Erichson, Alfred - Martin Butzer, der elsässische Reformator - VIII. Butzers Einigungs- und Wiedervereinigungs-Bestrebungen.

Erichson, Alfred - Martin Butzer, der elsässische Reformator - VIII. Butzers Einigungs- und Wiedervereinigungs-Bestrebungen.

Wie sehr Butzer sich der hohen Aufgabe bewusst war, die Luther ihm in diesen Worten an's Herz legte, bewiesen auch seine unablässigen Bemühungen, den Frieden innerhalb der evangelischen Christenheit herzustellen.

Es ist bekannt, dass die protestantische Kirche sich frühe in eine lutherische und eine reformierte teilte, und dass die Ursache dieser Trennung in der verschiedenen Auffassung des Abendmahls lag.

In einem Punkte waren die evangelischen Theologen einig, darin nämlich, dass die katholische Auffassung des heiligen Abendmahls und namentlich die Verwandlunglehre zu verwerfen sei. Während aber Luther lehrte, dass der wahre Leib und das wahre Blut des Herrn in, mit, und unter dem Brot und Wein genossen werden, erblickte Zwingli in der ganzen heiligen Handlung nur ein Gedächtnismahl; die Einsetzungsworte: das ist mein Leib, das ist mein Blut, fasste er im Sinne von: das bedeutet, auf und erklärte, Christus habe an ein eigentliches Essen seines Fleisches und an ein eigentliches Trinken seines Blutes nicht im entferntesten gedacht.

Dies war die Differenz, um deren willen sich die protestantische Welt in zwei feindliche Lager geteilt hatte die sich durch Wort und Schrift bekämpften. Auf Luthers Seite standen die meisten der norddeutschen Theologen; mit Zwingli hielten es die Schweizer, die Oberländer und vornehmlich die Straßburger, die sich hierdurch Luthers größtes Missfallen zuzogen, wie sehr sie auch um dessen Freundschaft buhlten.

Butzer hatte sofort eingesehen, welch schweres Unheil dem Protestantismus aus diesem Zwiespalt erwachsen würde. Die Eintracht wieder herzustellen, war und blieb für ihn eine hohe Lebensaufgabe, eine heilige Herzens- und Gewissensangelegenheit. „Wer sich des Geistes Christi rühmt und durch wahren Glauben ihm eingeleibet und also seiner Art worden ist, soll solcher Einigkeit auch zum fürnehmsten und ernstlichsten begehren und dieselbe, alles seines Vermögens, fördern helfen.“

Andererseits erkannte er, dass eine politische Verbindung aller Evangelischen gegen die gemeinsamen Feinde, den Papst, den Kaiser, den König von Frankreich und den Türken nötiger wäre als je. Solch ein Schutz- und Trutzbündnis konnte aber nach damaligen Begriffen nur auf Grund der Lehreinheit zu Stande kommen.

Anfangs hegte Butzer zwar die Hoffnung, die Andersdenkenden für die zwinglische und eigene Auffassung gewinnen, oder wenigstens, trotz Fortbestehen der Lehrunterschiede, die kirchliche Gemeinschaft zwischen den beiden Richtungen aufrecht erhalten zu können. Sich von Angesicht zu Angesicht sehen und sich mündlich besprechen, schien auch ihm das einzig geeignete Mittel hierzu. Wie man weiß, lud der Landgraf Philipp von Hessen Luther und Zwingli, nebst ihren hervorragendsten Mitarbeitern, darunter die von Straßburg, auf sein Schloss in Marburg, im Monat Oktober 1529 ein.

Welch eine ernste Stunde war es für Butzer, als er mit Zwingli und Oekolampad, seinem Amtsbruder Hedio und dem Stettmeister Sturm, nach einer achttägigen Reise, die sie über die der Stadt gehörigen Schlösser Kochersberg und Herrenstein, an Bitsch und Zweibrücken vorbei führte, am 27. September den Ort der Zusammenkunft mit den norddeutschen Theologen erreichten. Von freudiger Hoffnung pochte sein Herz: O dass er Zeuge davon sein könnte, wie Luther und Zwingli sich die Hand reichten! In Marburg fiel ihm auch die Aufgabe zu, am Schluss der Verhandlungen die Ansichten der Straßburger über die Streitpunkte darzulegen. Er erbat sich Luthers Urteil darüber mit der flehenden Frage, ob er nicht ein Bruder zu ihnen sein wolle, musste jedoch aus dessen Mund das harte Wort vernehmen: „Es ist offenbar, dass wir nicht einerlei Geist haben, ich überliefere euch dem Gericht Gottes.“ Tief schnitt ihm dies in die Seele, denn, seufzte er: „Was kann ärger sein als der Eintracht der Kirche also zu widerstehn! Gott gebe ihm einen bessern Geist!“ Zwar verständigte man sich über vierzehn Artikel; in dem fünfzehnten, dem vom Abendmahl, trat dagegen die frühere Verschiedenheit der Auffassung wieder zu Tag, und es entstand der leidige Riss, der bis auf den heutigen Tag die protestantischen Brüder trennt. Die Enttäuschung Butzers war groß.

