Ficker, Christian Gotthilf - Die Zweifler im Neuen Testamente - Predigt am 16. Sonntag nach Trinitatis

Ficker, Christian Gotthilf - Die Zweifler im Neuen Testamente - Predigt am 16. Sonntag nach Trinitatis

über Luk. 7, 11-17.

1845

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns Allen! Amen.

Wenn wir auch in unsern Tagen an Jesum Christum als den Sohn Gottes und unsern Herrn und Erlöser nicht sowohl um der Wunder willen glauben, die er nach den Berichten der Evangelisten verrichtet hat; wenn wir für die Wahrheit dieses Glaubens vielmehr noch viel anderes, lebendigeres und kräftigeres Zeugnis haben; wenn nun fast 2000 Jahre lang das Evangelium von Jesu Christo sich erwiesen hat, als eine Kraft, selig zu machen alle, die daran glauben, als eine Wahrheit, die schon das Kind bewegen kann in seinem Herzen und die der Mann noch mit grauen Haaren für den Schatz seines Lebens hält, an welchen die Leidenschaften eines wüsten Lebens sich brechen und welche dem Meister der Wissenschaft die Augen noch schärft und das Herz erquickt, durch welche in allen Ländern die Sünder aus ihrem Schlafe aufgeweckt und zu Mustern der Sittlichkeit und Frömmigkeit umgewandelt worden sind; ja wenn jeder, der mit Christo lebt und in solcher Gemeinschaft die Freude am Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit gefunden hat, im strengen Sinne des Worts, des Glaubens an die von Christo verrichteten Wunder nicht bedarf, und wenn er in dieser Beziehung mit jenen Samaritanern (Joh. 4,42) sagen darf: „Wir glauben nun fort nicht um dieser Rede willen, sondern wir haben selbst gehört und erkannt, dass dieser ist wahrlich Christus, der Welt Heiland“ so ist es doch keineswegs gleichgültig, in welchem Verhältnisse wir zum Glauben an die von Christo verrichteten Wunder stehen. Denn hat Christus auch selbst auf der einen Seite ausdrücklich diejenigen getadelt, die nur um der Wunder willen an ihn glaubten und die sogar Zeichen und Wunder forderten, um dann glauben zu können, und hat er auch dadurch davon Zeugnis gegeben, dass er immer wusste, was „im Menschen“ war, und dass solcher Glaube auf dem rechten Grunde nicht ruhen und die Frucht der Gottseligkeit nicht treiben könne: so hat er sich doch eben so oft auf seine Werke berufen, die ihm der Vater gegeben hatte und die von dem Vater zeugten, dass er in ihm wohne“ (Joh. 5,30. C. 10,25). Wie er in dem biblischen Abschnitte, der auf unser heutiges Sonntagsevangelium unmittelbar folgt, den ungewissen und wankenden Glauben entweder des Täufers oder seiner Jünger oder auch beider gemeinschaftlich bedeutet: „Geht hin (Luk. 7,22) und verkündigt dem Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, die Tauben hören, die Toten stehen auf und den Armen wird das Evangelium gepredigt. Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert,“ so heißt es ausdrücklich in einer Rede des Erlösers (Joh. 10,37): „Tue ich nicht die Werke meines Vaters, so glaubt ihr mir nicht. Tue ich sie aber, so glaubt doch den Werken, wenn ihr mir nicht glauben wollt, auf dass ihr erkennt und glaubt, dass der Vater in mir ist und ich in ihm,“ und ausdrücklich auch an einem andern Orte (Joh. 14,11): „Glaubet mir, dass ich im Vater bin, und dass der Vater in mir ist, wo nicht, so glaubt mir doch um der Werke willen.“

Es folgt nun aber daraus mit strenger Notwendigkeit, dass weder die Ansicht, man könne und dürfe den Glauben an die Wunder auf sich beruhen lassen und es sei völlig gleichgültig, was man von den Wundern halte, noch weniger ein leichtsinniges und voreiliges Verwerfen derselben mit dem Glauben an Jesum Christum, als denjenigen, der sich als Sohn Gottes in Wort und Werken erwiesen hat und erweisen musste, zusammen bestehen könne; dessen gar nicht zu gedenken, dass durch beides auch der Glaube an die Schrift als an das lautere, untrügliche und ewige Wort Gottes, ja selbst der Glaube an Gott mehr oder weniger untergraben wird, von welchem doch die heilige Schrift nicht nur sondern auch die erleuchtete Vernunft behauptet, „dass er in einem Lichte wohnt, wohin das Auge des Sterblichen nicht dringe, dass er mehr tun könne, als wir bitten und verstehen, dass wir seine Wirksamkeit nicht an die Gesetze und Kräfte, in welchen wir uns bewegen und zu deren Erkenntnis wir gelangt sind, binden und dass wir demgemäß, ohne uns selbst über ihn zu erheben, die Möglichkeit und Vernünftigkeit der Wunder gar nicht leugnen können.

Liegt nun das zuletzt Angedeutete unserm heutigen Evangelium eben so, wie den Grenzen einer christlichen Erbauung fern, so verweist uns das Erstere aber wohl darauf, wie viel von der erkannten Bedeutung eines von Christo verrichteten Wunders für unsern Glauben an ihn selbst abhänge. Gott gebe uns Kraft und Segen, dass solche Beleuchtung seines Wortes uns fördere in dem Werke unsers Heils!

Text. Luk. 7,11-17.
Und es begab sich danach, dass er in eine Stadt mit Namen Nain ging; und seiner Jünger gingen viele mit ihm, und viel Volks. Als er aber nahe an das Stadttor kam, siehe, da trug man einen Toten heraus, der ein einiger Sohn war seiner Mutter, und sie war eine Witwe, und viel Volks aus der Stadt ging mit ihr. Und da sie der Herr sah, jammerte ihn derselbigen, und sprach zu ihr: Weine nicht! Und trat hinzu, und rührte den Sarg an; und die Träger standen. Und er sprach: Jüngling, ich sage dir, stehe auf. Und der Tote richtete sich auf, und fing an zu reden. Und er gab ihn seiner Mutter. Und es kam sie alle eine Furcht an, und priesen Gott und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und Gott hat sein Volk heimgesucht. Und diese Rede von ihm erscholl in das ganze jüdische Land, und in alle umliegende Länder.

Nicht nur diejenigen, welche nach dem Berichte unsers Evangeliums mit eignen Augen gesehen haben, wie es dem Erlöser durch die Seele ging, eine gebeugte Witwe hinter dem Sarge, der vielleicht das einzige Glück ihres Lebens barg, weinen und jammern zu sehen, und wie bald darauf der Jüngling auf den Ruf des Herrn sich wieder aufrichtete und so seiner Mutter wieder gegeben ward, riefen aus: „Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden und Gott hat sein Volk heimgesucht,“ sondern auch Alle, zu welchen bald diese Rede von solcher Macht und Liebe drang, stimmten in diesen Ruf der Freude und des Dankes ein. Und wären sie Alle nur Christo nachgegangen auf seinem weiteren Wege, hätten sie da gesehen und erkannt, wie er wahrhaftig überall und zu jeder Zeit als denjenigen sich offenbarte, von welchem Einer seiner Jünger bekannte: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass Alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben,“ wie er nicht bloß die Macht hatte, die gebundene oder auch gebrochene Kraft des leiblichen Lebens wieder zu lösen und wieder zu geben, sondern wie Jesaias mit Recht von ihm geweissagt hat: „Der Geist (Luk. 4,18 ff.) des Herrn ist über ihm; derohalben er ihn gesalbt hat zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu heilen die zerstoßenen Herzen, zu predigen den Gefangenen, dass sie los sein sollen und den Blinden das Gesicht und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen und zu predigen das angenehme Jahr:“ sie hätten gewiss mit Paulus bekannt: „Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum.“

Wie nun aber jedes Wort des Erlösers nicht so. wohl und nicht bloß ein Wort ist zu seiner Zeit und für seine Zeit; wie jeder, der es genauer kennt, an ihm die Flügel bemerkt, womit es über Geschlechter und Jahrhunderte dahin rauscht, als ein Engel des Lichts und der Freude, und wie seine Kraft ist und bleibt gestern und heute und bis in Ewigkeit eine Kraft des Lebens zum Leben, so ist auch das einzelne Werk ausgegangen aus der Fülle und Kraft des eingebornen Sohnes Gottes voller Gnade und Wahrheit, ein ewiges und seine Kraft und seine Bedeutung ist nicht geringer worden bei denen, die an ihn glauben. Um dieser Wahrheit uns immer klarer, deutlicher und bestimmter bewusst zu werden, um dahin zu gelangen, dass wir mit unserm Glauben nicht gleichen „der Meereswoge, die von dem Wind hin und her getrieben wird,“ sondern dass wir wissen, an wen und warum wir glauben, lasst uns das heutige Evangelium von der Auferweckung des Jünglings dazu benutzen, dass wir

die Bedeutung des von Christo verrichteten Wunders für unsern Glauben an ihn näher kennen lernen. Sie muss uns deutlich werden, insofern

  1. dieses Wunder Zeugnis gibt von der Macht, die Gott ihm gegeben hatte;
  2. insofern es die Liebe verklärt, womit er die Seinen liebt und
  3. zugleich ein Sinnbild ist seiner höheren, erlösenden geistigen Wirksamkeit.

I.

„Als Christus nahe an das Stadttor kam, trug man einen Toten heraus, der ein einiger Sohn war seiner Mutter, und sie war eine Witwe und viel Volks aus der Stadt ging mit ihr,“ so hebt unser Evangelium an, und gewiss in den einzelnen hier vorliegenden Tatsachen ist uns auch die Bürgschaft dafür gegeben, dass entweder, wo dem Tode ein langer Kampf vorhergehen musste, die bekümmerte Mutterliebe alles aufgeboten hatte, was nur irgendwie Hilfe bringen konnte, oder dass ein schneller Tod die jugendliche Kraft brach, also dass nicht nur das Wort der Schrift an ihm sich erfüllen musste: „der Mensch ist in seinem Leben wie Gras; er blüht wie eine Blume auf dem Felde und wenn der Wind darüber geht, ist sie nicht mehr da und ihre Stätte kennt sie nicht mehr,“ sondern dass auch menschliche Kraft nicht ausreichte, die hereinbrechende Trübsal abzuwenden. Und als Christus nun zu dem Sarge tritt, der der Mutter Freude und Hoffnung hinweggenommen hatte, als er zu dem Toten das Wort spricht: „Jüngling, ich sage dir, stehe auf“: da richtete sich auch der Tote auf und fing an zu reden, und der Herr gab ihn seiner Mutter wieder.

Fern sei es nun von uns, meine Brüder, im Angesichte dieser Tatsache den Versuch machen zu wollen, an der Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit derselben darum zu zweifeln, weil eine solche wider die Gesetze, die wir in Bezug auf Leben und Tod kennen und nach welchen das gewöhnliche Leben und Sterben der Menschen erfolgt, anstrebt und weil wir dieselbe mit unserm Denken und Sinnen nicht fassen und verstehen können. Fern sei es auch von uns, die ganze Sache in dieser Beziehung auf sich beruhen zu lassen und es für eine gleichgültige Sache zu betrachten, was wir von solchen in der Bibel berichteten Tatsachen halten. Wir haben schon darauf gedeutet, dass alles dieses in dem notwendigsten Zusammenhange mit unserm Glauben nicht bloß an die Schrift, sondern an Gott selbst stehe, dass, wenn wir an Jesum Christum als den Sohn Gottes glauben, wir auch an von ihm verrichtete Wunder glauben dürfen, ohne an unsrer Vernunft uns zu versündigen, und dass, wenn wir die Wunder leugnen oder bezweifeln, wir auch die Göttlichkeit Christi leugnen oder bezweifeln müssen. Wie jene, welche Augenzeugen dieser Totenerweckung gewesen sind, Gott preisen und sprechen: „Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden und Gott hat sein Volk heimgesucht,“ so wollen auch wir Gott preisen, dass er solche Macht ihm gegeben hat, der auch unsre Wahrheit, unser Weg und Leben geworden ist. Als solche, die wir zwar auch unserer Vernunft uns rühmen und freuen, die wir zwar täglich und stündlich Gott für diese teure Gabe seiner Güte und Treue danken und diesen unsern Dank durch einen gewissenhaften Gebrauch derselben beweisen, die wir aber auch auf der andern Seite es erkennen, dass all' unser Wissen nur Stückwerk ist und dass durch die Sünde, die zu allen Menschen hindurchgedrungen, auch diese Kraft vielfach geschwächt worden ist, wollen wir Gott auch für diese Offenbarung seiner Macht in Christo preisen und sie selbst als eine Handhabe betrachten, an welcher wir im Glauben an die Macht Gottes selbst immer mehr wachsen! Liegt doch in dem Glauben an die Kraft des Erlösers, durch welche er den Jüngling wieder auferweckt hat für dieses Leben, zugleich auch die Berechtigung zu der noch größeren Hoffnung, die er allen trauernden Herzen gegeben hat: „Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, ob er gleich stirbt.“ Sind wir doch erst im Besitze dieses Glaubens im Stande, an das Wort uns zu halten, das einst, wenn Alles vollendet sein und ein neuer Himmel und eine neue Erde sich auftun wird vor den Augen Aller, die hier auf Erden gelebt haben, sich erfüllen soll (Joh. 5,28): „Es kommt die Stunde, in welcher Alle, die in den Gräbern sind, werden seine Stimme hören; und werden hervorgehen, die da Gutes getan haben zur Auferstehung des Lebens, die aber Übels getan haben, zur Auferstehung des Gerichts.“ Können wir uns doch auf solchen Wegen, auf welchem wir heute eine gebeugte Mutter erblicken, nur an der Hand dieses Glaubens aufrecht erhalten, und wenn die teuren Gestalten, an denen unser Auge und unser Herz sich weideten, vor unsern Augen verwelken und die Schrecken des Todes mitten in des Lebens Freuden fallen, es ist nur der Glaube, wie er durch Christum uns gegeben, verbürgt und vermittelt worden ist, der die Klagen des Verlassenseins stillt und die Tränen der Wehmut trocknet, und ohne ihn wären wir vergangen in unserm Elend. Können wir doch selbst den Weg der Trübsal, der Krankheit und des Todes nur dann mutig und ergeben, mit Friede und Freude antreten, wenn unser Auge durch den Glauben geschärft ist, um den Weg zu erkennen, der aus dem Tode zum Leben führt, und wenn unser Herz um den Trost weiß, der in der Verheißung dem Glauben gegeben ist: „Siehe da am Ende der Tage eine Hütte Gottes bei den Menschen, wo Gott abwischt alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerzen wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ Und fassen wir dieses Einzelne zusammen und erkennen wir also, wie der Glaube an diese einzelne Tat auf die Kraft und Gewalt des Erlösers über Leben und Tod zurückweiset, an die auch wir als gläubige Christen uns halten müssen, so ist auch die Bedeutung derselben für unsern Glauben an den Erlöser überhaupt genugsam ausgesprochen. Dieselbe tritt aber noch deutlicher hervor, wenn wir

