Chemnitz, Martin - Perikope für den Ostermontag

Chemnitz, Martin - Perikope für den Ostermontag

1 Mos. 18, 1. ff. wird die überaus liebliche Historie beschrieben, da der Sohn Gottes in Begleitung von zwei Engeln zu Abraham kam, diesem die Zerstörung Sodoms vorhersagte und die Verheißung von dem gebenedeiten Samen wiederholte. Diese Historie kann auf die beste Weise mit dem gegenwärtigen Abschnitte verglichen werden, und zwar:

1) in Hinsicht auf die Person des Erscheinenden. Der nämlich, welcher zu Abraham kam, ist der Sohn Gottes selbst, wie dieses ersehen wird sowohl aus dem Namen, weil Er Jehovah genannt wird, als aus den göttlichen Werken, weil Er sich selbst göttliche Werke zuschrieb. Derselbe Sohn Gottes erscheint auch hier den Jüngern, die nach Emmaus gehen.

2) in Hinsicht auf die Art und Weise der Erscheinung. Der nämlich, der zu Abraham kommt, erscheint erstlich in menschlicher Gestalt. Drei Männer standen vor Abraham, sagt der Text; denn wiewohl zu jener Zeit der Sohn Gottes die menschliche Natur noch nicht in die Einheit Seiner Person aufgenommen hatte, so war es doch Seine Lust, sich in der Gestalt des Menschen sehen zu lassen, damit Er hierin ein Vorspiel Seiner künftigen Menschwerdung gebe.

Hier erscheint Er wiederum in der bereits mit Ihm persönlich vereinigten menschlichen Natur, in welcher Er den Tod erduldete und in Herrlichkeit auferstanden war. Sodann erscheint Er in der Gestalt eines Wanderers. Er schreitet einher in der Begleitung zweier Engel; so begleitet Er hier die beiden Jünger. Endlich erscheint Er in unbekannter Gestalt. Abraham erkannte Ihn nicht sogleich beim ersten Anblick; so werden auch hier die Augen der Jünger gehalten, daß sie Ihn nicht erkennen.

3) in Hinsicht auf die Rede des Erscheinenden. Der, welcher zu Abraham kommt, straft zuerst die Sarah; denn da diese, nachdem sie vernommen, sie werde einen Sohn gebären, lachte, so sagt er: „Warum lachet deß Sarah? sollte dem HErrn etwas unmöglich sein?“ als wollte Er sagen: sträflich ist der Unglaube, weil er meiner Verheißung keinen Glauben schenkt. Darnach berichtet Er sie, indem Er die Verheißung von dem gesegneten Samen wiederholt, der aus der Nachkommenschaft Abrahams geboren werden sollte, nämlich von dem Messias, daß Er in der Fülle der Zeit die menschliche Natur annehmen, in derselben den Tod erleiden und auferstehen werde, damit Er dem menschlichen Geschlecht den Segen wieder erwürbe.

Beides thut Christus auch hier. Zuerst nämlich straft Er den Unglauben der Jünger, indem Er ihnen sagt: „O ihr Thoren und trägen Herzens zum Glauben!“ sodann belehrt Er sie, indem Er, von Mose anhebend, ihnen die prophetischen Schriften auslegt, die von Ihm geschrieben sind, unter denen die ersten und vornehmsten die Verheißungen sind von dem Weibessamen, welcher der Schlange das Haupt zertreten werde, und von dem Samen Abrahams, durch welchen alle Völker gesegnet werden sollten.

Uebrigens ist unter allen Offenbarungen des auferstandenen Christus keine so ausführlich von den Evangelisten beschrieben, keine auch so lieblich und anmuthig als diese, die den nach Emmaus wandernden Jüngern widerfuhr; denn in ihrer Beschreibung wird umständlich gemeldet, wie Christus sich diesen Wanderern nicht nur hinzugesellt, sondern auch freundschaftlich zwei bis drei Stunden lang mit ihnen sich unterredet habe, indem Er ihnen die Weissagungen von Seinem Leiden, Tode und Auferstehung aus dem Alten Testamente vorlegte, wie Er darnach in der Herberge zu Emmaus von ihnen erkannt wurde und mit welcher Sorgfalt diese ganze Begebenheit von den Emmaunitischen Jüngern sodann den übrigen Aposteln mitgetheilt wurde.

Sehr füglich kann daher diese ganze Erzählung in vier Theile getheilt werden. Diese sind: 1) das Sich-Hinzugesellen Christi; 2) die vertraute Unterredung Christi mit den Jüngern; 3) Christi Sich-Offenbaren; 4) der Bericht der Jünger.

I. Im ersten Theile werden die Umstände sorgfältig angegeben, unter denen Christus sich hinzugesellt hat, zu welcher Zeit dies nämlich geschehen sei, an welchem Orte, wem und in welcherlei Gestalt Er erschienen sei.

1) Die Personen, denen Christus erscheint, werden unbestimmt genannt: zwei aus den Jüngern Christi, d. i. aus der Zahl jener 70 Jünger, deren Dienstes Christus in der Verkündigung des Evangelii durch Judäa hindurch sich bedient hatte, Luc. 10, 1. Denn daß sie nicht zum engern Kreise der zwölf Apostel gehörten, wird daraus geschlossen, daß von ihnen bei ihrer Rückkehr nach Jerusalem gesagt wild, sie hätten die Eilfe versammelt gesunden. Doch wird der Name des Einen dieser Zwei genannt, daß er nämlich Kleophas geheißen. Eusebius erwähnt im dritten Buche seiner Geschichte der Kirche aus dem Hegesippus, daß dieser Kleophas der Bruder Josephs, des Gatten der Jungfrau Maria, gewesen sei, deren Schwester nun wiederum seine Frau, auch Maria mit Namen, war, daher sie denn von Johannes Cap. 19,25. Maria Kleophä, d. i. dessen Weib genannt wird. Sonst heißt sie auch Maria Jacobi, Marc. 16,1., und Maria Joses, Marc. 15,47., nämlich dieser Beiden Mutter, wie Matth. 27, 56. ausgelegt ist, weil sie von ihrem ersten Ehegemahl, dem Alphäus, den Jacobus und Joses geboren hatte, daraus nun erhellet, daß dieser Kleophas auf zwiefache Weise Christo verwandt gewesen sei. Der Name des andern Jüngers wird nicht genannt, daher denn Theophylakt und Lyra die Vermuthung aussprechen, es sei dieses Lucas selber gewesen, da er so genau alle Umstände bemerke, er habe jedoch aus Bescheidenheit seinen Namen verschwiegen. Andere Ausleger nennen andere Begleiter des Kleophas, gehen aber in ihren Meinungen also auseinander, daß nur dieses Eine daraus gewiß ist, nämlich, wie ungewiß die Traditionen außer der Schrift seien. Uns genügt zu wissen, daß diese Zwei aus der Zahl jener 70 Jünger gewesen sind. Weshalb aber Christus diesen früher als den Aposteln erscheinen wollte, wird aus dem Verlaufe der Erzählung erhellen. Sie entfernten sich von Jerusalem; sie verließen die Versammlung der Jünger; sie hatten fast alle Hoffnung von Christo weggeworfen; aber Christus, jener gute Hirte, ruft auch diese irrenden Schafe zurück und bringt sie wieder zur Heerde, Luc. 15,4.

2) Die Zeit dieser Erscheinung wird auch angezeigt, daß es nämlich der Tag der Auferstehung selber gewesen sei; und wie aus den Umständen des Textes geschlossen wird, so ist diese Erscheinung in den Nachmittagsstunden geschehen. Denn weil Christus nicht nur wegen des Eingangs zu Seiner Herrlichkeit, sondern auch um unsrer Gerechtigkeit willen und zur Erweckung der Freude in den Gemüthern der Jünger und aller Gläubigen auferstanden war, so eilet Er deshalb auch, sich denen zu offenbaren, zu deren Nutzen Er auferstanden war. Und wie Christus alsbald, von Seiner Auferstehung an, sich von Seinen Jüngern anschauen läßt und auf das Vertrauteste mit ihnen verkehrt, also werden auch wir, wenn wir durch die Kraft der Auferstehung des HErrn dereinst aus unsern Gräbern hervorgehen, Christum, unsern Heiland, von Angesicht zu Angesicht schauen und mit Seinem allersüßesten Anblick uns sättigen, l Cor. 13, 12., 1 Joh. 3, 2.

3) Der Ort. Nachdem diese beiden Jünger von Jerusalem nach Emmaus ihre Wanderung angetreten, so gesellte sich also Christus unterwegs zu ihnen. Emmaus war eine kleine, doch durch ein Castell befestigte Stadt, 60 Feldwege, also nahe an zwei deutsche Meilen, von Jerusalem entfernt.

Weshalb aber traten diese zwei Jünger die Wanderung nach Emmaus an? Einige wollen aus dem Marcus schließen, Marc. 16, 12., daß sie durch einen Spaziergang und freundschaftliche Unterredung die Traurigkeit des Gemüthes lindern wollten, die durch den Tod Christi über sie gekommen war, da Marcus sie als solche bezeichnet, „die aufs Feld gingen“; aber Lucas bemerkt ausdrücklich, daß sie Emmaus als das Ziel ihrer Wanderung im Auge gehabt, indem er Cap. 24, 28. sagt: „und sie kamen nahe zum Flecken, da sie hingingen“; Einige disputiren, daß sie die von Mord und Blut erfüllte Stadt fliehen und von dem Verkehre mit den Gottlosen nach dem göttlichen Befehl weichen wollten, Jes. 52, 11. Aber aus ihren eigenen Worten kann man am Richtigsten abnehmen, in welcher Absicht sie nach Emmaus gewandert sind. „Wir hofften“, sagen sie „daß dieser Jesus von Nazareth, der von den Hohenpriestern zur Verdammniß des Todes überantwortet wurde, Israel erlösen werde; und über dieses alles ist heute der dritte Tag, daß solches geschehen ist.“ Sie hatten also große Hoffnungen von einem weltlichen Reiche Christi und von einer durch Ihn zu erwerbenden Freiheit des israelitischen Volkes gefaßt; und weil vielleicht nicht blos Kleophas, sondern auch sein Gefährte, Verwandte Christi nach dem Fleische waren, so träumten sie, daß ihnen deshalb vor den Uebrigen große Ehrenstellen und Würden in Seinem Reiche gebührten. Da sie nun aber sahen, daß Christus von den Hohenpriestern so jämmerlich gehandelt und an das Kreuz gebracht wurde, so lassen sie jene großen Hoffnungen fahren und beschließen, Jerusalem zu verlassen und zu den Geschäften ihres früheren Berufes zurückzukehren. Zwar verweilen sie noch in Jerusalem bis zum dritten Tage, in der Hoffnung der verheißenen und am dritten Tage zu erwartenden Auferstehung; da aber Christus sich nicht in der Majestät und Herrlichkeit, wie sie dieselbe sich in ihrem Sinne gedacht hatten, den Priestern und den Andern, von denen Er zum Tode überantwortet worden war, als wieder lebendig geworden darstellt, so wollen sie deshalb auch der Kunde von Seiner Auferstehung, welche die Weiber brachten, nicht glauben, noch weiter hinaus sie vergeblich erwarten, sondern haben im Sinn, zu den Ihrigen zurückzukehren. Hieronymus nämlich behauptet, Emmaus sei die Vaterstadt des Kleophas gewesen, und er habe daselbst ein Haus gehabt, daraus denn ohne Schwierigkeit abzunehmen ist, in welcher Absicht diese Beiden sich von Jerusalem nach Emmaus begeben haben. Dazu kam noch eine andere Ursache; denn es war von den durch Geld bestochenen Kriegsleuten, die das Grab bewacht hatten, das Gerücht in Jerusalem ausgebreitet, der Leib Christi sei heimlich von Seinen Jüngern weggenommen worden; sie fürchteten daher, daß der hohe Rath schärfer wider sie verfahren werde; und während die übrigen Jünger, so gut es ging, sich durch verschlossene Thüren und Riegel schützen, so wollen diese Beiden, unter so fährlichen Umständen, sich gar nicht länger in Jerusalem aufhalten, sondern suchen einen befestigten Ort von größerer Sicherheit. Groß ist daher die Schwäche des Glaubens in diesen zwei Jüngern, die jedoch deshalb Christus nicht wegwirft, sondern auf dem Wege sich ihnen zugesellt und nicht abläßt, bis Er, als der gute Hirte. diese irrenden Schafe zur Heerde zurückbringt, Hesek. 34, 23., Luc. 15, 4., Joh. 10, 11., und groß ist also auch der Trost, der allen erschreckten und mit der Schwäche des Glaubens kämpfenden Gewissen daraus erwächst. Der von dem Tode erstandene Christus war allerdings zuerst der Maria Magdalena und den übrigen Weibern erschienen, die Ihn in der ersten Frühe des Tages mit höchstem Fleiße suchten. Hätte Er aber diesen allein sich offenbart, so würden die erschrockenen Gewissen denken, daß nur solche der Wohlthaten Seiner Auferstehung theilhaftig würden, welche, mit festem und starkem Glauben begabt, Christum eifrig suchen; die Schwachen im Glauben aber stoße Er gänzlich zurück. Damit nun diesen traurigen Gedanken begegnet werde, so erscheint Christus hier zwei Jüngern, in denen der Glaube kein glänzendes Licht, sondern ein glimmender Docht war, den jedoch Christus nicht auslöscht, sondern durch den Geist Seines Mundes erweckt und mehrt, Jes. 42, 3. Denn Er erscheint ihnen nicht nur und verschwindet dann sogleich, sondern unterredet sich mit ihnen mehrere Stunden lang, legt ihnen die Weissagungen aus dem Alten Testamente von Seinem Leiden, Seinem Tode und Seiner Auferstehung aus und weicht nicht eher von ihnen, bis Er durch das Feuer Seiner Worte ihre kalten Herzen wiederum entzündet. Und dieses gewährt sicherlich großen Trost gegen die Anfechtung von der Schwäche des Glaubens.

In Hinsicht auf die Beschaffenheit derer, denen sich hier Christus auf dem Wege zugesellt, so waren sie, obwohl, wie gesagt, sehr schwachen Glaubens und solche, die bereits anfingen, über das Reich Christi zu zweifeln, dennoch nicht widerspenstig, sondern aufrichtigen Gemüthes; und wenngleich sie ihre Hoffnung auf die im Reiche Christi zu erlangenden Ehren und Würden aufgegeben hatten, so bewahrten sie doch noch in ihren Herzen eine dankbare Erinnerung an Christum; und daher unterreden sie sich von Ihm, berichten sich gegenseitig, gewißlich allen Umständen nach, was in jenen Tagen bei dem Leiden Christi geschehen, welches Gerücht von Seiner Auferstehung verbreitet sei u. s. w. Denn daß sie in solchen Gesprächen sich ergingen, eröffnen sie später Christo selber, auf Seine Frage: „was sind das für Reden, die ihr zwischen euch handelt unterwegs und seid traurig?“ Dieser vertrauliche Austausch ihrer Gedanken war aber zugleich eine Linderung ihrer Betrübniß, da es in der That lieblich und tröstlich ist, den verschlossenen tieferen Schmerz der Seele gleichsam aus der Gefangenschaft ins Freie zu entlassen und ihn einem Freunde mitzutheilen. Zugleich bezeigen sie auf diese Weise ihre Liebe zu Christo und thun durch ihre dankbare Erinnerung an den Abgeschiedenen in ihren Gesprächen kund, daß in ihren Herzen noch ein Fünklein des Glaubens vorhanden sei.

Während sie also von dem Leiden und dem Tode Christi, desgleichen von der Kunde Seiner Auferstehung sich unterreden, gesellt sich Christus zu ihnen, durch die That Seine Verheißung erfüllend, Matth: 18,20.: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“, indem es Seine Lust ist, bei den Menschenkindern zu sein, Sprüchw. 8, 31. Wenn wir nun wollen, daß der von den Todten erstandene Christus auch mit uns verkehre, so müssen auch wir zu Seinen Jüngern gehören, Ihn im wahren Glauben umfassen und uns gegenseitig durch gottselige Unterredungen von Ihm belehren und erwecken; stehen wir also zu Christo, so nahet Er sich zu uns, Jac. 4, 8., und zwar mit Seiner himmlischen Gnade und allem geistlichen Segen.

4) Zuletzt wird auch davon gehandelt, in welcher Gestalt Christus diesen Jüngern erschienen sei? Marcus sagt: „in einer andern Gestalt“. Lucas berichtet: „ihre Augen seien gehalten worden, daß sie Ihn nicht erkannten“; und daraus entsteht nun die Frage, ob die Ursache dieses Nichterkennens in dem Leibe Christi oder in den Augen der Jünger zu suchen sei? Da nun aber später, Luc. 24, 31., deß Erwähnung geschieht, daß der Jünger Augen seien geöffnet worden und sie dann JEsum erkannt hätten, so kann nur das Letztere der Fall sein. Wenn nun gleich Marcus sagt, Christus sei ihnen „in einer andern Gestalt“ erschienen, so muß dieses nach der Auslegung des Lucas, der diese Historie ausführlicher erzählt und einige Jahre nach dem Marcus geschrieben hat, derartig verstanden werden, daß es nicht eine dem Wesen, sondern nur dem Scheine nach „andere Gestalt“ gewesen sei, nicht nach der Wahrheit der Sache, sondern nach der Meinung dieser Jünger; ähnlich wie von Christo Rom. 8,3. gesagt wird, Er sei gesandt in der Gestalt (d. i. in der Aehnlichkeit) des sündlichen Fleisches, nicht daß Sein Fleisch ein wahrhaft sündliches Fleisch gewesen, sondern als ein solches dem Auge und dem Urtheil der Menschen erschienen sei.

