Diedrich, Julius - Der fünfte Psalm.
David lehrt uns in diesem Psalme aus großer Anfechtung von mächtigen Feinden heraus, zu Gott durchzudringen und in Ihm neue Kraft zu gewinnen. Wie er es selbst vermocht hat, so werden wir's auch vermögen, wenn wir's nur in uns so werden lassen, wie es alles in ihm geworden ist. Bei welchen äußern Anlässen David diesen Psalm gedichtet, ersehen wir nicht: es hat ihm zu keiner Zeit, und am wenigsten seitdem ihn Gott auf den Plan gebracht, an solchen Feinden, wie sie hier bezeichnet sind, gefehlt, und Gott hat ihm auch zu jeder Zeit den Sieg verliehen.
Dem Gesangmeister hat ihn David übergeben, dass er gesungen und nicht allein gelesen werde, und betitelt hat er ihn „über die Erbschaften“ d. h. sowohl der Gottlosen als der Frommen, welches nämlich ihr Los vor Gott und in Wahrheit sei. Es sind ja zweierlei Menschen in der Welt, nämlich das große Heer der bloß natürlichen und die kleine Herde der wiedergeborenen und zu Gottes Bilde erneuerten. Die letzteren gereichen den erstern immer zum Vorwurf und darum auch zum Anstoß und Verdrusse und so ist denn zwischen ihnen allzeit Kampf. In demselbigen scheint nun Gott auf Seiten der Gottlosen und selbst im Kampfe wider Seine eignen Bekenner zu stehen. Davon haben diese große Not und müssen gegen Gott und Menschen kämpfen. Doch soll uns der Sieg wohl gelingen, wenn wir nur fest an dem Anfänger und Vollender unsers Glaubens, Jesu Christo, verbleiben. Das lehrt uns hier der heilige Sänger.
Meine Worte vernimm o HErr! verstehe mein Sinnen. Horch auf mein Geschrei, mein König und mein Gott, denn zu Dir bete ich. Zu Gott als seinem Könige und dem Richter aller Menschen nimmt der arme bedrängte seine Zuflucht. In ihm ist große Bewegung, gar vieles will er vor Gott bringen, möchte nur Gott hören! Aber Gott will ja der Menschen Flehen erhören, was sie im Glauben vor Ihn bringen, so wird Er ja auch mein jämmerliches und ängstliches hin- und hersinnen bemerken und das Geschrei meines Herzens vernehmen.
Dann wird nur rechtes Gebet in uns, wenn's zuvor aus unserm Herzen heraus um Hilfe schrie. Lass dir deine tägliche Seelennot nur so zu Herzen gehen, dass du darüber solch Schreien hast, so wirst du täglich wieder gesund werden. HErr frühe wollest Du meine Stimme hören! Frühe wende ich mich zu Dir und schaue spähend aus, wie ein Wächter auf seiner Zinne, ob mir nicht Hilfe von Dir komme, meinem einigen Bundesgenossen. Meine Not ist gar groß, dass ich ohne Deine Hilfe keinen Tag beginnen kann, täglich müssten mich meine Feinde wohl verschlingen, wenn Du nicht meine Hilfe wärest. Ja täglich muss ich mich meines Gottes zuerst versichern, sonst bin ich gewiss verloren gegen meine Feinde.
Und Du wirst mich ja doch erhören und nicht auf Seiten meiner Feinde wider mich stehen, denn nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt, bist Du, mein HErr, nimmer wohnt bei Dir der Böse, dass er in Dir Zuflucht finde. Vor unsern Sinnen ist's gar oft so, als ob Gott auch noch zu unsern Feinden getreten sei, ja als ob Er uns wohl am meisten ängstige, wenn wir uns nicht ungestört Seiner Gnade in uns getrösten können. Doch sollte Gott wirklich deren Sache bestätigen wollen, die in uns nicht unsre Sünden, (wozu sie wohl Recht und Ursache hätten) sondern gerade sein Wort und Evangelium hassen? Nein, Gott kann sie wohl eine Stunde zu unsrer Strafe gebrauchen, doch steht Er nicht auf ihrer Seite. Nicht dürfen Hochmütige auf ihre Seite treten, Du hasst alle Übeltäter, hochmütige sind aber durchweg alle Gegner des Evangeliums, und sind sie hochmütig, so sind sie auch im Grunde schon gottlos und all ihr Tun sind Missetaten: sie leben aus sich selbst und kennen nicht Gottes Gnadenkraft, so kann sich auch Gott nicht zu ihnen bekennen. Daran richtet sich aber die Seele des Bußfertigen und Gottesfürchtigen wieder auf, welcher an sich nur Bedürfnis und Schwachheit fühlt und sie vor seinen Gott bringt. Will Gott doch ein Heiland sein und kann Er's nicht für die Hoffärtigen sein, so muss Er's wohl an den geistlich Armen beweisen. Du vertilgst, die Lügen reden, und das sind alle die ihr eignes und nicht Gottes Ehre in Seinem Reiche suchen, den Mann des Blutes und Betruges verabscheut der HErr, so wird Er ja denen nicht beistehen, deren Sache nur zum Verderben der Menschen gerichtet und nur durch Gewalt und Hinterlist aufrechterhalten wird. Scheinen sie gleich in der Gegenwart zu triumphieren, so müssen sie in den Augen der Gläubigen Gottes doch schon verloren sein. Doch ich werde durch Deine große Gnade zu Deinem Hause kommen, gegen Deinen heiligen Tempel gewandt in Deiner Furcht anbeten: so traue ich nicht auf eigne Kraft und Klugheit, sondern nehme Dich zu meinem Beistande. Deine Gnade allein ist mein Trost und im Glauben an dieselbe bete ich zu Dir, indem ich zugleich meiner Unwürdigkeit bewusst bin: solche kannst Du ja nicht beschämen noch zurückstoßen, denn als deren Helfer hat Sich Gott von Anfang geoffenbart. Wir sollen aber dessen nun in Christo Jesu wohl noch viel gewisser sein, wenn wir auch in der Gegenwart noch viel einsamer und bedrängter als David dastehen müssten, wir haben ja Christum allzeit bei uns und wissen, dass Er für uns bittet.
HErr leite mich in Deiner Gerechtigkeit, nach welcher Du Deine Zusage gewiss erfüllen wirst, ich kann ja meine steilen, dornigen und einsamen Wege nicht wandeln, nimm mich als ein schwaches Kind bei Deiner Hand um meiner Feinde willen, welche mir viel zu zahlreich und mächtig sind. Ebene vor mir Deine Wege, die Kreuzespfade, auf welche Du mich gesetzt, und die mich zu Dir führen sollen: für mich sind sie erschrecklich, Du kannst mir aber hinüberhelfen, dass auch die steilen Höhen und finstern Tiefen alle eben und gangbar werden, wenn Du nur meinen Glauben stärkst: ein solcher Gott bist Du in Wahrheit. Denn in ihrem, der Gegner Munde ist nichts Richtiges, ihr Inneres ist verdorben, ein offenes Grab ist ihr Schlund, ihre Zunge glätten sie: so kannst Du heiliger Gott ihnen nicht beistehen, welche durch ihre falsche Sache nur Menschen verderben, wenn sie dieselbe noch so klüglich zu schmücken wissen: Du kennst sie ja bis auf den Grund.
Verurteile sie Gott! Fallen müssen sie wegen ihrer bösen Ratschläge, wegen der Menge ihrer Frevel stürze sie, denn sie empörten sich wider Dich. Sie sind ja schon durch Gottes Wort zuvor verdammt; doch gab Er ihnen noch eine kurze Zeit. Nun muss ihr Gericht wohl nahe sein, da Gottes Knecht von ihnen so bedrängt ist: der Bösen Triumph ist uns eine Anzeige, dass sie nun bald ganz vertilgt werden sollen, und zu Gottes Spruch müssen wir Amen sagen, denn auch in Seinem Gerichte will Er Sich für uns verherrlichen. Und freuen werden sich alle, die auf Dich vertrauten in kümmerlicher Gegenwart: der Glaube hat die gewisse Hoffnung immer bei sich, ewig werden sie jauchzen und Du wirst sie auch bis dahin schützen, wenn's gleich hart herginge: frohlocken werden in Dir, die Deinen Namen lieb haben, dass sie ihren Trost und ihre Kraft allein aus Deinem Worte nehmen.
Denn Du segnest den Gerechten o HErr, welcher seine Zuflucht zu Dir nimmt und nicht auf sich selbst vertraut, wie mit einem Schilde deckst Du ihn mit Gnade, dass Er, durch Deine Gnade zuversichtlich gemacht, mitten durch der Feinde Scharen an Deiner Hand hindurchschreitet. Ist uns Gott nur huldreich, wer will uns dann schaden? hat Er uns vergeben und erhört, so müssen wir durch allen Kampf und Tod zum ewigen Frieden und Triumphe gehen.
So ist denn dieser Psalm ein Loblied auf die Gnade des HErrn, und zeigt, was sie vermag, wenn man sie durch Betrachtung des Wortes Gottes in sein Herz aufnimmt. Will dir für dich und Christi Kirche bange werden, so siehe nur Gott an, wie Er sich von Anfang in Seinem Worte geoffenbart hat. Siehe Sein ewiges, heiliges und gnadenreiches Wesen an, mit welchem Er dem Gläubigen hilft, so wirst du auch noch mitten in der Not doch schon den Allmächtigen und Heiligen als deinen Bundesgenossen gewahren und darüber aller Feinde Untergang aufs sicherste voraussehen. Kümmre dich nicht um ihre Zahl und ihre augenblickliche Macht; stehe du nur auf der Wahrheit, so müssen auch Millionen vor dir in den Staub sinken. Dessen mache dich in Gebet und Betrachtung jeden Morgen wieder gewiss, so wirst du wahrlich einen guten Tag und einen fröhlichen Abend haben.
Gebet. Du heiliger ewiger Gott! erneue uns durch Deinen Geist, zu Dir rechtzeitig zu rufen und Dein Wort also zu betrachten, dass wir Deine Hilfe durch Deinen Gnadentrost erfahren und Dir schon mitten im Kampfe dieses Lebens frohe Dank- und Siegeslieder singen: durch Jesum Christum. Amen.