II.

nun auch hinzufügen, wie auch in diesem Wunder die Liebe verklärt ist, womit Christus die Seinen liebt. Unser Evangelium fährt fort: „Da der Herr die Mutter weinen sah, jammerte ihn derselbigen und er sprach zu ihr: „Weine nicht,“ und er rührte den Sarg an, und nachdem der Tote sich wieder aufgerichtet hatte, gab er ihn seiner Mutter wieder.“ Wie nun Christi Liebe dieser Mutter zugerufen hat: „Weine nicht,“ wie er, als er von den Seinen leiblicher Weise geschieden ist, ausdrücklich verheißen: „Ich will euch wiedersehen, und (Joh. 16,22) euer Herz soll sich freuen und eure Freude soll Niemand von euch nehmen:“ so ist es noch fortan sein Ruf an die trauernden Herzen alle und er hat die Seinen wiedergesehen geistiger Weise und es hat sie Niemand aus seiner Hand reißen können. Wie es von Christo, so lange er im Fleisch lebte, heißen muss: „Er ist umhergegangen und hat wohlgetan und hat erquickt und getröstet Ale, denen um Hilfe und Trost bange gewesen ist;“ so heißt es heute noch von ihm in seiner Kirche, die da ist die Offenbarung seines Geistes: „Christus, gestern und heute, derselbe in Ewigkeit.“ Freuen wir uns darum, meine Brüder, der Offenbarung dieses Geistes Jesu Christi, die da ist vor Allem ein Geist der tröstenden und heilenden Liebe. Das Wort an jene Mutter ist nur ein Strahl dieser Sonne; sie ist seit jenen Tagen immer weiter hinauf an dem Himmel des menschlichen Lebens gestiegen und ihre Strahlen sind es noch heute, die, wenn es Abend um uns werden will, und wenn die Schauer der Nacht uns umfangen, uns erleuchten und erquicken. Und wenn es in unsrer Trübsal unserm Herzen schon wohl tut, einen Freund zu haben und um uns zu sehen, der Alles mit uns fühlt und trägt, was das eigne Herz empfindet und was auf demselben lastet; wenn schon menschliche Rede, die aus treuer Seele kommt, eine Erquickung ist für das verwundete Gemüt: um wie vielmehr Gewalt muss das Wort Christi über unsre Herzen haben, von dem wir wissen, dass „Niemand größere Liebe haben kann, als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde,“ dass er aus Liebe zu uns gehorsam geworden seinem Vater bis zum Tode am Kreuz, dass er, erhöht zur Rechten seines himmlischen Vaters, uns nicht verwaist gelassen und seinen Geist in unsre Herzen gegeben hat, den Geist der Weisheit, des Friedens, der Geduld, der Heiligung und der Gottseligkeit, dass er über die Seinen wacht und sie behütet und schirmt als ein treuer Hirte, und dass er sie einst in seines Vaters Reich versammeln wird zu der Gemeinde der Erlösten, die im Glauben an ihn das ewige Leben gefunden haben? Ist demnach das heutige Evangelium auf der einen Seite eine Predigt von der Vergänglichkeit aller irdischen Freude und Herrlichkeit und haben Tausende in ihm das Bild ihrer Trauer und ihres Schmerzes wiedergefunden: so ist es auf der andern Seite auch die Predigt von einer Liebe, die stärker ist als der Tod, die Predigt von einem Helfer und Freunde, der nicht stirbt und nicht verlässt, die Predigt von einem Herrn und Erlöser, der alle sauren Wege des Lebens mit uns geht, also dass wir jeden Tag des Lebens mit dem Gebete anfangen dürfen: „Der Herr (Psalm 23,1 ff.) ist mein Hirte; es wird mir nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue, und führt mich zum frischen Wasser. Er erquickt meine Seele; er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen.“ und eben darum ist das Evangelium auch Tausenden geworden ein eigentliches Evangelium, das heißt, eine Botschaft des Heils, das uns und den Unsrigen bleibt, wenn wir und sie alles Irdische und Zeitliche verlassen müssen.

