Claudius, Matthias - Die wahre Furcht Gottes muß Empfindung, muß Wahrheit in uns sein

Claudius, Matthias - Die wahre Furcht Gottes muß Empfindung, muß Wahrheit in uns sein

“Lasset uns die Hauptsumma aller Lehre hören; fürchte Gott und halte seine Gebote, denn das gehöret allen Menschen zu.“

Dieser Spruch steht in Salomos Büchlein zu Ende aller andern Sprüche, wie der Morgenstern der zuletzt aufgeht und schöner und herrlicher ist als alle Sterne die vor ihm hergehen. Die Hauptsumma pflegt gewöhnlich am Ende zu stehen, und also ist diese Stellung des Spruchs natürlich. Vielleicht kann sie aber auch noch eine Nebenabsicht haben. Salomo macht anderswo die Bemerkung, daß einem ein Narr nicht glaube, wenn man ihm nicht auch sagt, was in seinem Herzen ist. Nun gibt es aber Leute die alles lästern was sie nicht begreifen, die sich zu klug dünken zu glauben, und zu dumm sind zu wissen; arme Leute, welche die Vorteile beider Parteien entbehren und für sich keinen andern haben, als daß sie ihr Lebelang diskutieren, und von Leuten die noch dummer sind als sie für große Geister gehalten werden. Diese Klasse von Menschen ist von jeher in der Welt gewesen und wird bis je und je darin bleiben. Vielleicht nahm Salomo Rücksicht auf sie, wollte auch ihnen gern die große Lehre zu Herzen bringen, daß Gottesfurcht die Quelle alles Guten sei. Er wußte aber, daß er unvorbereitet damit bei ihnen wenig Glauben finden würde. Daher schickt er verschiedene Sprüche mit Lehre die mehr in ihren Kram gehöret voran, und nachdem er sich als Meister in ihrer eignen Kunst gezeigt und sich solchergestalt ihr Vertrauen erworben hatte, rückt er mit der Hauptsumma aller Lehre hervor:

Fürchte Gott und halte seine Gebote, denn das gehöret allen Menschen zu. Es gibt manches Ding, will er sagen, manche Lehre zwischen Himmel und Erde, die sehr dankenswert ist und ihre Interessenten in mehr als Einer Hinsicht zu großen Leuten macht; aber das Alles und Eins, das eigentliche Ding, die Hauptsumma aller Lehre ist Furcht Gottes, und die gehöret allen Menschen zu, ist des Menschen sein Element, sein Beruf, seine Natur und Wesen.

Lieben Herren Subskribenten! Ich bin nicht was Salomo war, bin nicht König über Israel, und ich bescheide mich gerne daß mir seine Weisheit noch mehr als seine Krone fehlet; aber überzeugt bin ich lebendig, daß die Furcht Gottes die Quelle alles Guten sei, daß es da anfangen und sich da wieder endigen müsse, und daß alles was sich darauf nicht gründet und nicht damit besteht, wie groß es auch scheine, doch nichts als Täuschung und Trug sei und unser Wohl nicht fördern möge.

Aber Furcht Gottes und Furcht Gottes ist zweierlei; und hier liegt der Knoten, dadurch diese Lehre zweideutig und rätselhaft wird. Wir fürchten alle Gott, sprechen mit Ehrerbietung von ihm, hören mit Ehrerbietung von ihm sprechen etc., wollen ihn fürchten und tun uns wohl auch bei der und jener Gelegenheit mit seiner Furcht einigen Zwang an, und übrigens bleibt's beim Alten. Solch eine Furcht Gottes mag als eine feine äußerliche Zucht gelten, sonst aber ist sie der leibhafte Bediente hinten auf der Kutsche. Der steht da auch als ein Schild daß honette Leute im Wagen sind, gibt ein Zeichen daß die Wachen heraustreten, macht die Kutschentür auf und zu etc., und übrigens gehen die Bestien vor dem Wagen ihren ehrbaren Trab oder wilden Galopp wohin sie wollen, und der Herr dahinten muß immer mit fort und wird nicht gefragt. Wenn die Herrschaft recht gnädig ist, nimmt sie ihn wohl bei einfallendem Regenwetter zu sich in den Wagen.

Was soll solch eine Furcht Gottes? Was kann die für Wirkungen haben, und wie wäre sie die Hauptsumma aller Lehre?

Das war aber auch nicht die Furcht Gottes der Altväter, die uns in der Schrift zum Muster dargestellet werden. Denn bei denen war die Gottesfurcht nicht Bedienter hinten auf dem Wagen, sondern Herrschaft und Kutscher zugleich. Ihnen war nichts so innig und heilig als sie; nichts so sauer das sie ihretwegen nicht getan, nichts so süß das sie ihretwegen nicht gelassen hätten. Joseph reißt sich aus den Armen eines schönen Weibes los und läßt einen Mantel im Stich, weil er ein so groß Übel nicht tun kann und wider Gott sündigen. Abraham schlachtet, als Gott zu ihm sprach, seinen einzigen Sohn, und bekümmert sich nicht um sein Vaterherz und seine Vernunft; - und so muß es sein wenn was draus werden soll. Und du, der du Gottesfurcht schmähen willst, könne das; und denn komm und schmähe, so wollen wir dir glauben. Sonst aber bist du nur ein Faselhans der nicht weiß wovon er spricht, du magst lästern oder loben.

Die wahre Furcht Gottes muß Empfindung, muß Wahrheit in uns sein; denn ist sie wohltätig mir ihren Einflüssen und wunderbar in ihren Wirkungen, mehr und anders, als wir meinen oder verstehen. Wenn wir den Begriff von Gott nur bloß mit der Imagination denken, daß er, wie die heilige Schrift uns lehret, der Schöpfer und Erhalter der sichtbaren und unsichtbaren Welt sei, der erste und der letzte, sein Stuhl der Himmel und die Erde seiner Füße Schemel, daß er in allem und durch alles sei, von der Tiefe des Meeres bis an die Zinne des Himmels allein Wesen gegenwärtig und nahe, daß seine gewaltige Hand alles hält und seine Augen Tag und Nacht über alle seine Geschöpfe und sonderlich über alle seine Menschen, auch hier über und um uns, unsichtbar offen stehen - wenn wir den Begriff nur bloß mit der Imagination denken, so fährt er uns kalt durch und macht uns Gott lieben und fürchten; was wird er tun, wenn er Empfindung und Wahrheit in uns ist? Denn werden wir Gott nicht fürchten wollen, sondern wir werden ihn wahrhaftig fürchten, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und aus allen Kräften, in allem unserm Tun und Lassen, wenn wir aufstehen und wenn wir zu Bett gehen, um Mittag und um Mitternacht, wir schlafen oder wachen; wir werden das Bild des Allerbesten, des Allerweisesten, des Allergerechtesten, des Allerwahrhaftigsten, des Allerbarmherzigsten beständig wie unser Leben in uns tragen und werden verwandelt werden in dasselbige Bild von einer Klarheit zu der andern. - Und das Halten der Gebote Gottes wird unsre Freude sein und unser Glück zugleich; denn was sind seine Gebote anders als eine Hand am Wege, als schwarze und weiße Tonnen, die vor Verderben warnen und dich sicherste Fahrt in das Land des Heils weisen.

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