Comenius, Johann Amos - Aus dem „Testament der sterbenden Mutter der Brüder-Unität“

Comenius, Johann Amos - Aus dem „Testament der sterbenden Mutter der Brüder-Unität“

Auch euch kann ich nicht vergessen, liebe Schwestern, evangelische Unitäten, ja nicht einmal dich, unsere Mutter, aus der wir entstanden sind, du römische Unität! Unsere Mutter warst du, aber hast dich in unsere Stiefmutter, in eine Tigerin, die das Blut ihrer Kindlein säuft, verwandelt. Ich wünsche dir, daß du dich aber im Alter zur Reue besönnest und aus dem Babylon deiner Greuel herausgingest. Worin, wenn es dir allerdings irgendwie behilflich sein könnte, ich dir mein Vorbild vermache, der ich Gott, der unser in unserer Verkümmerung gedacht hatte, Ehre gab, dem Lichte seines Wortes folgte und durch seine Barmherzigkeit aus der Dunkelheit deines Götzendienstes herausgegangen bin.

Auch zu euch rede ich, liebe Schwestern, die ihr gemäß dem Willen Gottes gegen diese unsere Mutter den Streit führt und die ihr euch (wider den Willen jener unserer untreu gewordenen Mutter) wiederum dem ewigen Gatten im Glauben verloben ließet so wie auch ich, daß wir Gott den Herrn erkennen könnten.

Zu mir wurde der treue Freund des Bräutigams, der Magister Johann Hus, gesandt, dessen Zeugnis ich um so freudiger angenommen habe, da er es durch sein Blut besiegelt hatte.

Zu dir, deutsche Unität, wurde Dr. Martin Luther in Geist und Kraft des Elia gesandt, und du hast gut getan, die brennende und scheinende Leuchte nicht verschmäht zu haben, sondern dich in seinem dargebotenen Licht zu erfreuen.

Und zu dir, helvetische Unität, wurde Johann Calvin gesandt, um dich als reine Jungfrau demselben einen Manne, Christus, zu verloben und zu trauen; und du hast gut getan, daß du aufgestanden bist, indem du die Stimme der Turteltaube vernommen hast.

Aber ich habe noch etwas zu euch, liebe Schwestern, zu reden, ich, eure jetzt von euch scheidende Schwester; gehorcht mir! Du, deutsche Unität, warst meine liebste Schwester, die mir zuerst, als ich mich in meiner Einsamkeit umgeschaut hatte, der Herr zu meinem Trost erweckte und die ich herzlich liebte, obwohl deine Liebe zu mir wegen meiner Einfalt bald erkaltete. Was ich dir am meisten zu deinem Wohl wünsche, das vermache ich dir zur Erbschaft: mehr Ordnung, als du besitzest, und geordnetere Zucht und bessere Vernunft bezüglich des Artikels von der Rechtfertigung ohne seinen so schädlichen Mißbrauch, wie er sich unter deinen Söhnen verbreitet hat. O meine Freunde, ich, die ich unter die Zucht des mächtigen Gottes gestellt bin, ich will euch lehren und wünsche, ihr möchtet begreifen, daß eine Kenntnis Christi ohne Nachfolge Christi und ein Sich-im-Evangelium-Freuen ohne Bewahren des Gesetzes der Liebe, zu dem doch das Evangelium führt, nichts ist, nur ein Mißbrauch des Evangeliums und eine (obwohl jener ersten im Papsttum entgegengesetzte) Täuschung und Verführung.

Dir aber, helvetische Unität, die du mir als Liebhaberin der Ordnung und Zucht zu meiner Freude zugesellt wurdest, was soll ich dir vermachen? Ich wünsche dir vor allem in der Bewahrung der Gottseligkeit und der ihr dienenden Ordnung der Zucht fleißigere Einmütigkeit, damit sie nicht bloß Farbe, sondern die Sache selbst sei. In der Lehre wünsche ich dir mehr Einfalt, weniger Nachgrübeln und bescheideneres Reden über Gott und seine übertiefen Geheimnisse, als es manche von deinen Söhnen taten, wodurch sie sogar sich und dich zur beklagenswerten Zerreißung brachten.

Allen christlichen Unitäten insgesamt vermache ich nun das Streben nach Einmütigkeit und Übereinkommen und Verbundenheit im Glauben und in Liebe zur Einheit des Geistes. O könnte doch jener Geist, den mir gleich von Anfang an der Vater der Geister erteilte, auf euch alle kommen, damit ihr ebenso herzlich euch danach sehntet, wie ich mich sehnte nach einer wahrhaftigen Vereinigung innerhalb der Christenheit mit allen, die in Wahrheit den Namen Christi bekennen. O gebe euch doch Gott, auf die Grundsteine der wesentlichen, dienlichen und zufälligen Dinge zu stoßen, wie er auch mir auf sie zu stoßen gab! O möchtet ihr alle verstehen, worum zu eifern es nötig oder unnötig, worum mehr oder weniger zu eifern es nötig ist, und jenes Eifern zu meiden, das mit Unverstand ist und ohne Erbauung, ja das zum Verderben der Kirche führt. - Damit ihr alle, die ihr euch zu dem Hause der Kirche bekennt, auch wirklich ein einziges, in sich geordnetes und von allen Seiten geschlossenes Haus Gottes und in dem einen Hause ein unter einer und derselben Ordnung Gottes in Eintracht, Liebe und gegenseitiger Hilfsbereitschaft stehendes Gesinde Gottes seiet - gleichwie der Leib, obwohl aus vielen Gliedern bestehend, durch die Handreichung aller Gelenke zusammengefügt ist zum Wachstum, zu seiner selbst Besserung in der Liebe -, damit doch einmal der christlichen Kirche und dabei auch den Engeln die Zeit käme, zu singen: Siehe, wie fein und lieblich ist's, daß Brüder einträchtig beieinander wohnen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/c/comenius/comenius-aus_dem_testament_der_sterbenden_mutter_der_brueder-unitaet.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain