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Calvin, Jean - Psalm 140.

Calvin, Jean - Psalm 140.

Inhaltsangabe:David führt Klage wider die unversöhnliche Wut seiner Feinde wie auch wider ihre Nachstellungen und giftigen Schmähungen. Darnach ruft er Gottes Treue an, und da er überzeugt ist, dass Gott ihm gnädig sein wird, getröstet er sich der guten Hoffnung auf seine Befreiung und auf die gerechte Vergeltung an den Feinden.

V. 1 u. 2. Ein Psalm Davids. Diesen Psalm mit seinen Klagen will ein großer Teil der Ausleger auf Doeg (vgl. zu Ps. 52) beziehen; ich kann mich aber nicht dazu entschließen. Denn aus dem Zusammenhang wird uns deutlich werden, dass von Saul die Rede ist und von seinen Ratgebern, die den ohnehin schon maßlos wütenden König unablässig noch mehr anreizten, den heiligen Mann zu verderben. Da dieser ein Vorbild auf Christus war, ist es nicht überraschend, dass die Helfershelfer Satans so heftig gegen ihn tobten. Aus demselben Grunde tadelt er ihre Wut und Ränkesucht so scharf. Er spricht von ihnen als von bösen Menschen und freveln Leuten und deutet damit an, dass sie, ohne durch irgendein Unrecht gereizt worden zu sein, ganz aus eigenem Trieb und voll Begierde über ihn herfallen, um ihm zu schaden. Er befiehlt deshalb seine Sache dem Herrn, da er mit jenen Frieden gehalten und sie in keinem Ding verletzt hat, sie ihn also verfolgen, ohne dass er etwas Derartiges verdient hätte. So müssen auch wir es halten, damit Gott uns gegen Gewalt und Übeltat beistehe. David stößt ja keine Schmähworte aus, wie es sonst etwa bei Streitigkeiten geschieht; er beweist vielmehr durch sein Verhalten seine Unschuld und gewinnt damit Gottes Gunst. Kann es doch nicht anders sein, als dass Gott den rechtschaffenen, stillen Leuten immer Hilfe leistet.

V. 3 u. 4. Die Böses gedenken in ihrem Herzen. David klagt über die heimliche Bosheit der Feinde und bestätigt dabei, was ich oben berührt habe, nämlich dass er ohne eigene Schuld von ihnen so feindselig bekämpft wird. Wenn uns also die Widersacher ohne Fug und Recht quälen, wenn sie mit hinterlistigen Ränken auf uns eindringen, dann sollen wir wissen, dass uns ein immer bereites Hilfsmittel vom heiligen Geiste dargereicht wird, indem er uns durch den Mund Davids diese Gebetsworte an die Hand gibt. Das zweite Versglied wird verschieden ausgelegt. Wörtlich heißt es: „die da Streit zusammenrotten“, und so nehmen es auch manche. Ich glaube aber bestimmt, dass der Sinn der ist: Sie rufen gleichsam als Kriegsposaunen zum Streit zusammen, indem sie mit falschen Anklagen allgemeinen Hass erregen. Hierauf spricht David aus, auf welche Weise sie den ungerechten Streit erregen, nämlich durch Lügen und Verdrehungen, weil sie den unbescholtenen Mann nicht mit gewaltsamer Hand unterdrücken konnten, ehe sie ihn mit Verleumdungen überschüttet hatten.

V. 5 u. 6. Bewahre mich, Herr. Zu den Beschwerden und Klagen fügt David nun wieder die Bitte. Es bestätigt sich also, was oben gesagt wurde, dass er nichts anderes will, denn Gott als Vergelter anrufen. Derselbe Gedanke wie in den vorangehenden Versen wird hier mit etwas anderen Worten wiederholt; statt „errette“ heißt es hier: „bewahre“ mich, statt „von den bösen Menschen“ hier: „vor der Hand der Gottlosen“. Und was er von ihren Ränken gesagt, wiederholt er nun in bildlichen Ausdrücken, nicht ohne Heftigkeit. Es seien, sagt er, ringsum Netze gelegt, die ihn umschlängen, wenn der Herr ihm nicht hülfe. Gleichnisse scheinen sonst auf den ersten Blick dunkler als die einfache, unverhüllte Rede. Aber das hier gewählte Bild macht den Gedanken keineswegs unklar und ist dabei kraftvoller. –

Der Ausdruck „die Hoffärtigen“ heißt in der Grundsprache eigentlich „die Hohen“. Wir entnehmen daraus, dass es sich nicht um Leute aus dem Volke handelt, sondern um Männer von maßgebendem Einfluss, die hofften, es werde ihnen gar keine Mühe verursachen, das armselige Menschlein niederzuwerfen. Nach Davids Beispiel wollen wir, so oft unsere Feinde sich stolz erheben, unsere Zuflucht zu Gott nehmen, in dessen Macht es steht, den wilden Trotz der Gottlosen zu dämpfen. Er will aber nicht sagen, dass sie nur mit lauter Gewalttat und Frechheit vorgegangen sind, - er klagt ja über Netze und Schlingen -, sondern er verbindet beides: sie vertrauen auf ihre Macht und erdenken trügerische Listen, um ihn zu verderben.

