Erichson, Alfred - Martin Butzer, der elsässische Reformator - VII. Evangelisation und Mission.

Erichson, Alfred - Martin Butzer, der elsässische Reformator - VII. Evangelisation und Mission.

Die Tätigkeit Butzers erstreckte sich weit über die Grenzen der engeren Heimat hinaus. Sagte er doch: „Ich bin, dem Herrn sei ewiges Lob, erstlich ein Christ, der ich auf Erden nichts Höheres suchen soll als Verbreitung der Erkenntnis und des Reiches unsres Herrn Jesu Christi. Außerdem bin ich zu dem Dienst, das hl. Evangelium zu predigen, in Auflegung des priesterlichen Amtes verordnet worden, und dies mit dem Befehl des Herrn: Gehet hinaus in alle Welt und prediget das Evangelium allen Kreaturen.“

Immer kehrt in seinen Briefen der Gedanke wieder, „dass Gott nicht bloß einige wenige Gemeinden Deutschland Christo übergeben habe, sondern alle Völker der Erde, und dass wer wirklich ein Christ sein will, allen, auch den Auswärtigen, die Hand bieten soll, um sie zur rechten Erkenntnis Christi zu bringen.“

Es will uns bedünken, dass unter den Reformatoren kein anderer des Herrn Jesu Befehl und dessen Lehre vom Reich Gottes, welches in keine kirchlichen noch politischen Grenzen eingeschränkt werden kann, so richtig verstanden hat wie Martin Butzer. „Ließ sich nit ein jeder dünken,“ schrieb er an einen deutschen Junker, „hätte genug getan, so er den Seinen hat predigen lassen, die Sach stünde besser. Paulus hat gar ernstlich Sorg getragen, dass das Reich Gottes allenthalb, auch da er leiblich nie gesehen war, aufginge und zunehme.“ Und noch bündiger drückt er sich anderswo aus. „Wir sollen anderen Nationen ein gut Exempel geben mit der Reformation.“

Wie Butzer dieses sein Evangelisationsprogramm ausgeführt, kann freilich hier nur kurz, durch Aufzählung von Orts- und Ländernamen, angedeutet werden.

Vor allem ist Metz zu nennen, wo der Protestantismus, nach viel versprechenden Anfängen, in seiner Entwicklung gehemmt worden war. Butzer begab sich selber an Ort und Stelle im Jahre 1539, um sich mit den Gesinnungsgenossen über die Mittel zu besprechen, durch welche die Verkündigung des Evangeliums bei ihnen gefördert werden könnte. Der bischöfliche Offizial war ihm jedoch gleich auf den Fersen und hinderte ihn, etwas auszurichten. Von seiner warmen Fürsorge für Metz zeugt auch ein im Jahre 1541 mit dortigen Domherren geführter Briefwechsel; und endlich ist es wohl seinem Einfluss zu danken, dass der Straßburger Magistrat sich der Metzer Evangelischen energisch annahm und bei der Abschließung des Vertrags von Pont-à-Mousson, der ihnen 1542 die Religionsfreiheit und eine Kirche zusicherte, mitwirkte.

Wir treffen Butzer sodann, wenn nicht als Begründer, so doch als Mitbeförderer und Ordner der evangelischen Kirche in den meisten Städten Süddeutschlands. War er doch anerkanntermaßen mit einem organisatorischen Talent, wie kein andrer unter den Reformatoren, begabt. Das Fürstenbergische Kinzigtal, die Reichsstadt Gengenbach, Biberach und Baden in der Markgrafschaft versorgt er mit Predigern. Württemberg, mit dessen Herzog Ulrich er lebhafte Beziehungen unterhielt, und namentlich Esslingen, Memmingen, Ulm, Augsburg und die Städte am Bodensee weisen Spuren seiner Wirksamkeit auf.