III.

Doch nicht bloß ein Zeugnis der Macht, womit Gott Jesum ausgerüstet hatte, nicht bloß eine Verklärung seiner Liebe, womit er die Seinen geliebt hat und noch immer liebt, haben wir in dem Worte unsers Textes, sondern auch endlich ein Sinnbild der höheren, erlösenden geistigen Wirksamkeit Jesu. Denn was Christus hier tat an dem Jüngling, dass ihn der Mutter jammerte, dass er zu dem Sarg hintrat, worin der tote Jüngling lag und dass auf seinen Ruf der Tote sich aufrichtete und redete und seiner Mutter wiedergegeben war, hat solches Alles Christus nicht tausendmal vor den Augen unsers Geistes ausgerichtet in geistiger Weise? Ists nicht sein Evangelium gewesen, das manches in Sünden begrabene Herz doch wieder wach gerufen hat zum Leben in Gott? Ists nicht sein Evangelium gewesen, dass in manchem Hause, wo die Klage das Herz bewegt, dass die Sünde der Leute Verderben ist, doch bald die Freude über einen Sünder, der Buße tut, wieder eingezogen ist und mit dieser Freude auch wieder Gnade und Segen bei Gott und den Menschen? Zeigt die Geschichte nicht so manchen Saulus, der durch Christum auch schon auf dem Wege der Sünde ein Paulus geworden ist? Hat nicht Mancher, der blind gewesen ist für alles höhere, geistige Leben, durch Christum das Licht des Tages wieder schauen gelernt und mit ihm das Licht der Wahrheit und Freiheit? Hat nicht Mancher, der sonst taub gegen jedes Wort von einem frommen und gottseligen Wandel gewesen ist, seine Freude in Gott und im Gebete zu ihm wiedergefunden dadurch, dass Christus seine Hilfe geworden ist? Ist nicht so Mancher, der für das Reich Gottes selbst, für das Heil seiner Seele und seiner Brüder wie gestorben im Sarge lag, durch den Ruf Jesu Christi von dem Ernst oder auch von der Leutseligkeit und Freundlichkeit Gottes wieder auferweckt und den Seinen, die ihn als einen für Zeit und Ewigkeit Verlornen beklagten, wiedergegeben worden? Hat nicht so Mancher, nachdem er das Leben in Christo gefunden hat, nun um so eifriger Gott gepriesen und seines Namens Gedächtnis verkündigt aller Welt? - In dieser Weise lasst uns das heutige Evangelium heute und oft beleuchten; es wird um so mehr dann unser Herz gewinnen und seine Bedeutung für den Glauben an den Erlöser wird immer fühlbarer uns werden. Um so mehr und um so unbedenklicher dürfen wir auch solches tun, als Christus selbst das Unsichtbare und Ewige so oft an das Sichtbare und Zeitliche knüpft, und in dem Letzteren das Erstere uns schauen, ahnen und denken lehrt.

Und so danken wir dir auch jetzt, o Herr, für die Gnade, dass du uns in deinem Worte Licht, Kraft und Trost gereicht hast. Von dem Zeugnisse deiner Macht in unserm Glauben gestärkt, von der Verklärung deiner Liebe getröstet, von deiner höheren erlösenden Wirksamkeit auch in der Hülle einer zunächst für das Sichtbare und Zeitliche berechneten hat ergriffen, blicken wir vertrauensvoll auf zu dir und warten in Geduld der Offenbarung deiner Herrlichkeit. Amen.

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autoren/f/ficker/zweifler/ficker-weitere.txt · Zuletzt geändert: von aj
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