Caspari, Karl Heinrich - Des Gottesfürchtigen Freud und Leid - Wochenpredigt über Psalm 71, 15-24.
Psalm 71, 15-24.
15. Mein Mund soll verkündigen deine Gerechtigkeit,
Täglich dein Heil,
Die ich nicht alle zählen kann.
16. Ich gehe einher in der Kraft des Herrn, Herrn,
Ich preise deine Gerechtigkeit allein.
17. Gott, du hast mich von Jugend auf gelehrt;
Darum verkündige ich deine Wunder.
18. Auch verlass mich nicht, Gott, im Alter, wenn ich
grau werde.
Bis ich deinen Arm verkündige Kindeskindern,
Und deine Kraft allen, die noch kommen sollen.
19. Gott, deine Gerechtigkeit ist hoch,
Der du große Dinge tust.
Gott, wer ist dir gleich?
20. Denn du lässt mich erfahren viel und große Angst,
Und machst mich wieder lebendig,
Und holst mich wieder aus der Tiefe der Erde herauf.
21. Du machest mich sehr groß,
Und tröstest mich wieder.
22. So danke ich auch dir mit Psalterspiel für deine Treue,
mein Gott;
Ich lobsinge dir auf der Harfen,
Du Heiliger in Israel.
23. Meine Lippen und meine Seele, die du erlöset hast,
Sind fröhlich und lobsingen dir.
24. Auch dichtet meine Zunge täglich von deiner Gerechtigkeit;
Denn schämen müssen sich und zu Schanden werden, die mein Unglück suchen.
Ein frommer Mann unserer Kirche aus der alten Zeit sagt an einer Stelle, wo er auf die Treue Gottes zu reden kommt und zeigen will, wie Gott seine Treue gegen uns auf mancherlei Wegen beweist: „Er hat erstens ein treues Herz - er kann's nicht bös meinen; zweitens einen treuen Mund - was er zusagt, das hält er gewiss; drittens ein treues Ohr - er verschmäht nicht das Gebet der Verlassenen, er tut, was die Gottesfürchtigen begehren, er hört ihr Schreien und hilft ihnen; viertens ein treues Auge - er sieht auf die, so ihn fürchten; fünftens eine treue Hand - die rechte Hand des Herrn kann Alles ändern, sie entzieht sich nicht in Leibes-, Seelen- und Todesnot und errettet und hilft, hilft in sechs Trübsalen hinaus, und lässt in der siebenten uns kein Übel anrühren.“ Nun wahrlich, der Gott, der solche Treue hat und hält, ist als ein großer und herrlicher Gott zu preisen, und nicht minder der Mensch glücklich und selig zu preisen, der einen solchen Gott hat. Das sind große Dinge, die an dem Herrn, unserm Gott, gepriesen werden, und wer es zu Herzen nehmen will, der spricht auch wie David: „Gott, wer ist dir gleich?“
Wollen wir aber diese Treue Gottes in ihrer Herrlichkeit recht erkennen, so müssen wir sie auch noch von einer andern Seite ins Auge fassen. Wunderbar ist, dass die Treue Gottes sich verherrlicht in dem Menschen, der sie erfährt; wunderbar aber auch, was sie wirkt und schafft in dem Menschen, der sie kennt. Das Bild eines solchen Menschen ist David. Dass er ein Mensch ist, an dem die Treue Gottes sich verherrlicht hat, das merken wir nicht etwa bloß aus dem, was uns von seinen äußerlichen Erlebnissen erzählt ist; wenn wir von allem dem nichts wüssten, aus der ganzen Art und Weise des Mannes, wie er sich in unserm Psalm ausspricht, würden wir merken, dass er ein Mann ist, der die Treue Gottes erfahren hat. Alle seine Psalmen, seine Buß- und Bet- wie seine Lob- und Dankpsalmen geben Zeugnis davon, und insbesondere deutlich unser heutiger Psalm, dessen zweite Hälfte wir nunmehr betrachten wollen. Diese zweite Hälfte des Psalmes möge uns denn Antwort geben auf unsere Frage: Woraus ersieht man bei einem Christen, ob er die Treue seines Gottes kennt? Wir antworten:
I. aus seinem festen Gang,
II. aus seinem klaren Auge,
III. aus seinem gewissen Herz.
I.
Es darf uns nicht irren, wenn David die Gerechtigkeit Gottes preist als das, was ihn so fröhlich macht. Der Apostel Johannes schreibt einmal: „So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns; so wir aber unsere Sünde bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünde vergibt und reinigt uns von aller Untugend.“ Wer diesen Spruch aufmerksam liest, wird ein einziges Wörtlein drin finden, das ihm nicht leicht zu verstehen ist - das Wörtlein gerecht. Dass Gott nämlich um seiner Treue willen einem bußfertigen, seine Sünde bekennenden Menschen vergibt, das sieht sich leicht ein; nicht aber, dass neben seiner Treue auch seine Gerechtigkeit ihn zur barmherzigen Vergebung bewegen soll. Denn der Gerechtigkeit steht ja, wie man meint, nicht zu, die Sünde zu vergeben, sondern sie zu bestrafen. Du verstehst dies Wörtlein nur dann, wenn du bereits einen Blick in die Tiefe seiner Gnade getan hast. Man kann die Wahrhaftigkeit, mit der Gott einem bußfertigen Menschen seine Gnadenverheißungen hält, auf zweierlei Weise sich erklären. Man kann sie daraus ableiten, dass Gott vermöge der Liebe überwunden wird, für einen Sünder immer neue Barmherzigkeit zu haben dann nennt die Schrift Diese Barmherzigkeit Treue. Man kann sie aber auch daraus ableiten, da er vermöge des Bundes, den er geschlossen hat, denjenigen, der seine Sünden bereut und seine Gnade ergreift, nicht fallen lässt dann nennt die Schrift die Wahrhaftigkeit, mit Der Gott seine Gnadenverheißung hält, Gerechtigkeit. Daher wird er der Gerechte genannt, nicht bloß weil er die Sünde straft, wie es die Gerechtigkeit mit sich bringt, sondern auch weil er das Recht achtet, das er dem Sünder geschenkt hat, denn das ist auch Gerechtigkeit.
Es hat nämlich Gott nicht bloß dem bußfertigen Sünder eine Hoffnung auf Vergebung seiner Sünde gemacht, sondern er hat mehr getan - er hat sich ausdrücklich auch dazu verbunden, denen, die Buße tun und seine Gnade ergreifen, gewiss und wahrhaftig - so gewiss als er lebt - ihre Sünden zu vergeben; und wider diesen Bund handelt er nie und niemals. Des ersten Rechts, die Sünde zu bestrafen, begibt er sich um des andern Rechts willen, welches er den Sündern verleiht, des Rechtes nämlich, um seines Bundes willen Gnade begehren zu dürfen und der Erlangung der Gnade gewiss zu sein. Es ist freilich nur ein geschenktes Recht, welches der Sünder ihm vorhält, auf dass ihm vergeben werde; aber das Recht, das Gottes Gnade geschenkt hat, muss seine Gerechtigkeit anerkennen. Darum ist seine Gerechtigkeit nichts andres als seine Treue nur insofern wieder etwas anderes, dass sie eine Treue ist, die nicht allein in der Größe seiner Liebe, sondern zugleich in einem Bunde wurzelt, den er mit ausdrücklichen Worten geschlossen hat.
