Erichson, Alfred - Ulrich Zwingli und die elsässischen Reformatoren - Vorrede

Erichson, Alfred - Ulrich Zwingli und die elsässischen Reformatoren - Vorrede

„Gedenket eurer Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben, welcher Ende schauet an, und folget ihrem Glauben nach.“

In Gemeinschaft mit den evangelischen Christen aller Länder haben wir, im Elsass, vor wenigen Wochen die Lutherfeier begangen. Dass sich dieselbe in der glänzendsten Weise vollzog, hatte wohl darin seinen Grund, dass nebst den unsterblichen Verdiensten Luther's um Kirche und Schule, um Religion und Kultur, bei diesem Feste uns gleichzeitig lebendiger als je die mannigfaltigen Beziehungen des Reformators zu den Begründern unserer elsässischen evangelischen Kirche vor die Augen traten.

Auch Zwingli's Name ist aufs engste mit der religiösen Geschichte unseres Heimatlandes verknüpft.

Ulrich Zwingli, „den Gott zum Begründer der geistigen Freiheit Helvetiens bestimmt hatte, und der, was die selbständige Charaktergröße anbetrifft, Luthern würdig zur Seite steht, was aber das vorurteilsfreie, entschiedene und doch echt populäre Zurückgehen auf den eigentlichen einfachen Kern des Evangeliums und der Religion betrifft, seines Gleichen sucht unter allen Geistesheroen der Reformation“ - Ulrich Zwingli stand unseren Vorvätern ganz besonders nahe, und unverkennbar und tiefgehend ist der Einfluss, den er auf sie ausgeübt hat. Bei der 400jährigen Wiederkehr seines Geburtstags am 1. Januar 1884 ist deshalb eine Zwinglifeier für uns eine Pflicht der Dankbarkeit und eine Ehrensache.

Dieser Verpflichtung gedenkt der Verfasser gegenwärtiger Schrift an seinem bescheidenen Teil nachzukommen. Er beabsichtigt nicht, was Andere bereits schon getan, ein neues Lebens- und Charakterbild Ulrich Zwingli's zu entwerfen, sondern einfach die Glaubens- und Lebensgemeinschaft, die gleichartigen Bestrebungen und Arbeiten, sowie die aufrichtigen Freundschaftsverhältnisse zu schildern, die den großen Schweizer und jene elsässischen Männer mit einander verbanden.

Dass man in dieser Darstellung hauptsächlich dem Namen Straßburgs begegnen wird, erklärt sich dadurch, dass die übrigen Landesteile des Elsasses die Anregung zur Erneuerung ihres Kirchenwesens nach evangelischem Sinne meistens von dieser Stadt erhielten, und auch von dort aus ihre Reformatoren empfingen. Heut zu Tage aber, wo seit einem Jahrhunderte beinahe die ehemaligen verschiedenen Landeskirchen des Elsasses zu einem großen Ganzen verschmolzen sind, darf keine Stadt einzeln nur sich in den Vordergrund stellen, sondern müssen wohl sämtliche landesangehörigen Evangelischen sich in einem Sinne vereinen, um gemeinschaftlich jener für ihre Voreltern gleich bedeutungsvollen Zeiten zu gedenken.

Es bestehen zwar in unserm engeren Vaterland, äußerlich durch die Verfassung getrennt, eine lutherische und eine reformierte Kirche; beide aber sind doch in engem geistigen Bande mit einander vereint und gewiss wird ihre gemeinsame Zwinglifeier nicht wenig dazu beitragen, ihre Verwandtschaft noch enger zu knüpfen, da ja gerade die ernstesten, im Sinne einer Vereinigung aller Evangelischen gemachten Versuche bis auf den Namen Zwingli's und seiner elsässischen Mitarbeiter geschichtlich zurückgeführt werden können.1)

Doch lassen wir diese Männer selbst vor uns handeln und zu uns reden, sowie sie in zahlreichen Urkunden und Briefschaften uns mit Wort und Tat entgegentreten. Mögen somit diese Gedenkblätter dazu beitragen, ihr Bild unserm protestantischen Volk in diesen Tagen wieder recht lebendig vor die Augen zu stellen.

1)
Die kirchliche Oberbehörde der Kirche Augsburgischer Konfession in Elsass-Lothringen hat die Pfarrer eingeladen, am 6. Januar, in Hauptgottesdienste, des Schweizer Reformators zu gedenken, „damit auch dieser Mitarbeiter an dem großen Werk der Kirchenverbesserung im 16. Jahrhundert in dem Gedächtnis unsers evangelischen Kirchenvolkes lebendig bleibe.“
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