Erichson, Alfred - Das Marburger Religionsgespräch ... - 1. Die Veranlassung und die Veranstaltungen zur Zusammenkunft.

Erichson, Alfred - Das Marburger Religionsgespräch ... - 1. Die Veranlassung und die Veranstaltungen zur Zusammenkunft.

Es handelte sich, wie bereits angedeutet, um die Lehre vom Abendmahl oder vom „Nachtmahl des Herrn“.

Luther hatte sich bekanntlich von der katholischen Auffassung losgesagt, welche in dieser heiligen Handlung ein Opfer und eine Verwandlung des geweihten Brotes und Weines in den Leib und das Blut Christi annimmt; er lehrte, dass der wahre Leib und das wahre Blut des Herrn wirklich, räumlich in dem Abendmahl gegenwärtig seien und mündlich genossen werden, obgleich Brot und Wein nicht verwandelt werden.

Zwingli hingegen wollte im Nachtmahl nur das Gedächtnis an den Tod Jesu erblicken; die Einsetzungsworte: das ist mein Leib, das ist mein Blut, verstand er im Sinne von: das bedeutet. Christus, so lehrte Zwingli, habe an ein leibliches Essen seines Fleisches und Blutes, was auch der Vernunft widerstrebe, nie und nimmer gedacht, sondern unter diesem Essen nichts anderes verstanden, als das Glauben der Seele, dass Christus ihr Heil sei.

Um dieser Gegensätze willen hatte sich gleich im Beginn der Reformation die protestantische Welt in zwei feindliche Lager geteilt, die in Schrift und Wort sich bekämpften. Auf Luther's Seite standen die meisten der norddeutschen Theologen; mit Zwingli hielten es die Schweizer, die Oberländer, und vornehmlich auch die Straßburger. Es war so weit gekommen, dass Luther den Reformator der Schweiz für „einen Unchristen hielt, mit allen seinen Lehren, der siebenmal ärger geworden, denn da er ein Papist war“, und seine Anhänger „Schwarmgeister und Rotten“ nannte, weil sie nicht, wie er meinte, „einfältiglich und schlicht bei dem buchstäblichen Sinne der Worte Christi blieben“.

Zwingli war nicht minder fest davon überzeugt, dass seine Gegner irrten, ja dass sie in einem gewissen Sinne noch „Söhne des Papsttums“ seien, die „nach den Fleischtöpfen Ägyptens zurücksahen“. In der Bekämpfung ihrer Ansichten war er aber milder als Luther, dem er stets Anerkennung widerfahren ließ. „Es kann kein Mensch sein“, sagte er, „der Luther höher achtet als ich.“ Offenbar tat der Streit seinem Herzen weh, und er hätte gern, wenn das Gewissen es ihm erlaubt hätte, des Friedens halber nachgegeben.

Ach! zu jener Zeit wäre es für sämtliche Evangelischen mehr als je nötig gewesen, wie ein Mann dazustehen, um der wachsenden Macht des katholischen Kaisers, welche nicht nur den Fortgang, sondern selbst das Werk der Reformation bedrohte, Widerstand zu leisten. Wir sehen wohl einige Männer, welche in dieser kritischen Zeit einen richtigen, weitsehenden, politischen Blick mit dem größten Eifer für die heilige Sache des Evangeliums verbanden: unter den Theologen, vornehmlich Zwingli und die Straßburger, Butzer und Capito; unter den Staatsmännern, den Landgraf von Hessen, und Sturm, den Stettmeister von Straßburg. Philipp, dem die Geschichte den Beinamen „der Großmütige“ gegeben hat, schrieb an den Kurfürsten von Sachsen die Worte: „Es ist von Nöten, dass wir uns nicht so liederlich von einander trennen lassen, obschon unsere Gelehrten um leichter oder sonst disputierlicher Sachen willen, daran doch unser Glauben und Seligkeit nicht gelegen, zweihellig sind.“ Diese Männer waren überzeugt, dass ein Schutz- und Trutzbündnis sämtlicher Evangelischen, mit der Hilfe Dänemarks, Venedigs und Frankreichs, gerade stark genug wäre, Kaiser Karl V. die Stirne zu bieten. Zwingli dachte sogar an nichts Geringeres als „den Pfaffenkaiser, den Pharao“ zu stürzen und Philipp von Hessen zum protestantischen Oberhaupt des Reiches zu erheben.

Nicht alle Theologen jedoch stimmten diesem Plane bei. Luther, welcher den Landgrafen spöttelnd , „den Bundmacher“ nannte, wollte, „dass man in geistlichen Dingen nur mit geistlichen Mitteln wirke, und der Obrigkeit nicht mit Gewalt, sondern nur mit Erkenntnis der Wahrheit widerstehe.“ Melanchthon befürchtete, dass eine Vereinbarung und engere Verbindung mit den Schweizern die Aussöhnung mit dem Kaiser und dem Papst für immer unmöglich machen würde. Zudem hielt er es für gewissenlos, sich mit denjenigen zu verbinden, deren Lehre man in einem Hauptpunkte verwarf.

Unter solchen Verhältnissen, dachte der Landgraf, muss man zuerst versuchen die Übereinstimmung in der Lehre herzustellen.

Schon auf dem Reichstage zu Speier, im April 1529, schlug er zu dem Ende ein Religionsgespräch vor, und pflog den ganzen Sommer hindurch mit beiden Parteien, nach links und nach rechts, Unterhandlungen, um dasselbe zu Stande zu bringen. Am meisten Bereitwilligkeit und Eifer zeigten die Straßburger, welche auch hierin ihr zwischen den Parteien vermittelndes Amt, das schon ihre geographische Lage ihnen anwies, unverdrossen ausübten. „Ihr werdet,“ schrieb Jakob Sturm an Zwingli, „obschon nicht bei dem Gegenteil, doch zum wenigsten bei dem Fürsten viel Nutzen und Gutes schaffen.“ Zwingli und Oekolampad, der Reformator Basels, sagten freudig zu. Schwer zu gewinnen waren Luther und Melanchthon. „Mit Zwingli zu handeln, hieß es in Wittenberg, ist ganz unfruchtbar. Es ist auch nicht gut, dass der Landgraf viel mit denen Zwinglern zu tun habe; er hat sonst mehr Lust zu ihnen als gut ist.“ In einem andern „Bedenken“ äußerte sich Luther über die Straßburger also: „Ich beruhe darauf, dass ich's mit ihnen nicht halten will, mein Lebenlang, und weiß, dass Zwingel und seine Gesellen unrecht vom Sakrament schreiben.“ Als die beiden sächsischen Theologen, um sich nicht dem Verdacht der Angst auszusetzen, nicht mehr ausweichen konnten, klagten sie: „Wir sind durch die Böswilligkeit des Landgrafen gezwungen worden.“ Fast unglaublich ist es, dass Melanchthon seinen Fürsten bat, ihnen den Urlaub zur Reise zu verweigern.

Unter diesen gar wenig Erfolg verheißenden Aussichten, wurde endlich auf Michaelis die Stadt Marburg als Ort der Zusammenkunft bezeichnet, nachdem zuerst Nürnberg und Straßburg vorgeschlagen worden waren.

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