V. 7 u. 8. Ich aber sage usw. Mit diesen Worten zeigt David, dass seine Gebete nicht Lippenwerk sind wie bei den Heuchlern, die aus Prahlerei Gott recht geräuschvoll anrufen, sondern dass er ernstlich und aus tiefer Glaubensempfindung betet. Solange nämlich ein Mensch nicht in Wahrheit durch Gottes Gnade seines Heils gewiss ist, gibt es bei ihm kein aufrichtiges Beten. Trefflich wird hier die Art des Glaubens ausgedrückt, indem der Prophet fern von den Blicken der Menschen in der Abgeschiedenheit mit Gott redet; denn diese innere Sammlung des Herzens schließt jede Heuchelei aus. Das also ist die richtige Regel beim Beten, dass wir nicht in eitlem Gerede unsere Stimme erheben, sondern aus einem tief innerlich empfundenen Glauben unsere Bitten vorbringen.

Um nun sein Herz völlig zu versichern, dass er sein Heil bei Gott nicht umsonst sucht, hält sich David vor Augen, was Gott ihm ehedem an Hilfe hat angedeihen lassen (V. 8). Er war ihm wie ein Schild, so oft er in Gefahr stand. Einige glauben, es sei hier in der Form der Zukunft geredet: „Du wirst mein Haupt zur Zeit des Streits beschirmen“. Aber ich bin überzeugt, dass David zur Stärkung seines Glaubens sich an den Schutz erinnert, den er früher durch Gottes Hand erfahren hat. Er zeigt sich ja nicht als unerfahrenen Neuling, sondern als einen in mannigfachen Kämpfen tüchtig geübten Streiter.

V. 9. Herr, lass dem Gottlosen seine Begierde nicht. Man könnte auch nicht minder passend übersetzen: Lass das, was der Gottlose begehrt, nicht bestehen. Der Sinn ist in jedem Fall der: Gott möge die Willkür der Gottlosen zügeln und das, was sie unternehmen, zunichtemachen. Wir entnehmen daraus, dass Gott nach freiem Ermessen, und so oft es ihn gut dünkt, die verwerflichen Anschläge und gottlosen Hoffnungen der Menschen vereiteln und ihre Bestrebungen erfolglos machen kann. So oft wir also sehen, dass die Feinde nicht zur Vernunft zu bringen sind, müssen wir Gott bitten, dass er ihre Pläne, die sie vielleicht schon lange geschmiedet, in einem Nu zerstreue und umstoße. –

Weiter als im ersten gehen im zweiten Teil des Verses die Auslegungen auseinander. Möglich wäre etwa die Übersetzung: „Sein (d. h. des Gottlosen) Gedanke ist: Du wirst nicht zu Fall kommen“. Damit würde David in anschaulicher Nachahmung zeigen, welche Hoffnungen sich die Gottlosen machen. In annähernd ähnlichen Ausdrücken beschreibt er auch anderswo den Übermut, mit dem die Gottlosen der Vorsehung Gottes den Rücken kehren und sich zu Herren über ihr Schicksal machen, als ob sie mit einem bloßen Wink die Welt regieren könnten. In sehr passender Fortführung ließe sich dann übersetzen: „Sie werden sich überheben“; d. h. die Gottlosen erheben sich in ihrem aufgeblasenen Stolz bis über die Wolken und bilden sich ein, es könne ihnen nichts Übles zustoßen. Nicht übel ist aber auch die andere Wiedergabe: Stärke ihren Mutwillen nicht; sie möchten sich des erheben. Etwas mehr buchstäblich: „Lass nicht zur Vollendung kommen, was sie gedenken, damit sie sich nicht erheben.“ So viel steht fest, dass David die Sicherheit seiner Feinde geißelt, die Gott für nichts achten und in ihrem ungezügelten Sinn meinen, sie dürften alles wagen.

V. 10 u. 11. Das Haupt usw. Bei einer Umstellung der hebräischen Worte wäre die Deutung möglich1): „Das Unheil der Lippen derer, die mich umgeben, komme auf ihr Haupt“. Da aber die meisten Ausleger unter dem Haupt den Anführer der feindlichen Partei verstehen, schließen wir uns dieser geläufigen Annahme an, wobei ich allerdings lieber an Saul als an Doeg denken möchte.