Von dieser seiner Gerechtigkeit, welche nun im letzten Grunde dasselbe ist wie seine Treue, redet David in unserm Psalm, wenn er im ersten Vers unseres Textes sagt: „Mein Mund soll verkündigen deine Gerechtigkeit, täglich dein Heil, die ich nicht zählen kann.“ Er schaut in sein Leben und in sein Herz - überall nimmt er die Zeugnisse wahr, dass Gott an den Seinigen seinen Bund hält, dass er wunderbar des Lebens Übel und Mühsal zum Heil wandelt und das kranke Herz, das verwundete Gewissen heil macht: und je tiefer er hinein blickt, desto mehr Zeugnisse findet er, so dass er sie gar nicht zählen kann nicht bloß in einzelnen größeren oder kleineren Lebensabschnitten findet er einzelne dieser Zeugnisse, sondern täglich findet er sie reichlich, und zwar im Leiblichen wie im Geistlichen, gleichwie wir im Vaterunser bekennen, dass er uns reichlich und täglich mit aller Notdurft und Nahrung des Leibes versorgt, und reichlich und täglich alle Sünden vergibt. Diese Erkenntnis der Treue seines Gottes nun gibt ihm den festen Gang. „Ich gehe einher“, spricht er, „in der Kraft des Herrn Herrn, ich preise deine Gerechtigkeit allein.“
Es gibt zum Ersten Viel in dieser Welt, was den Menschen auf dem Weg durch dieselbe grämen und niederwerfen kann. Es gibt viel schwere Lasten, die das Leben Einem auflegen kann. In unserer Macht steht es nicht, sie abzuwerfen; und was noch schlimmer ist, in unserer Macht steht es nicht, sie zu tragen. Da ist's dann mit dem sichern Gang nichts. Wehe dem Menschen, welchem nichts übrig bleibt, als seufzend unter zu schwerer Last seines Weges zu wanken, weil er nichts weiß von einer Hand, die ihm abnimmt oder tragen hilft; ein solcher wird bald hilflos auf dem Wege niedersinken, für ihn ist's aus mit dem festen Gang! Es gibt zum andern viel Versuchungen, Anläufe des Satans, Lockungen der Welt, Vorspiegelungen und Gelüste des eignen Herzens, die zwar im ersten Augenblick manchmal den Menschen nicht niederwerfen, die aber doch allmählich den Fuß von dem rechten Weg abgleiten machen, wenn ihn nicht eine unsichtbare Kraft festhält, so dass er trotz alledem von dem ihm vorgezeichneten Weg nicht loskommt. Wehe dem Menschen, der von dieser Kraft nichts spürt - er wird den rechten Weg bald nicht mehr unter seinen Füßen haben, da derselbe ihm je länger je mehr unerträglich werden und allzu arm an Freude, allzu reich dagegen an Mühe vorkommen wird, er wird mit irrendem Fuß dem Verderben entgegen gehen.
Von einem sichern Gang ist da nicht die Rede. Nur wer die Treue seines Gottes kennt, nur der hat den sichern Gang, der wird nicht niedersinken und wird sich nicht abbringen lassen vom rechten Weg; der geht einher, nicht mit ohnmächtigem Seufzen, aber auch nicht in leichtfertiger Verblendung, sondern wie David, preisend Gottes Gerechtigkeit allein; der hat den sichern Gang, denn er geht einher in der Kraft, und zwar in der sichern Kraft des Herrn Herrn, welcher den Fuß vor dem Gleiten und Irregehen bewahrt. Seht ihr irgendwo einen Menschen, der da unter schwerer Last, mag sie den äußern oder den inneren Menschen bedrücken, dennoch den vom Worte Gottes gewiesenen Weg geht geduldig und ergeben, seiner Seele und Seligkeit wahrnehmend, - seht ihr einen Menschen, dem man es ansieht und anhört und anfühlt, dass er durch Trübsal in das Reich Gottes geht, so denkt: Das ist ein Mensch, der mehr hat als ein glückliches Temperament, mehr als ein besonnenes Wesen, mehr als einen starken Geist, - das ist ein Mensch, der da weiß von der Treue seines Gottes, der ihn liebt, leitet, stützt, schützt und fest behält um des Bundes willen, den er mit ihm gemacht hat, das ist ein Mensch, der da gleich David aus seiner eigenen Lebenserfahrung gelernt hat, des Herrn Gerechtigkeit zu preisen.
