Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 11.

Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 11.

V. 1. Da aber Jabin solches hörte usw. Auch bei dieser neuen Verschwörung zeigt sich wieder, wie Gottes mehr als väterliche Sorge die drohenden Gefahren von den Seinen abwendet und wie seine Langmut ihre Schwachheit stützt. Hätte Jabin mit den hier genannten Verbündeten sich den Nachbarkönigen angeschlossen, so wäre der Kampf für Israel viel schwieriger gewesen. Größere Angst hätte sie verwirrt. Zwar wäre es für Gott eine Kleinigkeit gewesen, auch noch größere vereinigte Truppenmassen niederzuwerfen und alle Angst und Furcht zu beseitigen; doch wollte er sein schwaches Volk schonen, damit es nicht beim Anblick einer übergroßen Masse von Feinden voller Entsetzen den Mut verlöre. Daher hielt er die einzelnen Stämme, welche sich eilends hätten bewaffnen müssen, in einer gewissen Betäubung fest, bis das auserwählte Volk durch die herrlichen Siege mit großem Mut für den neuen Kampf erfüllt worden war. Ein weites Gebiet hatten die Israeliten schon erobert und ausgeplündert, jetzt verlassen sie es wieder, nachdem es seiner Bewohner beraubt. Bei alledem blieben die Nachbarvölker, die erst jetzt den Angriff machen, vollkommen ruhig, - und die Israeliten konnten in aller Ruhe ihre Weiber und Kinder besuchen. Als sie Mut und Kraft gesammelt und sich zu neuem Kampfe gerüstet hatten, erst da sammelt sich ein riesiges Heer aus allen den Stämmen, die bis dahin Israel ruhig hatten siegreich vordringen lassen. Es war, als hätte sie bis dahin ein Waffenstillstand gebunden: denn erst jetzt wachen sie auf. So hat Gott nicht bloß für sein auserwähltes Volk gekämpft, sondern hat auch die Feinde geteilt, sodass in den verschiedenen Stufen des Krieges sich die Kraft immer wieder erneuern konnte. Wie schrecklich wäre der Angriff geworden, hätte nicht Israel nach und nach den erforderlichen Kampfesmut empfangen und die Offenbarungen göttlicher Macht erfahren! Schon die Heeresmassen, die sich jetzt sammeln, sind zahlreich (V. 4) wie der Sand am Meer, dazu noch Wagen und Reiter. Dass die Israeliten gegenüber solcher Heeresmacht den Mut nicht verloren, war umso wunderbarer, als sie selbst keine Reiter hatten. Stufenweise hatte Gott sie soweit geführt, dass sie nun alles ertragen konnten. Die früheren Kämpfe hatten ihnen als Vorübungen gedient. Außerdem hatte Gott durch mehrere Siege seine Macht zeigen wollen, damit sie nicht geringer geschätzt werde als recht war. Wären alle feindlichen Völker auf einmal niedergeworfen worden, so wäre das gewiss eine gewaltige Verherrlichung Gottes gewesen, aber man hätte sie leicht vergessen können. Darum folgen hintereinander mehrere Machterweisungen, damit man nicht den einen einzigen Sieg dem Zufall zuschreiben könne.