Weshalb aber wollte Gott, daß die Augen dieser Jünger gehalten würden, und warum erschien ihnen Christus in der Gestalt eines Fremdlings? Theophylakt's Meinung ist, Christus habe beim ersten Zusammentreffen ihnen unbekannt sein wollen, damit Er ihre Gedanken herauslockte und dem darauf folgenden Unterricht Gelegenheit schaffte, d. i. daß sie, nach der Aufdeckung ihres Geschwürs, die rechte Arzenei empfingen; und Er habe gewollt, daß Seine endliche Selbstoffenbarung nach einer so langen Unterhaltung in unbekannter Gestalt ihnen dann um so lieblicher und angenehmer sei, wie sie darnach bekennen, das Herz in ihnen sei entbrannt gewesen, da Er mit ihnen redete auf dem Wege.

Uns aber werden auf diese Weise die Gedanken der Angefochtenen und Bekümmerten abgebildet, welche diese meist hegen, wenn sie unter der Last des Kreuzes sich ängsten; dann nämlich, meinen sie, sei Christus überaus weit von ihnen entfernt, ja ihnen gar fremd, und wolle von ihnen nichts wissen, ähnlich wie es lautet Richt. 6, 13.: „ist der HErr mit uns, warum ist uns denn solches alles widerfahren?“ desgl. Ps. 31, 23.: „ich sprach in meinem Zagen: ich bin von deinen Augen verstoßen.“ Christus kommt zu uns durch Armuth, durch Verbannung, durch Krankheiten u. s. w., und in diesen äußerlichen und fremden Gestalten erkennen wir Ihn anfangs nicht. Aber wenn wir die Aussprüche der Propheten und Apostel befragen, dann werden unsere Augen eröffnet, daß wir Ihn zu erkennen vermögen, ähnlich wie Christus hier gar anders zuerst den Jüngern erscheint, aber durch die Auslegung der prophetischen Aussprüche sich ihnen dennoch je länger je mehr offenbart.

Von Joseph wird 1 Mos. 42, 7. erzählt, daß er, zuerst von seinen Brüdern verkauft, darnach in den Kerker geworfen und endlich fast zum königlichen Stuhle erhoben, mit seinen Brüdern, von denen er nicht erkannt wurde, zuerst hart geredet habe; also auch Christus, von Seinem Jünger verkauft, im Gefängniß des Grabes gehalten und durch Seine Auferstehung zu himmlischer Herrlichkeit erhoben, erscheint Seinen Jüngern zuerst in der fremden Gestalt eines Wanderers und schilt ihre Hartgläubigkeit. Von Mose wird 2 Mos. 34, 33. berichtet, daß er, um mit dem Volke Israel zu reden, sein strahlendes und glänzendes Angesicht verhüllte; also hüllte auch Christus die göttliche Gestalt und die himmlische Majestät Seines verklärten Leibes in die niedrige Gestalt eines Wanderers, dadurch Er auch Seine wunderbare Macht beweiset. Als Er in den Tagen Seines Fleisches in Knechtsgestalt wandelte, empfing Er bei Seiner Verklärung die göttliche Gestalt; denn Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne. Hier, als Er in göttlicher Gestalt war, d. i. als Er, nach Ablegung der Knechtsgestalt, in Seine Herrlichkeit eingegangen war und die Verklärung Seines Leibes erlangt hatte, nimmt Er wiederum wegen Seiner Jünger Knechtsgestalt an und stellt sich ihren Augen als ein niedriger und gewöhnlicher Fremdling dar, damit wir Seine göttliche Macht erkennen, durch welche Er, wie Brenz sagt, sowohl in dem sterblichen Fleische die unsterbliche Gestalt, als in dem unsterblichen Leben die sterbliche Gestalt annehmen konnte.

Die, welche der Allegorie sich erfreuen, sagen, daß durch diese Gestalt des Fremdlings, in welcher Christus Seinen Jüngern zu erscheinen für gut befunden, bedeutet werde zum Ersten das Geheimniß der Menschwerdung, daß um unsert- und um unsres Heils willen der Sohn Gottes vom Himmel auf die Erde, gleichsam in die Fremde gezogen sei und unter uns gewohnet (wörtlich: sein Zelt unter uns aufgeschlagen) habe, Joh. 1, 14., wie Er vor Zeiten, als Vorbild hievon, in der Gestalt des Fremdlings bei Abraham eingekehrt war; zum Andern der frühere Stand der Erniedrigung, weil Er während des ganzen Laufes Seines Amtes verschiedene Orte durchwanderte, Ap. Gesch. 10, 33., sowohl durch Seinen Willen dazu bewogen, damit Er den Samen der evangelischen Lehre an vielen Orten ausstreute, als auch durch Verfolgungen gezwungen, da Er keine bleibende Stätte hatte, darin Er Sein Haupt hinlege, Matth. 8, 20.; zum Dritten der gegenwärtige Stand der Erhöhung, weil Er nicht zu dem Ende von den Todten auferstanden sei, damit Er auf die vorige Weise mit den Jüngern verkehre, sondern damit Er, nach Luc. 19,12., in ein fernes Land ginge, Sein Reich einzunehmen, d.i. damit Er gen Himmel fahrend und zur Rechten Gottes sitzend, auf eine göttliche Weise ins Künftige bei ihnen wäre; zum Vierten die Weise der göttlichen Offenbarung, weil Er nicht mit uns handelt in Seiner unverhüllten himmlischen Majestät und Herrlichkeit, welche wir in dieser Schwachheit des Fleisches durchaus nicht zu ertragen vermöchten, sondern Er hüllt sich in das Wort und die Sacramente, also daß wir jetzt nur im Glauben wandeln und nicht im Schauen und dermalen durch einen Spiegel sehen in einem dunkeln Worte, dann aber von Angesicht zu Angesicht, 1 Cor. 13, 12. Zum Fünften der Stand der Kirche in dieser Welt; denn Christus wandert hienieden mit Seinem Worte von Volk zu Volk, von einer Stadt zur andern; und wie die Stiftshütte in der Wüste tragbar war und man sie von einem Orte zum andern zu tragen pflegte: also führt auch die Kirche auf dieser Erde ein Wanderleben und ist an keinen festen Ort gebunden; zum Sechsten der Zustand und das Verlangen der Gläubigen in dieser Welt; denn wie Christus auf dieser Erde ein Fremdling war, also halten sich auch Seine Glieder, nämlich alle wahrhaft Frommen für Pilger und Fremdlinge in dieser Welt; und weil sie hier keine bleibende Stadt haben, so suchen sie deshalb die zukünftige, Ebr. 13, 14., und achten die ganze Zeit ihres Lebens für die Tage ihrer Wallfahrt, 1 Mos. 47, 9.

Dieses ist also der erste Theil dieser Historie.

II. Sobald Christus diesen Wanderern sich nahete, redete Er sie freundlich und vertraulich also an: „Was sind das für Reden, die ihr zwischen euch handelt unterwegs und seid traurig?“ Weish. 6, 14. wird von der himmlischen Weisheit gesagt, daß sie nicht allein von denen gefunden werde, welche sie suchen, und bei hellem Feuerschein ihr wachsam entgegenharren, sondern daß sie auch begegne und sich selbst zu erkennen gebe denen, die sie gerne haben. Dieses erfüllt hier Christus, als die Weisheit Gottes, 1 Cor. 1, 24., durch die That, indem Er die Jünger zuerst anredet und Gelegenheit sucht, dadurch Er sich ihnen offenbare, oder doch sicherlich ihre Herzen zu Seiner Selbst-Offenbarung vorbereite. Er forscht von ihnen, welche Reden sie unter sich handelten? nicht als ob diese Ihm unbekannt gewesen seien, sondern damit Er ihre Gedanken herauslocke und dadurch Stoff zu reichlicherer Belehrung habe. Er legt ihnen aber eine zwiefache Frage vor; zuerst, was der Inhalt ihres Gespräches, und sodann, was die Ursache ihrer Traurigkeit sei? Aus dieser zwiefachen Frage nun wünscht Er Stoff zum ferneren Gespräch und Gelegenheit zu erlangen, sie vollständiger zu belehren; denn was sie auch antworten mochten, es mußte Ihm doch Veranlassung zu gründlicher Unterredung geben. Daraus ist also ersichtlich, daß Christus in unsern Trübsalen zuweilen sich also geberdet, als ob Ihm durchaus nichts davon bekannt sei, und das thut Er deshalb, damit Er uns mit uns selber recht bekannt mache, d. i. damit Er den in unsern Herzen verborgenen Unglauben und Ungeduld uns offenbare; denn außerhalb des Kreuzes erscheinen wir uns als Gläubige von sonderlicher Kraft und trauen uns selber nicht geringe Stärke zu, allerlei Unglücksfälle zu ertragen; aber wenn es zur Sache kommt, da sind wir gar schnell kalt geworden, ja heimlich murren wir wider Gott. Wir sehen auch, wie alle Ursache der Traurigkeit in den Herzen der Frommen daher entsteht, daß ihnen Christus als gestorben und begraben erscheint, so wie es auch diesen Jüngern widerfuhr; aber lasset uns wissen, daß wir nicht aus unsre m Gefühl, sondern aus dem Worte Gottes von Christi Gegenwart und Gnade urtheilen, und die Angst unsres Herzens dem Nächsten kundthun und gleichsam in sein Herz ausschütten sollen. Die Alten schließen aus dieser Frage Christi, die Freude der Seligen in der himmlischen Herrlichkeit werde so groß sein, daß sie aller, auch der bittersten Leiden vergessen werden, welche sie in diesem Leben erduldet haben, so wie auch Christus hier, nach dem Eingang in Seine Herrlichkeit und in das unsterbliche Leben, dessen nicht gedenkt, was Er an dem Rüsttage Bitteres und Schmerzliches erlitten hatte. Davon sagt die Schrift, Er werde abwischen alle Thränen aus den Augen der Frommen.

Kleophas antwortet der Frage Christi durch die Gegenfrage: „Bist du allein unter den Fremdlingen zu Jerusalem, der nicht wisse, was in diesen Tagen drinnen geschehen ist?“ Er will also damit sagen, dasjenige, was sich kürzlich mit Christo in Jerusalem zugetragen, sei so offenbarlich gewesen und zur Kenntniß aller Leute daselbst gelangt, daß es nicht einmal den wegen des Passahfestes in dieser Stadt versammelten Fremdlingen verborgen bleiben konnte, da es zudem so ungerecht gewesen, daß es billig den Abscheu Aller verdiene.

Da nun Christus ferner den Schein annahm, daß Er alles das, was zu Jerusalem geschehen sei, nicht wisse, und weiter fragte: welches? so legt Ihm Kleophas die ganze Sache in ihrem Zusammenhange dar und eröffnet Ihm aufrichtig die innersten Falten seines Herzens. Zuerst offenbart er Ihm den Gegenstand ihrer Unterredung: „das von Jesu von Nazareth“ und leugnet also nicht, daß sie von diesem und Seinem Leiden und Tode geredet haben, den die Priester für einen Ketzer erklärt hatten und Sein Gedächtniß aus den Gemüthern der Menschen gänzlich auszutilgen wünschten. Es wird uns daher ein nachahmenswerthes Exempel des Bekennens vorgelegt, daß wir nämlich, ohne Furcht vor allerlei Gefahr, Christum und Seine Lehre bekennen sollen, Matth. 10, 32., 1 Petri 3, 15., indem uns mehr obliegt, Gott, als den Menschen zu gehorchen.

Zweitens legt er dar, was sie von Christo gehalten; er sagt, Christus sei ein wahrer Prophet gewesen, mächtig von Thaten und Worten vor Gott und allem Volke. Der Name des Propheten wird vorzugsweise dem Messias zugeschrieben 5 Mos. 18, 18., Luc. 7, 16., Joh. 6, 14., Ap. Gesch. 3, 22., 7, 37., sonst aber wird dieses Wort im Allgemeinen von einem ausgezeichneten, von Gott gesandten Lehrer und Verkündige! des Zukünftigen verstanden.

Weil sie nun bald darauf Christum nicht einfach in die gewöhnliche Reihe der Propheten stellen, sondern bezeugen, daß Er von ihnen und andern für den gehalten worden sei, der Israel erlösen werde, so könnte man deshalb denken, daß in dieser Rede des Kleophas unter dem Namen des Propheten eigentlich der Messias verstanden werde; aber weil (im Grundtexte) hinzugefügt wird: der Mann, der Prophet, so erhellt daraus, daß sie Christum für einen gewöhnlichen Propheten, wie einst Elias, Elisa und die übrigen waren, nicht aber für jenen vorzugsweise sonderlichen und großen Propheten gehalten haben, den eben Moses, 5 Mos. 18,18., zuvorverkündigt. Wir müssen daher sagen, daß diese zwei Jünger zuerst zwar dafür gehalten haben, daß Christus der verheißene Messias und der Erlöser sei, daher sie denn auch sagen: „wir aber hofften, Er sollte Israel erlösen“; aber die Gestalt des Kreuzes und Todes hatte diesen ihren Glauben und Hoffnung nicht um ein Geringes erschüttert und wankend gemacht; gleichwohl hielten sie Christum immer noch für irgend einen ausgezeichneten Propheten, der eben, wie die übrigen Propheten, ungerechter Weise getödtet worden sei. Sie sagen aber, Er sei ein Prophet gewesen, „mächtig von Thaten und Worten“. Einige beziehen das Erste auf die Heiligkeit des Lebens und auf die herrlichen Gaben, gleichwie Lucas Ap. Gesch. 1, 1. sagt: Christus habe sowohl gethan, als gelehrt, d. i. sowohl durch Sein Thun und Leben das ausgedrückt, was Er Andere gelehrt, was ja auch einem aufrichtigen Lehrer des Wortes obliegt, Matth. 5, 19. Denn der allein ist ein wahrer Prophet und Lehrer, der nicht nur mit Worten, sondern auch durch sein gottseliges Leben lehrt und zur Rede die Tugend der Werke hinzufügt. Doch scheint es dem Texte angemessener, daß jenes „mächtig von Thaten“ auf Christi Wunder bezogen werde, durch welche diese Jünger bewogen wurden, auch jetzt noch Christum für einen ausgezeichneten Propheten zu halten, wie auch Nikodemus Joh. 3, 2. sagt: „wir wissen, daß du bist ein Lehrer, von Gott gekommen: denn niemand kann die Zeichen thun, die du thust, es sei denn Gott mit ihm.“ Und in diesem Sinne wird nicht ungeschickt verstanden jenes Wort des Lucas, Ap. Gesch. 1, 1.: „die erste Rede habe ich zwar gethan, von alle dem, das JEsus anfing, beide zu thun und zu lehren.“ Denn die Summa seiner evangelischen Geschichte begreift diese zwei Hauptstücke, nämlich die Wunder und die Lehre Christi, wobei unter dem Namen der Wunder nicht nur das verstanden wird, was wunderbarer Weise von Christo gethan, sondern auch, was wunderbarlich an Ihm geschehen war, als z. B. Seine wunderbare Empfängniß und Geburt aus einer Jungfrau u. s. w.

Fast derselben Redeweise bedient sich Lucas in der Darstellung der von Stephanus gehaltenen Rede, Ap. Gesch. 7, 22., wo Moses „mächtig in Worten und Werken“ genannt wird, weil er stark war in der Wirksamkeit der Rede und in der Wundergabe, nicht zwar dergestalt, als ob ihm ein besonderer Redefluß zu Gebote gestanden hätte, denn in dieser Hinsicht sagt er ja grade 2 Mos. 4, 10. von sich, daß er eine schwere Sprache und eine schwere Zunge habe, - sondern daß er markig und kräftig redete, also daß seine Worte Gewicht und Nachdruck hatten und von sonderlicher Wirkung waren. In diesem Sinne heißt es denn auch von Christo, daß Er mächtig von Worten gewesen sei, weil Er gewaltig lehrte und nicht wie die Schriftgelehrten, Matth. 7, 29., also daß die zu Seiner Gefangennehmung von den Priestern ausgesendeten Diener, unverrichteter Sache, zurückkehrten und sagten, Joh. 7,49.: „es hat nie kein Mensch also geredet, wie dieser Mensch.“

Es ist aber eine dreifache Ursache von dieser Mächtigkeit in Worten vorhanden. Die erste nämlich ist, weil Er nicht unnütze Fragen oder menschliche Ueberlieferungen auf- und vorbrachte, sondern das lebendige und kräftige Wort Gottes lehrte, das da durchdringt, bis daß es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, Ebr. 4, 12. Die andere ist, weil Er diese Lehre des göttlichen Wortes mit eindringlichen und nachdrücklichen Worten, voll Geistes und Kraft, vortrug; die dritte ist, weil Er Seinen Worten Gewicht und Stärke hinzufügte, damit sie die Herzen der Menschen durchdrängen, dadurch Er nicht allein von allen Predigern, sondern auch von den ausgezeichneten Propheten sich unterschied. Die erste Ursache ist genommen aus dem Stoffe, die andere aus der Form, die dritte aus der Wirkung der Predigten Christi. Kleophas aber fügt hinzu, Christus sei ein Prophet, mächtig von Thaten und Worten, gewesen „vor Gott und allem Volk“. Wenn nämlich der Hohepriester auf Gottes Befehl in die Stiftshütte (später den Tempel) ging, so lehrte, betete und opferte er darinnen; und dieses wurde dann ein Thun als „vor dem HErrn oder im Angesichte des HErrn“ genannt, welcher, über dem Gnadenstuhle thronend, Antwort gab, 2 Mos. 28, 30. u. s. w. Demgemäß, wenn also Christus, der Hohepriester des Neuen Testaments, lehrte und Wunder that, so verrichtete Er Solches auf Gottes Geheiß, im Namen Gottes, durch die Kraft Gottes, nach dem Wohlgefallen Gottes.

Luc. 1, 15. sagt der Engel von Johanne: „er wird groß sein vor dem HErrn“, d. i. nicht allein vor den Menschen durch etwas Sonderliches in seiner äußern Erscheinung, sondern auch vor Gott durch innere Gaben und Kräfte; also war auch Christus mächtig von Worten und von Thaten vor Gott und allem Volke, d. i. Er war nicht allein dem Volke, sondern auch Gott angenehm; Er suchte nicht Ruhm und Ehre vor dem Volke, sondern handelte Alles vor Gott, als der Alles sehe und bezeuge.

Luc. 2, 52. wird gesagt, Christus habe zugenommen „an Alter, Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen“, weil nicht nur der äußern Erscheinung nach, vor den Augen der Menschen, sondern auch in That und Wahrheit der menschlichen Natur in Christo dieses Zunehmen widerfuhr; also auch wird Christus hier mächtig genannt vor Gott in Wort und Werk, d. i. nicht nur anscheinend, sondern wirklich und wahrhaftig.

Joh. 3, 21. werden die Werke der Frommen als „in Gott gethan“ genannt, weil sie nämlich auf Sein Geheiß, durch Seine Kraft und Beistand und nach Seinem Wohlgefallen geschehen; also auch handelte Christus in Seinem Amte Alles vor Gott, d. i. nach dessen Befehl und Wohlgefallen, durch dessen Kraft und Wirksamkeit.

Dieses war nun das Bekenntniß jener Jünger von Christo, schwächlicher zwar, als sich geziemte, jedoch lauter und rechtschaffen, und aus aufrichtigem Herzen hervorgegangen.

So mögen denn auch die Diener der Kirche Fleiß thun, daß sie selbst auch „mächtig im Worte“ seien, was dann geschehen wird, wenn sie, nach dem Exempel Christi, nicht menschliche Träume, sondern Gottes Wort vortragen, 1 Petri 4, 11., und nicht sind „wie etlicher Viele, die das Wort Gottes verfälschen, sondern als aus Lauterkeit und als aus Gott, vor Gott, reden in Christo“; wenn sie nicht Worte menschlicher Weisheit, sondern Worte voll Geistes und göttlicher Kraft vortragen, 2 Cor. 2, 17., - „und ich“ - heißt es ferner 1 Cor. 2, 1. - „da ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit“; desgleichen Vers 4.: „und mein Wort und meine Predigt war nicht in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Veweisung des Geistes und der Kraft“; und endlich, wenn sie mit demüthigem Seufzen und Flehen Gott anrufen, daß Er Seiner Predigt die Kraft und Wirksamkeit des die Herzen der Zuhörer durchdringenden Geistes hinzuthun wolle; es seien aber auch die Diener der Kirche „mächtig im Werk“, daß sie nicht nur durch die Zunge, sondern auch durch ihr gottseliges Leben und ihren erbaulichen Wandel lehren.

Im dritten Stücke der Antwort erzählt Kleophas, wie die Hohenpriester und Obersten Christum behandelt haben, wo er, als in einem Auszuge, der Leidensgeschichte Erwähnung thut, welche der Gegenstand ihres Gesprächs und die Ursache ihrer Traurigkeit war. „Oder weißt du nicht“ - (dies muß aus Vers 18. wieder aufgenommen werden), „wie Ihn unsre Hohenpriester und Obersten überantwortet haben zur Verdammniß des Todes und gekreuzigt?“ Vers 20.

Unter den Obersten ist der hohe Rath zu verstehen, welcher der höchste Gerichtshof in Religionssachen war. Diese hatten über Christum das Urtheil des Todes gesprochen, da sie Ihn nicht allein in ihrer Versammlung für einen Ketzer und Aufrührer erklärten, welcher des Todes werth sei, sondern auch von Pilatus die Ausführung des gesprochenen Urtheils forderten. Deshalb schreibt ihnen selber Kleophas die Kreuzigung Christi zu, obgleich Ihn Pilatus dazu den Kriegsknechten übergeben hatte, weil nämlich Pilatus in diesem Stücke ihrem Willen gefolgt war. Auf diese Weise also bezeugt Kleophas eben so deutlich die Unschuld Christi, als er die Priester und Obersten der Ungerechtigkeit und Grausamkeit beschuldigt; denn wenn Christus ein prophetischer Mann war, mächtig von Thaten und Worten vor Gott und allem Volk, so sollte Ihm sicherlich kein Leid widerfahren, am wenigsten der Kreuzestod. So nennt also die fromme Einfalt und die christliche Lauterkeit das Schwarze schwarz, und weiß nichts von jenen ausweichenden und zweideutigen Redensarten und weichlichen Phrasen, die heut zu Tage Manche als weltliche Klugheit anpreisen.

Zum Vierten klagt Kleophas in seinem und seines Gefährten Namen, daß ihre Hoffnung, die sie von diesem Jesu von Nazareth gehegt hatten, so schmählich vereitelt worden sei; „wir aber hofften, Er sollte Israel erlösen“; d. i. wir waren durch die Lehre und die Wunder dieses Jesu überzeugt, daß Er der verheißene Messias sei, durch welchen die Erlösung des Volkes Israel geschehen werde. „Wir“, sagte er, „hofften“, darin ein schweigender Gegensatz zwischen den Priestern und den übrigen Feinden Christi einerseits und Seinen Jüngern andrerseits angezeigt ist. Die Priester hatten sich verschworen, Christum zu tödten, sie hatten Ihn der Ketzerei bezichtigt u. s. w., wir nahmen Ihn als den Messias selber auf und folgten Ihm nach, indem wir all das Unsere verließen; nun aber ist die Sache den Priestern nach ihres Herzens Wunsch hinausgegangen; denn ihr Rathschluß der Verdammung ist vollzogen, wir aber sind dessen, was wir hofften und sehnlich erwarteten, kläglich und schändlich verlustig gegangen. Wir hofften, sagt Kleophas (eben in der vergangenen Zeit sich ausdrückend), daß Er der verheißene Messias sei, dem die Erlösung Israels zugeschrieben wird, Ps. 72, 14.: „Er wird ihre Seele aus dem Truge und Frevel erlösen“; desgl. Ps. 130, 8.: „und Er wird Israel erlösen aus allen seinen Sünden“; ferner Jes. 59, 20.: „denen zu Zion wird ein Erlöser kommen und denen, die sich bekehren von den Sünden in Jakob“, welche Weissagung Paulus Röm. 11, 26. auf Christum deutet; endlich, Hos. 13, 14.: „ich will sie erlösen aus der Hölle und vom Tode erretten“, welche Weissagung 1 Cor. 15, 55. vom Apostel gleichfalls auf Christum gezogen wird.

Diese und ähnliche Verheißungen aber verstand das jüdische Volk nur im fleischlichen Sinne von einer Befreiung aus der bürgerlichen Gefangenschaft und Knechtschaft, in welchen Irrthum selbst die Apostel hineingezogen wurden, also daß sie nur irdische Wohlthaten und große Ehrenstellen in dieser Welt von Christo erwarteten; denn sie meinten, für die Sünden könne durch eigene Werke genug gethan, das Gesetz könne durch irgend welchen äußeren Gehorsam erfüllt werden; und dazu würden nicht die Wohlthaten des Messias erfordert. Leichtlich jedoch hätten sie einsehen können, daß jene Befreiung nicht irgend eine leibliche, sondern vielmehr eine geistliche Wohlthat sei, wenn sie genauer auf die Worte des Heiligen Geistes hätten achten wollen; denn „erlösen“ bedeutet (nach dem Worte des Grundtextes) eigentlich, die Gefangenen durch die Erlegung eines bestimmten Lösegeldes befreien, und es wird also dadurch angezeigt, daß der Messias nicht mit Gold oder Silber, sondern mit Seinem theuren Blute aus der geistlichen Gefangenschaft des Satans und des Todes uns befreie, wie Sacharja 9, 11. dieses ausgelegt wird: „Du lässest auch durchs Blut deines Bundes aus deine Gefangenen aus der Grube, da kein Wasser inne ist“ (vergl. Luc. 2, 34. 38.). Die Jünger aber setzten diese genauere Erwägung der prophetischen Weissagungen bei Seite und folgten jenem gemeinen Irrthum, daß der Messias das Volk Israel von dem Joche der bürgerlichen Knechtschaft befreien werde. So oft sie also von Christo hörten, daß Er Sein Leben geben wolle zu einer Erlösung für Viele, Matth. 20, 28., Marc. 10, 45., so träumten sie von einer Erlösung von dem Joche der römischen Knechtschaft und von der Aufrichtung irgend eines irdischen Reiches, darin sie die höchsten Gipfel irdischer Ehre und Würde erlangen würden.

Dieses war nun freilich eine große Schwäche des Glaubens in diesen beiden, wie in den übrigen Jüngern, die jedoch Christus geduldig trägt und zu bessern sich mühet. In den Tagen Seines Fleisches, im Stande Seiner Erniedrigung hatte Er einigemal jenen verkehrten und fleischlichen Sinn freundlich und väterlich gestraft; damit wir aber nicht denken, daß Sein Herz, nach dem Eingange in Seine Herrlichkeit, gegen die Schwachgläubigen verändert worden sei, so erzeigt Er sich auch jetzt noch hier so liebreich und wohlwollend gegen diese Jünger.

Zum Fünften endlich thut Kleophas kund, durch welche Sturmböcke die Grundveste des in ihren Gemüthern von Christo genährten Glaubens und Hoffnung berannt und erschüttert worden sei; er fährt nämlich fort: „und über das alles ist heule der dritte Tag, daß solches geschehen ist.“ Diese Worte nun zeigen die Duelle des Unglaubens auf, woher es nämlich geschehen sei, daß sie die von Christo gefaßte Hoffnung fast gänzlich weggeworfen hätten. Kleophas aber gibt dafür eine zwiefache Ursache an. Die erste ist, daß bereits der dritte Tag nach Christi Tode sei. Christus hatte vorhergesagt, Er werde am dritten Tage auferstehen; da nun derselbe bereits da war, und sie doch Christum noch nicht auferstanden und wieder lebendig geworden erblickt hatten, so schließen sie daraus, daß ihre Erwartung der Erfüllung jener Verheißung vergeblich sei, als wollten sie sagen: höchst betrübt und kläglich war es, Christum am Kreuze hangen und sterben zu sehen, aber weit betrübter ist es, daß die von Ihm uns gemachte Hoffnung Seiner Auferstehung vergeblich ist. - Nun aber war ja der dritte Tag noch nicht völlig vergangen, so daß sie noch keine gerechte Ursache hatten, die Wahrhaftigkeit von Christi Verheißung in Zweifel zu ziehen. Die andere Ursache ist, daß sie selber Christum noch nicht als den Auferstandenen gesehen hatten. „Auch haben uns erschreckt etliche Weiber der Unseren“ - fährt Kleophas fort - „die sind frühe bei dem Grabe gewesen.“ Es ist aber aus der Geschichte von der ersten Offenbarung der Auferstehung Christi gewiß, daß gegen Anbruch des Tages, da es noch dunkel war, jene Weiber, deren Kleophas Erwähnung thut, zum Grabe gekommen sind, und „haben Seinen Leib nicht gefunden, kamen und sagten, sie hätten ein Gesicht der Engel gesehen, welche sagten, Er lebe, und etliche unter uns (nämlich Petrus und Johannes) gingen hin zum Grabe und fanden also, wie die Weiber sagten, aber Ihn fanden sie nicht.“ Daraus nun erhellt, daß diese Beiden nur die erste Botschaft der Weiber von dem leeren Grabe und der Verkündigung der Engel gehört, aber die andere von der Erscheinung Christi selber entweder nicht vernommen hatten, oder sie doch für eine Fabel hielten, die des Erzählens nicht werth sei. Dies ist also die Summa ihres Beweisgrundes: einige der Unseren, die zum Grabe gingen, sahen Christum nicht als wieder lebendig geworden; folglich ist alle Hoffnung Seiner Auferstehung vergeblich. Das Urtheil der Sinne nämlich und der Vernunft ist immer das größte Hinderniß des Glaubens. Die Jünger hatten den wieder lebendig gewordenen Christus noch nicht gesehen; daher konnten sie nicht zum Glauben an Seine Auferstehung bewogen werden, obgleich diese durch das Zeugniß der Engel bestätigt wurde.

Sie hatten die Verheißung von der am dritten Tage zu erwartenden Auferstehung Christi; aber weil sie ihren Augen und Sinnen noch nicht offenbar wurde, so fällt ihr Glaube fast dahin. Es ist aber wunderbar, daß sie die augenscheinlichen Beweise Seiner Auferstehung selber anführen, indeß sie selbst noch darüber im Zweifel stehen. Sie wußten, Christus habe zuvor gesagt, daß Er am dritten Tage auferstehen werde; nun ist aber Christus die Wahrheit selber und Sein Wort ist ein Wort der ewigen unbeweglichen Wahrheit; ferner hatte der Engel die bereits geschehene Auferstehung Christi bezeugt, nun aber sind die Engel wahrhaftige Geister; endlich hatten die Apostel das leere Grab und die in ihm zurückgelassenen leinenen Tücher selber gesehen, daraus sie erkennen mußten, daß Christus wahrhaftig auferstanden sei; aber weil sie das Wort bei Seite setzen und dem Urtheil der Vernunft und der Sinne folgen, so tappen sie im Irrthum umher, wie der Blinde bei hellem Mittage. Zu diesem Hinderniß des Glaubens kam nun noch Zweierlei, nämlich das Ansehen derer, die der Wahrheit widersprachen, indem diese Jünger nicht ein Geringes durch den Gedanken verunruhigt werden, daß die Hohenpriester und Aeltesten, bei Venen das höchste Ansehen und Gewalt war, Christum zur Verdammniß des Todes überantwortet hatten; sodann aber die traurige Gestalt des Kreuzes, der die Kirche in diesem Leben unterworfen ist, indem den Seelen dieser Jünger das traurige Bild des gekreuzigten Christus also vorschwebte, daß sie Seine Auferstehung nicht glauben konnten. Wir können daher gar leichtlich in Irrthum fallen, wenn wir mit Belseitsetzung des Wortes dem Urtheil unserer Vernunft und Sinne folgen und entweder das Ansehen der Feinde der himmlischen Lehre oder die verachtete äußere Gestalt der Kirche anschauen wollen. Auch ist aus dieser Stelle ersichtlich, daß den erschreckten Gewissen grade das eine Ursach größeren Schreckens zu sein pflegt, was ihnen zur Freude und zum Troste dienen sollte, indem nämlich diese Jünger durch die Botschaft der Weiber von dem nicht gefundenen Leibe Christi erschreckt werden; denn während sie daraus hätten die höchste Freude wegen der Auferstehung Christi genießen können, bleiben sie in dem Wahne stecken, daß der Leib Christi gestohlen sei.

Endlich ist diese ganze Erzählung des Kleophas ein Zeugniß des von Natur den Herzen aller Menschen anhaftenden Unglaubens, daher denn ihr Sinn und Gemüth unstät umherschweift und sich dahin neigt, wohin das Ansehen des größeren Theils und der glückliche Erfolg der Dinge das Uebergewicht hat, nicht aber auf das Wort Gottes, als auf die feste und unbewegliche Grundlage, sich stützt; und deshalb zieht uns Christus von der Anschauung des Ausgangs zum Worte zurück. Es könnte dies noch ausführlicher nachgewiesen werden; doch mögen diese Fingerzeige zu den Quellen der Lehre genügen.

Wir wollen nun zu Christi Antwort übergehen, darin Er gleichsam als der himmlische Arzt die offenbar gewordene Krankheit der Seele heilt und als der himmlische Lehrer sie von ihrer Unwissenheit befreit.

Zuerst nun straft Er sie ernstlich, indem Er spricht: „O ihr Thoren und träges Herzens zu glauben alledem, das die Propheten geredet haben“; Er straft sie also um Zweierlei, nämlich zuerst wegen des Mangels an Erkenntnis sodann wegen der Trägheit ihres Herzens zum Glauben, welches beides aus der durch die Sünde eingeführten Verderbniß der Natur herkommt, welche nun wiederum durch vorgefaßte Meinungen und so viele andere Hindernisse des Glaubens vermehrt wird. Es ist also nach dem Urtheil Christi die größte Thorheit, dem Worte und den Verheißungen Gottes keinen Glauben schenken zu wollen, sondern das Urtheil der Sinne und der Vernunft dem Worte vorzuziehen; deshalb werden diese Jünger zu jener wahren und unbeweglichen Grundveste des Glaubens, dem göttlichen Worte, zurückgerufen. Auch leuchtet durch das Widerspiel aus dieser Stelle die Natur des wahren Glaubens hervor, daß er nicht nur eine Kenntniß und Erkenntniß im Verstande, sondern auch eine Bewegung im Herzen, nämlich das Vertrauen und die Zuversicht sei, welche zuvor die Zustimmung im Willen verlangt, und solcher Glaube wird hier also beschrieben, daß er nicht nur einzelne Stücke, sondern Alles glaube, was die Propheten und Apostel geredet haben, obgleich es unserer Vernunft noch so ungereimt erscheine, daher denn von uns gesagt wird, daß wir erbauet seien auf dem Grunde der Apostel und Propheten, Ephes. 2, 20.

Uebrigens ist das Exempel Christi, der sich hier in einer zwar ernsten, jedoch zugleich auch freundlichen Bestrafung erzeigt, den Dienern der Kirche zur Nachahmung vorgelegt, damit sie an dem Beispiel dieses Erzhirten lernen, daß zuweilen Lindigkeit, zuweilen aber auch gerechter Eifer in der Bestrafung nothwendig sei; und auch die Zuhörer mögen lernen, daß gerechte und nothwendige Bestrafungen durchaus nicht für Schmähungen zu halten seien. Matth. 5, 22. werden wir allerdings gelehrt, daß der, welcher seinen Bruder einen „Narren“ heiße, wider das fünfte Gebot sündige, was natürlich von schmähenden Worten verstanden wird, die aus dem fleischlichen Affect des Zornes und Hasses und aus persönlicher Frechheit wider den Bruder herausfließen. Wenn aber Christus die Jünger hier Thoren nennt, so ist dies keine Schmähung dessen, der leidenschaftlich zürnet, sondern die Pflicht dessen, der ernstlich straft und belehrt; es ist kein fleischlicher Affect, sondern ein geistlicher Eifer; es ist keine persönliche Gereiztheit, sondern das öffentliche Ansehen des Lehrers. Denn Christus lehrt durch diese ernste Bestrafung, wie es in geistlichen Dingen mit den natürlichen Kräften des freien Willens, die Einige so hoch rühmen, eigentlich bewandt sei. Diese Jünger waren keine epikurischen Verächter des Wortes, sondern Anhänger Christi, in dessen Schule sie drei Jahre hindurch unterrichtet worden waren; gleichwohl nennt sie Christus „Thoren und trägen Herzens zum Glauben“, weil sie nämlich mit Hintansetzung des Lichtes des Wortes dem Urtheil der Vernunft und der Sinne folgten; denn dieses sind eben die Kräfte des freien Willens, also daß selbst die Wiedergeborenen genöthigt sind, „ihre Vernunft gefangen zu nehmen unter den Gehorsam des Glaubens“, 2 Cor. 10, 5.

Fürs Andere straft Christus nicht allein aus dem Gesetze die Thorheit und den Unglauben dieser Jünger, sondern Er unterweiset auch ihren Glauben aus dem Evangelio, indem Er spricht: „Mußte nicht Christus solches leiden und zu Seiner Herrlichkeit eingehen?“ Unter dem „solches“ versteht Er nämlich Alles, was Ihm in Seinem Leiden begegnet war, dessen Summe bereits Kleophas erwähnt; unter dem Eingehen in Seine Herrlichkeit versteht Er den Stand der Erhöhung, zu welchem Seine Höllenfahrt, Seine Auferstehung von den Todten, Seine Himmelfahrt und das Sitzen zur Rechten des Vaters gehört; Seine nannte Er die Herrlichkeit, die Er anderwärts die des Vaters nannte, weil sie Ihm, nach Seiner menschlichen Natur, vom Vater gegeben ist. Er zeigt also, daß Sein Leiden und Sterben ihnen im Glauben kein Hinderniß sein solle, da Er ja solches habe leiden müssen und nur nach dieser Ordnung und auf diese Weise in Seine Herrlichkeit eingehen sollte; er ruft sie von dem Aergerniß des Kreuzes zur Betrachtung des göttlichen Rathschlusses von der Erlösung des menschlichen Geschlechtes zurück, die durch Sein Leiden von Ewigkeit geschehen und in den prophetischen Schriften geoffenbaret sei. Die beiden Jünger hielten die einzelnen Stücke der Leidensgeschichte für zufällige Ereignisse, aber Christus setzt dieser Meinung die Nothwendigkeit dieser Begebenheiten entgegen, nämlich wegen der Verordnung des himmlischen Vaters, wegen der Erlösung des menschlichen Geschlechts und wegen der Erfüllung der Schrift. Diese Ursachen aber hangen wechselsweisc also mit einander zusammen, daß von der zweiten die erste, von der ersten aber die dritte abhänge; denn weil die Erlösung des menschlichen Geschlechtes kein geringeres Lösegeld als das Leiden und Sterben des Messias erforderte, so ist deshalb der ewige Rathschluß davon geschehen; und daraus wiederum folgt, daß er in der heiligen Schrift geoffenbart und vorhergesagt ist.

Es ist aber hier zwischen Nothwendigkeit und Zwang zu unterscheiden; denn nicht gezwungen hat Christus gelitten, sondern freiwillig; und doch war in gewisser Hinsicht Sein Leiden nothwendig; denn es ist zu unterscheiden zwischen einer unbedingten oder absoluten und einer bedingungsweisen Nothwendigkeit, welche letztere allein, nicht jene, im Leiden Christi ihren Ort hat. Endlich ist zu unterscheiden zwischen dem Leiden selber und dessen Zweck und Erfolg. Der Rathschluß und Wille Gottes sieht hier auf den heilbringenden Zweck und die Frucht des Leidens Christi, nämlich auf die Erlösung des menschlichen Geschlechts; und in Anschauung derselben ließ es Gott zu und beschloß, es zuzulassen, daß Sein eigener allerliebster Sohn von den Juden so grausam mißhandelt wurde. Keineswegs aber trieb Er durch diesen Seinen Rathschluß ihren Willen zu jener grausamen Schandthat an oder legte ihnen die Nothwendigkeit dieser Sünde auf. „Sehr verschieden, ja entgegengesetzt“, - sagt Leo in seiner 16ten Predigt vom Leiden des HErrn -, „was von der Bosheit der Juden vorhergesehen und was vom Leiden Christi geordnet ist; denn durch das Vorherwissen der zukünftigen Bosheit zwang der HErr die Juden nicht, daß sie solches Leiden Ihm zufügten, wiewohl Er selber dazu das Fleisch angenommen hatte.“

Uebrigens, wie Christus hier der Predigt des Gesetzes die Lehre des Evangeliums von Seinem Leiden, Sterben und Auferstehung und den Wohlthaten derselben folgen läßt, dadurch Er in den Herzen dieser Jünger den Glauben erweckt und befestigt: also sollen auch die Diener der Kirche die Predigt des Gesetzes und Evangeliums verbinden; denn nachdem sie aus dem Gesetze die Sünden gestraft haben, so sollen sie aus dem Evangelio zeigen, wie die erschreckten Gewissen die Vergebung erlangen durch den Glauben an Christum, der um unserer Sünde willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt ist, Röm. 4, 25. Und wie Christus von der äußeren und traurigen Gestalt des Kreuzes zu dem heilbringenden Rathschluß Gottes diese Jünger zurückruft, also sollen auch wir, wo wir unter dem Kreuz liegen, von der äußerlichen Gestalt der Trübsale die Augen unsres Herzens zum Rathschluß Gottes und Seiner väterlichen Gesinnung, ja sogar zu der zukünftigen Herrlichkeit erheben. Denn wie Christus durch Leiden in Seine Herrlichkeit einging und, weil Er dem Vater gehorsam war bis zum Tode, deshalb von Ihm zur höchsten Herrlichkeit erhoben wurde, Phil. 2, 8., und weil Er vom Bache auf dem Wege trank, deshalb das Haupt emporhob, Ps. 110, 7., und durch Leiden des Todes gekrönet ward mit Preis und Ehren: also müssen auch wir, die wir an Christum glauben, durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen, Ap. Gesch. 14, 22., und so wir mit Ihm sterben, so werden wir auch mit Ihm leben; und so wir mit Ihm dulden, so werden wir auch mit Ihm herrschen, 2 Tim. 2, 11. 12. Denn wie mit dem Haupte, so hält es sich gleichfalls mit den Gliedern.

Auch wir müssen daher in diesem Leben dem Kreuze unterworfen sein, theils wegen der göttlichen Ordnung, theils wegen unserer Gleichförmigkeit mit Christo, theils endlich wegen, der Erfüllung der Schrift.

Zum Dritten bestätigte den Jüngern der noch unerkannte Fremdling das, was Er gesagt hatte, nämlich daß es nothwendig gewesen sei, daß Christus also litte und dann erst zu Seiner Herrlichkeit einginge; denn Er führte sie hinein in die Weissagungen der Propheten, in welchen dieses alles vorhergesagt sei, indem Er anhebt „von Moses und allen Propheten und ihnen alle Schriften auslegte, die von Ihm gesagt waren“.

Von Moses also fängt Er an, weil dieser gleichsam die Quelle ist aller Propheten; denn was die übrigen Propheten irgend vom Messias vorhergesagt, das haben sie aus der ersten evangelischen Verheißung von dem Weibessamen, welcher der höllischen Schlange den Kopf zertreten werde, durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes geschöpft. Von Moses schreitet Er weiter zu den übrigen Propheten, damit Er die völlige Zusammenstimmung der Schriften des Alten Testamentes nachweise; doch legt Er natürlich nicht die ganzen Bücher der Propheten aus, was in so kurzer Zeit unmöglich hätte geschehen können, sondern sammelt aus allen Propheten einige Weissagungen von Seinem Leiden und Sterben, so wie von Seiner Auferstehung, und erklärt dieselben durch Seine Auslegung, wie denn, nach Ap. Gesch. 10, 43., ,von ihm alle Propheten zeugen„. Und da Christus zwei bis drei Stunden hindurch mit diesen Jüngern sich unterredete, so ist es nicht unmöglich, daß Er entweder alle, oder doch sicherlich die meisten wichtigeren Weissagungen des Alten Testamentes, welche von Seinem Leiden, Sterben und Auferstehen handeln, in dieser Predigt ausgelegt habe. Und da diese Jünger das, was sie auf dem Wege gehört hatten, später den übrigen Aposteln erzählten, wie am Ende der Geschichte Lucas bezeugt, so wird mit Recht daraus geschlossen, daß die Apostel alles das, was sie aus den Schriften des Alten Testamentes von dem Leiden, Sterben und Auferstehen Christi in ihren Predigten oder Schriften anzogen, aus dieser schriftauslegenden Predigt geschöpft haben. Wir sehen also, daß Christus, um sich selbst und Seine Auferstehung und deren Wohlthaten den Jüngern zu offenbaren, vom Worte anhebt; denn dieses ist es, dadurch Er sich uns zu erkennen gibt und Seiner Wohlthaten uns theilhaftig macht. Unsere Vernunft träumt, daß der von den Todten auferweckte und aus dem Paradiese, wie aus der Hölle zurückkehrende Christus hätte erzählen müssen, welches der Zustand in der andern Welt, welches die Ordnungen der Engel seien u. s. w., wir wünschen ferner, daß es aufgezeichnet sei, was die Heiligen, welche mit Christo auferstanden waren, in den vierzig Tagen vor der Himmelfahrt mit Ihm geredet haben; aber wir hören hier, daß Christus uns zu den Schriften Mosis und der Propheten hinführe, gleichwie Abraham auf die Bitte des Schlemmers, jemand aus dem andern Leben zu seinen Brüdern abzusenden, diese auf Mose und die Propheten weiset, Luc. 16, 29.

So wollen wir also mit dem Worte zufrieden sein und nicht neue Offenbarungen begehren; denn durch dieses Sein Wort wird Gott wirksam in unsern Herzen sein, damit wir aus dessen Anhörung den Glauben empfangen und dadurch der Wohlthaten der Auferstehung Christi theilhaftig gemacht werden. Denn wie durch diese Predigt Christi die Herzen der Jünger entzündet werden, also ist auch noch heute mit der Predigt des Wortes die Wirksamkeit des Heiligen Geistes verbunden, der die Herzen durch geistliches Feuer und Licht entzündet. Und wie Christus hier den Jüngern die Schrift auslegt, also erhält er auch noch heute das Predigt-Amt oder den Dienst am Worte, dessen vornehmste Pflicht und Verrichtung ist, die Schrift auszulegen, damit wir den Sinn und die Kraft derselben recht kennen lernen: denn wie könnten wir sie verstehen, wenn uns nicht jemand anleitet (Ap. Gesch. 8, 31.) d. i. durch Auslegung den Weg uns weiset? Diese Wegweisung geschieht aber nicht „aus eigener Auslegung“, 2 Petri 1, 20., sondern der Heilige Geist, „von welchem getrieben die heiligen Menschen Gottes geredet haben“, 2 Petri 1, 21., ist der höchste selbsteigene Ausleger derselben. Dieser hat Seinen Sinn und Meinung in klaren und deutlichen Stellen offenbarlich dargelegt, daraus die Analogie des Glaubens zusammengestellt wird, nach welcher die Auslegung der dunkleren Stellen zu handeln ist; dazu muß sich denn ferner gesellen die Besichtigung der Quellen, die Betrachtung des Zweckes und der Umstände, die Vergleichung der Stellen u. a. m.

Auf diese Weise legt Christus hier die Schrift aus und weiset Seine Jünger nicht auf die Priester, Pharisäer und Schriftgelehrten, „welche zwar auf Mosis Stuhle saßen“, Matth. 23. 2., „aber den Schlüssel der Erkenntniß“ hinweg genommen, Luc. 11, 52., und die klaren Quellen Israels durch den Koth ihrer Traditionen und falschen Meinungen schändlich verunreinigt hatten; denn die Weissagungen vom Messias und Seinen Wohlthaten zogen sie, verkehrter Weise, auf den Stand irgend eines weltlichen Reiches. Daher weiset Christus diese Schüler nicht zu diesen verkehrten Auslegern, sondern aus der Schrift selbst stellt Er den wahren Sinn der prophetischen Weissagungen zusammen. Hieraus ist nun ersichtlich, was davon zu halten sei, daß die Papisten uns beständig auf die römische Kirche weisen und bis zum Heiserwerden uns zuschreien, daß von ihr allein die wahre und rechte Auslegung der Schrift zu begehren und zu erwarten sei.

Es ist aber besonders bei der Auslegung der Schrift zu beachten, daß Christus das allgemeine Ziel und Ende, der Kern und Stern der ganzen heiligen Schrift sei, Ps. 40, 8., Joh. 5, 39., ohne Ihn hat die Schrift des Alten Testaments nicht den rechten Schmack; daher denn Offenb. 5, 5. gesagt wird: „daß der Löwe vom Stamme Juda das mit sieben Siegeln versiegelte Buch geöffnet habe“, weil die Weissagungen des Alten Testaments vor Christi Leiden, Sterben und Auferstehen verschlossen waren; nun aber im Neuen Testament sind sie offenbar, und zwar in zwiefacher Weise; zuerst nämlich, weil aus ihrer Erfüllung die Weissagungen am besten verstanden werden, wie Irenäus bezeugt, da er schreibt: „jede Weissagung enthält vor ihrer Erfüllung mancherlei Räthselhaftes und Mehrdeutiges; wenn aber die Zeit der Erfüllung gekommen ist, dann haben die Prophezeiungen ihren klaren und gemäßen Verstand.“

Da also im Neuen Testament durch Christum erfüllt ist, was von Ihm im Alten Testament vorhergesagt ist, so wird deshalb mit Recht Christi Leiden, Tod und Auferstehung u. s. w. der Schlüssel genannt, durch welchen die Schrift des Alten Testaments geöffnet wurde.

Sodann aber verdiente uns Christus durch Sein Leiden, Sterben und Auferstehen den Heiligen Geist, durch welchen allein die Schrift verstanden wird; und deshalb wird Offenb. 3, 9. von Christo gesagt, „daß Er den Schlüssel Davids habe“; denn wenn Er uns durch Seinen Geist nicht innerlich lehrt, so ist uns die ganze Schrift verschlossen und versiegelt, so wie sie diesen Jüngern war, ehe Christus sie auslegte.

Da übrigens die Jünger bekennen, daß durch diese Predigt Christi, darin Er ihnen die Weissagungen des Alten Testaments von Seinem Leiden, Tod und Auferstehung auslegte, ein geistliches Feuer in ihren Herzen entzündet worden sei, so ist es wohl der Mühe werth, sorgfältig zu forschen, welche Zeugnisse der Schrift in dieser Predigt angezogen worden seien. Obgleich aber der Evangelist sie nicht sonderlich angeführt hat, so können sie doch theils aus den Stellen erkannt werden, die Christus anderswo angezogen, und deren die Evangelisten uns Meldung thun, theils aus denen, welche die Apostel in ihren Schriften anführen. Unter dem Namen der Weissagungen werden aber nicht allein die klaren und deutlichen Aussprüche, sondern auch die Vorbilder befaßt, sowie Christus selbst das Vorbild des Jonas und der ehernen, in der Wüste aufgerichteten Schlange auf sich anwendet. Dahin redet denn auch Irenäus: „die Propheten weissagten nicht allein durch das Wort, sondern auch durch Gesichte, den Wandel und gewisse Handlungen, die sie auf Eingebung des Heiligen Geistes verrichteten.“ Desgleichen schreibt auch Augustin, ,daß das ganze Leben der Heiligen des Alten Testaments eine Weissagung von Christo gewesen, indem nicht blos ihre Sprache, sondern auch ihr Leben prophetisch gewesen sei“.

Dieser Fleiß im Sammeln der Weissagungen des Alten Testaments von Christo verschafft eine große Befestigung des Glaubens; denn was ist lieblicher, als gleichsam offenbarlich zu schauen, wie die beiden Cherubim ihre Angesichter dem Gnadenstuhle zuwenden, d. i. wie das Alte und Neue Testament von Christo und Seinen Werken und Wohlthaten zeugen? Was ist zur Stärkung des Glaubens geschickter, als zu hören, wie die Propheten das als zukünftig gehofft und vorhergesagt haben, was wir, als durch Christum erfüllt, glauben? Daraus erkennen wir, daß nur ein Mittler, eine Weise der Rechtfertigung, ein Weg des Heils sei u. s. w. Auch wird dieser Eifer in Sammlung der Weissagungen des Alten Testaments durch das Beispiel Christi bestätigt, welcher hier und darnach vor den Jüngern die Sprüche der Schrift wiederholt, so wie durch das Exempel der Apostel, welche in ihren Predigten dasselbe thaten, wie aus Ap. Gesch. 2, 13. 26., dergl. aus 1 Cor. 15, 3. ersichtlich ist, wo Paulus sagt, er habe den Corinthern gegeben, daß Christus gestorben sei, nach der Schrift, und daß Er auferweckt sei, nach der Schrift.

Wir wollen jedoch nicht alle einzelnen Weissagungen des Alten Testaments, welche von Christi Person und Amt handeln, aufzählen, sondern da Christus diese Predigt auf zwei Hauptstücke zurückführt, nämlich auf Sein Leiden und auf Seinen Eingang in die Herrlichkeit, so werden wir allein derer Erwähnung thun, welche entweder von Seinem Leiden und Sterben, oder von Seiner Auferstehung handeln; denn was von Seiner Empfängniß, Seiner Geburt, Seiner Flucht nach Egypten, Seiner Lehre, Seinen Wundern, von Seiner Auffahrt gen Himmel, Seinem Reiche u. a. m. in der Schrift erzählt wird, gehört an einen andern Ort.

Wir theilen aber diese Weissagungen in zwei Klassen, deren erste die Aussprüche, die andere die Figuren und Vorbilder enthalten soll.

Unter den Aussprüchen nun leuchtet besonders jene erste evangelische Verheißung hervor, die Gott selber mit eigenem Munde unsern ersten Eltern nach ihrem Falle im Paradiese gethan hat: „des Weibes Same wird den Kopf der Schlange zertreten und diese wird Ihn in die Ferse stechen“; - eine Weissagung, die an Alter und Herrlichkeit alle übrigen überstrahlt, da nach dem überaus kläglichen Falle der ersten Eltern der Sohn Gottes, der den himmlischen Vater angefleht und versprochen hatte, daß Er die Strafe büßen und der göttlichen Gerechtigkeit genugthun wolle, und im Rathschluß der heiligen Dreieinigkeit zum Mittler verordnet worden war, alsbald, gleichsam als ein himmlischer Redner, diesen geheimen Rathschluß der Gottheit von der Erlösung des menschlichen Geschlechts den ersten Eltern kundthat: „des Weibes Same wird der Schlange den Kopf zertreten“ u. s. w., d. i. ich, der Sohn Gottes, werde in der Fülle der Zeit der Same des Weibes sein; ich werde aus einer Jungfrau wahres Fleisch annehmen und darin leiden und den Tod erdulden, damit für die Sünden der Menschen Genugthuung geschehe; dies Leiden und Sterben ist nämlich die von der höllischen Schlange der Ferse beigebrachte Wunde; doch werde ich ihren Kopf, d. i. die Macht und das Reich des Teufels, zertreten und seine Werke zerstören; denn ich werde nicht im Grabe bleiben; und wenn es von Außen scheinen wird, als habe mich der Tod und die Hölle verschlungen, so werde ich wiederum mit Herrlichkeit auferstehen.

Ferner 1 Mos. 12, 3. wird dem Abraham ein Same verheißen, in welchem „alle Geschlechter gesegnet werden sollen“, welche Verheißung darnach Cap. 18, 18., 22, 18., 26, 4. wiederholt wird; dieselbe deutet Paulus Gal. 3, 8. ff. also, daß Christus, am Kreuze gestorben, „ein Fluch für uns geworden sei“, weil geschrieben ist: „verflucht sei jedermann, der am Holze hängt“, 5 Mos. 21, 23., damit Er uns durch Seine Auferstehung der himmlischen Segnung theilhaftig machte; denn wenn Er im Tode geblieben wäre, so hätte der Segen nicht können auf uns herniederkommen, indem Er dann selbst unter dem Fluche geblieben wäre, Ap. Gesch. 3, 25., und nichts weniger als dunkel bezieht Petrus diese Verheißung auf die Auferstehung Christi, da er spricht: „euch zuerst hat Gott Seinen Sohn auferweckt, und hat Ihn gesandt, euch zu segnen“; weil nämlich Christus auferstanden ist, deshalb ist jener dem Abraham und den übrigen Patriarchen, so wie deren Nachkommen verheißene Segen nun wirklich gekommen. Es begreift aber derselbe eben so sehr die Abwendung des Nebels, nämlich die Befreiung von der Sünde, vom Zorne Gottes, von dem Fluche des Gesetzes, von der Gefangenschaft des Todes, des Teufels und der Hölle, als die Zuwendung des Guten, nämlich die Wiederherstellung der Gerechtigkeit, des Lebens und der Gnade, die Schenkung des Heiligen Geistes und des ewigen Lebens u. s. w.

1 Mos. 49, 10-12. wird von dem Schilo, d. i. von dem Messias ausgesagt: „Er wird Sein Kleid in Wein waschen und Seinen Mantel im Weinbeerblute“, d. i. das Fleisch, welches der Sohn Gottes gleich wie ein Kleid angezogen hat, wird Er mit Seinem rothen Blute benetzen, das darnach den zerknirschten Gewissen der Wein der Erquickung sein wird. Justin sagt: „Jenes Wort, das im Weinbeerblute Sein Gewand wäscht, verkündigte Sein Leiden, das Er zu erdulden habe, indem Er durch Sein Blut alle die reinigt, die an Ihn glauben.“

2 Sam. 7,12.13. wird dem David ein solcher Nachfolger verheißen, dessen Reich ewig sein werde, welche Verheißung wiederholt und erklärt wird 1 Chron. 18, 11 - 14., Ps. 72, 15., Ps. 89, 4. 30., Ps. 132, 11., auf Christum aber bezogen wird Ap. Gesch. 2, 30., 13,23., Ebr. 1, 5. Wenn aber Christus im Tode und Grabe geblieben wäre, so hätte dieses ewige Reich nicht anfangen können; es war deshalb nöthig, daß Er, nach Besiegung und Untertretung der Feinde, sieghaftig auferstände und, in Seine Herrlichkeit eingegangen, der ewige König der Kirche würde, die Sein geistliches Reich ist.

Ps. 2,7. lautet es: „Du bist mein Sohn; heute habe ich dich gezeuget“; welche Stelle Paulus Ap. Gesch. 13, 33. auf die Auferstehung Christi bezieht, „durch welche Er kräftiglich erweiset ist als der Sohn Gottes“, Röm. 1, 4., es war daher unmöglich, daß Er im Tode blieb, da Er Gottes Sohn war.

Ps. 8, 6. heißt es: „Du wirst Ihn lassen eine kleine Zelt von Gott verlassen sein, aber mit Ehren und Schmuck wirst du Ihn krönen; du wirst Ihn zum Herrn machen über deiner Hände Werk“, V. 7.; „alles hast du unter Seine Füße gethan“; der Brief an die Ebräer bezieht dieses auf Christum, da er Cap. 2, 7. 9. es also auslegt: „den aber, der eine kleine Zeit der Engel gemangelt hat, sehen wir, daß es JEsus ist, durch Leiden des Todes gekrönet mit Preis und Ehren, auf daß Er von Gottes Gnaden für alle den Tod schmeckte“; wenn es ferner V. 7. lautet (nach dem ebräischen Texte): „du hast Ihn eine kleine Zeit Gottes mangeln lassen“, so gehört dies zur Erniedrigung und zum Leiden Christi; der Sinn ist daher, daß Christus um unsertwillen das Leiden erdulden und in jene Angst der Seele habe kommen müssen, daß Er sich, als von Gott verlassen, beklagt; aber eben durch dieses Leiden ging Er in Seine Herrlichkeit ein.

Ps. 16, 9. 10. steht geschrieben: „mein Fleisch wird sicher liegen; denn du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen und nicht zugeben, daß dein Heiliger verwese; du thust mir kund den Weg zum Leben“ u. s. w. Diese Weissagung beziehen Petrus, Ap. Gesch. 2, 31., und Paulus, Ap. Gesch. 13, 35., auf die Auferstehung Christi und beweisen, diese Stelle könne nicht von David verstanden werden, da dieser nicht nur gestorben sei, sondern auch die Verwesung gesehen habe. Christus aber, wiewohl Er um der Sünden des menschlichen Geschlechts willen gestorben und begraben sei, habe doch nicht die Verwesung gesehen, auch sei Er nicht in Seinem Grabe geblieben, sondern Gott habe Ihm kund gethan den Weg zum Leben, den kein Mensch von Anfang der Welt finden und aus eigener Kraft von den Todten auferstehen konnte.

Psalm 22 enthält eine ausgezeichnete Weissagung von Christi Leiden und Auferstehung, wie Er nämlich auch durch Schmähungen und Lästerungen werde zerrissen, Seine Hände und Füße durchbohrt, Seine Kleider getheilt, um Sein Gewand das Loos geworfen werden u. s. w. Deshalb wenden nicht blos die Evangelisten, Matth. 27, 35. und Joh. 19, 24., unsern Blick auf jenen Psalm zurück, sondern auch Christus selbst ruft am Kreuze den Anfang dieses Psalms aus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Matth. 27, 46. Auch nach der Auferstehung nennt Er aus Vers 23 dieses Psalms Seine Jünger „Seine Brüder“, Joh. 20, 17.

Psalm 31 handelt gleichfalls von Christi Leiden und Auferstehung; und deshalb wiederholt Christus am Kreuze den sechsten Vers: „In deine Hände befehle ich meinen Geist“, Luc. 23, 46.

In Ps. 41, 10. wird die Weissagung von dem Verrath des Judas vorgelegt; „auch mein Freund, dem ich mich vertraute, der mein Brod aß, tritt mich unter die Füße.“ Auf diesen Ausspruch weist Christus Seine Jünger Joh. 13, 18., sowie Petrus Ap. Gesch. 1, 16. Die Prophezeiung aber von Christi Auferstehung folgt in V. 11.: „Du aber, HErr, sei mir gnädig und hilf mir auf, so will ich sie bezahlen.“

Psalm 68 enthält eine herrliche Weissagung von Christ! Auferstehung, Himmelfahrt und von der Fortpflanzung Seines Reiches durch die Predigt der Apostel, V. 2.: „Es stehe Gott auf, daß Seine Feinde zerstreuet werden, und die Ihn hassen, vor Ihm fliehen“; ferner V. 19.: „Du bist in die Höhe gefahren und hast das Gefängniß gefangen“ u. s. w., welche Stelle Paulus Ephes. 4, 8. ausdrücklich auf Christum anwendet.

Ps. 69 klagt der Messias über Seine Angst und Schmerzen, über Seinen Durst am Kreuze, über die Menge Seiner Verfolger u. s. w. Da heißt es V. 2.: „Gott, hilf mir, denn das Wasser geht mir bis an die Seele; ich versinke im tiefen Schlamme“; V. 5.: „Ich muß bezahlen, das ich nicht geraubt habe“; V. 21.: „Die Schmach bricht mir mein Herz und kränket mich; ich warte, ob's jemand jammerte, aber da ist niemand, und auf Tröster, aber ich finde keinen“; V. 22.: „Und sie gaben mir Galle zu essen und Essig zu trinken in meinem großen Durste“, welches Matth. 27,48. auf Christum bezogen wird. V. 23.: „Ihr Tisch müsse vor ihnen zum Stricke werden“ u. s. w.; V. 26.: „Ihre Wohnung müsse wüste werden und sei niemand, der in ihrer Hütte wohne“, welches Petrus Ap. Gesch. 1, 20. auf Judas, den Verräther Christi, anwendet.

Ps. 109 klagt der Messias über die Treulosigkeit des Verräthers Judas und über die Schmähungen der Juden; daher beziehen V. 8 jenes Psalms Christus selbst, sowie Petrus, Joh. 17, 12., Ap. Gesch. 1, 20., auf Judas, den Verräther.

Ps. 110, 7. heißt es: „Er wird trinken vom Bache auf dem Wege; darum wird Er das Haupt emporheben.“ Der ganze Psalm handelt von Christo und Seinem Reiche, wie aus Matth. 22, 44., Ap. Gesch. 2, 34., 1 Cor. 15, 25., Ebr. 1, 13., 5, 6. u. s. w. erhellt. Es wird daher von Ihm ausgesagt, daß Er trinken werde vom Bache (eigentlich Wildwasser, Meßbuch„) auf dem Wege, d. i. daß mannigfaltige Unglücksfälle und Trübsale gleich einem wilden Strome auf Ihn losstürzen würden; doch werde Er nicht von ihnen überwältigt werden, sondern Sein Haupt erheben, nämlich durch Seine Auferstehung, Himmelfahrt und Sitzen zur Rechten des Vaters, damit Er darnach Seines ewigen Hohenpriesterthums pflege.

Jes. 43, 24. lautet es: „Mir hast du Arbeit gemacht in deinen Sünden und hast mir Mühe gemacht in deinen Missethaten“; und V. 25.: „Ich, ich tilge deine Uebertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht“; dieses ist nun erfüllet im Leiden Christi, indem Er um unseretwillen Mühen und Schmerzen ertrug.

Jes. 50, 6. 7. steht geschrieben: „Ich hielt meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften; mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel; denn der HErr HErr hilft mir, darum werde ich nicht zu Schanden. Darum habe ich mein Angesicht dargeboten als einen Kieselstein; denn ich weiß, daß ich nicht zu Schanden werde.“ Dieses ist aber erfüllt im Palaste des Kaiphas, da die Diener der Priester in Sein Angesicht speiten und Ihm Faustschläge gaben, Matth. 26,67.

Jes. 53 wird nicht sowohl eine Weissagung eines Propheten, als eine geschichtliche Erzählung eines Evangelisten vom Leiden, Tode und der Auferstehung Christi dargelegt, daß Er werde „ein Mann der Schmerzen, der allerverachtetste und unwertheste sein, daß Er um unsrer Missethat willen verwundet sein werde, auf daß wir durch Seine Wunden heil würden“, welche Stelle Petrus, 1 Petri 2, 24., auf Christum bezieht, ferner V. 12., „daß Er den Uebelthätern gleich gerechnet sei“, welche Stelle Marcus Cap. 15, 28. auf die Kreuzigung Christi anwendet; - endlich, „daß Er für die Uebelthäter bitten werde“, was Lucas Cap. 22, 37. auf Christum bezieht, der für Seine Mörder bittet.

Auch die Vorherverkündigung Seiner Auferstehung wird hier hinzugefügt V. 8.: „Er ist aber aus der Angst und Gericht genommen; wer will Seines Lebens Länge ausreden?“ V. 10.: „Wenn Er Sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, so wird Er Samen haben und in die Länge leben und des HErrn Vornehmen wird durch Seine Hand fortgehn“; V. 11.: „Darum daß Seine Seele gearbeitet hat, wird Er Seine Lust sehen und die Fülle haben“ u. s. w., d. i. nachdem Er Sein Leben auf dem Altar des Kreuzes zum Opfer gegeben und in Seinem Leiden große Angst ertragen habe, werde Er, als wieder lebendig geworden, aus dem Tode hervorgehen und sich eine Kirche sammeln, die Sein geistlicher Same sei.

Jes. 55, 3. lesen wir: „Ich will mit euch einen ewigen Bund machen, nämlich die gewissen Gnaden Davids“; V. 4.: „Siehe! ich habe Ihn den Leuten zum Zeugen gestellt, zum Fürsten und Gebieter der Völker“, welches Zeugniß Paulus, Ap. Gesch. 13, 34., in der Auferstehung Christi erfüllt sieht; denn er spricht: „Daß Er Ihn aber hat von den Todten auferweckt, daß Er fort nicht mehr soll verwesen, spricht Er also: ich will euch die Gnade, David verheißen, treulich halten.“ Denn wenn Christus nicht auferstanden wäre, so wäre die dem David geschehene Verheißung von einem ewigen Nachfolger in Seinem Reiche nicht erfüllt worden; auch hätte das Reich Christi nicht durch die Predigt des Evangelii unter allen Völkern fortgepflanzt werden können.

Jes. 63, 1. heißt es: „Wer ist der, so von Edom kömmt, mit röthlichen Kleidern von Bozra? der so geschmückt ist in Seinen Kleidern und einhertritt in Seiner großen Kraft? Ich bin's, der Gerechtigkeit lehret und ein Meister bin, zu helfen.“ V. 2.: „Warum ist denn dein Gewand so rothfarb und dein Kleid, wie eines Keltertreters?“ V. 3.: „Ich trete die Kelter allein, und ist niemand unter den Völkern mit mir.“ Offenb. 19, 13. wird dieses auf Christum bezogen, welcher in Seinem Leiden mit dem purpurrothen, von Seinem Blute besprengten Kleide angethan war; ja auch Sein inneres Leiden, in welchem die Kleider Seines Leibes mit blutigem Schweiß benetzt waren, hat Er bei Gethsemane, welcher Ort von der Kelter den Namen hat, angefangen.

Daniel 9, 26. wird gemeldet: „Nach den zwei und sechzig Wochen wird Christus ausgerottet werden“, ähnlich wie Jesaias sagt, Cap. 53, 8.: „weggerissen von dem Lande der Lebendigen“, d. i. Er wird sterben, nicht wegen eigener, sondern wegen fremder Sünde; denn also wird V. 24. die Frucht Seines Leidens und Sterbens beschrieben: „Es wird dem Uebertreten gewehret und die Sünde zugesiegelt und die Missethat versöhnet und die ewige Gerechtigkeit gebracht werden.“ Daß Christus aber wiederum aus dem Tode werde erweckt werden und zur Herrlichkeit auffahren, ist Cap. 7, 13. vorbergesagt, wo Daniel sieht „im Gesicht des Nachts gleichsam eines Menschen Sohn, der zum Alten der Tage gebracht wird.“ V. 14.: „von welchem Er empfängt Gewalt, Ehre und Reich.“ Hosea 6, 2.: „Er wird uns lebendig machen nach zwei Tagen und wird uns am dritten Tage aufrichten, daß wir vor Ihm leben werden.“ Paulus lehrt 1 Cor. 15, 4., daß Christus am dritten Tage auferstanden sei, nach der Schrift. Diese Bestimmung „des dritten Tages“ wird in dieser Weissagung dargelegt. Denn wie das, was Hosea Cap. 11, 1. von dem Auszuge der Kinder Israel aus Egypten sagt, Matth. 2, 15. auf Christum übertragen wird, wegen der geistlichen Verwandtschaft des Hauptes und der Glieder, also wird das, was von der Auferstehung in der Mehrzahl gesagt wird, mit Recht auf Christum angewendet, welcher am dritten Tage von dem himmlischen Vater auferweckt und der Erstling derer wurde, die da schlafen, 1 Cor. 15, 20., und uns hat Er dieses verdient, daß nach dem Tage der Arbeit in dieser Welt, und nach dem Tage der Ruhe im Grabe, am dritten Tage, d. i. dem des Weltgerichts, wir werden auferweckt werden. Der Prophet spricht daher durch besondere Eingebung in der Mehrzahl und verbindet unsre Auferstehung mit der Christi, weil von dieser die unsrige abhängt, deß zum Zeichen denn auch einige Leiber der Heiligen mit Christo auferstanden sind, Matth. 27, 52.

Hosea 13, 14. steht geschrieben: „Aber ich will sie erlösen aus der Hölle und vom Tode erretten. Tod, ich will dir ein Gift sein, Hölle, ich will dir eine Pestilenz sein.“ Diese Stelle wird 1 Cor. 15, 55., Ebr. 2, 14. auf den Tod und die Auferstehung Christi bezogen, weil Christus durch Seinen Tod unsern Tod zerstörte und durch Seine Auferstehung Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat, 2 Tim. 1, 10. Da Tod und die Hölle wähnten, sie hielten Christum im Grabe gefangen, aber Er kehrte nicht nur als Sieger wieder, sondern ist auch dem Tode und der Hölle ein tödliches Gift, daß sie den an Christum Gläubigen nicht schaden können. Sowie ein Fisch gefangen wird, der den Wurm am Angelhaken verschlingt, also sind auch Tod und Hölle, welche Christum, der sich selbst einen Wurm nennet Ps. 22, 7., verschlungen hatten, grade dadurch gefangen. So wie das vom Magen empfangene Gift durch Erbrechen wieder herausgeworfen wird, also konnte der Tod Christum nicht zurückhalten, sondern gab Ihn wieder von sich, wieder Walfisch den Jonas. So wie der Ichneumon den Leib des Basilisken durchbohrt, also hat auch Christus den Tod und die Hölle durchbrochen, daher Petrus sehr schön sagt Ap. Gesch. 2, 24., „daß Gott aufgelöset habe die Schmerzen des Todes“: der Tod, indem er Christum verschlang, fühlte gleichsam die Wehen des Gebärens; er konnte Christum nicht zurückhalten, noch zur Ruhe bringen, daß Er nicht aus dem Grabe auferstünde und der Erstling der Auferstandenen von den Todten würde, Offenb. 1, 5.

Micha 2, 13. lesen wir: „Es wird ein Durchbrecher vor ihnen herauffahren; sie werden durchbrechen und zum Thore aus- und einziehen und ihr König wird vor ihnen hergehen und der HErr vorne an“, d. i. Christus wird die verschlossenen Thore des Todes und der Hölle in Seiner Auferstehung durchbrechen und in Seiner Auffahrt die wegen der Sünde den Menschen verschlossenen Pforten des Paradieses aufthun, damit wir durch wahren Glauben Ihm folgen und aus dem Tode in das himmlische Paradies hindurchdringen können.

Sacharja 9, 11. heißt es: „Du lässest auch durchs Blut deines Bundes aus deine Gefangenen aus der Grube, da kein Wasser innen ist.“ Diese Weissagung wird Matth. 21, 5. auf Christum bezogen, der auf dem Altar des Kreuzes Sein Blut vergossen hat, welches das Blut des Neuen Testamentes ist, darnach aber durch Seine Auferstehung als Sieger über Tod und Hölle hervorging, das Gefängniß gefangen führte, den höllischen Mächten ihren Harnisch nahm und die Gefangenen befreite.

Sach. 11, 12. wird der dem Judas gegebene Lohn seiner Verrätherei angezeigt, welche Weissagung Matthäus in der Leidensgeschichte Cap. 27, 9. anzieht.

Sach. 12, 10. lautet es: „Sie werden mich ansehen, welchen jene zerstochen haben“, welche Stelle Johannes Cap. 19, 37. auf Christum anwendet.

Sach. 13,7. steht geschrieben: „Schwert, mache dich auf über meinen Hirten und über den Mann, der mir der nächste ist, spricht der HErr Zebaoth. Schlage den Hirten, so wird die Heerde sich zerstreuen“; welche Stelle Christus selber anführt, indem Er den Jüngern Sein Leiden vorhersagt, Matth. 26,31., Marc. 14, 27. Auch wird Seine Auferstehung in den Worten zugleich vorhergesagt: „so will ich meine Hand kehren zu den Kleinen“ d. i. zu den Jüngern, welche im Glauben noch schwach waren, und die Christus wie zerstreute Schafe nach Seiner Auferstehung wiederum sammelte.

Dieses sind nun die vornehmsten Aussprüche des Alten Testaments, welche von Christi Leiden, Tod und Auferstehung handeln. Der Vorbilder sind mehrere, davon wir die wichtigeren aufzählen wollen. Aus der Seite des schlafenden Adams nimmt Gott die Rippe heraus und bildet aus ihr die Eva, die Er dem Adam zum Weibe zugesellt, 1 Mos. 2, 21. Also entschlief Christus, der zweite Adam, 1 Cor. 15, 46., am Kreuze sterbend, und aus Seiner Seite floß Blut und Wasser, jenes zwiefache Sacrament heraus, durch welche mittelst des Dienstes des Wortes die Kirche, Christi Braut, gebaut wird, Eph. 5, 30. - 1 Mos. 3, 21. bereitet Gott den ersten Eltern Kleider von Fellen und zieht sie ihnen an. Diese Felle halten die meisten Ausleger für solche, die den zum Opfer geschlachteten Schafen abgezogen waren, zum Anzeichen, daß jener verheißene Weibessame das Lamm Gottes sein werde, das der Welt Sünde trägt, Joh. 1, 29., und das auf dem Altar des Kreuzes geschlachtet und geopfert werden müsse, damit Er uns das Kleid der Gerechtigkeit erwerbe, das unsre Blöße vor Gott decke.

In 1 Mos. 4, 4. erzählt die Schrift, daß Abel von den Erstlingen seiner Heerde ein Opfer darbrachte, das Gott gefiel, weil es nämlich aus dem Glauben ging, Hebr. 11, 4., denn im Glauben schaute er den verheißenen Weibessamen, jenes Lamm Gottes, an, das auf dem Altare des Kreuzes zum Opfer dargebracht und durch das Feuer des göttlichen Zornes verzehrt werden mußte. Kain aber brachte ein Opfer von den Erstlingen der Früchte dar und wollte weiser sein als Gott, welcher die Opferung des Lammes, als ein Vorbild jenes wahren, auf dem Altar des Kreuzes zu opfernden Lammes, eingesetzt hatte. Daselbst wird auch V. 8. erwähnt, daß Kain Abel getödtet und dessen Blut zum Himmel geschrieen habe; also wurde Christus von den falschen Brüdern nach dem Fleisch getödtet, aber „Sein Blut redet besser denn Abels“, Ebr. 12, 24., da es nicht Rache fordert, sondern Versöhnung und Gnade erlangt. Augustin sagt: „Kain bedeutet die Juden, von denen Christus getödtet wurde, der Hirte der Menschenschafe, welchen Abel abschattete, der Hirte der Thierschafe.“

Noah wurde mit den Seinen zur Zeit der Sündfluth in der hölzernen Arche erhalten, welches Augustin auf das Holz des Kreuzes anwendet. „Die Arche Noah“, sagt er, „ist eine Figur der in dieser Zeit in der Fremde wandernden Kirche, welche durch das Holz errettet wird, an dem der Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus JEsus, hing.“

1 Mos. 22. wird die Geschichte von Isaaks Opferung beschrieben; und daß diese ein Vorbild Christi gewesen sei, lehrt nicht nur Ebr. 11, 19., wo von Abraham gesagt wird, „daß er ihn zum Vorbilde wieder nahm“, sondern auch Christus selbst sagt Joh. 8, 56. von Abraham, daß er „Seinen Tag“ gesehen habe, d. i. daß er in dieser Darbringung des Opfers den Rüsttag gefeiert habe.

Abraham hatte nämlich einen einzigen natürlichen Sohn, dessen er jedoch nicht verschonte; vielmehr war er bereit, ihn zu schlachten, wiewohl er ihn so herzlich liebte, damit er darin seine Liebe gegen Gott beweise: so ist Christus der eingeborne Sohn Gottes, aus dem Wesen des Vaters von Ewigkeit gezeuget, dessen jedoch der himmlische Vater nicht verschonte, sondern Ihn für uns alle dahingab, damit Er darin Seine unermeßliche Liebe gegen uns kundgäbe, Joh. 3, 16., Röm. 8, 32., 1 Joh. 4, 9. Isaak, zum Brandopfer dargebracht, gehorcht dem Vater, trägt das Holz, auf dem er geopfert werden sollte, wird zum Berge Moria hingeführt, ist gleichsam drei Tage lang im Herzen des Vaters todt und lebt erst am dritten Tage wieder auf: so wird Christus im Oelgarten gebunden, wird dem Vater gehorsam bis zum Tode, trägt das Kreuzesholz, auf dem Er geopfert werden sollte, wird zum Berge Golgatha hinausgeführt, der dem Berge Moria benachbart war, liegt drei Tage todt im Grabe, aber ersteht wieder am dritten Tage. Weil aber Isaak ohne Gefahr des Lebens das blutige Opfer des Messias nicht vorbilden konnte, ist, damit das Vorbild vollkommen wäre, nach Gottes wunderbarer Veranstaltung sofort der Widder da, welcher die übrigen Stücke des Leidens abschattet. Denn daß dieses zum Opfer Isaaks gehört, lehrt Moses, wenn er sagt, daß der Widder an Isaaks Statt geopfert worden sei. Der Widder hängt in der Hecke, vergießt sein Blut, wird geschlachtet und geopfert; auf dieselbe Weise trägt Christus, jenes Lamm Gottes, die Dornenkrone, vergießt Sein Blut, wird geschlachtet und geopfert.

1 Mos. 39. ff. wird die Geschichte von Joseph erzählt, welcher von seinen Brüdern verkauft und bis ins dritte Jahr im Gefängniß gehalten, nachher aber zum Herrn über ganz Egyptenland gemacht wurde; dergestalt wurde Christus von dem Verräther Judas verkauft und bis zum dritten Tage im Grabe gehalten, darnach aber erhob Er das Haupt und empfing die Herrschaft über Himmel und Erde.

2 Mos. 2, 2. wird gemeldet, wie Moses in das Kästlein von Rohr gelegt und hernach auf das Wasser ausgesetzt, aber später aus dem Wasser gezogen und der Befreier des israelitischen Volkes wurde: also ruft Christus am Kreuze aus, Ps. 69, 2. 3.: „Das Wasser gehet mir bis an die Seele; ich versinke im tiefen Schlamme, da kein Grund ist“; aber vom Tode und aus aller Drangsal befreit, ist Er unser Befreier geworden.

2 Mos. 3, 2. brennt der Dornbusch, wird jedoch nicht verzehrt; gleicher Weise ist Christus das grüne und laubreiche Holz, wie Er sich selbst in der Leidensgeschichte nennt, Luc. 23, 31., das auf dem Altar des Kreuzes von dem Feuer des göttlichen Zornes angezündet, aber nicht verzehrt wurde, d. i. Er sah die Verwesung nicht, wurde auch nicht vom göttlichen Zorne verschlungen, sondern sproßte und blühte in der Auferstehung von Neuem hervor.

2 Mos. 12. wird das Vorbild des Passahlammes vorgestellt, das Joh. 19, 36. und 1 Cor. 5, 7. auf Christum angewendet wird; denn gleichwie dieses Lamm vollkommen und ohne Tadel, männlich, in seinem besten Alter sein, sodann von der Heerde abgesondert, und hierauf geschlachtet, mit seinem Blute die Pfosten- und Ueberschwelle bestrichen, am langsamen Feuer gebraten, und endlich gegessen werden mußte: also ist es auch mit Christo, dem heiligen, unschuldigen, unbefleckten Lamme Gottes, ergangen, daß Er auf dem Brandopferaltar des Kreuzes theils durch das Feuer des göttlichen Zornes, theils durch die Flamme Seiner heißen Liebe gleichsam gebraten wurde und immerdar gegessen wird, sowohl sacramentlich im heiligen Abendmahl, als auch geistlich durch die gläubige Aneignung Seines blutigen Verdienstes, dadurch denn auch die gläubigen Seelen vor dem Würgengel, d. i. vor Tod und Teufel, sicher bewahrt bleiben.

Im 3. Buche Mosis werden mannigfaltige Opfer beschrieben, welche alle, vornehmlich aber die Sühnopfer, Christi Leiden und Tod vorbildeten; denn sie waren sichtbare Predigten, daß der durch unsre Sünden verwirkte Tod auf Christum übertragen werden solle, der deshalb am Kreuze durch das Feuer der Liebe entbrenne, daß Er sich für uns dargebe zur Gabe und Opfer, Gott zu einem süßen Geruch, Ephes. 5, 2.

3 Mos. 16, 21. geschieht des Bockes Erwähnung, der in die Wüste laufen gelassen wurde, nachdem alle Sünden der Kinder Israel, die er eben in die Wüste trug, auf sein Haupt gelegt waren: also ist Christus jenes Lamm Gottes, welches selbst unsere Sünden an Seinem Leibe auf dem Holz trug, 1 Petri 2, 24.

4 Mos. 16, 48. wird von Aaron erzählt, daß er, zwischen Todten und Lebenden stehend, den erzürnten Gott durch den Geruch seines Opfers besänftigt: also sühnte Christus, der Hohepriester des Neuen Testaments, als der einzige Mittler zwischen dem lebendigen Gott und den in Sünden todten Menschen, uns Gotte durch Seinen Tod, indem Er sich Ihm selber zum Opfer dargab, Röm. 5, 10.

4 Mos 17, 8. lesen wir, daß der dürre Stab Aarons durch ein göttliches Wunder blühte und Frucht trug: also verdorrte zwar Christus, die Ruthe aus der Wurzel Isai's, Jes. 11, 1., im Tode, Ps. 22, 16., aber in der Auferstehung sproßte sie von Neuem hervor.

Nach 4 Mos. 19, 2. wird die röthliche Kuh, die ohne Makel und Fehl war, aus dem Lager hinausgeführt und daselbst zu Asche verbrannt, daraus dann das Reinigungswasser bereitet wurde, Ebr. 9, 18., 13,13. Dieses wird nun auf Christum angewendet, welcher, in den Augen Gottes vom Feuer Seiner Liebe erröthend, außerhalb der Thore Jerusalems vom Feuer des göttlichen Zornes angezündet wurde, damit Er durch Sein für unsere Sünden vergossenes Blut uns von aller Unreinigkeit abwüsche.

4 Mos. 21, 8. ff. wird das Vorbild der in der Wüste aufgerichteten ehernen Schlange dargestellt, welches Christus selbst Joh. 3, 14. auf sich zieht, und in der Historie selber wird die Schlange ein Zeichen genannt, damit wir erkennen, es werde durch sie etwas Anderes bezeichnet, das zu seiner Zelt in Erfüllung gehen werde. Die von den Schlangen verletzten Israeliten empfanden durch das ihren Eingeweiden eingeflößte Gift eine unerträgliche Hitze, einen unsäglichen Durst und einen greulichen Tod. Wir empfinden nicht minder nach dem Biß der höllischen Schlange und durch das uns eingeflößte Sündengift die Gluthitze und Angst des erschrockenen Gewissens, den Durst nach Trost und den Tod des Leibes und der Seele. Die eherne Schlange, um das Heilmittel wider den Schlangenbiß zu sein, wurde auf einer Stange aufgerichtet: also ist Christus erhöht worden am Holze des Kreuzes. Die Schlange ist ein verachteter und vermaledeiter Wurm: also spricht durch den Mund Davids Christus von sich Ps. 22, 7.: „Ich bin ein Wurm und kein Mensch“; desgl. Jesaias Cap. 53.: „Er war der allerverachtetste und unwertheste“; ferner Paulus Gal. 3.: „Er ward ein Fluch für uns.“ Die eherne Schlange hatte eine solche Gestalt, als wenn sie feurig wäre, wegen ihres röthlichen Ansehens: also ist Christus auf dem Brandopferaltare des Kreuzes von dem Feuer der Liebe gleichsam roth gesotten und mit Seinem purpurrothen Blute überflossen. Die eherne Schlange hatte nur die Gestalt eines verderblichen Thieres, war aber in der That und Wahrheit nicht giftig: so nahm Christus unser Fleisch nur in der Gestalt der Sünde, jedoch thatsächlich ohne Sünde an, Röm. 8, 3. Der Anblick der ehernen Schlange heilte die von den feurigen Schlangen verursachten Bisse und Wunden: also heilt Christus mit den Augen des Glaubens angeschauet, das Gift der Sünde und schenkt der Seele die Gesundheit.

Nach 4 Mos. 28, 3. wird den Israeliten befohlen, an jedem Tage früh und Abends ein Schaf zum Brandopfer darzubringen, damit sie ein tägliches Gedächtniß jenes Lammes Gottes hätten, das da trägt und hinwegnimmt die Sünde der Welt, Joh. 1, 29., und das erwürget ist von Anbeginn der Welt, Offenb. 13, 8.

In 4 Mos. 35, 28. wird dem Todschläger geboten, außerhalb seines Vaterlands zu bleiben bis zum Tode des Hohenpriesters, und dann erst kehrte er in seine Heimath zurück: also eröffnete uns Christus, der Hohepriester des Neuen Testaments, durch Seinen Tod die Rückkehr in das himmlische Vaterland, aus dem wir durch die Sünde, die da ist der Tod der Seele, ausgeschlossen sind.

Jos. 10, 26. zertritt Josua die Köpfe der fünf Könige, die er in der Schlacht besiegt hatte: also überwindet Christus, der himmlische Josua, durch Sein Leiden, Sterben und Auferstehen die Sünde, den Tod, den Satan, die Hölle und alle höllischen Mächte.

Nach Richt. 7, 20. trägt Gideon auf diese Weise den Sieg über die Feinde davon, daß seine Kriegsleute in der Rechten Posaunen, in der Linken Fackeln in irdenen Krügen tragen, die sie beim Anbruch des Treffens zerschlagen, damit die Fackeln herausstrahlen, zugleich blasen sie die Posaunen. Dieses wird Joh. 9, 4. auf Christum gezogen, der, nach Ps. 22, 16., wie ein zerbrochenes Gefäß und wie ein Scherben war; in Seiner Auferstehung aber strahlte das Licht Seiner göttlichen Macht hervor, also daß Er durch Seinen Tod und Auferstehung Seine Feinde überwindet und diesen Sieg durch den Schall der Posaune des Evangeliums in der ganzen Welt verkündigt.

In Richt. 16, 3. wird erzählt, daß Simson, um Mitternacht von seinem Lager sich erhebend, die Thore der Stadt Gaza, darin er gefänglich gehalten wurde, aushebt und auf den Berg trägt und die Stricke, damit er gebunden war, zerreißt- also durchbrach auch Christus, jener wahre Nasiräer, obzwar zuvor gebunden von Tod, Satan und Hölle, die Pforten des Todes, zerstörte die Hölle, band den Satan und führte durch Seine Auferstehung und Himmelfahrt das Gefängniß gefangen.

Nach 1 Sam. 17, 49. greift David in verachteter Gestalt den Goliath an und ist in den Augen der Philister bereits gelodtet, aber als Sieger kehrt er aus dem Zweikampf zurück und dieser Sieg kommt dem ganzen Volke Israel zu Nutz: also griff auch Christus in verachteter Gestalt den Teufel, jenen starken Gewappneten, an und die höllischen Mächte hielten Christum schon für besiegt und gebunden, aber als ruhmgekrönter Ueberwinder kehrte dieser aus der Schlacht zurück und wandte dadurch auch uns den Sieg zu.

Dan. 6, 22. wird von Daniel erwähnt, daß er, aus der Löwengrube befreiet, die Lehre vom wahren Gotte Israels fortgepflanzt habe: also klagt zwar zuerst Christus Ps. 22, 14.: „Ihren Rachen sperren sie auf wider mich, wie ein brüllender und reißender Löwe“; aber aus dem Rachen jener Löwen erlöset, V. 22., und durch Seine Auferstehung zur Herrlichkeit erhoben, befiehlt Er, daß „in Seinem Namen gepredigt werde Buße und Vergebung der Sünden“, Luc. 24, 47.

Jon. 2, 1. wird von dem Propheten gemeldet, daß er im Leibe des Walfisches drei Tage und drei Nächte gewesen sei; und dieses Vorbild wendet Christus selbst Matth. 12, 40. auf sich an. Nachdem Jonas ins Meer geworfen war, stand dieses alsbald stille von seinem Wüthen; desgleichen, nachdem Christus in das Meer der Leiden hineingestürzt worden, war das Unwetter des göttlichen Zornes gestillt. Jonas war drei Tage im Bauche des Walfisches: also war Christus drei Tage mitten in der Erde, d. i. im Grabe. Der Walfisch wird gezwungen, Jonam wieder auszuspeien: also konnte Christus nicht vom Tode gehalten werden. Jonas, aus dem Bauche des Walfisches befreit, predigte den Niniviten Buße: also gebietet Christus nach Seiner Auferstehung, daß auf dem ganzen Erdkreise Buße gepredigt werde u. s. w.

Dieses sind nun die Vorbilder des Alten Testaments, in welchen Christi Tod und Auferstehung abgeschattet ist und welche entweder alle oder doch die meisten Christus Seinen Jüngern in dieser Predigt vorlegte. Wer mehr darüber begehrt, der befrage das Büchlein D. Urbani Rhegii, das er von dieser Reise nach Emmaus in der Form eines Zwiegesprächs niedergeschrieben hat.

Es folgt nun:

III. der dritte Theil der Historie, nämlich Christi Sichselbstoffenbaren.

Während nun die zwei Jünger Christi Auslegung demüthig anhören, so „kamen sie nahe zum Flecken, da sie hingingen; und Er stellte sich, als wollte Er fürder gehen.“ Diese letzten Worte sind also zu verstehen, wie Marc. 6, 48. 49., wo Christus um die vierte Nachtwache zu Seinen Jüngern kam, die bei widrigem Winde auf dem galiläischen Meere Noth litten im Rudern, und auf dem Meere wandelnd vor ihnen vorübergehen wollte, d. i. sich stellte, als wollte Er vorübergehen.

Bei diesem Sichstellen Christi in unsrer Historie, als wollte Er weiter gehen, hatte Er aber keinen andern Zweck, als die heilige Begierde diese r Jünger um so heftiger zu erregen. Ihre Herzen nämlich waren durch das Feuer des Heiligen Geistes bei der Schriftauslegung Christi mächtig entbrannt, also daß ihnen der Weg gar kurz erschien und sie sehnlich begehrten, daß diese Predigt Christi noch ausführlicher wäre; und deshalb also stellt sich Christus, als wolle Er weiter gehen, damit sie die Funken dieses im Herzen entzündeten Feuers herausließen und die Gastfreundschaft gegen ihren Reisegefährten, von dem sie so gründlich unterrichtet worden, durch die That bewiesen. Und was hier Christus äußerlich thut, das pflegt häufig innerlich in allerlei Trübsal in den Gemüthern der Frommen zu geschehen; denn wiewohl sich Christus im Worte des Evangelii uns offenbart und das betrübte Gewissen tröstet, so scheint Er dennoch, weil nicht selten die Plage nicht sogleich weggenommen, sondern eher gemehrt wird, vielmehr weiter von uns zu gehen.

Lucas aber erzählt weiter V. 29.: „Und sie nöthigten Ihn und sprachen: bleibe bei uns; denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneiget.“ Natürlich ist unter diesem Nöthigen kein äußerlicher Zwang zu verstehen, sondern ein solches, das sich in Bitten und herzlichem Dringen und Anliegen kundgibt; denn solche Gewalt ist Gott angenehm, wie auch St. Bernhard von den Gebeten der Frommen sagt, daß sie den Unüberwindlichen überwinden und den Allmächtigen binden, was er ohne Zweifel aus 2 Mos. 32, 10. genommen hat, wo Gott zu Moses spricht: „Laß mich, daß mein Zorn über sie ergrimme.“ Als Ursache, dadurch sie Ihn zum Bleiben bewegen wollen, führen sie an, „weil der Tag sich neige.“ Sie hielten Ihn nämlich für einen Fremdling, der wegen des Passahfestes nach Jerusalem gekommen sei, und ermahnen Ihn daher, daß Er nicht beim Einbruch des Abends und durch die Menge wegelagernder Fremdlinge nach Jerusalem zurückkehre oder in einen andern Flecken sich begebe und einer vorhandenen Gefahr sich aussehe, dadurch sie sich denn dem Lehrer, von dem sie unterrichtet worden, dankbar erzeigen.

Uebrigens hat der Ausdruck von dem hereinbrechenden Abend und dem Sichneigen des Tages seine sinnbildliche Bedeutung; denn theils deutet er hin auf den Abend der Welt, der bereits herzugenaht ist, 1 Cor. 10, 11., 1 Joh. 2, 18., und mit welchem die Finsterniß der Unglücksfälle verbunden ist (denn wie die meisten Ungewitter um den Abend zu entstehen pflegen, also überfallen uns um diesen Abend der Welt allerlei Unfälle und Trübsale), Heils auf den Abend der evangelischen Lehre; denn wie am Abend des Tages das Licht sich zu mindern und zu verbergen anfängt, also beginnt um diesen Abend der Welt das Licht der evangelischen Lehre allmählich zu erlöschen; die Sonne der Gerechtigkeit hält ihre Strahlen zurück; die Inbrunst der Gottseligkeit nimmt zusehends ab und die Finsterniß des Verderbens in Lehre und Leben bricht mächtig herein; deshalb lasset uns, nach dem Exempel dieser Jünger, nicht in wörtlich erlernten, sondern aus dem innersten Herzen quillenden Gebeten Christum bitten, ja ernstlich in Ihn dringen, daß Er bei uns bleibe, sonderlich daß Er am Abend des Lebens bei uns sei und durch das finstere Thal des Todes uns zum Licht des ewigen Lebens hinüberführe. Durch solches Bitten läßt sich denn auch Christus halten, daß Er bei uns bleibe. Denn wie Josua durch Sein Gebet den Lauf der Sonne aufhalten konnte (Jos. 10, 13.), also läßt sich hier die Sonne der Gerechtigkeit durch unser Gebet zum Stillestehen bewegen. Im Ringen mit dem Patriarchen Jakob stellt sich der Sohn Gottes, als wollte Er sich ihm entziehen; „laß mich gehen“, spricht Er, „denn die Morgenröthe bricht an“ (1 Mos. 32, 26.); aber durch den Glauben und das Flehen Jakobs wird Er von diesem zurückgehalten. Hosea sagt Cap. 12, 5.: „Er hat von allen Kräften mit Gott gekämpft; er kämpfte mit dem Engel und siegte; denn er weinte und bat Ihn.“ Desgleichen ließ sich der HErr, da Er sich stellte, als wolle Er fürder gehen, durch die Bitten des cananäischen Weibes und des Blinden zurückhalten, Matth. 15, 28., Luc. 18, 38.

Demgemäß handelt Er nun auch hier; und da die Jünger mit Bitten in Ihn drangen, so willigte Er in ihr Begehren „und ging hinein, bei ihnen zu bleiben; und es geschah, da Er mit ihnen zu Tische saß, nahm Er das Brod, dankete und brachs und gabs ihnen; da wurden ihre Augen geöffnet und erkannten Ihn.“

Ueber dem Essen also gab sich Christus diesen Jüngern zu erkennen; denn zu dem Ende hatte Er sich zu ihnen gesellet, nicht, daß Er als derselbe Fremdling, wie Er zu ihnen gekommen war, wieder von ihnen schiede, sondern daß Er sich ihnen als den wieder Lebendiggewordenen darstellte und durch diese Offenbarung Seine Auferstehung bewiese. Denn Er nimmt das Brod, danksaget, bricht es und reicht es den Jüngern dar; und siehe! da werden ihre Augen aufgethan, daß sie Ihn erkennen „an dem, da Er das Brod brach“, wie sie später selber erwähnen. Da entstehen nun zwei Fragen. Zuerst nämlich, wie sie aus dem Brechen des Brodes Ihn erkennen konnten, den sie aus einem dreistündigen Verkehr und Unterredung nicht erkannt hatten?

Lyra hält dafür, Christus habe eine besondere Weise des Brodbrechens gehabt, daran sie Ihn erkannt hätten; „so brach Er das Brod“, sagt er, „als wenn es mit dem Messer geschnitten würde.“ Aber diese Annahme ermangelt eines festen Grundes. Andere meinen, Christo sei eine sonderliche Weise der Danksagung eigenthümlich und bräuchlich gewesen, daran die Jünger gewöhnt waren, damit sie, durch dieses Kennzeichen erinnert, ihre Sinne erweckten. Allein da der Text ausdrücklich sagt, ihre Augen seien geöffnet worden, damit sie Christum erkannten, so ist die Ursache des Erkennens nicht in der Weise des Brodbrechens, sondern in der göttlichen Macht zu suchen, welche, wie sie zuvor die Augen der Jünger gehalten hatte, daß sie Christum nicht erkannten, nun wiederum sie hier öffnete, daß sie Ihn erkennen konnten. Wenn daher gesagt wird, Christus sei von ihnen erkannt worden „an dem, da Er das Brod brach“, so wird nicht die bewirkende Ursache dieses Erkennens dadurch angezeigt - denn sonst müßte das Wörtlein aus dastehen -, sondern nur die Zeit; denn nicht durch das Brechen des Brodes, sondern während desselben, ja in dem Augenblicke, als Er es brach, wurde Er erkannt. Doch wird nicht ungeschickt gesagt, daß durch die Christo eigenthümliche und gewohnte Weise des Segnens, Brechens und Darreichens die Gemüther dieser Jünger angeregt wurden, daß sie an Christo auf Alles genauer achteten, und sie also, indem nun die durch göttliche Macht bewirkte Oeffnung der Augen hinzukam, Ihn erkannten.. Es wurde, sagt die Glosse, den fleischlichen Augen die Gestalt der Schwäche entzogen, damit ihren Seelen die Herrlichkeit der Auferstehung zu erscheinen anfinge.

Nach dem Falle Adam's und Eva's wurden ihnen freilich auch die Augen geöffnet, aber leider nur zur Erkenntniß ihrer Blöße und Sünde; die Augen dieser Jünger aber wurden zur Erkenntniß des von den Todten erstandenen Christus geöffnet, der durch Seine Auferstehung das Kleid der unsre Blöße vor Gott bedeckenden Gerechtigkeit uns erwarb und die Güter, die durch Adams Fall verloren waren, wiederbrachte.

Es ist aber wohl zu merken, daß dieser äußeren und sichtlichen Offenbarung Christi die innerliche und geistliche durch das Wort vorausgegangen war. Und wie Christus auf dem Wege diesen Jüngern aus Mose und den Propheten predigt und ihren Seelen sich zuvor innerlich offenbart, und darnach erst in der Herberge sich ihnen auch äußerlich offenbart und leiblich von ihnen anschauen läßt: also kommen auch wir auf dem Wege dieses Lebens zuerst durch das Wort aus den prophetischen und apostolischen Schriften zur heilsamen Erkenntniß Christi, bis wir endlich in der Herberge des zukünftigen Lebens Ihn von Angesicht zu Angesicht schauen werden (1 Cor. 13, 12., 1 Joh. 3, 2.). Und auf diese Weise wäre Emmaus, der Zielpunkt dieser Wanderung der Jünger, ein Bild des ewigen Lebens, darnach die Frommen mit sehnlichem Verlangen im ganzen Verlaufe ihres Lebens streben. Andern jedoch gefällt es besser, daß Emmaus das Bild der Kirche in diesem Leben sei; denn Emmaus bedeutet die Mutter der Stärke, der Morgenröthe und des Trostes, auch führte die Stadt den Namen Nikopolis, Siegesstadt, bei welcher das Heer des Antiochus von den Maccabäern darniedergelegt worden war. Jenes wenden sie nun auf die Kirche an, welche eine Mutter der Stärke, der Morgenröthe und des Trostes ist, in welcher das Licht des göttlichen Wortes leuchtet, in welcher der evangelische Trost erschallt, in welcher die Lehrer einen Sieg nach dem andern erhalten (Ps. 84, 8.) und in der Christus sich offenbart; und wie bei Emmaus eine Heilquelle war, also ist auch in der Kirche der Heilsbrunnen der Taufe, davon es Sacharja 13, 1. heißt: „Zu der Zeit wird das Haus David und die Bürger zu Jerusalem einen freien offenen Born haben wider die Sünde und Unreinigkeit.“ Doch mögen diese Allegorien von der Einfalt des Textes, dessen Erklärung wir suchen, vielleicht etwas zu ferne liegen.

Fürs Zweite wird gefragt, ob Christus an diesem Orte mit Seinen Jüngern das heilige Abendmahl gehalten habe? Die Papisten bejahen es und kämpfen heftig dafür, in der Meinung, in diesem Texte keinen geringen Grund für ihren Kelchraub vorzufinden, wie Bellarmin schreibt, Christus habe hier durch Sein Exempel bestätigt, daß der Gebrauch einer Gestalt im Abendmahl zum Heile genüge.

Aber es kann durchaus kein klarer und gewisser Beweis aus dem Texte abgeleitet werden, daß Christus hier das heilige Abendmahl gehalten habe; vielmehr sind die Einsetzungsworte: „dies ist mein Leib“ ausgelassen, ohne welche doch, wie die Papisten selber zugeben, die Verwaltung des heiligen Abendmahls nicht geschehen kann. Lora versteht es daher von einer gewöhnlichen Mahlzeit; „Er nahm das Brod“, sagt er, „segnete, brach und reichte es ihnen dar, wie Er vor Seinem Leiden zu thun gewohnt war.“ Denn es wird hier etwas Aehnliches gemeldet, wie in der Geschichte der mit wenigen Broden gesättigten Fünftausend, wo dasselbe von Christo erzählt Matthäus Cap. 14,19., Marcus Cap. 6,41., Lucas Cap. 9,16., Johannes Cap. 6,11., wo des Segnens, Brechens und Darreichens des Brodes ausdrücklich gedacht wird. Und wenn wir auch, als das Aeußerste, zugäben, es werde in diesem Segnen und Brechen des Brodes eine Figur des Abendmahls dargestellt, so müssen gleichwohl unsre Gegner ohne Zwang uns zugeben, daß richtiger aus den Worten der Einsehung, als aus Figuren, von den wesentlichen Theilen dieses Sacraments zu urtheilen sei. Auch ist es keineswegs wahrscheinlich, daß Christus durch dieses Thun Seine Einsetzung, welche die Norm und Form für die Verwaltung dieses hochheiligen Mysteriums ist, habe ändern wollen. Es bleibt also nichts Anderes übrig, als daß eine gewöhnliche Mahlzeit hier beschrieben worden, darin uns Christus durch Sein Beispiel lehrt, daß sie mit Gebet begonnen, mit Danksagung geendigt werden solle, weil alle Speise geheiligt wird durch Gottes Wort und das Gebet, 1 Tim. 4, 5.