Doch stachelte ihn dieser Misserfolg aufs neue an, den Lieblingsplan Zwingli's wieder aufzunehmen. Ihr Bestreben ging dahin, der geschlossenen Masse der Katholiken gegenüber, einen Bund der Reformierten zu Stande zu bringen, der sich über die Schweiz, das Elsass, Hessen, Brandenburg und bis auf die deutschen Seestädte und Friesland ausdehnen sollte, „vom Meer herauf bis an das Schweizerland, Alles ein Sach*, ein Hilf', ein Will'.“ „Dank dem Herrn Christo!“ ruft Butzer aus, als im Januar 1530 die Stadt Straßburg, obgleich dem Reich untertan, mit den reformierten Schweizerstädten einen Vertrag abschloss. Schon glaubte er, dass der erste Schritt zur Verwirklichung des großartigen Plans getan sei. Es kam jedoch anders, als er dachte.

Auf die Dauer war die Sonderstellung Straßburgs immer unhaltbarer. Man suchte sich an das Lutherische Deutschland anzuschließen, und auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 taten Butzer und sein Freund Capito wiederum ihr Möglichstes, um die sächsischen Theologen zu gewinnen, fanden aber keine Gnade vor ihnen. Sie wurden nicht zur Unterzeichnung der „Augsburger Konfession“ zugelassen und mussten dem Kaiser ihr eigenes, das sogenannte „Vier-Städte-Bekenntnis“ überreichen. Diese Schrift, von Butzer verfasst, wich auch wieder in dem Artikel des Abendmahls von der Augsburger Konfession der Lutheraner ab.

Obgleich von dem unbrüderlichen Verfahren dieser Letzteren schwer verletzt, ließen doch die Straßburger nichts unversucht, um sich ihnen zu nähern. Der durch Zwingli's Tod zertrümmerte „Plan des christlichen Burgrechts“ und die vereinzelte Stellung der Stadt Straßburg bewogen Butzer, seine Vermittlungsversuche betreff der Abendmahlslehre in einer anderen Weise wieder aufzunehmen. Von der Zeit an geht sein Bestreben nur noch auf Eines hin: er sucht einen Ausdruck zu finden, unter welchem Luther seine Ansicht und die Straßburger die ihrige verstehen könnten. Dank seinen Bemühungen wurde im Jahre 1532 die elsässische Stadt in den Schmalkaldischen Bund aufgenommen, und fünf Jahre später von den beiderseitigen Theologen die, Wittenberger Konkordie“ geschlossen, die wegen des Anteils Butzers an ihrem Zustandekommen oft nach seinem Namen genannt wurde.

Er allein wusste, was es ihn gekostet, seine Worte in der streitigen Frage so zu stellen, dass er die Lutheraner befriedigte, ohne seine eigene frühere Ansicht tatsächlich aufzugeben! Man hat ihm Doppelzüngigkeit im Reden, Unehrlichkeit im Handeln vorgeworfen. Auf jeden Fall hat Butzer die Nachgiebigkeit bis zur äußersten Grenze getrieben. Liegt aber nicht für ihn eine Entschuldigung darin, dass er überzeugt war, „der Handel beruhe bloß auf einem Wortstreit“, und ihn dabei stets nur die reinsten Absichten, die hohen Ziele der Reformation leiteten? Wer wollte ihm auch die Achtung für dies unermüdliche, bis zu seinem Lebensende fortgesetzte Bemühen versagen? Mochten auch manche es „das butzerische Fieber“ nennen und darüber ungehalten sein, dass er nie Ruhe haben könne, er gab seine Bestrebungen auch dann nicht auf, als er einsah, dass er gegen den fortlodernden Streit „nichts mehr tun könne als beten.“

Wir aber glauben: wären Andere von der gleichen Gesinnung beseelt gewesen, wie Martin Butzer, die wahre Union der lutherischen und reformierten Kirche hätte verwirklicht werden können. Mit Recht nannte ihn einte edle Frau „den Fanatiker der Eintracht“, und wir wollen auf ihn des Herrn Wort anwenden: Selig sind die Friedfertigen!

Dieselbe Ausdauer bewies Butzer auf einem anderen Gebiet.

Es gab damals noch Männer, die eine Wiedervereinigung der protestantischen und der katholischen Kirche für möglich hielten. Ein Wunder wäre es gewesen, wenn nicht Butzer auch hier seine volle Kraft eingesetzt hätte. Als einer der angesehensten und einflussreichsten Theologen seiner Zeit wurde er durch Kaiser Karl V. berufen, sich an den Religionsgesprächen zu beteiligen, die zu jenem Zweck veranstaltet wurden. Er fehlte auf keinem derselben: wir finden ihn in Hagenau und in Worms 1540, in Regensburg 1540 und 1546. Jedesmal machen sein Scharfsinn, seine Gelehrsamkeit und seine „glückliche Gabe im Disputieren“, verbunden mit einer echt christlichen Duldsamkeit, den tiefsten Eindruck.

Wie schon früher, im Jahre 1528, auf dem Religionsgespräch in Bern, einer der katholischen Ohrenzeugen urteilte, dass Butzer in gewisser Hinsicht mehr zu fürchten sei, als Zwingli und Oekolampad, so äußerte sich der Kardinal Contarini über ihn während des Regensburger Kolloquiums in folgenden Worten: „die Deutschen haben Martin Butzer, der solch eine Fülle theologischen und philosophischen Wissens besitzt, mit so viel Scharfsinn und Schlagfertigkeit ausgerüstet ist, dass er allein schon allen unsern Doktoren entgegengestellt werden kann.“ - „Wie Niemand, wisse er den Papisten den Mund zu stopfen,“ so wird ferner von ihm berichtet, und bei dem Vergleichungsversuch in Augsburg im Jahre 1548: oft habe er während der Sitzungen Briefe an seine Freunde geschrieben, sei dann aufgestanden und den kurzen Sinn der langen Rede des Gegners zusammenfassend, habe er diesen glänzend widerlegt, so dass der Vorsitzende einmal das Wort fallen ließ: „er heißt wohl Butzer, ich meine, er hat ihn ausgeputzt.“

Trotz seiner Weitherzigkeit und des Eifers, den er auf die Hebung der konfessionellen Trennung verwandte, blieb Butzer dem Grundsatz stets treu: „es sei fern von ihm, um der Vergleichung der Kirchen willen etwas Böses gut oder Gut's bös zu machen, die bessere Wahrheit an einigem Ort zu verschweigen oder zu verdunkeln.“

Diese Reunionsunterhandlungen blieben, wie man weiß. fruchtlos, und die von Butzer erstrebte nationale deutsche Reformation - ein schöner Traum! Die Kluft war nicht mehr zu überbrücken. Allein, auch in dieser Hinsicht gebührt ihm das Verdienst, Großes gewollt zu haben.

Martin Butzer ist es, welcher auf einer jener Versammlungen, in Regensburg im Jahre 1541, zuerst die Erklärung abgab, dass man evangelischerseits sich die von den Katholiken ausgegangene Benennung Protestanten wohl gefallen lassen könne, und zwar weil uns dieser Name nichts anders zugibt, wenn dass wir vor Kaiserlicher Majestät und den Ständen des Reichs bekannt und bezeugt haben, bei dem heiligen Evangelium Christi zu bleiben und uns mit dem nicht zu beladen, das demselbigen zur Verhinderung, Abbruch oder Verdunkelung gereichen möchte. Ist also protestierend ein ehrlicher und gottseliger Name, dem uns der Herr nur gebe genug zu tun, dass wir nämlich vor wahrer christlicher Lehre und Bekenntnis, wie wir protestieret, weder mit Wort noch Werken abtreten, und uns mit nichts beflecken, das demselbigen entgegen ist.“

Wer auf den Namen Protestant stolz ist, möge diese Worte Butzers nicht vergessen!

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