. Er will ja auch mit dir, wie einst mit Mose, als mit seinem Freund reden. In seinem Umgang atmest du wieder freie Himmelsluft ein für deine Seele, die sonst verschmachten müsste. Darum sagt der Apostel: „Betet ohne Unterlass;“ denn Beten ist Atemholen und ohne Himmelsodem bist du tot; aber merke dir: Beten ist auch ein gewaltiges Ringen mit dem Herrn, ein Jakobskampf! Ja Beten heißt: Ich lass dich nicht!“

O hast du nie den Segen solchen Gebetes, solches Anrufens des heiligen Namens gespürt? Hast dus nicht erfahren, wie der HErr deine Seele stille gemacht, wenn sie wie eine wogende See hoch ihre Wellen gen Himmel trieb, Perlen und wüsten Schlamm gemischt, vom Grunde aufwühlte und hinaufwarf? Hast dus nicht erfahren, wie der HErr noch sein gewaltiges Wort hat in allen Stürmen: „Schweig und verstumme,“ wie dein Herz als ein stiller See dann Gottes Friedensangesicht wiedergab? Ja! Er hat dir seinen Namen zum Beten gegeben.

Und wenn du denn aus Seiner Fülle Gnade um Gnade gewonnen, wenn du es erfahren, dass wir einen Gott haben, der da hilft und einen HErrn HErrn, der vom Tod errettet, dann komm und danke ihm und preise seinen Namen. Raube Gott nicht, was sein ist und ihm gehört, sondern sprich: „Nicht uns HErr, nicht uns, sondern Deinem Namen gib Ehre um deiner Güte und Wahrheit willen!“ „Wer Dank opfert, der preist mich, und das ist der Weg, dass ich ihm zeige mein Heil.“ Dadurch wird ein Name bekannt der Welt. Kranke, die geheilt wurden in einem Bad, bringen ihren Dank dadurch, dass sie die Kraft der Heilquelle und ihre Wunder preisen, damit ihr Name allen Leidenden kund werde; Gesund gewordene rühmen dankend den Arzt und seine Mittel, auf dass sein Name bekannt werde und doch! was ist die Heilquelle und Arzt gegen Den, der von Sich sagt, dass er „die lebendige Quelle,“ dass Er „der Herr, dein Arzt“ sei? Durch Danken erfährst du aber auch sein Heil, und noch weitere Offenbarung seines herrlichen Namens; erhältst dir dadurch deinen Kredit bei deinem himmlischen Vater, denn wer da dankt darf wiederkommen. Aber das Danken wird uns allen schwer: die neun Undankbaren im Evangelio haben viele Verwandte und jeder Mensch ist von Haus aus undankbar. Sehr bezeichnend ist es, das der Apostel der Südsee, John Williams, in der Sprache jener Insulaner das Wort „danken“ nicht fand, was ihn lebhaft an des Apostels Wort über die Heiden erinnerte: „Sie haben ihn nicht gepriesen als einen Gott, noch ihm gedankt;“ nun es fehlt nicht nur dort, auch in dem Wörterbuch des natürlichen Menschen steht das „Danken“ nicht. Fehlts auch bei dir, lieber getaufter Christ? Ach, lass dir das Danken keine schwere Arbeit sein, sondern sprich mit dem Psalm: „Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken;“ - wo es dir aber köstlich ist, musst du gleich fortfahren: „und lobsingen deinem Namen, du Höchster, des Morgens deine Gnade und des Nachts deine Wahrheit verkündigen;“ Gottes Namen loben, das heißt auch ihn recht gebrauchen.

Denn du musst nicht nur Gott anrufen, „weil du so schwach und arm bist, sondern auch weil Er so hoch und so heilig ist.“ Wohl bedarf der Herr, den die Seraphim ewig loben und anbeten, unsers Lobes und Preises nicht, dafür brauchen wir es um so mehr, dass unsere Seele sich hinaufschwinge zu dem HErrn und die Lieder lerne, die einst droben an seinem Thron gesungen werden. Bei deinem Loben zeigt es sich, ob du den HErrn deinen Gott liebst; denn zum Loben und Preisen Gottes gehört ein Herz, das einen tiefen Eindruck von der himmlischen Herrlichkeit unseres Gottes hat. Zum Anrufen und Beten kann die Not, zum Danken die erfahrene Hilfe treiben, aber zum Lob Gottes und seines großen Namens kann dich nur die Liebesfülle treiben. Da muss das Herz Einem schon recht voll geworden sein von Gottes reicher Gnade und Herrlichkeit, wo man es nicht lassen kann, nicht zu reden von Gottes herrlichen Taten; wo es Einen treibt, hinzutreten vor die Welt und vor ihr zu zeugen von der Erbarmung, die Einem in Jesu Christo widerfahren. Ja den Vater und den Sohn bekennen vor der Welt, das ist rechter Gebrauch des Namens Gottes, auf ihm liegt die Verheißung, dass sich der HErr wiederum bekennen wird zu denen, die ihn bekennen. - So mischt sich des Christen Lob in den Lobgesang der ganzen Kreatur, in das große Ehre sei Gott in der Höhe, das die Sterne am Himmel und der Sand am Meer dem HErrn bringen. Ja ein Lob seines Namens bringt die Seele dem HErrn dar für Alles, was Er an ihr getan. Selbst durch die tiefen Töne der Trauer zieht sich dennoch des HErrn Preis mit Hiobs Wort: „Der HErr hats gegeben, der Herr hats genommen, der Name des HErrn sei gelobt!“ und mit Davids Dank: „Ich danke dir, dass du mich gedemütigt hast, denn du hilfst mir auch wieder.“

Allein mehr als das will dies Gebot; nicht unsere Lippen allein, wir selbst sollen etwas werden zum Lob unsers Gottes. In Gottes heiligen Namen sind wir getauft, eingetaucht in das Wesen des dreieinigen Gottes; aber dieser Name soll nun auch lebendig in uns werden; wir selbst sollen seinen Glanz tragen und ausstrahlen in unserem ganzen Leben. Wir selbst sollen als lebendige Christen ein heiliger Name Gottes werden, der da bezeugt: Der HErr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich!“ Durch das Beten und Tun der ersten Bitte des Vaterunsers: „Geheiligt werde dein Name,“ wird das zweite Gebot recht erfüllt: „Du sollst den Namen des HErrn deines Gottes nicht missbrauchen.“

Wer aber so den Namen seines Gottes trägt in seinem Leben, wird einst in den Büchern des Lebens seinen Namen finden, wer also in den Namen Gottes eingegangen, dass der Name Gottes aus seinem ganzen Wesen wieder herausklingt, auf den wird der HErr einst seinen Namen schreiben, wie Er denn spricht: „Ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes, und den Namen des neuen Jerusalems, der Stadt meines Gottes, und meinen Namen, den neuen!“

So lasset uns seinen heiligen Namen loben mit Herz und Mund und heiligem Wandel; im seligen Blick aber auf jene Zeit, da unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein wird, Lasst uns den HErrn, unsern heiligen, großen Gott bitten:

Ach nimm dies arme Lob auf Erden
Mein Gott in allen Gnaden hin!
Im Himmel soll es besser werden,
Wenn ich ein schöner Engel bin,
Dann sing ich dir im höheren Chor
Viel tausend Halleluja vor!

Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/f/frommel/dekalog/frommel_-_dekalog_-_2.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain