Comenius, Johann Amos - Das allein Nothwendige - Neuntes Kapitel.

Comenius, Johann Amos - Das allein Nothwendige - Neuntes Kapitel.

Vorteile, welche für die ganze Welt aus Befolgung der Vorschrift Christi erwachsen.

§. 1.

Es könnte nicht nur um die Kirche und die Gewissen, sondern auch um alle menschlichen Verhältnisse besser stehen, wenn die Menschen die Regel Christi beobachten wollten. Daß man auch im Aeußerlichen mit Wenigem gewiß besser lebe, hat die menschliche Klugheit schon längst erkannt, und durch Sparsamkeit und Genügsamkeit ihre Lasten zu erleichtern oft versucht; wie aus den Reden und Thaten der Weisen hervorgeht. Solon sagte: ne quid nimis, d. h. in keiner Sache zuviel. Cato: „Meide, was irgend zu viel, und Weniges laß dir genügen. Denn auch der Honig, wenn man zuviel genießt, wird bitter.“

§. 2.

Die Spartaner, die wegen ihm Tugenden das beste Lob haben, gewöhnten sich von Kindheit an, Hunger zu leiden, den Ueberfluß aber in Kleidung, Kost, Gebäuden, Reden und allen Dingen zu meiden, indem sie sich überall mit Wenigem, aber Dauerhaftem begnügten. Einer unter ihnen, Crotychides, beantwortete die Frage, warum die Spartaner im Trunk so mäßig wären, dahin: damit nicht Andere uns, sondern wir Anderen rathen möchten. Desgleichen werden die Araber, ein altes Volk, und die alten Römer wegen ihrer Genügsamkeit gelobt, daß sie durch keine Unmäßigkeit im Essen und Trinken die Leibeskräfte geschwächt; sondern durch Mäßigkeit die Gesundheit erhalten, durch Uebungen die Glieder des Leibes überaus stark gemacht, und ihr Leben bis auf Kindeskinder gebracht hätten; wie es denn bei ganzen Völkern so wenig, wie bei einzelnen Menschen, an Beispielen der Genügsamkeit fehlt. Ich will einige von den Weltweisen und Staatsmännern anführen.

§. 3.

Socrates, da er seine Gäste mit einer schlechten Mahlzeit bewirthen wollte, sagte: sind sie gut, wird es genug sein; sind sie böse, ist es mehr als zuviel. Pythagoras lebte, um der Weisheit gänzlich obzuliegen, sehr sparsam, sagt Athenaeus. Diogenes war mit einem Rock, einem Faß, worin er sich vor Wind und Regen verbarg, und mit einem Stecken, womit er die Hunde abkehrte, zufrieden, und lebte bloß von Kräutern und Wasser, wodurch er sich ein so großes Ansehn verschaffte, daß Alexander der Große sagte, wenn er nicht Alexander wäre, nichts als Diogenes zu sein wünschte. Epicur, der das Vergnügen so hochstellte, ließ Wasser und Mehl, oder Gerstenbrod seine Speise sein, und nahm sich fest die Armuth vor, nicht als ob er den Freuden abhold wäre, sondern weil er in geringer Kost (merket euch das, ihr Wollüstigen!) mehr Vergnügen zu finden erklärte. Der Arzt Galen, nachdem er eine gewisse Art, seine Gesundheit zu befestigen, erfunden, schrieb sich selbst folgendes unabweichbare Gesetz vor: niemals sich satt zu essen und zu trinken, noch jemals etwas Unverdauliches zu sich zu nehmen, und hat über 100 Jahr gesund gelebt. Desgleichen auch zu unserer Zeit zu Venedig, Ludw. Cornarus, welcher in seiner Jugend durch Schwelgerei die Gesundheit gänzlich verderbt hatte, hat diese mittelst guter Diät, indem er täglich nicht mehr als zwölf Unzen an Gewicht aß, und vierzehn Unzen schwer trank, völlig wieder hergestellt, und bei guten Kräften bis auf 148 Jahre gelebt. Darum beantwortet Joh. Pontanus die Frage, warum er täglich nur ein Gericht habe, nicht unweise: ich enthalte mich der Speise, damit sich die Aerzte meiner enthalten.

§. 4.

Auch Könige von so herrischem Gemüth lassen sich anführen. Cyrus der ältere, von einem Wirth gefragt: was er zu speisen wünschte, antwortete: „Brod: denn wir werden vielleicht bei einem Fluß Tafel halten.“ Alexander der Große war so mäßig im Essen (wenn nur auch im Weintrinken!) daß er, da ihm die Königin von Carien die besten Köche mit den besten Speisen schickte, solche ausschlug, und sagte, er hätte bessere Köche, die Arbeit und den Schweiß; und da er seine Fürsten sich der Persischen Leckerei ergeben sah, erklärte er, in seinem Mißfallen hierüber, es für knechtisch, sich den Lüsten zu ergeben; für fürstlich aber, der Arbeit obliegen. Von Romulus schreibt Gallius: er habe bei der Abendtafel wenig getrunken, wenn er folgenden Tages etwas zu verrichten hätte. Stimmt das nicht mit Salomons Meinung überein, man solle den Königen nicht Wein, und den Fürsten stark Getränk geben, damit sie nicht des Gerichts vergessen, und das Recht verändern? (Sprüchw. 31, 4 5) Ebenso trank Kaiser Augustus sehr wenig Wein und aß wenig und schlecht. Wie Kranz sagt, begehrte Carl der Große nie über vier Speisen und trank dabei nur dreimal; es sei ihm die Trunkenheit an jedem, auch dem niedrigsten Menschen, ein Gräuel gewesen. Anderer Helden zu geschweigen.

§. 5.

Betrachten wir die Verordnungen in wohlgeordneten Staaten wegen der Pracht, der Hochzeitmahle, Schwelgereien, Spiele, Kleiderstaat und anderen Ueberflusses, dienen sie nicht alle dazu, um Christi Regel von Vermeidung der unnöthigen Dinge zu bekräftigen und zu bezeugen, daß große Erleichterung die Befolgung jenes Raths belohne. Da aber die Menschen solchem Rath nicht folgen, sind sie nicht billig des Spottes und Mitleids werth? Wir lachen ja das näckische Thierchen, das Eichhörnchen, aus, welches in einem leicht beweglichen Käfig eingeschlossen, sich mit demselben durch stetes Hüpfen bewegt, und doch niemals von der Stelle kommt, aber auch nicht betrübt ist, weil es seine Gefangenschaft nicht erkennt. Daß aber das zur Ewigkeit bestimmte Menschengeschlecht sich in den Käsig der Zeit einschließt, so daß es bei so großem Zeitmangel und Lebenskürze das meiste auf Träumereien und Lappalien, und fast nichts auf sich und auf Gott wendet, ist ernstlich zu beklagen.

§. 6.

Daß doch die menschliche Thorheit der göttlichen Weisheit beistimmen, und durch Absonderung des Unnützen von dem Kostbaren alles Böse, Eitle und Ueberflüssige abschaffen wollte! Wie würde man in kurzem einen ganz anderen Zustand in allen Dingen, in der Philosophie sowohl, als in Staatswesen und Religion erblicken! Denn die einfachste, leichteste und sicherste Reformation oder Verbesserung wäre die, das Unnütze abzuschaffen, und nur mit dem Nothwendigen sich begnügen; z. B. in der Philosophie sollte schlechterdings nichts angenommen werden, als was ganz augenscheinlich wahr; nichts anhaltend, begehrt, als was offenbar gut; und nichts fest vorgenommen, als was ganz gewiß, möglich, leicht und nützlich wäre: so würde es um unsere Herrschaft über die irdischen Dinge wohl stehn. Auch um das Staatswesen stände es besser, wenn niemand unter uns etwas Anderes wollte, beschlösse und thäte, als was auf das gemeinsame Ziel der allgemeinen Wohlfahrt abzweckte. Dies geschähe, wenn alle, ein jeder an seinem Orte, in der Ordnung bliebe, keiner sich dem anderen übermüthig vorzöge, oder knechtisch unterwürfe; sondern ein jeder sich in alles schickte, und aus Liebe zum Frieden dem anderen freiwillig diente. Desgleichen in der Religion, wenn wir alle nichts anbeten wollten, als den einzigen allein guten Gott, von dem allein uns alles Gute kommt; seine Güte über alles liebten damit er uns bisweilen väterlich zu lieben Würdigte; und seine Macht ehrerbietig scheuten, damit er nicht dieselbe an uns muthwilligen Menschen ausübte; so würde er uns allen so wenig seine Barmherzigkeit versagen, als er irgend Jemanden seine Sonne am Himmel entzieht.

§. 7.

