Chrysologus, Petrus - Auf den fünften Sonntag nach Epiphanias.

Chrysologus, Petrus - Auf den fünften Sonntag nach Epiphanias.

Matth. 13, 24.-30.

Wenn die Worte und Thaten Christi ohne Unterschied nur nach ihrer sinnlichen Bedeutung aufgefaßt würden, so würde das Gemüth erstarren, der Geist leer ausgehen, der Verstand schlafen, das Herz sich verzehren und jede menschliche Kraft und Wärme vernichtet werden. Er legte ihnen ein Gleichniß vor. Wie das Feuer im Steine kalt und das Feuer im Eisen verborgen ist und gleichwohl das Feuer durch das Zusammenschlagen des Eisens und Steines entzündet wird, so wird auch das dunkle Wort durch Vergleichung des Wortes und Sinnes deutlich und verständlich. Er legte ihnen ein Gleichniß vor. Ihnen, das heißt nicht den Seinigen, sondern Fremden; den Feinden, aber nicht den Freunden; den Zuschauern, die um zu verleumden gekommen waren, nicht den Zuhörern, die ihr Heil suchten. Darum (so hatte er schon vorher gesagt) rede ich zu ihnen durch Gleichnisse. Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht, und mit hörenden Ohren hören sie nicht; denn sie verstehen es nicht. (Matth. 13, 13) Warum? Weil, wer das Vergangene verlästert, nicht werth ist, das Gegenwärtige zu sehen; und weil der nicht würdig ist, die Gnade zu erkennen, der das Gesetz verbirgt, damit es nicht anerkannt werde. Es steht geschrieben: Wehe euch Schriftgelehrten, denn ihr den Schlüssel der Erkenntniß habt. Ihr kommt nicht hinein, und wehret denen, die hinein wollen. (Luc. 11, 52.)

Er legte ihnen Gleichniß vor und sprach: „Das Himmelreich ist gleich einem Menschen.“ Welchem? Wem anders, als Christo? Und wie könnte Christus zum Anstoß gereichen, wenn er zum Gleichniß der Menschen wird, um dem untergehenden Menschengeschlecht zu Hülfe zu kommen? Wie könnte der Herr zum Aergerniß werden, wenn er, um die Knechte frei zu machen, in Knechtsgestalt erscheint? Alles, was sich auf die zukünftige Herrlichkeit, was sich auf die Zukunft und das Reich beziehet, siehe, es wird mit dem Menschen verglichen. Das Himmelreich ist gleich einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säete. Ihr habt gehöret, wie der Säemann der Welt die Gundstoffe der Dinge gut gesäet, und daß vom Anfang nichts Böses vom Urheber ausgegangen; daß das Böse nicht vom Urheber geschaffen, sondern vom Feinde eingesäet worden. Es steht geschrieben: „Und Gott sahe an Alles, was er gemacht hatte, und siehe da, es war sehr gut.“ (1. Mos. 1, 31.) Es heißt: gut und sehr gut. Denn der schaffende Gott schuf eine reine Welt; aber der nicht schaffende Feind machte sie zu einer unreinen. Den Menschen, welchen Gott in dem wonnereichen Paradiese zum Leben verordnete, zog der Feind in einem mühseligen Leben zum Tode. Die Liebe, welche Gott unserer Natur eingepflanzt, verwandelte der Feind in Brudermord. Solches beweiset Kain, der zuerst die Welt mit Bruderblut färbte, und der todeswürdige Urheber des Verderbens der Brüder wurde.

Also theilet und trennet der aus Zwietracht entstandene Tod ohne Unterlaß die menschliche Liebe. Und immerfort hat der Feind dem Guten das Böse, den Tugenden die Laster, dem Leben den Tod beigemischet. Hat nicht Gott durch einen Menschen die ganze Erde erfüllet, und hat er nicht als frommer Säemann aus dem Samen eines Einzigen das ganze Menschengeschlecht zu einer so reichen Ernte vervielfältiget? Aber der Feind brachte gar bald die Menschen allzumal wieder auf einen (eine Familie) zurück und befeuchtete nicht die gute Saat, sondern vertilgte die von ihm aus gestreute Saat durch die Sündfluth.