In der Schweiz war er ein gern gesehener Ratgeber, auf den in allen schwierigen Lagen sich die Blicke richteten, und auch in dem andern Nachbarland, der Pfalz, knüpft sich die Reformation hauptsächlich an seine Wirksamkeit an.

Zwischen Frankfurter Predigern stellt er den Frieden wieder her, und der Münsterer Kirche erteilt er seine Ratschläge.

Nach dem gescheiterten Versuch Franz Lamberts in Hessen, organisiert er daselbst die kirchlichen Verhältnisse, über die er eine Zeit lang eine Art von Oberaufsicht führt.

In den Rheinlanden, wohin der evangelisch gesinnte Erzbischof Graf Hermann von Wied ihn gerufen, entfaltet er eine so tiefgehende Tätigkeit, dass man ihn den Vater der Rheinischen Kirche genannt hat. In Bonn predigt er dem Volk täglich einmal oder zweimal, hält Vorlesungen für die Gebildeten, verfasst gemeinschaftlich mit Melanchthon eine Kirchenordnung, arbeitet am Bonner Gesangbuch und regt die Idee einer Hochschule an. „Butzer richtet hier mehr aus als irgend ein Mensch“, bezeugt sein Mitarbeiter Hedio, „dies sehe und erfahre ich täglich, und wundere mich nur, wie er so außerordentliche Lasten tragen kann, aber der Herr, dem er Tag und Nacht dient, verleiht ihm die Kraft.“ Er selber bekennt unter all den Anstrengungen: „Mein Fleisch ist beinahe verzehrt.“ Selbstverständlich hatte ein Mann wie er viele Feinde, die ihm Verleumdung und Hohn nicht ersparten, wie es in einem zeitgenössischen Spottgedicht - trivial aber wahr - von ihm heißt:

Butzer der butzt auch am Rhein,
Nimmt zuletzt ganz England ein.

Belgien schickte er seine ersten Verkündiger des Evangeliums.

Dem deutschen Vaterland weihte er Herz und Leben, Frankreich aber war das Land seiner Träume. „Für mich, gibt es in Christo weder Franzos noch Deutscher“, sagte er, und ein ander Mal: „Die Gallier benehmen sich wie die Galater, wolle der Herr ihnen einen Paulus schenken, und herzen, die ihm folgen mögen.“ Er selbst wäre gern dieser Apostel Frankreichs geworden, hätte er nur Zeit dazu gehabt, und hätten die Verhältnisse im Lande jenseits der Vogesen ihm ein ersprießliches Einwirken auf die Verbreitung der evangelischen Lehre gestattet. Wie freut er sich aber über die Fortschritte des Evangeliums in jenem Reich! Bei den deutschen Fürsten und den Schweizern, wie beim Straßburger Magistrat sucht er Teilnahme für diejenigen zu wecken, die unter der Verfolgung leiden. Um die Schriften Luthers in Frankreich zu verbreiten, übersetzt er sie ins Lateinische. Er führt einen regen Briefwechsel mit Gelehrten und Hofbeamten, sendet einen „Reformationsentwurf“ an König Franz und ist bereit selbst nach Paris zu reisen, um durch Unterredung mit den vornehmsten französischen Theologen dies Unternehmen zu fördern.

Am nachhaltigsten aber wirkt er für die Evangelisation Frankreichs durch den Einfluss, den er auf die in großer Zahl nach Straßburg geflüchteten französischen Reformierten ausübt. Er ist hier der eifrigste Gönner der stets wachsenden „Welschen“ Gemeinde und wirkt, durch seine engeren Beziehungen zu ihrem Haupt, Calvin, nicht wenig auf die Gestaltung ihrer Kultusform und Organisation ein, die ihrerseits wieder vielen andern Kirchen als Muster dienen sollten.

Für Italien schreibt er theologische Bücher; er unterhält lebhafte Verbindungen mit den evangelischen Gemeinden in Venedig, Modena, Bologna, schickt den Waldensern ein umfangreiches Gutachten über kirchliche Angelegenheiten, empfängt ihre Abgesandten und belehrt sie.

Selbst das entlegenere, durch das Meer getrennte England war frühe der Gegenstand seiner warmen Fürsorge. „Betet für die englische Kirche,“ mahnt er seine Freunde, der König will nur das Eine: dass bei seinen Untertanen Christus König sei.“ Freudig meldet er im Jahr 1536: „Der Herr hat uns jetzt ganz England, alle Reiche des Nordens zugeführt.“ Noch in den letzten Jahren seines Lebens, wie weiter unten gezeigt werden wird, hat unser Landsmann eine gesegnete Wirksamkeit daselbst entfaltet.

Sogar nach dem fernen Osten richtet er seine Blicke: „O dass die armen Deutschen,“ ruft er aus, aller ihrer Spaltungen vergessend und unter sich geeint, doch in die Lage kommen möchten, der grausamen Tyrannei des Türken, des Erbfeindes Christi und Zerstörers aller Religion, ein Ende zu machen, und also die so herrlichen Kirchen Christi, die in Illyrien, Dacien, Mysien, Macedonien, Thracien und Griechenland und in vielen anderen Landen dereinst gewesen, wieder aufzurichten.“ Wie freudig schlug sein Herz als ihm die Kunde aus zuverlässiger Quelle wurde, dass das Evangelium in Ungarn sich verbreite, dass es in Konstantinopel rein gepredigt und die Sakramente, wie sie Christus eingesetzt hat, verwaltet werden.“

Ganz besonders muss endlich hervorgehoben werden - was hier zum ersten Mal geschieht - dass, während das Bewusstsein der Missionsaufgabe der Kirche sämtlichen andren Reformatoren fremd geblieben ist, Butzer dieselbe klar erkannt und zu Herzen genommen hat. Entschieden und nachdrücklich weist er in seinem „Buch von der wahren Seelsorge“ hin auf diese heilige Pflicht der gesamten Kirche, ihrer geistlichen und weltlichen Glieder und Leiter, der Obrigkeit wie der Kirchenvorsteher. „Wie unsere Obern auch fremde Völker gewinnen möchten“, so lautet die Überschrift eines Abschnittes dieser Schrift. Er beklagt es, dass die Obrigkeiten und Fürsten wohl die Länder und zeitlichen Güter der armen Heiden suchen - (also schon damals) - aber nicht darauf bedacht sind, ihre Seelen Christo zu gewinnen,“ und schließt mit dem selbst in unsrer heutigen missionsfreundlichen Zeit noch beherzigenswerten Aufruf: „Wolle unser einiger guter Hirt Christus verleihen, dass seine Gemeinden allenthalb mit recht getreuen und emsigen Ältesten bestellt werden, die nicht nachlassen an allen Menschen -auch Juden und Türken - allen Ungläubigen und den armen Leutlein in den Inseln und neuen Ländern jenseits des Meeres, zu denen sie immer einen Zugang haben mögen, auf dass sie alle zu Christo gänzlich bringen mögen.“

Überblicken wir schließlich alles was Butzer sowohl für die Gründung und Leitung der Kirchen, als für die Ausbreitung des Evangeliums gewirkt hat, so begreifen wir einerseits, dass es in der katholischen Welt von ihm hieß: „Zwei Märten (Martin Luther und Martin Butzer) seien die schädlichsten Feinde der heiligen (wir sagen: der römischen) Kirche, aber Butzer sei schädlicher als Luther,“ und andrerseits, dass Calvin ihm das Zeugnis gab: „Butzer brannte vor Begier das Evangelium zu verbreiten“, und dass Luther einst bei gefährlicher Erkrankung, ihn für den Fall seines Abscheidens gleichsam zu seinem Nachfolger einsetzend, zu ihm sagte: „Gibt mir Gott Ruhe, so lasset Ihr Euch alle seine lieben Kirchen mit allem Ernst befohlen sein.“

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