Calvin, Jean - Der Prophet Jesaja - Kapitel 13.

Calvin, Jean - Der Prophet Jesaja - Kapitel 13.

Vom 13. bis zum 24. Kapitel weissagt der Prophet von schweren, schrecklichen Niederlagen, welche den Völkern und Ländern drohten, die den Juden benachbart oder durch Handel und Bündnisse bekannt waren. Dafür hat er gewichtige Gründe. Denn bei den mancherlei Wechselfällen des Lebens glauben die einen, Gott treibe sein Spiel mit der Menschen Sachen, andere wähnen, dass alles von einem blinden Schicksal regiert werde. Wenige nur erkennen, dass Gott alles durch seinen Ratschluss bestimmt und lenkt. Nichts ist ja schwerer den Menschen beizubringen, als die Wahrheit, dass diese Welt durch Gottes Vorsehung regiert wird. Viele geben das allerdings mit Worten zu, aber nur bei sehr wenigen ist die wahre Herzensüberzeugung. Bei den geringsten Wechselfällen geraten wir in Verwirrung und erschrecken; wir forschen dann nach ihren Ursachen, als ob dieselben von menschlicher Willkür abhängig wären. Was soll also geschehen, wenn der ganze Erdkreis erschüttert, wenn hie und da die Gestaltung der Dinge derart verändert wird, dass alles über den Haufen zu stürzen scheint? Da war es vor allem von großem Nutzen, dass Jesaja und die andern Propheten über Erschütterungen solcher Art predigten, damit jedermann in ihnen den geheimen, wunderbaren Ratschluss Gottes erkenne. Wäre nämlich über diese Ereignisse nichts vorhergesagt worden, dann hätten fromme Seelen durch dieselben verwirrt und ins Wanken gebracht werden können. Wussten sie dieselben aber schon lange im Voraus, so erkannten sie bei ihrem Eintritt wie in einem Spiegel die göttliche Vorsehung. Wenn die Zerstörung Babylons ihnen schon vorher durch den Mund des Propheten geweissagt war, so zeigte ihnen dieselbe erfahrungsmäßig, dass jene Weissagung nicht grundlos gewesen. Dazu kam aber noch ein anderer Grund, weshalb der Herr den Untergang Babylons und anderer Völker vorhersagen ließ. Diese Prophezeiungen hatten nämlich weder für die Babylonier, noch für die anderen Völker einen Nutzen; sie hörten ja gar nichts von ihnen. Aber er wollte damit die Frommen trösten und ihre Traurigkeit lindern, damit sie nicht verzagten und nicht meinten, ihre Lage sei schlimmer, als die der Heidenvölker. Auf diesen Gedanken hätten sie mit Recht kommen können, wenn sie die andern der Hand des Herrn hätten ungestraft entfliehen sehen. Denn wäre das babylonische Reich in seinem Bestand unangetastet geblieben, dann hätten die Juden zu dem Glauben kommen können, ihr Gottesdienst sei umsonst und der Bund sei eitel, den der Herr mit Abraham geschlossen, da es ja den Heiden und Gottlosen besser erginge, als dem auserwählten Volke. Ja der noch schlimmere Verdacht konnte aufkommen, Gott selber begünstige die Verbrecher und Räuber, die plündernd und Aufruhr erregend alles Recht und alle Gerechtigkeit verachteten. Sicherlich hätten sie gedacht, Gott vernachlässige die Seinen, oder er könne ihnen nicht helfen, oder aber alles werde von einem blinden Schicksal regiert. Damit also die Herzen nicht verzagt und mutlos würden, tritt der Prophet mit der trostvollen Weissagung auf, dass auch die Babylonier ihrer Strafe nicht entgehen werden. Anderseits wies ein Vergleich mit den Babyloniern die Juden darauf hin, wie schwer für sie selbst die Strafe sein würde, die sie mit vollem Wissen und Willen sich zugezogen hatten. Denn wenn Gott den ungläubigen Heidenvölkern, die in Finsternis wandelten, so schwere Drohungen entgegenhält, wie muss dann erst sein Eifer gegen sein aufrührerisches Volk sein, das mit voller Absicht in der Sünde lebte! Denn ein Knecht, der seines Herrn Willen weiß, und hat sich nicht bereitet, auch nicht nach seinem Willen getan, der wird viel Streiche leiden müssen (Lk. 12, 47). Gott, der den blinden Heiden solche Strafen androhte, hielt also den Juden, die im Gesetz erzogen waren, gleichsam wie in einem Spiegel vor, was sie selbst verdient hätten. Der Hauptzweck des Propheten bei diesen Weissagungen ist jedoch, den Juden zu zeigen, wie teuer und köstlich dem Herrn ihr Heil ist, wie er ihre Sache in die Hand nimmt und das ihnen zugefügte Unrecht straft. So oft wir nun diese Weissagungen lesen, sollen wir dieselben auf uns anwenden. Der Herr sagt zwar heute den Königreichen und Völkern nicht mehr in Gesichten die Zukunft voraus; doch hat er keineswegs auf die Regierung der Welt verzichtet. So oft wir demnach von dem Untergang von Städten, von Heimsuchungen der Völker und dem Sturz von Königreichen hören, sollen wir an fremdem Unglück lernen, uns unter Gottes züchtigende Hand zu demütigen.