Nachdem nun Christus diesen Seinen Jüngern sich geoffenbart und ihnen darin eine befriedigende Bestätigung Seiner Auferstehung gegeben hatte, so entzog Er sich ihrem Anblick und verschwand vor ihren Augen, d. i. auf wunderbare Weise hörte Er auf, von ihnen gesehen zu werden, sei es, daß Er in dem Gemach noch gegenwärtig blieb, oder daß Er durch die Gabe der Beweglichkeit, dadurch Er mit Seinem verklärten Leibe auch die verschlossenen Thüren durchging, sich unsichtbar entfernte; denn wenn Er im Stande der Erniedrigung mitten durch die Nazarethaner hindurchgehen konnte, Luc. 4,30., und sich vor der Wuth der Juden im Tempel verbergen und mitten durch sie aus dem Tempel herausgehen konnte, wie viel mehr konnte Er dieses im Stande der Erhöhung nach Seiner Auferstehung thun, durch welche er in Seine Herrlichkeit eingegangen war? Epiphanius schreibt wider Marcion: „Es ziemte Ihm, der Gott war und Seinen Leib in einen geistlichen wandelte, diesen Seinen wahren Leib zwar zu zeigen, aber auch zu verschwinden, wenn Er wollte, weil Ihm alles möglich ist.“ Denn warum wollten wir das dem Leibe Christi absprechen, was jedem verklärten Leibe einzuräumen ist, nämlich daß er zwar, dem Vermögen nach, sichtbar, der That aber nach unsichtbar sei? „Da die himmlische Herrlichkeit“ - schreibt Dr. Geßner in seinem Büchlein von der Person Christi - „von solcher Beschaffenheit ist, daß sie kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen ist, 1 Cor. 2, 9., so kann deshalb ein geistlicher Leib von irdischen und sterblichen Augen nicht erschaut werden, weil zwischen dem Gegenstand, nämlich dem geistlichen Leibe, und dem Werkzeuge des Sehens, nämlich dem irdischen Auge, keine Wechselbeziehung, Aehnlichkeit und Verhältniß besteht, was selbst auch daraus erhellt, daß die Schwachheit unsrer Augen so groß ist, daß sie nicht einmal den Glanz der Sonnenstrahlen zu ertragen vermögen; wie wären sie da im Stande, das strahlende Licht der geistlichen Leiber zu erleiden?“ Die Luft entzieht sich durch ihre Feinheit, die doch keinesweges die zarteste ist, dem Auge der Menschen, und der geistliche Leib, der durch das Felsstück vor dem Grabe und durch die verschlossenen Thüren hindurchging, die der Luft keinen Durchgang gewähren, sollte unsern so blöden Augen sichtbar sein? Und wenn das von Gott erleuchtete Angesicht Mosis die Israeliten ohne Decke nicht anzuschauen vermochten (2 Cor, 3, 13.), was wird da von dem verklärten Angesicht Christi zu urtheilen sein? Davon schreibt Augustinus an Oroflus: „Der HErr erstand mit verklärtem Fleische, aber Er wollte in dieser Verklärung deshalb Seinen Jüngern nicht erscheinen, weil sie mit ihren Augen dieselbe nicht anzuschauen im Stande waren.“

Daß also Christus auf dem Wege Seinen Begleitern sich sichtlich darstellte, war ein Werk Seiner freien Machtvollkommenheit und ein nur zeitweise angenommener Zustand des Leibes; daß Er aber den sterblichen Augen sich entzieht, ist der Eigenthümlichkeit des verklärten Fleisches gemäß. Hievon sagt Thomas von Aquinum: „Wer einen verklärten Leib hat, in dessen Gewalt ist es, sich sehen zu lassen, wenn er will, und wenn er nicht will, nicht gesehen zu werden. Diese Macht aber hatte Christus nicht allein aus der Beschaffenheit des verklärten Leibes, sondern auch aus Kraft der Gottheit, dadurch es geschehen kann, daß auch unverklärte Leiber auf wunderbare Weise nicht gesehen werden.“

Es wird also aus diesen Stellen geschlossen, daß Christi Leib unsichtbar und unwahrnehmbar irgendwo sein könne, da er nicht allein verklärt, sondern auch ein mit dem Sohne Gottes (dem Logos) persönlich vereinigter Leib sei, durch welchen Vorzug dieser von allen andern verklärten Leibern gar sehr zu unterscheiden ist. Auch wollte Christus durch dieses Verschwinden anzeigen, daß Er nicht zu diesem Leben auferstanden sei, sondern damit Er nach Seiner Auferstehung und Himmelfahrt das himmlische und geistliche Reich anfinge. Den Jüngern wäre es nämlich jetzt auch viel lieblicher und angenehmer gewesen, mit Christo sich zu unterreden und zu verkehren, als ehedem, aber plötzlich verschwindet Er vor ihren Augen; denn Er war gekommen, um sie im Glauben an Seine Auferstehung zu befestigen, nicht aber, um, wie in voriger Weise, so auch in Zukunft mit ihnen zu verkehren; denn jenes Verlangen war fleischlich, indem sie die frühere Gemeinschaft mit ihm erwarteten; und darum richtete Er ihre Herzen durch dieses plötzliche Verschwinden auf die geistlichen und himmlischen Dinge, gleichwie Er zu Maria Magdalena sagt, die wohl nahe daran war, Seine Füße innig zu umfassen und festzuhalten: „Rühre mich nicht an, verkündige aber meinen Brüdern, ich fahre auf“ u.s.w. Wir sehen nämlich, daß in den Seelen der Frommen in diesem Leben ein stetiger Wechsel der Angst und Freude sei. Christus hatte durch Seinen Tod Seine Jünger am meisten betrübt, aber Er erscheint ihnen auf dem Wege und erheitert sie durch geistlichen Trost; bald nach Seiner Offenbarung entzieht Er sich wieder ihren Augen; sie aber kehren nach Jerusalem zurück und sehen Ihn dann mit den anderen Jüngern von Neuem; denn also ist das Loos der Frommen in dieser Welt, daß sie in beständigem Wechsel das zu erfahren genöthigt werden, was Christus Joh. 16, 16. sagt: „Ueber ein Kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein Kleines, so werdet ihr mich sehen“, bis endlich im ewigen Leben die volle und ununterbrochene Freude folgt, deren Christus, V. 22., Erwähnung thut, da Er spricht: „Ich will euch wieder sehen und euer Herz soll sich freuen und eure Freude soll niemand von euch nehmen.“ Nachdem nun Christus dem Anblick dieser Jünger sich entzogen hatte, sprachen sie unter einander: „Brannte nicht unser Herz in uns, da Er mit uns redete auf dem Wege, als Er uns die Schrift öffnete?“ Wir hätten billig, wollen sie sagen, aus jener herrlichen Auslegung, die einen süßen Stachel in unsern Herzen zurückließ und uns mit geistlichem Feuer entzündete, erkennen sollen, daß Er Christus sei, der mit uns redete, aber wir waren also benommen, daß wir es nicht wahrnehmen konnten; Er öffnete uns die Schrift, daraus hätten wir schließen sollen, Er sei es, der da hat den Schlüssel Davids, da Er nicht allein uns äußerlich predigte, sondern auch innerlich mit dem Lichte der Erkenntniß unsere Herzen entzündete. Unter jenem Feuer, dessen Entbranntsein im Herzen unter Christi Predigt diese beiden Jünger bezeugen, wird zuerst verstanden das geistliche Feuer der Andacht, aus der fleißigen Anhörung dieser Predigt entzündet; sodann das Feuer der Freude und Wonne aus dem wahren Verstande der prophetischen Weissagungen und aus Christi Offenbarung, endlich das Feuer der Liebe gegen die übrigen Jünger, dadurch sie also gedrängt werden, daß sie, obgleich schon der Abend hereinbrach, sofort nach Jerusalem zu ihnen zurückkehren und sie dieser fröhlichen Botschaft theilhaftig machen. So also entzündete Christus, jenes am Kreuze durch das Feuer der Liebe entzündete Lamm Gottes, wiederum die Herzen der Jünger und zwar durch das Wort, davon es Jer. 23, 29. lautet: „Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HErr.“

Da diese Jünger früher die Schrift noch nicht verstanden, so war ihr Herz noch kalt; aber als Christus auf dem Wege zu ihnen redete und ihnen die Schrift auslegte, so empfingen sie in ihren Herzen eine geistliche Brunst; das Wort Gottes ist daher jenes Werkzeug, durch welches das geistliche Feuer der Erkenntniß und Liebe Gottes in den Herzen der Menschen angezündet wird; denn mit dem Worte ist die Wirksamkeit des Heiligen Geistes verbunden, welcher in feurigen Zungen über die Apostel ausgegossen wurde, daher denn auch das Wort, als Werkzeug des Heiligen Geistes, ein Feuer genannt wird; und ähnlicher Weise, wie ein irdisches Feuer erwärmt und entzündet, also wird durch das Handeln des Wortes das Licht der göttlichen Erkenntniß angezündet und die Brunst der Andacht in unserm Herzen gemehrt. Zu diesem Feuer also nahe herzu, wer durch die Brunst des Geistes heilsam zu erwärmen begehrt; denn von diesem, durch das Mittel des Worts in den Herzen entzündeten, Feuer des Heiligen Geistes werden unsre Herzen aufwärts zu Gott gezogen, leuchten in der Erkenntniß Gottes und brennen in der Liebe Gottes; durch dieses Feuer werden die Lüste und Begierden des Fleisches ausgeschmolzen, gereinigt und ausgebrannt; und wie im Alten Testament gewisse Opfer durch Feuer vom Himmel verzehrt wurden zum süßen Geruch vor dem HErrn, also entbrennt auch aus diesem geistlichen Feuer das brünstige Gebet und Flehen, welches Gott ein angenehmes Opfer und Räuchwerk ist; und wie Elias auf dem feurigen Wagen in den Himmel hinaufgetragen ward, also erweckt dieses Feuer die brünstige Liebe zu Gott und entrückt uns durch seine Flamme gleichsam ganz und gar in den Himmel, daß wir in heiliger Sehnsucht zu Christo aufseufzen und bei Ihm zu sein begehren, ähnlich wie diese Jünger Christum nicht also aus ihrem Herzen und Sinne verlieren, wie sie Ihn aus den Augen verloren hatten, sondern aus Ursach dieses in ihren Herzen entzündeten geistlichen Feuers Ihn um so begieriger umfassen und desto brünstiger von Ihm miteinander reden, je schneller Er sich ihrem Anschauen entzogen hatte. Es ist also wohl zu merken, daß das Licht der durch das Licht des Wortes in den Herzen dieser Jünger entzündeten göttlichen Erkenntniß ein Brennen genannt wird, gleichwie das Feuer und das Licht der Fackeln nicht allein leuchtet, sondern auch brennt, Matth. 5,15., Luc. 12, 35., Joh. 5, 35., Hebr. 12, 18.; und weil die wahre Erkenntniß Christi nicht nur ein Licht im Verstande, sondern auch ein Affect im Herzen ist, nämlich die Zuversicht, Liebe und Brunst der Andacht u. s. w., so ist die Kenntniß des Buchstabens nur todt und kalt, aber die Erkenntniß des Geistes brennt, leuchtet und entzündet.

IV. Es folgt nun endlich der vierte und letzte Theil dieser Historie, der Bericht der Jünger. Unser Evangelium nämlich sagt: „Und sie stunden auf zu derselbigen Stunde, kehreten wieder gen Jerusalem“, damit sie den Jüngern Christi berichteten, was sie gesehen und gehört hatten. Durch die Predigt Christi war ein geistliches Feuer in ihren Herzen entzündet worden; wie nun das natürliche Feuer thätig, rührig und schäftig ist, treibt und drängt, also treibt und drängt nun auch jenes geistliche, in den Herzen dieser Jünger leuchtende und brennende Feuer, daß sie sogleich nach Jerusalem zurückkehren; denn sie waren entbrannt theils von Eifer, die Ehre Christi auszubreiten, theils von Verlangen nach dem Heile ihrer Brüder; dieses Feuer der Liebe drängt sie, daß sie nicht ruhen können, sondern zu den übrigen in Jerusalem versammelten Jüngern eilen; denn nach Röm. 8, 14. werden die Kinder Gottes getrieben von dem Heiligen Geist, und die Liebe Christi dränget sie, 2 Cor. 5, 14. So lassen sie sich also nicht Zeit, sich satt zu essen und auszuruhen, sondern eilen ungespeiset nach Jerusalem zurück; denn dieses war ihre Speise, den Willen Gottes zu thun, indem sie die überaus fröhliche Nachricht von der wirklichen Auferstehung Christi den Brüdern mittheilen. So hält sie auch von diesem Vornehmen weder die Länge des Weges, noch die nächtliche Stunde, noch die Masse von allerlei Volk zurück, was eben zur Zeit des Passahfestes zusammengekommen war und auch die Nachbarschaft von Jerusalem erfüllte. Und wenn gleicher Weise das geistliche Feuer des Glaubens, der Andacht, der Liebe und Frömmigkeit in unsern Herzen brennete, so würden wir mit gleichem Eifer und Fleiß die Ehre Gottes und des Nächsten Heil fördern; denn das ist die Natur des wahren Glaubens, daß er durch die Liebe thätig ist, Gal. 5, 6., so wie auch diese Jünger nicht zufrieden sind, den auferstandenen Christus gesehen und erkannt zu haben, sondern die frohe Botschaft davon den übrigen Jüngern zu bringen eilen. Der wahre Glaube macht uns theilhaftig der göttlichen Natur, 2 Petri 1, 4. Und wie Gott, der das höchste Gut ist, Seine Güte auch Andern mittheilt, also wünschet und bittet auch der Glaube von Herzen Allen die Erkenntniß Christi und was in ihr begriffen ist, nämlich die ewige Seligkeit, und wird nicht müde, die Ehre Christi und des Nächsten Heil zu fördern.

Nach Jerusalem zurückgekehrt, fanden sie nun die Eilfe versammelt und die bei ihnen waren.

Johannes bezeugt, daß die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Thüren versammelt waren; denn sie hatten gesehen, wie grausam Christus von den Priestern und Aeltesten behandelt worden war; sie hatten auch das in der Stadt ausgestreute Gerücht gehört, daß der Leib Christi heimlich von Seinen Jüngern weggenommen worden sei; sie fürchteten daher, daß sie mit Christo dasselbe Loos theilen müßten, hielten sich deshalb zusammen und schützten sich bei verschlossenen Thüren, so gut es ging, gegen einen etwaigen Angriff der Feinde. An die Eilfe hatten sich dann einige Andere angeschlossen, unter denen ohne Zweifel auch einige von den 70 Jüngern waren, desgleichen die gottseligen Weiber, die Christo aus Galiläa nachgefolgt waren.

Auf die Frage, warum doch hier der versammelten Eilfe Erwähnung geschehen, da doch der Verräther Judas sich erhängt hatte und Thomas nicht anwesend, also nur zehn da waren? ist dies die einfache Antwort, daß nach dem Selbstmorde Judä die allgemeine und gewöhnliche Benennung der Apostel die der Eilfe gewesen sei. Ja, Johannes (Cap. 20, 24.) nennt sogar den Thomas, nach Judä Untergang, „der Zwölfen Einer“. Auch Paulus sagt 1 Cor. 15, 5., daß Christus gesehen worden sei „von den Zwölfen“.

Wie aber finden diese nach Jerusalem zurückgekehrten Jünger die Apostel? Sie waren nicht allein versammelt, sondern unterredeten sich auch von der Auferstehung Christi, indem sie sagen: „Der HErr ist wahrhaftig auferstanden und Simoni erschienen!“ In tiefer Nacht endlich kamen die von Emmaus zu den andern Jüngern; gleichwohl ist deren Gespräch noch immer von Christo, daraus denn ihre ängstliche Begierde und ihr Elfer um Christum ersichtlich ist, weil sie fast die ganze Nacht durchwachten und nicht aufhörten, hin und her über Seine Auferstehung sich zu erkundigen, bis sie im Glauben derselben vollkommen befestigt würden. Diesen Jüngern erzählten und verkündigten nun jene Beiden, was auf dem Wege geschehen und wie Er von ihnen am Brechen des Brodes erkannt worden sei. So stimmt also von beiden Seiten Alles auf das Schönste überein. Die von Emmaus zurückgekehrten Jünger bringen den übrigen die Nachricht von Christi Auferstehung, und sie finden dieselben, wie sie von demselben Gegenstande handeln, daß nämlich Christus wahrhaftig auferstanden und dem Simon Petrus erschienen sei; bald war Christus selbst zu erwarten, der Vorsteher dieser heiligen Versammlung, um sich als wieder lebendig darzustellen und den Glauben an Seine Auferstehung in ihren Gemüthern zu befestigen.

Wie aber ist jener scheinbare Widerspruch zu versöhnen, daß Lucas sagt, die Apostel und die Uebrigen, die mit ihnen waren, hätten bezeugt, daß Christus wahrhaftig auferstanden sei, Marcus dagegen behauptet, sie hätten auch dem Zeugniß der beiden von Emmaus zurückgekehrten Jünger nicht geglaubt? Die Lösung ist diese, daß entweder einige von ihnen noch nicht glaubten, wie dieses sogar bei der letzten Erscheinung Christi auf dem Berge in Galiläa sich zutrug, Matth. 28, 12., ja schon bei Seiner früheren Erscheinung Er den Unglauben der Jünger schalt und ihres Herzens Härtigkeit, so daß hier in den Worten eine Synekdoche stattfindet, durch welche einer ganzen Gemeinschaft zugeschrieben wird, was nur Einige von ihr thaten; oder daß ihr Glaube noch nicht von allem Zweifel befreit war und ihre Gemüther zwischen Glauben und Zweifel noch wechselnd hin und her flutheten. Aus dem Worte „wahrhaft“ (auferstanden) wird geschlossen, daß Einige dafür gehalten, Christus sei nur dem Scheine nach auferstanden und irgend ein Phantasma sei den Weibern und Petro erschienen, welcher Meinung aber die Andern widersprachen und behaupteten, Christus sei wahrhaftig auferstanden; Christus aber macht mit Seiner plötzlichen Erscheinung dieser Disputation bald ein Ende.

Dies ist nun die Auslegung dieser überaus lieblichen Historie, aus welcher ersichtlich ist, daß der auferstehende Christus aus Seinem Grabe mit sich gebracht habe:

1) ein liebreich geselliges Herz; denn gern gesellt Er sich denen zu, die von Ihm redeten; und wiewohl Er durch Seine Auferstehung, auch Seiner menschlichen Natur nach, theilhaftig geworden ist der höchsten Glorie und Majestät, so hat diese Herrlichkeit Sein liebreich-wohlwollendes Wesen gegen uns nicht verändert, daß es Ihn nicht ergötzte, mit uns zu verkehren, Sprüchw. 8, 31., Joh. 14, 23.

2) ein freundschaftliches und mitleidiges Herz; denn es war ja wohl eine große Schwäche des Glaubens in diesen Jüngern, die jedoch Christus geduldig trägt, wie wir lesen Ebr. 4, 15.: „Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte Mitleiden haben mit unserer Schwachheit“ und Jes. 42, 3.: „das zerstoßene Rohr wird Er nicht zerbrechen und das glimmende Docht wird Er nicht auslöschen.“

3) ein lehrhaftiges Herz; denn Er unterrichtet diese Jünger aus der Schrift von Seiner Auferstehung, legt ihnen die Schrift aus u. s. w., und dasselbe thut Er auch uns noch durch den Dienst des Wortes. Es ist daher billig, daß auch wir dem von den Todten auferstandenen Christo entgegenbringen 1. ein sehnendes Herz, daß wir das fromme Verlangen unsres Herzens durch gottselige Unterredungen von Ihm bezeigen; 2. ein lernsames und gehorsames Herz, so wie es diese Jünger gern leiden, daß ihre Schwachheiten gestraft werden, und sie der Predigt Christi fleißig zuhören; 3. ein brennendes Herz, nicht von der Begierde und der Liebe der irdischen Dinge, nicht von den Flammen der Lüste, des Zornes und Hasses, sondern von der Liebe zu Christo u. s. w., welches alles noch weiter entwickelt und ausgeführt werden kann.

Schon naht der Abend herzu, ja der Welt Nacht selber hereinbricht;
JEsu, süßester Freund! bleibe doch immer bei uns.

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