Der folgende Vers ist eine allgemeine Bitte gegen die ganze feindliche Schar: Es müssen Kohlen auf sie fallen, - offenbar eine Anspielung auf den schrecklichen Untergang von Sodom und Gomorra. Auch an andern Stellen erinnert der Geist Gottes an dieses Beispiel göttlicher Rache, um die Abtrünnigen zu schrecken, wie z. B. Judas in seinem Brief (V. 7) bezeugt, dass Gott diesem ewig denkwürdigen Ereignis ein für allemal kundgetan hat, dass er alle Gottlosen richten wird. Das folgende übersetzen manche: „Du wirst sie ins Feuer werfen“, was annehmbar ist. Die Vorsilbe, die im Grundtext vor „Feuer“ steht, erlaubt aber auch zu übersetzen: „mit Feuer wirst du sie niederwerfen“, wie Gott gegen Sodom und Gomorra seine Blitze geschleudert hat. „Tief in die Erde“, wünscht David, sollen die Feinde versenkt werden, so dass sie nie mehr aufstehen. Sonst pflegt Gott etwa Leute, die er hart geschlagen, wiederherzustellen. Den Abtrünnigen aber schneidet David die Hoffnung auf Vergebung ab, da er sah, dass sie unverbesserlich waren. Denn wären sie zur Umkehr geneigt gewesen, so hätte er seinerseits gern Barmherzigkeit geübt.

V. 12. Der Mann der Zunge. „Maulheld“, wie einige wollen, gibt den Sinn des Wortes nicht genügend wieder. Es ist nämlich nicht ein Schmähredner oder Schwätzer oder eitler Prahlhans gemeint, sondern ein giftiger Mensch, der lieber mit Lügen und Verleumdungen als mit ehrlichen Waffen kämpft. Das hat ja David unter anderem Bilde schon gezeigt, dass seine Feinde sowohl heimtückischen Ränken als der Gewalttätigkeit ergeben, also zugleich mit Löwen und mit Füchsen zu vergleichen waren, wie er vorhin klagte, dass Otterngift unter ihren Lippen sei. Die Form, in der die Zeitwörter hier stehen, wird von den meisten Auslegern für die des Wunsches gehalten. Wenn das nun auch nicht gerade abzuweisen ist, so bin ich doch lieber bei der Zukunftsform geblieben. David will offenbar nicht sowohl Bitten aussprechen, als vielmehr sein Herz zur Hoffnung auf Befreiung aufmuntern. Ob also die Feinde ihn aus dem Hinterhalt beschleichen oder ihren Grimm offen an den Tag legen, so verspricht er sich doch Abhilfe durch Gottes Hand. Treffend ist das Bild von der Jagd. Wie der Jäger mit seinem auf allen Seiten aufgespannten Netze dem Wild jeden Ausweg abschneidet, so, will David sagen, können die Gottlosen dem Gerichte Gottes nicht entrinnen, sie mögen noch so viele Ausflüchte suchen. Sie werden verjagt und gestürzt werden, d. h. indem sie trachten straflos auszugehen, stürzen sie sich umso mehr ins Verderben.

V. 13 u. 14. Denn ich weiß usw. David redet hier, ohne Zweifel zur Besiegelung seines Gebets, mit sich selbst über Gottes Vorsehung und Gericht, da ja ein zweifelvolles Beten rein verlorene Mühe ist. Als etwas ihm zuverlässig Bekanntes und Erfahrenes spricht er es also aus, dass Gott unbedingt den Heimgesuchten endlich zu Hilfe kommt. Da er aber zeitweise Geduld übt und indessen die Rechtschaffenen und Einfältigen empfindlich quälen lässt, und da hierin eine Versuchung für den Glauben liegt, so birgt sich David weislich hinter dem Schild der Gewissheit, dass Gott mit Überlegung so handelt, mit der Absicht, die Geplagten und Unterdrückten wieder aufzurichten und herzustellen. Deshalb betont er, dass der Herr wird des Elenden Sache und der Armen Recht ausführen. Damit ermuntert er sich und andere, die Trübsale geduldig zu tragen, bis die rechte Zeit der Hilfe naht. Er will sagen: Jetzt hält mich jedermann für unglücklich, da ich der Willkür der Gottlosen ausgesetzt bin und nicht sogleich durch Gottes Hand wiederhergestellt werde, - dennoch soll die Verzagtheit mich nicht übermannen. Weiß ich doch, dass es Gottes Amt ist, sich der Armen Sache anzunehmen. Daraus folgert er dann, dass die Gerechten dem Herrn noch danken und durch seinen Beistand stets unversehrt bleiben werden. Obgleich also die Frommen zuzeiten verstummen und unter dem Druck ihrer bedrängten Lage im Lobe Gottes nachlassen, so behauptet doch David, dass ihnen bald hernach das wiedergegeben wird, was ihnen genommen war, so dass sie fröhlich und getrost Gottes Gnade preisen.

Und da dies in den schweren Wirrnissen nicht leicht zu glauben war, so fügt er das Wort „gewisslich“ ein. So geziemt es uns, uns zu dieser Zuversicht durchzuringen, dass die Gläubigen auch nach dem tiefsten Elend wieder Freudigkeit erlangen und in kurzem Gottes Namen erheben werden. Dies wird im zweiten Versglied begründet. Die Frommen, heißt es, werden Stoff zum Lobe Gottes darin finden, dass sie spüren, wie er sich ihr Heil lässt angelegen sein. „Vor Gottes Angesichte bleiben“ heißt ja: von seiner väterlichen Fürsorge gehegt und gestützt werden.

1)
Ihr entspricht Luthers Übersetzung.
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