Ehlers, D. Rudolf - Predigt am Totenfeste
(1834-1908) |
Von D. Ehlers,
Konsistorialrat und Pfarrer in Frankfurt (Main).
Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, dass wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
1. Joh. 3,2.
Wie wir getragen haben das Bild des irdischen, also werden wir auch tragen das Bild des himmlischen.
1. Kor. 15,49.
Trost und Mahnung am Totenfeste.
Der letzte Sonntag des Kirchenjahres ruft uns, das Totenfest zu begehen; es ist dem Andenken an die Entschlafenen geweiht.
Ob es solches Festes bedarf?
Wir gedenken der Menschen, welche von uns gegangen sind, täglich, stündlich, gewiss bei jeder wichtigen Entscheidung in unserm Leben. Wir erinnern uns der vielen Stunden, welche wir in Freude und Schmerz mit ihnen durchlebt haben; an alles, was sie gesagt und was sie getan haben, wohl auch, was sie gelitten und geduldet haben; wir freuen uns darauf, dass eine Stunde kommen wird, da wir vom Glauben zum Schauen durchdringen und sehen, dass sie geblieben sind in des Vaters Hause. Einmal tröstet uns das Andenken an sie, auszuharren in unsern Kämpfen und Anfechtungen: es währt nur noch eine kleine Zeit; ein anderes Mal erscheint ihr Bild uns traurig, vorwurfsvoll, wie Klage und Anklage. So sind sie, obwohl abgeschieden, um uns und mit uns, und hören nicht auf, uns zu segnen. Wir sind reich, weil wir viele Menschen wissen, die noch unter den Lebenden sind und uns lieb haben;, aber das ist auch ein Schatz, dass wir so viele Beziehungen nach drüben haben zu euch, ihr teuren Häupter, die ihr die Erde vor uns verlassen habt die Liebe hört nimmer auf.
Dennoch ist es schön und für uns alle heilsam, dass es in unserer kirchlichen Gemeinschaft solch einen Tag gibt, wie den heutigen Sonntag. Da begegnen wir einander in den gleichen Empfindungen nicht bloß die Glieder des Hauses und der Familie, sondern die Zugehörigen einer ganzen Gemeinde, die selbst wieder mit vielen anderen verbunden ist. Das Los, das uns betroffen, ist aller Los - aber auch Glaube und Hoffnung sind allen gemeinsam, einer stärkt den andern, jeder wird von allen getröstet - das läutert, das reinigt unsern Schmerz, wir fassen unsere Seele in Geduld, wir warten wieder, und zuversichtlicher, getroster, hoffnungsvoller als vorher, und die Erinnerung an die nahende Nacht wird zu einer Mahnung an das Tagewerk, das uns obliegt.
Möchte das die Frucht auch dieses Tages sein, insonderheit des Wortes, welches der Apostel Paulus zu dieser Stunde in unserer Mitte aufrichtet!
Wie wir getragen haben das Bild des irdischen, also werden wir auch tragen das Bild des himmlischen.
Lasst uns hören, was das Wort uns zum Trost und was es uns zur Mahnung sagt.
1.
Meine Brüder! Wer die Schriften des Neuen Testamentes aufmerksam liest, der überzeugt sich leicht, wie ihre Verfasser mit der Fülle von neuen Gedanken und Einsichten zu ringen haben, welche ihnen in Wort und Liebe, in Leben und Tod Christi aufgegangen sind; wie schwer es ihnen fällt, das innere Erlebnis auf einen allgemein verständlichen Ausdruck zu bringen. Es war ihnen in Christo wirklich eine neue Welt, ein neues Leben aufgegangen; Himmel und Erde erschienen ihnen verwandelt; sie sahen den ewigen Gott anders als die erleuchtetsten Propheten; das menschliche Leben hatte einen neuen Sinn, mit neuen Zielen neue Aufgaben. Früher hatte das Leben des Menschen auch für sie nach 70, wenn es hoch kam, nach 80 Jahren gezählt; alle Wünsche, Aufgaben, Ziele, Hoffnungen lagen beschlossen in dieser kurzen Erdenexistenz; ihre Vorstellungen vom Totenreich waren mehr ängstigend als ermutigend, und selbst die Aussicht auf eine Auferstehung zu der Zeit des kommenden Messias hatte wenig Tröstliches; diese Zukunft war schattenhaft, zweifelhaft, nicht eine Hoffnung, darauf sie getrost leben und sterben konnten. Christus aber hatte ihnen ein Leben gegeben, welches die Gewissheit seiner Dauer in sich selbst trug und die Zuversicht, dass die Erdenexistenz nur eine Entwicklungsstufe sei in der menschlichen Lebensgeschichte, die erste Stufe zu einer geistigen Entwicklung über alles Ahnen und Verstehen.
Besondere Schwierigkeiten musste es ihnen bereiten, würdig von dem zu reden, in welchem das neue Leben in seiner ganzen Fülle ihnen erschienen war, von seiner Person und von der mittlerischen Stellung, welche er einnahm zwischen dem ewigen und heiligen Gott und zwischen den sündigen, sterblichen Menschen, und nicht minder schwierig war es, sich und andern deutlich zu machen, wie dieses neue Leben auch die Zerstörung durch den leiblichen Tod, die Auflösung des irdischen Organismus zu überstehen, zu überdauern imstande sei, ohne dass das werdende, wachsende Gotteskind, der Geistesmensch in ihnen dabei zu Schaden komme, in Nachteil und Verlust gerate oder gar verloren gehe.
Vor allen andern hat der Apostel Paulus mit diesen Aufgaben gerungen, dem Verständnis seiner Leser und Hörer näher zu kommen. und ihnen deutlich zu machen, welche Stellung dem Herrn Jesu Christo gebühre innerhalb der Menschenwelt und welche Wirkungen von ihm ausgehen auf dieses Menschenleben.
Im Dienst dieses Bemühens steht es, dass er Adam und Jesus miteinander in Parallele stellt; er unterscheidet, wenn ich so sagen darf, zwei Arten von Menschen. An der Spitze der einen steht Adam, der Anfänger der andern ist Jesus. Mit dem ersten Adam stehen wir in gliedlichem Zusammenhang durch unsere leibliche Geburt, mit dem zweiten Adam durch die Wiedergeburt, durch die innere Erneuerung, welche der Geist Christi in allen Menschen wirkt, welche der Vater dazu bestimmt, bereitet, erwählt. Unser Erbteil von dem ersten Adam ist Sünde, ihre Strafe der Tod, ihr Ende Verdammnis; der Gemeinschaft mit dem zweiten Adam verdanken wir Gerechtigkeit, Übereinstimmung mit dem heiligen Gott, Leben und Seligkeit. Der erste Adam ist gemacht in das natürliche Leben; der zweite, letzte Adam in das geistliche Leben. Der erste Mensch ist von der Erde, irdisch - das vornehmste Geschöpf, welches auf dieser Erde entstehen konnte, die Blüte der irdischen Schöpfung aber doch bedingt durch seinen Erdenursprung, allen Gesetzen unterworfen, nach welchen die irdische Schöpfung entsteht und vergeht. Dagegen der zweite Adam ist der Herr vom Himmel; er hat ein Leben in sich, welches nicht dieser Welt entstammt und deshalb nicht mit der Erde vergeht, sondern über sie hinausreicht; alle Dinge sind dem Träger dieses Lebens untertan und alle Dinge müssen dienen, dieses Leben zu entfalten, zu stärken, siegreich zu machen; es triumphiert auch über Tod, Grab, Unterwelt. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?
In solchem Zusammenhang schreibt der Apostel das Wort: „Wie wir getragen haben das Bild des irdischen, also werden wir auch tragen das Bild des himmlischen“; d. h. wie wir nach unserer äußeren Existenz, durch leibliche Herkunft, als Glieder der Menschheit, welche vom Weibe geboren wird, durchaus irdisch sind, Erdensöhne, Erdengeschöpfe - so werden wir als Christi Glieder, aus Gott geboren, in der Vollendung himmlisch sein; wir gehören hier der irdischen Welt an, einmal werden wir der himmlischen Welt angehören; hier ist alles irdisch an uns, dort werden wir ganz himmlisch sein jetzt sterblich, sündig, selbstsüchtig, sinnlich gerichtet - dort Heilige, welche ihre Lust haben an dem Herrn und denen er deshalb geben kann alles, was ihr Herz sich wünscht. Wir tragen das Bild des irdischen wir werden das Bild des himmlischen tragen.
Ist das nicht eine tröstliche Aussicht, welche sich da vor uns auftut? Ihr teuren, lieben Menschen, deren Hingang wir beweinen, ihr Alten, die ihr den Kampf des Lebens lange und siegreich gekämpft, und ihr Jungen, die ihr das Bild des irdischen nur eine kurze Zeit getragen habt ihr werdet das Bild des himmlischen tragen, werdet ähnlich sein dem Herrn vom Himmel. Hier war euer Leib von Erde genommen, den Gesetzen des irdischen Daseins unterworfen, bestimmt, wieder zu Erde zu werden, ein Werkzeug, die irdische Welt, von welcher ihr selbst ein Teil wart, zu erkennen, sie in euch aufzunehmen, euer innerstes Leben in ihr zu offenbaren und auf sie einzuwirken in Geben und Nehmen - dort tragt ihr das Bild des himmlischen - ihr habt einen neuen Leib, welcher der neuen Lebensstufe, der neuen Daseinsform ebenso entspricht, wie euer irdischer Leib der alten ein Auge, zu sehen und ein Ohr, zu hören und eine Hand, zu fassen und einen Mund, welcher überströmt von dem, des das Herz voll ist, und ein Herz, das fähig ist, vollkommene Freude zu fassen und das innere Leben zu entfalten ohne die Hemmungen, welche Sorge, Not, Bitterkeit, Geschrei und Tränen und der immer lauernde Tod ihm bereiten.
Das wie? ist uns verborgen ein Geheimnis der schöpferischen Kraft Gottes! Doch nicht so viel geheimnisvoller, als das irdische Werden und Wachsen auch, die Entstehung des organischen und die Entstehung des persönlichen Lebens auf Erden und die Mannigfaltigkeit der Formen, in welchen das Bild des irdischen zur Erscheinung kommt. Wir können es nicht erkennen, aber ahnen, können davon stammeln, aber nur mühsam reden; keiner von uns kann es ergründen; wir müssen uns alle bescheiden, im Gleichnis des Vergänglichen davon zu reden aber wir dürfen uns darauf freuen, und wenn wir um den Heimgang einer betagten Mutter, eines lieben Kindes, eines treuen Freundes trauern und uns recht arm und verlassen auf dieser Erde fühlen, so können wir unsere Sehnsucht nach oben richten und ihr vorhalten: sie tragen das Bild des himmlischen, und was dann noch von Schmerz übrig bleibt, das ist selbstischer Schmerz und der heißt nicht Trost, der will überwunden sein, und dazu gehört Beten und Fasten und fleißige Arbeit und herzliche Liebe, welche über dem andern sich selbst vergisst.
Lasst uns die Unsrigen nicht in den Gräbern suchen - da finden wir nur das Bild des irdischen und zwar nur ein zerstörtes Bild des irdischen - lasst sie uns da suchen, wo sie das Bild des himmlischen tragen, in stärkerem oder in matterem Glanz - alle umgeben, durchleuchtet von Himmelsglanz und Klarheit.
Ob es nicht doch am Ende nur ein Spiel der Phantasie, eine täuschende Hoffnung ist? nicht bloßer Wahn? Meine Brüder! ich denke, es gilt auch hier das Wort des Dichters: „Mit dem Genius steht die Natur in ewigem Bunde, was der eine verspricht, leistet die andere gewiss“. Wenn wir die sichtbare Welt um uns beobachten oder zum Himmel aufblicken und nach Sonne, Mond und Sternen fragen, so lassen wir uns gerne von den führenden Geistern, den kühnen Entdeckern des Weltalls, die Gesetze des Geschehens und Werdens deuten; wir glauben ihnen, auch wo ihre Erklärungen das gerade Gegenteil von dem behaupten, was wir mit unsern Sinnen wahrzunehmen glauben, z. B. dass sich die Erde um die Sonne dreht und dass die Sterne, welche wie Lichtfunken am nächtlichen Himmel hingestreut zu sein scheinen, Welten sind, von welchen jede selbständig und doch in nie gestörter Harmonie, die eine durch die andere bedingt und beeinflusst, ihre Bahn durchmisst. Meine Brüder! Der für uns die zukünftige himmlische Welt entdeckt und damit dem Suchen, Sehnen, Ahnen, Hoffen in der menschlichen Brust ein bestimmtes Ziel gegeben hat, der Entdecker aller Entdecker, das ist unser Herr Jesus Christus! Er hat es uns gewiss gemacht, dass nicht ein Sperling vom Dache fällt ohne den Willen des Vaters im Himmel und dass auch die Haare auf unserm Haupte gezählt sind dass Gott, unser Vater, der Herr ist über Leben und Tod, dass seine Menschenkinder einmal gleich wie die Engel sein werden; die Schrift, sagt er, verheißt es, und die Kraft Gottes fordert solches Vertrauen; das zukünftige Leben, zu welchem wir nicht durch den Tod, sondern durch die Wiedergeburt eingehen, ist keine bloße Fortsetzung, keine bloße Wiederholung des diesseitigen, sondern ein neues; aber sichtbare und unsichtbare Welt, die sinnliche und die geistige gehören zu Einem Hause des Herrn. Das hat viele Wohnungen die Erde ist eine derselben, selbst wieder mannigfaltig geteilt, und wo der Herr ist, muss der Diener auch sein, und wo der Meister bleibt, da wird auch der Jünger bleiben.
Was der Herr den Jüngern geoffenbart hat, das haben sie geglaubt, wenn auch oft kleinmütig und selten ohne Bangen; seine Person, sein Leben, sein Tod, seine Auferstehung war ihnen die Bürgschaft eine Bürgschaft, welche, wenn auch nur langsam und allmählich, sie gewiss gemacht hat. Je mehr ihr Glaube erstarkte, je gehorsamer sie in seinen Fußstapfen wandelten, je eifriger sie von ihm lernten, je mehr sie durch die Kraft seines heiligen Geistes ihm ähnlich wurden, um so stärker, um so kühner, um so zuversichtlicher wurde ihr Glaube: wir werden das Bild des himmlischen tragen, sein Bild, das Bild unseres Herrn ihn zu sehen, bei ihm zu sein, wie hier das Irdische, so dort das Himmlische mit ihm zu teilen das war ihre Hoffnung, ihre Freude, ihre Seligkeit.
2.
Meine Brüder! Wenn wir auch solche Hoffnung hätten! und wenn sie unser Leben und unsern Wandel bestimmte!
Nun, wir haben alle die Erstlinge des Geistes empfangen; ein Anfang des Glaubens an Jesum, den Christ, findet sich bei jedem von uns, ein Ahnen, Sehnen, Suchen über die 70 und 80 Jahre des Erdenlebens hinaus und über die Erde hinauf - lasst uns an ihm bleiben, welcher die himmlische Welt auch für uns entdeckt hat, ihm folgen, sein Wort hören und tun und seine Liebe üben, und von ihm uns die ewigen Gesetze deuten lassen, nach welchen hier und dort, Gegenwart und Zukunft, Irdisches und Himmlisches zusammenhängt, und unsere Hoffnung wird immer zuversichtlicher, immer seliger werden!
Wir lesen: wie wir getragen haben das Bild des irdischen, so werden wir auch tragen das Bild des himmlischen.
Nach unserer Lutherübersetzung ist das eine einfache Aussage, eine Versicherung seitens des großen Apostels. Schon früh hat man aus der Zusage eine Mahnung gemacht (es handelt sich um die Veränderung eines einzigen Buchstabens): wie wir getragen haben das Bild des irdischen, so lasst uns tragen das Bild des himmlischen. Wir können hier nicht untersuchen, was zu dieser Veränderung Veranlassung gab, ob sie dem Gedankenzusammenhang, in welchem wir das Wort des Apostels lesen, entspricht, ob sie notwendig war aber in der Sache, abgesehen von dem Zusammenhang, hat die Veränderung recht. Das ist gewiss, dass der Erdenleib und der Himmelsleib miteinander in ursächlich innigem Zusammenhang stehen; dass Gott seine Kinder selbst zur Mitarbeit beruft, damit sie geschickt werden, das Bild des himmlischen zu tragen. Wie sie den Erdenteil selbst bilden und ihren Zwecken dienstbar machen müssen, so haben sie auch den himmlischen Teil zu bilden. Denn mit dem Sterben allein ist es nicht getan; der Tod kann uns nicht selig machen, das kann nur der barmherzige Gott, und er tut es nur, indem er uns in die Gemeinschaft seines lieben Sohnes, des Herrn vom Himmel versetzt. Wenn wir hier nicht angefangen hätten, Gott zu lieben, so würde uns dort das Organ fehlen, ihn zu lieben; wenn wir hier uns grundsätzlich von ihm fern gehalten hätten und ihm geflissentlich aus dem Wege gegangen wären, wie könnte der Tod uns ihm näher führen? und wenn wir hier nicht treu waren über dem Wenigen, was uns von Gemeinschaft mit gleichen beschieden war, wie sollten wir dort geschickt sein, mit Engeln zu verkehren? Die Kraft, welche wir nicht üben, erlahmt, und die Organe, welche wir nicht bilden, versagen den Dienst.
Dass wir das Bild des himmlischen tragen können, lasst uns dem Herrn vom Himmel folgen; er macht uns hier schon heimisch in der neuen Welt, die unser wartet! unsichtbar, ein Geheimnis Gottes! In den Tiefen unserer Seele tragen wir hier schon das Bild des himmlischen lasst uns ihn lieben, der uns zuerst geliebt hat, und die Liebe, mit welcher wir ihn lieben, setzte sich um in Liebe zu den Brüdern.
Zumal, wenn wir traurig sind! Ich weiß, wie es da den Menschen in die Einsamkeit zieht, wie gern er allein ist mit seinen Gedanken, Schmerzen, Tränen - welche Befriedigung es gewährt, in Erinnerungen an das Vergangene zu schwelgen, und wie leicht man darüber unlustig wird, zu tun, was heute gebietet, und unfähig, sich der Zukunft entgegenzustrecken. Wir müssen diesen Hang bekämpfen, müssen ihn überwinden; ist es erwünschter, mit den Abgeschiedenen zu schwärmen, als mit den Lebenden die Aufgaben der täglichen Pflicht zu erfüllen es bleibt doch unrecht, wenn wir die Lebenden hintenansetzen, weil wir meinen, wir kämen den Verstorbenen dann umso viel näher; an diesen Wünschen ist der natürliche Mensch, welcher das Bild des irdischen trägt, viel mehr beteiligt als die Liebe. Fliehen wir mit Recht die lärmende Freude - die Fröhlichkeit in Hoffnung, die Freude in dem Herrn, die sollten wir suchen, wo wir sie finden können, gewiss in den Versammlungen unserer Gemeinde. Und was wir da von Hoffnung und Liebe sammeln, können wir es denen nicht mehr zeigen, welche uns lange die Nächsten waren, weder Vater und Mutter, noch Brüdern und Schwestern, noch Söhnen und Töchtern, so lasst es uns umsetzen in hilfreich dienende Liebe, Mühselige und Beladene zu erquicken, Arme reich zu machen, Traurige zu trösten - so leben wir nicht uns selbst, auch nicht unsern Trennungen und Schmerzen, so leben wir dem Herrn.
Es wandelt sich dann bittere Klage und ungestüme Sehnsucht in stilles Warten; es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden; wenn es erscheinen wird, so werden wir ihn sehen, wie er ist wir halten uns allzeit bereit - wenn das Vollkommene kommt, wenn Erkenntnisse, Sprachen, Weissagungen aufhören, hört doch die Liebe nicht auf. Die Liebe hört nimmer auf, in der Liebe tragen wir hier schon das Bild des himmlischen. Einmal, wenn wir ruhen dürfen von unserer Arbeit, wenn wir mit Freuden ernten werden, was wir mit Tränen gesät haben dann wird das Bild des irdischen verschwunden sein und das Bild des himmlischen wird auftauchen in vollem Glanz und von einer Klarheit zu der andern. Amen.