V. 6. Und der Herr sprach zu Josua usw. Je größer und schwieriger die Aufgabe war, ein so zahlreiches und wohl gerüstetes Heer zu überwinden, desto notwendiger war eine neue Stärkung der Siegeszuversicht. Daher offenbart sich Gott seinem Knechte Josua und verheißt ihm denselben Erfolg, den er ihm schon so oft verliehen hatte. So oft Gott seine Verheißungen wiederholt, ermahnt er die Menschen aufs Neue mit Rücksicht auf ihre Vergesslichkeit, Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit. Denn wenn der Glaube nicht immer wieder neue Nahrung bekommt, verschwindet und vergeht er gar schnell. Dabei leiden wir aber so sehr an falschem Stolz, dass es uns fast zu viel wird, dasselbe zweimal zu hören. Darum wollen wir bei jedem Kampfe, der uns bevorsteht, uns Gottes Verheißungen ins Gedächtnis zurückrufen, um dadurch unsere Trägheit zu beseitigen und uns zu mutigem Angreifen anzutreiben. Und was im Allgemeinen gesagt ward, wollen wir auf das anwenden, was wir an jedem Tage besonders bedürfen, - wie denn Gott hier verheißt, dass was er sonst bezüglich aller Völker verkündigt hatte, auch in diesem besonderen Falle gelten soll. – Gott befiehlt nun, die Rosse zu verlähmen und die Wagen zu verbrennen ; dadurch sollen diese bei den heidnischen Völkern gebrauchten Mittel zur Kriegführung zerstört werden. Selbst sollten die Kinder Israel tapfer gegen ihre Feinde streiten, aber von Gott allein abhängig sein und auf seine Kraft allein sich verlassen. Das war aber nicht leicht, wenn sie mit Reitern und Streitwagen ausgerüstet waren. Wir wissen ja, wie äußerer Glanz die Augen blendet und die Herzen durch stolzes Selbstvertrauen trunken macht. Es war im Gesetz bestimmt, dass Könige sich nicht Wagen und Rosse halten sollten (5. Mo. 17, 16), weil es dann immer nahe liegt, der eigenen Rüstung zuzuschreiben, was Gott für sich in Anspruch nehmen muss. Daher das Psalmwort (20, 8): „Jene verlassen sich auf Wagen und Rosse, wir aber denken an den Namen des Herrn, unseres Gottes.“ Gott wollte den Seinen auch die Versuchung zu ungerechten Angriffen auf die Nachbarn nehmen. Denn die Erfahrung lehrt, dass Könige, welche eitler Ehrgeiz trieb, Rosse zu halten, auch unbesonnene und unglückliche Kriegszüge unternahmen. So mussten die Rosse hier verlähmt werden, damit sie für Kriegszwecke unbrauchbar würden; so mussten die Wagen verbrannt werden, damit nicht Israel sich die Gewohnheiten dieser Heidenvölker aneignete.

V. 8. Und der Herr gab sie in die Hände Israels. Die Niederlage war groß: die Feinde werden geschlagen bis zu der großen Handelsstadt Sidon, die weit vom Meromsee entfernt ist. Große Bestürzung riss alles zu wilder Flucht hinweg, denn Gottes verborgene Macht jagte sie in die Flucht. Israel wurde durch himmlische Kraft getrieben, ihnen trotz aller Gefahren nachzujagen. Josuas Selbstbeherrschung und bereitwilliger Gehorsam wird rühmend hervorgehoben (V. 9): er tat, wie der Herr ihm gesagt hatte. Sicherlich wäre es ihm schwer geworden, so viele Rosse und Wagen zu vernichten, wenn ihn nicht der Gehorsam gegen Gott dazu getrieben hätte. Wir haben so schnell allerlei Ausreden zur Hand. So hätte auch er leicht vorschützen können, dass der Wert der Rosse, selbst wenn sie zum Kriege nicht verwendet wurden, doch ein bedeutender war; aber er denkt nur an Gottes Befehl. Und weil er sich durch seine Herrschertüchtigkeit das Volk zum Gehorsam erzogen hatte, wird ihm zum Lob gerechnet, wozu doch alle die Hand anlegten.

V. 12. Dazu alle Städte dieser Könige usw. Als das Heer geschlagen war, begannen die Kinder Israel das Land zu verwüsten und die Städte zu erobern und zu plündern. Nur Hazor wurde verbrannt, wahrscheinlich weil es die Kriegsfackel bei Beginn des Krieges allen vorangetragen hatte. Mit besonderem Nachdruck wird wiederum hervorgehoben, dass Josua den Auftrag getreulich vollführte, welchen Gott ihm durch Mose übertragen hatte (4. Mo. 33, 51 f.). Es war also, als ob Gott seine Hände geweiht hätte, da er nach Gottes Befehl jene Völker vernichtete. So merken wir uns den Grundsatz: wer auf Gottes Befehl sich berufen kann, hat keine Schuld, selbst wenn die ganze Welt ihn verurteilt. Doch soll ein jeder klüglich abwägen, was seines Berufes ist: denn wenn jemand in selbsterwähltem Eifer Josua nachahmen wollte, könnte man ihn nicht für einen strengen Diener Gottes, sondern nur für einen grausamen und blutdürstigen Menschen halten.

V. 16. Also nahm Josua alles dies Land usw. Die unaufhörliche Reihe von Siegen, bei denen das Land von selbst seine bisherigen Bewohner sozusagen ausspie, um für die Kinder Israel Raum zu schaffen, führt uns vor Augen, was im Psalm (44, 4) so ausgedrückt wird: „Sie haben das Land nicht eingenommen durch ihr Schwert, und ihr Arm half ihnen nicht, sondern deine Rechte, dein Arm und das Licht deines Angesichts.“ Aus diesem Grunde werden die Orte und Gebiete der Reihe nach aufgezählt, um zu zeigen, dass Gott das einmal begonnene Werk ohne Unterbrechung fortgeführt habe. Das „Gebirge Israel“ ist nicht ein einzelner Berg, sondern wie der Schluss des Kapitels (V. 21) zeigt, wird damit zusammenfassend der gebirgige Teil Israels und Judas bezeichnet.

V. 18. Er stritt aber eine lange Zeit usw. Bisher hatte Josua in kurzer Frist und schnellem Laufe die fünf Reiche erobert; jetzt ging es anders. Die Ursache war nicht Trägheit oder Überdruss. Gott wolle vielmehr in mannigfaltiger Weise sein Volk üben, auf dass seine reiche Gnadenerweisung desto herrlicher erscheine. Denn was uns immer wieder in derselben Weise begegnet, wird uns alt und verliert unser Interesse. Geradeso wie zuerst die unglaubliche Schnelligkeit, mit der die Feinde überwunden wurden, Gottes Macht bewies, so ließ jetzt die langsamere Kriegführung Raum für mehrere Beweise göttlicher Hilfe. Das darf uns nicht überraschen, es entspricht ja der göttlichen Verheißung, durch die Mose sagt, wenn das Land mit einem Schlage der Bewohner beraubt werde, so würden wilde Tiere darin eindringen (5. Mo. 7, 22). Die Verheißung wird hier durch die Tatsachen bestätigt. Diese treuliche Erfüllung der Verheißungen ist ein Beweis göttlicher Gunst gegen sein Volk; denn wie ein vorsorglicher Familienvater unterlässt er nichts, was irgendwie nützlich sein könnte.

V. 19. Es war keine Stadt, die sich mit Frieden ergäbe. Auf den ersten Blick scheint dieser Satz nicht damit zusammenzustimmen, dass den Israeliten wiederholt verboten wurde, jenen Völkern ein Bündnis oder irgendwelche Friedensbedingungen zu gewähren, sondern dass sie von Grund aus ihren Namen und ihre Nachkommenschaft ausrotten sollten. Bei dieser Sachlage kann man doch nicht erwarten, dass diese Völker um Frieden bitten, der ihnen nicht hätte gewährt werden dürfen. Dass sie kämpften, kann ihnen also nicht als verwunderliche Hartnäckigkeit angerechnet werden: sie waren dazu gezwungen. Darauf erwidere ich: Es war Gottes geheimes Wirken, das diese Völker aufstachelte, Israel feindlich zu begegnen. Einerseits hatte der Herr freilich verboten, Schonung zu üben, anderseits durften die Israeliten so rücksichtslos grausam doch nur verfahren, wenn sie gereizt wurden. So half ihnen der Herr selbst über jeden Zweifel hinweg, indem er in seiner Vorsehung dafür sorgte, dass die zum Verderben bestimmten Völkerschaften selbst in ihr Verderben rannten. So griffen die Könige jenseits des Jordans zuerst zu den Waffen, empfingen also die gerechte Strafe für ihre Frechheit: die Kinder Israel haben sie nicht etwa angegriffen, ohne gereizt zu sein. Auch die Bewohner von Jericho erklärten Israel den Krieg, indem sie die Stadttore verschlossen. So auch hier. Gottes Gebot verlangte Vernichtung der Völker: und er selbst bahnte den Weg zur Ausführung, indem er die Völker verstockte. An erster Stelle steht Gottes Wille. Er beschloss die Frevler zu vernichten, deren Sündenmaß voll war: daher der Befehl an Mose. Sodann folgt die Verstockung, die ebenfalls Gottes Werk ist: sie sicherte erst den Erfolg seines Beschlusses. Es ist nur Verstandeshochmut, der eine so klare Sache unklar macht: man meint, Gott müsse vom Himmel her lauern auf das, was die Menschen beschließen werden; man kann es nicht ertragen, dass Gott die Herzen der Menschen durch seinen verborgenen Einfluss lenkt, - man redet bloß von seiner Zulassung. Aber damit ordnet man Gottes Rat dem Belieben der Menschen unter. Was sagt aber der heilige Geist? Dass auch die Verstockung von Gott stamme: sie dient ihm dazu, diejenigen zu stürzen, die er verderben will.

V. 21. Zu der Zeit kam Josua usw. Die Enakiter waren die Nachkommen der Riesen, deren Größe bei dem Bericht der Kundschafter das Volk so erschreckt hatte, dass es überhaupt nicht nach Kanaan vordringen wollte. Um den Mut des Volkes zu stärken, war es deshalb wohl der Mühe wert, diese schreckerregenden Gestalten zu vertilgen. Es wäre überaus schädlich gewesen, einen Anlass zum Schrecken zu dulden, durch den sie stets aufs Neue geängstigt und aufgeregt werden konnten. Die Ehre, die der Herr sich in den früheren Siegen erworben hatte, wäre durch die Furcht verdunkelt, und der Glaube wäre erdrückt worden. Die Israeliten hätten den Gedanken daran nicht loswerden können, dass ihnen der schwerste Kampf noch immer bevorstehe. Mit Absicht wird daher unter den anderen Beweisen göttlicher Hilfe auch dieser erwähnt, dass das Land von diesen Schreckgestalten gesäubert wurde, sodass das Volk es in Ruhe in Besitz nehmen konnte. Je unglaublicher ein Sieg über solche Gegner erschien, desto herrlicher zeigte sich Gottes Macht.

V. 23. Also nahm Josua alles Land ein usw. Obwohl Josua noch längst nicht das ganze Land zur Ruhe gebracht hatte, heißt es doch schon, er habe das ganze Land eingenommen, wie der Herr zu Mose geredet hatte. Dadurch erfährt die voranstehende umfassende Aussage eine Einschränkung: Gott hatte dem Volke noch nicht das ganze verheißene Gebiet zum Besitz gegeben, aber er hatte ihm doch dargereicht, was er bestimmt hatte. Ein bequemes Gebiet hatte er ihm zum Wohnen angewiesen, und das genügte fürs erste. Bei der hier schon erzählten Verlosung werden Landesteile genannt, die noch nicht unter der Herrschaft des Volkes standen und erst viele Jahre nach Josuas Tode erobert wurden. So lange Josua lebte und die Führung des Volkes in seiner Hand hatte, war jedenfalls ein sicherer Beweis dafür erbracht, dass Gott seine Verheißung auch treu erfülle, - so sicher, dass Josua schon mit Ruhe das ganze Land durchs Los verteilen konnte.

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