Vielleicht möget ihr denken, es sei eine sehr schwere Sache, an die Treue seines Gottes zu glauben, wenn man eitel Wege der Mühsal und Leiden zu gehen hat. Denket ihr so, meine Lieben, so denket zugleich auch daran, dass der Gottesfürchtige eines ins andere zu rechnen hat, dass er nicht bloß auf die Mühsal, die er zu tragen hat, sondern auch auf all' die Beweise der Treue Gottes hinzublicken hat, die er bereits erfahren durfte. Wer die Treue seines Gottes kennt, der hat ja zum Zweiten
II.
auch ein klares Auge. „Gott, du hast mich von Jugend auf gelehrt; darum verkündige ich deine Wunder.“
Wisst ihr, was euer ganzes Leben bisher gewesen ist? Eine Schule war's, in der Gott euch gelehrt hat; gelehrt was ihr seid und was er sei; gelehrt, wo Täuschung, Unruhe und Elend, und wo Wahrheit, Friede und Seligkeit zu finden. Gott lehrt aber nicht bloß in Worten, er lehrt auch in allen Erlebnissen, die dem Menschen begegnen. Wenn ihr euch nun die Mühe geben wollt, zurück zu gehen bis in eure früheste Kindheit, und hinwiederum von da an euer Leben durchzugehen bis auf diesen Tag, und euch Alles das, was ihr gesehen und gehört und erfahren habt, zurecht legen wollt, so werdet ihr ebenso wie David bekennen müssen: „Du hast mich von Jugend auf gelehrt.“ All die Eindrücke, die euch geblieben sind von eurer Eltern Wort oder Beispiel; die Eindrücke vom ersten Unterricht, den ihr von einem treuen Lehrer empfangen habt: die kleinen Leiden und Freuden, die, wie klein sie vielleicht auch gewesen sind, dennoch für euer Herz Bedeutung gewonnen haben: die Erfahrungen eurer Jugendjahre, mögen sie das noch vor euch liegende und nur wenig bekannte Leben verklärt, oder mögen sie euch bereits mit dem Herben desselben bekannt gemacht haben; der nachfolgende Ernst des Lebens, der euch immer wieder nüchtern gemacht hat über das, was ihr von dem Leben zu erwarten habt; eure gescheiterten und eure erfüllten Hoffnungen, eure guten und eure bösen Stunden; alle eure Erlebnisse, welche euch eurem zeitlichen und ewigen Heile näher brachten, und all' eure Sünden und Torheiten, welche es wieder in Frage stellten; euer gegenwärtiges Leben mit seiner Dreingabe von Freud und Leid es ist in allem ein Stück göttlicher Lehre zu finden, mag diese Lehre eurem Ohre tröstlich und erhebend, oder mag sie ihm strafend und niederbeugend klingen. Wenn ihr nun von der Treue eures Gottes wisset, habt ihr ein klares Auge, zu erkennen, wie auch euer gegenwärtiges Leben ein Zeugnis seines heiligen Bundes ist? Es ist ganz einerlei, ob, wie man zu sagen pflegt, das Leben ein reiches gewesen, reich an besonderen, wunderbaren, großen, folgenreichen und staunenswerten Erlebnissen, oder ob es arm war, hingehend in der Alltäglichkeit, wie das Leben von Tausenden verläuft - betrachtest du es recht, so ist eines so wunderbar wie das andere, so war gerade das Leben für einen jeden das lehrreichste, welches gerade ihm beschieden gewesen ist; nur eben die Treue seines Gottes muss man kennen gelernt haben, der die Verlorenen sucht, die Irrenden zurecht leitet, und die Elenden auf den Weg des Friedens bringen will. Diese Erkenntnis gibt uns das klare Auge, das überall das Walten Gottes sieht. Wunderbar wird uns allezeit das Leben eines Menschen dünken, der dies klare Auge hat und die belehrende und erziehende Gnade Gottes, welche auch an ihm Großes getan hat, in das Licht stellen kann. Ein solcher Mensch mit klarem Auge hat Ursache genug, die Wunder, die Gott getan, zu verkündigen, aber zugleich auch Ursache genug, Wunder, die Gott noch tun werde, zu erwarten. Denn wer von der Treue dieses Gottes weiß, der hat zum Dritten
III.
ein gewisses Herz. David tut eine Bitte für die Zukunft; er weiß, dass der beste Teil seines Lebens dahin ist und allbereits die Zeit des Abnehmens, die Zeit, da es mit Geist und Leib weniger zu werden anfängt, da ist; daher betet er: „Verlass mich nicht, Gott, im Alter, wenn ich grau werde.“ Wir können aus dem Gesamtinhalte unseres Psalms, namentlich aus dem unserem Texte vorangehenden Versen entnehmen, dass Davids Gebet allerdings auch dahin geht, Gott möge ihn vor einem hilflosen Alter bewahren, er möge ihn nicht, wenn seine Hände zitternd und sein Haar grau geworden, dem Hohn und dem Mutwillen seiner Feinde preis geben. Was aber die Hauptmeinung seines Gebetes ist, das sehen wir aus dem schönen Zusatz: „Verlass mich nicht, Gott, im Alter, wenn ich grau werde, bis ich deinen Arm verkündige Kindeskindern, und deine Kraft Allen, die noch kommen sollen.“ - Es ist ihm nicht bloß um ein ruhiges und glückliches, sondern vor Allem um ein ehrliches Alter zu tun; er meint das, was das bekannte Lied ausdrückt:
Soll ich auf dieser Welt
Mein Leben höher bringen,
Durch manchen sauern Tritt
Hindurch ins Alter dringen:
So gibt Geduld; vor Sünd
Und Schanden mich bewahr,
Auf dass ich tragen mag
Mit Ehren graues Haar -
er will seinem Gotte noch etwas nützen als ein ehrwürdiger Zeuge seiner Liebe und Treue. Nicht wie ein unfruchtbarer Stamm will er dastehen, dessen wenige Zweige abgedorrt sind, und um den es kein Schaden ist, wenn die Axt ihn nun umhaut. Obwohl der Nacken gekrümmt und das Haar gebleicht ist, will er dastehen als ein treuer Herold, der da dem jungen Geschlechte Worte der Weisheit verkündigt, der da aus eigner Erfahrung ihm sagt, wie der Arm des Herrn so wunderbar Leiten und die Kraft des Herrn so herrlich erretten kann.
Das ist sein Anliegen, welches er für die Zukunft hat ein schönes Ziel; wird er es wohl erreichen? Er wagt es zu hoffen, dass Gott seine Bitte erhören werde, er zweifelt nicht daran, er hat ein festes Herz; darum fährt er fort: „Gott, Deine Gerechtigkeit ist hoch, der du große Dinge tust. Gott, wer ist dir gleich? Denn du lässt mich erfahren viele und große Angst und machest mich wieder lebendig, und holst mich wieder aus der Tiefe der Erde heraus.“ Er weiß wohl: es kann noch mancher trübe Tag kommen und manche Angststunde seiner warten; er hat jetzt Angst, und es mag sein, dass es nicht die letzte ist, - aber er weiß auch schon, wie Gott es in trüben Tagen und in banger Angststunde zu halten pflegt, dass er sie nämlich in Heil umwandelt, dass er durch die Angst stark macht, dass er seinen Trost ins Herz gibt. Nach der Angststunde fühlt man sich wohler und kräftiger als man vor derselben gewesen; darum spricht David getrosten Mutes: „Du lässt mich erfahren viele und große Angst, und machst mich wieder lebendig, und holst mich wieder aus der Tiefe der Erde herauf. Du machst mich sehr groß, und tröstest mich wieder.“ Die ungewisse Zukunft, mag auch kommen was da will, kann ihn nicht mehr kleinmütig machen; er weiß, dass er unter allen Umständen Grund zum Loben und Danken haben werde: „So danke ich auch dir mit Psalterspiel für deine Treue, mein Gott; ich lobsinge dir auf der Harfe, du Heiliger in Israel. Meine Lippen und meine Seele, die du erlöset hast, sind fröhlich und lobsingen dir. Auch dichtet meine Zunge täglich von deiner Gerechtigkeit. Denn schämen müssen sich und zu Schanden werden, die mein Unglück suchen.“: Mit Psalmenspiel und Harfen will er die Treue Gottes lobsingen und, wie es auch kommen mag, dessen gewiss sein, dass er bestehen wird mit Ehre. Das Ende wird's ausweisen. Der Herr wird alles zu seiner allmächtigen Ehre und Herrlichkeit hinausführen!