Weigern sich die Menschen auf diesem Wege der Billigkeit einherzugehen, so sind schon von dem höchsten Regierer aller Schicksale die Beschlüsse gefaßt: 1) Wer an steter Beschäftigung mit unnützen Dingen Gefallen findet, der soll der notwendigen endlos entbehren; 2) wer stets in seinen Labyrinthen sich verwirren will, soll verwickelt werden, bis er in solcher Menge von Verwickelungen steckt, daß er sich nicht wieder losmachen kann. 3) Wer seine Sisyphischen Steine unaufhörlich zu wälzen Lust hat, soll sie auch wälzen, bis er seine Kräfte, sein Leben und sich selbst verzehrt; 4) wem es angenehm vorkommt, in seinen Tantalischen Begierden unablässig zu brennen, soll darin brennen, bis er ganz verbrennt; 5) wer, einem Thoren gleich, lieber auf Sand als auf Felsen bauen will, der soll bauen, bis ein Platzregen fällt, Gewässer kommen, Winde wehen, an das mit eitler Pracht gebaute Haus stoßen, und mit einem großen Fall über den Haufen werfen (Math. 7, 26 27).

§. 8.

Ist wohl jemand, der dies hört, oder der so klug wäre, dem Fall zuvorzukommen? Die ganze Nachkommenschaft Adams thut nichts, als daß sie die Unbesonnenheit und den Fall der Eva wiederholt. Die Güte Gottes aber thut nichts, als diese Unbesonnenheit und den Fall der Menschen zu verbessern; hingegen thut der Teufel nichts anderes, als das verbesserte wieder zu verderben, und es ist ein so steter Wechsel, daß der ganze Lauf der Welt nichts anderes ist, als ein Streit der göttlichen Weisheit mit der Menschen Thorheit und des Teufels Arglist, der göttlichen Güte mit dieser ihrer Bosheit, und der Gewalt des Schöpfers mit der hartnäckigen Widerspenstigkeit des Geschöpfes. Da jedoch der Ruhm des Sieges nicht dem widerspenstigen Geschöpfe, sondern Gott, dem immer neuen Bildner derselben, nothwendig zukommt, und das große Babylon der Welt, das nichts anderes ist, als die gänzliche Unordnung der Dinge in der Welt, vor deren Ende sicher gestört werden soll, wie die vielen Zeugnisse der göttlichen Weissagung verkündigen: so sollen wir dem Befehle Gottes gehorchen: „Gehet aus von ihr, mein Volk, auf daß ihr nicht empfanget etwas von ihren Plagen.“

§. 9.

Weil aber die Welt gegen die Stimme Gottes und seiner Knechte, der Propheten und Apostel, ganz taub ist, und die ordentliche Stimme der Kirchendiener die Kraft verloren hat, auch diese ordentlichen selbst den außerordentlichen Mitteln, so Gott erweckt, die Kraft benehmen - indem sie die Zeichen und Wunder natürlichen Ursachen zuschreiben, die außerordentlich erleuchteten Männer Phantasten oder Schwärmer nennen, und Engelserscheinungen, Entzückungen und Gott-Eingebungen dem Teufel zuschreiben: was ist da übrig? - Dreierlei: Schweigen und Entsetzen; (Amos 5, 13) Seufzen und Stöhnen; Warten auf die Gerichte Gottes, welche wie eine Sündfluth, und zwar vielleicht jetzt schon, kommen werden. Um dies zu erkennen und von den Dingen, die da kommen werden, göttlich unterrichtet, lies: (Jes. 25 und Offb. Cap. 16, 17, 48) und fliehe, fliehe eilig!

§. 10.

Ei, wohin soll ich fliehen? Einst bei der einbrechenden allgemeinen Sündfluth war keine andere Zuflucht, als zum Kasten Noah; wer diesen nicht erlangte, mußte verderben. Vor dem Feuer, das Sodom umkehrte, konnte man nirgends anders hinfliehen, als nach Zoar, welches ganz nahe war, aber auch verderbet werden sollte; oder in die Bergeshöhle, aber auch da fand sich die Versuchung und der Satan; oder zum Berge außerhalb Ninive, aber auch da war der Wurm und die Sonnen Hitze. Wohin also? Vor dem erzürnten Gott kann man nirgends hinfliehen, als zu dem versöhnten Gott, von den Sünden zur Buße, vom Kreislaufe zum Mittelpunkte der Ruhe, von den weltlichen Verführungen, zu Christo. Gleichwie Maria das beste Theil erwählte, da sie sich zu den Füßen Christi setzte, und von da Christo nach Jerusalem, zum Kreuze und zum Grabe nachfolgte, und ihn nicht verlassen hatte bis zu seiner fröhlichen Auferstehung. Was von allen diesen mein Herz, als eines Greises, für einen Vorsatz gefaßt hat, will ich nicht verschweigen.

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