Also entstellte er das durch wahre und göttliche Gebote gesäete Gesetz durch allerlei Menschenfündlein und Lügen: so daß aus einem Verkündiger ein Verfolger, aus einem Lehrer ein Verkehrer, aus einem Vertheidiger ein Widersacher des Gesetzes ward. So erlog er Götter, damit die Geschöpfe, welche zur Erkenntniß des Schöpfers geschaffen waren, Gott nicht erkennen möchten. Daher machte er die Weltweisen zu Thoren, die Hellseher dieser Welt zu Leuten, die nichts sehen, die Bekenner der Wissenschaft zu Leuten, die nichts wissen, und die Forscher nach allen Dingen ließ er von sich als Unwissende. So verdarb der Feind die evangelische Saat, die aus himmlischem Samen erwachsen ist, indem er ketzerisches Unkraut dazwischen säete, damit er die Garben des Glaubens in Höllenbündlein verwandele. Seitdem er selbst aus einem Engel in einen Teufel verwandelt ist, trachtet er durch Kunst, List, Ränke und Betrug darnach, daß kein Geschöpf in dem ursprünglichen Stande bleibe.

Da aber die Leute schliefen. Ein hinterlistiger Feind ist in der Nacht verborgen, am Tage meidet er die Wachenden und überfällt die Schlafenden; ein tapferer Feind hingegen suchet den Kampf, fordert öffentlich dazu heraus und will vor Aller Augen und dem ganzen Volke den Sieg erlangen. Es ist ein Zeichen der größten Schwäche, die Schlafenden zu überfallen. Da aber die Leute schliefen, kam sein Feind. Der Böse hört nie auf, ein Thor zu sein. Was that hier der Feind? Gesetzt den Fall, daß die Knechte schliefen, schlief denn auch der Herr? Gesetzt auch, daß der Schlummer die Augen der Knechte nach der Arbeit schloß, wurden denn gleicherweise die Augen ihres Gebieters von solch einer Schwäche befallen? O Feind, der du das Licht scheuest, du wachest und mühest dich; aber du bleibst nicht verborgen, denn, wenn auch die Knechte schlafen, so siehet dich doch der Herr! Du aus dem Himmel. Entflohener, du meintest den Herrn zu überraschen, hat aber doch nichts ausgerichtet. Für Gott kann nicht verloren gehen, was er selbst behütet. Du Urheber des Betrugs kannst den Herrn nicht betrügen, sondern nur die Knechte, indem du bewirkest, daß ihrer Nachlässigkeit dein Betrug zugeschrieben werde. Er siehet dich, er, der Zeuge dieses ganzen Betruges und Bemühens. Dem, der eitel Gutes thut, bleiben die Früchte seiner Arbeit; dem Gottlosen bleiben die Strafen seiner Bosheit. Die Rechtschaffenen werden den Waizen in die himmlischen Scheuern sammeln, du aber wirft die Bündlein des Unkrautes in die Hölle tragen.