Habt auch ihr schon, Geliebte, in Angststunden die Treue Gottes kennen gelernt? Habt ihr schon wie David Stunden gehabt, in denen euch aus Furcht vor dem, was da zu geschehen drohte, das Herz ersterben wollte, Gott euch aber durch seine Hilfe oder durch seinen Trost wieder lebendig gemacht hat? Habt ihr die schwerste und doch gesegnetste Angststunde schon erlebt, in der ihr euch, gedrückt von der Last eurer Sünde, gequält von euerm Gewissen, vorerst wie David in der Tiefe fühlt, von des Todes Banden umfangen und erschreckt von den Bächen Belials, und habt ihr euch sodann auch wieder wie David an der Treue und Gerechtigkeit, mit welcher der Herr seinen Bund hält, aufgerichtet, dass die Gebeine wieder fröhlich wurden, die er zerschlagen hatte? Kommt ihr euch täglich vor als sehr klein und unwert, wenn ihr auf euer eigen Werk und Verdienst seht, jedoch groß und herrlich, wenn ihr des Bundes gedenkt, den der Herr mit euch geschlossen in Christo Jesu, groß und herrlich, wenn ihr dessen gedenkt, den David nur von ferne gesehen hat, den ihr gekommen wisst als den Herzog eurer Seligkeit, Jesum Christ, der keines von euch sich will aus seinen Händen reißen lassen? Habt ihr das alles erlebt und ist es so mit Euch beschaffen - nun, dann. habt ihr ein gewisses Herz, auch bei ungewisser Zukunft, dann wisst ihr, dass nichts, was da kommen mag, euch scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn.
Meine Lieben! Wir wissen nicht, ob wir bisher die beste oder die böseste Zeit unseres Lebens gehabt, ob wir den größeren oder den kleineren Teil zurückgelegt, ob's von nun an leichter oder schwerer uns beschieden ist; wir wissen nicht, wie das Alter beschaffen sein wird, dem wir entgegen gehen, ob sich's ansehen wird als der schwerere Teil der irdischen Wallfahrt, da die Hilfe sich entzieht und bei der immer zunehmenden Schwachheit die Lebenslast sich doppelt schwer trägt, oder ob sich's ansehen wird als ein ruhiger, stiller Feierabend, an welchem wir nach bereits überstandenen Tagesmühen in stillem Frieden der Ruhe entgegen sehen dürfen, die noch vorhanden ist dem Volke Gottes; - das aber wissen wir, wenn wir anders der Treue unseres Gottes gewiss geworden sind, dass wir von ihm nicht verlassen sein werden. Der uns bisher geleitet, wird uns auch fortan tragen und erretten, und wir werden in keinem Falle zu Schanden werden. Der Hüter unserer Jugend wird unseres Alters Stütze und Stärke sein. Die auf den Herrn harren, bekommen neue Kraft, dass sie auffahren, mit Flügeln wie die Adler. Wenn auch das äußere Leben die Angst der Welt nicht los wird, unsere Seele, die er erlöset hat, wird fröhlich sein und ihm lobsingen. Bis zum Ende wird der Gang sicher, das Auge klar, das Herz gewiss und des Trostes froh sein:
Alles Ding währt seine Zeit,
Gottes Lieb' in Ewigkeit! Amen.