Und säete Unkraut zwischen den Waizen. Es ist nicht von einem Säen die Rede, sondern von einem Zwischensäen. Die gute Saat des Schöpfers gehet voraus, die böse Saat des Teufels folget nach, so daß also das Böse, welches vom Teufel herrührt, nicht die Natur, sondern nur etwas Zufälliges ist. Der Teufel hatte bei seinem Säen die Absicht und Gewohnheit, Ketzer und Irrgläubige unter den Rechtgläubigen, Sünder unter den Heiligen, Zänkische unter den Friedfertigen, Arglistige unter den Aufrichtigen, Boshafte unter den Rechtschaffenen hervorzubringen; er wollte nicht das Unkraut juchen, sondern den Waizen verderben, nicht die Schuldigen gewinnen, sondern die Unschuldigen an sich reißen. Wie im Kriege der Feind mehr nach dem Feldherrn, als nach dem Soldaten zielet, nicht die Todten belagert, sondern wider die Lebenden streitet, so sucht der Teufel nicht die Sünder zu fahen,sintemal er sie schon unter einem Joche hat, sondern sein ganzes Bemühen ist darauf gerichtet, die Gerechten gefangen zu nehmen. Und säete Unkraut zwischen den Waizen und ging davon. Der Teufel strengt zwar seine Kräfte an, um eine Niederlage zu bewirken; wenn es ihm aber gelungen ist, Jemand zu fällen, so verläßt er ihn. Der Teufel sucht nicht den Menschen, sondern nur das Verderben der Menschen. Er, meine Brüder, freuet sich unseres Unglücks, er erhebt sich durch unsere Niederlage, erstarkt durch unsere Wunden, dürstet nach unserem Blute, sättigt sich mit unserm Fleische, lebt von unserm Tode. Der Teufel will den Menschen nicht haben, sondern verderben. Und warum? Weil er nicht will, nicht erträgt, nicht gestattet, daß der Mensch in den Himmel, aus welchem er selbst geworfen ward, komme. Da nun das Kraut wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut. Was im Kraute verborgen war, kommt in den Aehren zum Vorschein; was versteckt war im Grase wird sichtbar in der Frucht. So werden die erfunden. Gegner des Glaubens, die wir für Genossen des Glaubens hielten; so wird beim Gerichte als Ernte sichtbar, was die Kirche als Keim verbarg; und es gehet nach jenem Ausspruche des Herrn: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ (Matth. 7, 16). Viele Blüthen versprechen viele Früchte; aber nur wenige halten die Prüfung der Stürme aus und reifen zur Frucht. Zur Zeit des Friedens sieht man viele Gläubige in der Kirche Christi; wenn aber der Sturm der Verfolgung hereinbricht, findet man wenig Märtyrer als Frucht. Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen u. j.w. Die erwachten Knechte gerathen über das Werk des Teufels in Schrecken; sie befürchten, das aufkeimende Unkraut werde denen zum Nachtheil gereichen, die sich bewußt waren, nur guten Samen ausgestreut zu haben. Deshalb kommen sie zu ihrem Herrn, noch ehe er etwas davon vernommen, damit sie, obgleich ruhig wegen ihrer Unschuld, doch nicht ihres Stillschweigens halber eine Schuld auf sich laden möchten. Sie kamen, meine Brüder, im Geiste, nicht im Körper, nicht im Orte, sondern im Glauben; sie sprachen, nicht mit Geschrei der Stimmen, sondern im stillen Schmerze des Herzens: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesäet? Sie sagten: Du hast gesäet, nicht aber wir haben gesäet.

Was wir durch dich gethan haben, das schreiben wir immer dir zu als unserm Urheber; und du stehet uns in dem, was du uns zu thun befiehleit, als Helfer bei. Wenn du uns also zu deinen Wertgenossen zu machen würdigest, so rechne uns das Wachsen des Unkrautes nicht allein zu, o Herr! Entweder beschützt uns mit dir deine Unschuld, oder es trifft uns mit dir gleiche Schuld. Wir können nicht übersehen, was wir thun, können auch mit allem Schweiße Schaden nicht von uns abwenden; du aber hat, was du willst, wie und wann du es willst; wir aber haben nichts ohne deine Gnade, durch welche wir bestehen, und in welcher wir leben, weben und sind, und ohne welche wir unterliegen, schwach werden und verderben. Sollten wir also zu unserm Verderben dahin gearbeitet haben? Wer aber dies gethan habe, das hast du gesehen, der du allein nicht schläft, während wir schliefen; und wenn du, gerechter Richter, es gesehen hat (denn solche eine That kennet nur der Wachende, aber nicht der Schlafende), so entdecke den Thäter, damit du uns in der Angst, darin du uns erblickest, Ruhe schaffest. Der Herr sprach: Das hat der Feind gethan. Aber warum, o Herr, hast du es, als du es sahest, zugelassen? Warum? Weil der keinen Betrug zu fürchten hat, dem nichts verloren gehen kann; und weil es ein Größeres ist, das Eingemischte auszuscheiden, als die Einmischung zu verhindern; weil es mehr sagen will, das Verlorene wieder herzustellen, als den Besitz unverletzt zu bewahren; und zugleich auch, weil Unkraut da sein muß, um die Bewährten offenbar werden zu lassen. Die Knechte aber sprachen zu ihm: Willst du denn, daß wir hingehen und das Unkraut ausjäten? So versprechen also fromme Knechte ihre unermüdliche Anstrengung und wollen es nicht zulassen, daß man in der Ernte des Herrn etwas Unfläthiges, wenn auch nur eine Zeit lang, erblicke. Der Herr aber, den die Zeit nicht ermüdet, und der, so er will, jeden Schaden von seiner Ernte abhalten kann, antwortet darauf: Nein, und fügt sogleich den Grund der Verweigerung hinzu: Damit ihr nicht zugleich den Waizen ausraufet, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Aber waren sie denn so unerfahrene Ackerleute, der Arbeit so unkundig, und so ohne alle Gabe der Prüfung, daß sie, um das Unkraut auszujäten, zugleich auch den Waizen ausrauften? Wo sind die Propheten, durch die der Geist Gottes redet? Wo ist Petrus, welcher vom Vater Offenbarung empfängt? (Apost. 10) Wo Paulus, in welchem Christus wirket und redet? (Gal. 2, 20) Wo sind alle Heilige, welche allerdings Heilige, aber auch Knechte sind, welche nur so viel wissen, als jedem einzelnen der Geber alles Wissens darreichet?

Aber, sagst du, hier war nichts verborgen. Nein, es war ihnen vielmehr Alles verborgen; denn anders erschien es beim Anblick, und anders war es in der Blüthe; und was heute Unkraut war, das wurde morgen in Waizen verwandelt. So wird heute einer für einen Ketzer gehalten, der morgen ein Rechtgläubiger wird; und der, den man gegenwärtig als Sünder erblickt, gilt künftig für einen Gerechten. Daher kommt es auch, daß der Urheber beides bis zur Ernte aufbewahret, das heißt, bis zum Gerichte seiner göttlichen Langmuth und bis zur Zeit unserer Buße, damit, wer sich vom Bösen zum Guten wendet, zum Waizen des Herrn gerechnet und in die himmlischen Scheuern gesammelt, wer dagegen aus einem Gläubigen ein Ungläubiger wird, in‘s Feuer der Hölle gesendet werde. Und was mehr? Wenn Gottes Langmuth dem Unkraute nicht zu Hülfe käme, so würde die Kirche keinen Matthäus haben, der aus einem Zöllner ein Apostel geworden; sie würde keinen Paulus haben, der aus einem Verfolger in einen Verkündiger verwandelt worden. Ananias wollte den Waizen ausraufen, als er zum Saulus gesandt, über Paulus also klagte: Herr, wie viel Uebels hat dieser Mann deinen Heiligen gethan? Das heißt: jäte das Unkraut aus! Was soll der Wolf bei den Schafen? Was der Fromme bei dem Widerspenstigen? Warum wird ein solcher Prediger zu dem Verfolger geschickt? Als aber Ananias den Saulus erblickte, da sah der Herr in ihm schon den Paulus; als ihn Ananias einen Verfolger nannte, da wußte der Herr schon, daß er ein Verkündiger sei; als er ihn für ein Unkraut der Hölle hielt, da brachte ihn Christus als ein auserwähltes Rüstzeug, als Waizen, in die himmlischen Scheuern. Denn er sprach: Gehe hin, denn dieser ist mir ein auserwähltes Rüstzeug. Amen.

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