V. 1. Dies ist die Last usw. Über dies Wort, welches häufig vorkommt, ist kurz Folgendes zu bemerken: es wurde von den Propheten gebraucht, so oft sie etwas Unheilvolles verkündigen wollten. Das Volk sollte wissen, dass alles Widrige, welches uns trifft, der Herr selbst wie eine Last auf menschliche Schultern legt. Die Gottlosigkeit und Halsstarrigkeit des Volkes zwang aber die Propheten, unablässig von den Zornesruten Gottes zu predigen. So kam es, dass man im Volksmunde jede Weissagung mit dem Ausdruck „Last“ bezeichnete. Das geht aus Jeremia 23, 36 ff. hervor, wo der Herr heftig ergrimmt, weil das Volk durch den Ausdruck „Last“ sein Wort nicht nur entehrte, sondern auch verhasst machte. Dies Wort zeigt ferner den Frommen an, dass alle Heimsuchungen und alle Trübsale vom Herrn auferlegt werden, damit jeder die Strafe für seine Sünde geduldig trage. Ausdrücklich hebt der Prophet hervor, dass er den Inhalt seiner Weissagung sah, dass ihm also durch ein himmlisches Gesicht bezeugt wurde, was er reden solle. Das sollte seiner Weissagung ein starkes Gewicht verleihen gegenüber allem menschlichen Meinen. Es war ja schwer zu glauben, dass solch ein blühendes Reich, ausgerüstet mit solcher Macht, gestürzt werden könne. Weil also der Anblick einer solchen Macht die Augen der Israeliten blendete, so richtet der Prophet dieselben hin auf die Zuverlässigkeit des himmlischen Gesichtes. Sie sollen des Gerichtes Gottes, welches sie mit ihrer Vernunft nicht fassen konnten, im Glauben harren.

V. 2. Auf hohem Berge usw. Die Bezeichnung „Berg“ ist bildlich zu verstehen. Von Babylon ist die Rede. Diese Stadt lag, wie wir wissen, in einer Ebene. Aber im Blick auf ihre gewaltige Macht erhebt der Prophet sie, einer Burg gleich, hoch über alle Völker. Besser noch ist es vielleicht, den Ausdruck „Berg“ unbestimmt zu fassen. Der Prophet will sagen: Auf ein gegebenes Zeichen wird dort eine große Menge Volks von den fernsten Ländern zusammenkommen. Weil er weit und breit zu sehen ist, wird er alle an sich ziehen. Diese Auslegung scheint mir in der Tat richtiger zu sein. Es könnte freilich lächerlich erscheinen, dass der Prophet hier aller Welt, als wenn sie ihm unterworfen wäre, einen Befehl erteilt. Aber er tut das nur im Auftrage Gottes, auf dessen Autorität gestützt. Dieser einfache Mann gebietet den Medern und Persern, er ruft Heere zusammen, lässt Panier aufwerfen, ruft mit der Kriegstrompete zum Kampf. Hier ist also Gottes Majestät ins Auge zu fassen, in dessen Namen er redet, dazu Gottes Macht und Kraft, die ja immer mit seinem Worte verbunden ist. Das ist häufig die Art der prophetischen Rede, dass sie uns in lebendiger Weise klar vor Augen stellt, wie Gott durch seine Knechte keine Drohung ergehen lässt, deren Ausführung nicht sogleich bereit stünde. Jesaja hätte sicherlich auch mit einfachen, nackten Worten sagen können: die Perser und Meder werden kommen und in die Tore Babylons einbrechen, so vortrefflich diese Stadt auch befestigt sein mochte. Jene Ausdrucksweise aber hat weit mehr Kraft und Nachdruck. Nicht nur wie ein Herold kündigt der Prophet den Krieg an, sondern in höchster Machtvollkommenheit gibt er den Auftrag, dass Meder und Perser als des Herrn Söldlinge herzueilen sollen. Er zeigt damit nicht nur, dass dieselben auf Gottes Wink, von ihm im Geheimen getrieben, bereit sein werden, sondern beansprucht auch, weil er in göttlichem Auftrag den Untergang Babylons zu bezeugen hat, für sein Wort volle Glaubwürdigkeit in einer sonst unglaublichen Sache. Wenn eben Gott über die Zukunft redet, dürfen wir nicht zweifeln.

Ruft laut ihnen zu. Ohne sie zu nennen, weist doch der Prophet gleichsam mit dem Finger auf die Meder und Perser hin, als wenn sie gegenwärtig wären. Er will damit seiner Weissagung größeren Nachdruck verleihen. Auch dient es zu Vergewisserung, wenn ferne Geschehnisse wie unmittelbare Gegenwart gezeigt werden. Die Worte: Winkel mit der Hand, dass sie einziehen – wollen besagen, dass die Perser und Meder einen glatten und leichten Weg durch alle Hindernisse finden werden, sobald sie sich nach Gottes Befehl gerüstet haben. Dass sie durch die Tore der Fürsten einziehen, deutet auf die glänzende Macht, deren die Babylonier sich rühmten. Ihnen standen Heere und Kriegsmittel zu Gebote, wie keinem andern Volke. Es war unglaublich, dass sie jemals besiegt werden könnten. Doch der Prophet zeigt: wo Gott den Feinden Weg und Zugang öffnet, da gibt es kein Hindernis.

V. 3. Ich habe meinen Geheiligten geboten. Der Prophet stellt uns den Herrn vor Augen, wie er redet und seine Befehle gibt. „Geheiligte“, d. h. von ihm zubereitete Leute nennt er die Meder und Perser. Das Wort „Heilige“ wird verschieden erklärt. Es wird in Beziehung gebracht zu dem heiligen Geist, welchen die Erwählten Gottes haben. Zuweilen aber bezeichnet es so viel als passend machen, zubereiten. Diese Erklärung ist hier besser am Platze. Welche der Herr erschafft, bei denen hat er einen bestimmten Zweck im Auge. Er setzt nicht aufs Geratewohl die Menschen in die Welt, dass sie sich nach Belieben hierhin und dorthin wenden, sondern alle regiert er durch seinen geheimen Rat. Auch das Treiben der Gottlosen leitet und zügelt er. Er treibt sie dahin, wohin er will. Er hält sie im Zaume und tritt ihnen in den Weg, wie es ihm gut scheint. Daher nennt er sie die „Geheiligten“, d. h. Leute, die bestimmt und bereit sind, die Aufgabe, welche sie zu leisten haben, zu erfüllen. Ihnen selbst kommt das freilich am wenigsten zum Bewusstsein. So haben wir alle Erschütterungen der Völker dem geheimen Rat Gottes zuzuschreiben. Ein wunderbarer Trost liegt darin, dass zwar die Gottlosen alles ins Werk setzen, dass sie aber nur das auszurichten vermögen, was der Herr beschlossen hat.

Und meine Starken gerufen. Das bedeutet noch mehr, als das vorhergehende: Ich habe geboten. Nicht nur durch einen gebietenden Wink Gottes, auch durch seine Stimme sollen sie angefeuert werden, wie wenn ich jemandem zurufe, er solle sofort kommen. Babylon soll also von den Medern und Persern zerstört werden; jedoch waren diese darin dem Rufe und Befehle Gottes gehorsam. Denn obwohl der eigne Ehrgeiz und Stolz und die eigne Grausamkeit sie zum Kriege trieb, so lenkte doch Gott sie ohne ihr Wissen zur Ausführung seines Gerichtes.

V. 4. Es ist ein Geschrei einer Menge usw. In überaus lebendiger Ausdruckweise stellt der Prophet uns den Gegenstand seiner Verkündigung vor Augen. Er begnügt sich nicht damit, denselben einfach zu nennen, sondern er malt uns denselben deutlich aus. Eine einfache, gewöhnliche Redeweise hat nicht die Wirkung und packt die Herzen nicht so, wie eine Darstellung, durch welche ein lebendiges Bild des Gegenstandes entworfen wird. Er will also sagen: Jetzt hört ihr zwar nur einen Menschen reden; doch wisset, die Kraft dieser Stimme ist derart, dass von ihrem Schalle die Heiden erregt und die Völker in Aufruhr gebracht werden. In großen Scharen und mit gewaltigem Lärm werden sie herzueilen, Babylon zu zerstören. Diese Predigt wird, auch wenn ich tot bin, so kraftvoll sich beweisen, als ob ihr ihren Inhalt schon gegenwärtig erfüllt sähet. Da erkennen wir, was für eine Kraft in dem Worte Gottes liegt, dem alle himmlischen und irdischen Kreaturen gehorsam sind. Umso mehr ziemt es uns, in diesem Worte fest zu werden, da ja alles eingetroffen ist, was schon Jahrhunderte vorher geweissagt wurde. Darum prägt auch der letzte Satz des Verses ein, dass Gottes Macht es ist, welche die verschiedenen Völker zuhauf bringt: obgleich sie selbst nicht im Geringsten die Absicht haben, von Gott verhängte Strafen zu vollziehen, so müssen sie doch nach Gottes Befehl handeln, wie wenn irgendein irdischer Feldherr seine Truppen führt.

V. 5. Die aus fernen Landen kommen. Bestimmter wiederholt der Prophet in diesem Verse, was ich oben gesagt habe, dass alle kriegerischen Erschütterungen auf Erden nicht zufällig entstehen. Wie auch immer die Leidenschaften der Menschen sich ausschäumen, was für ein Wirrwarr immer entstanden sein mag, Gott thront dennoch in der Höhe. Mit vollen Recht teilt Jesaja ihm den ersten Platz zu: Er gebraucht die Waffen der Menschenkinder als Waffen seines Zornes. „Aus fernen Landen“ sollen die Zerstörer Babylons kommen. Gefahren, die uns nicht nahe sind, fürchten wir nicht. Babylon war so stark, war von so viel unterworfenen Provinzen und Königreichen umschlossen, dass man glauben musste, nirgends würde den Feinden ein Zugang offen stehen. Gefahren aber, die gleichsam in den Wolken hängen, fürchtet man nicht. Da also ringsum in der Nähe keine Gefahr drohte, so kündet der Prophet an, dass von fernher das Verderben heranziehe. Auch bei uns kann Gott, wenn auch alles in tiefem Frieden zu liegen scheint und mit den Nachbarn nicht die geringste Zwietracht herrscht, doch von den Enden der Erde Feinde herzuführen. Wir dürfen uns nicht in Sicherheit und Ruhe wähnen, wenn auch in unmittelbarer Nähe keine Gefahr droht. Wenn diese Weissagung den Babyloniern hinterbracht worden wäre, hätten sie ohne allen Zweifel darüber gelacht und sie für eine Fabel gehalten. Auch angenommen, sie wären dem Propheten gegenüber nicht ganz ungläubig gewesen, so würden sie doch in ihrer großen Sicherheit jene Drohungen als eitel und albern verachtet haben. Die Menschen sind so stumpf, dass sie aus ihrer Sicherheit nur aufgerüttelt werden können, wenn sie gezüchtigt werden und die Schläge selbst fühlen. Die Babylonier sollen uns darum zur Warnung dienen. Wir sollen uns beizeiten vor den Drohungen der Propheten fürchten, sonst widerfährt uns das Gleich, wie den Gottlosen. Diese vertrauen auf ihre ruhige, sichere Lage; aber durch die drückende, züchtigende Hand Gottes werden sie so erschreckt, dass sie nirgends zu widerstehen vermögen, sondern entsetzt niederstürzen.

Samt den Werkzeugen seines Zorns. Meder und Perser werden hier in anderem Sinne Werkzeuge, Gefäße des Zornes genannt, wie bei Paulus alle Gottlosen. Der Apostel Paulus stellt (Röm. 9, 22) Gefäße des Zornes und Gefäße der Barmherzigkeit einander gegenüber. In den Erwählten, so lehrt er, leuchtet Gottes freie Gnade, die Gottlosen aber sind Zeugen seines ernsten Gerichtes. Nach Jesaja jedoch sind Meder und Perser gleichsam Werkzeuge, die Waffen in Gottes Hand, durch die er seine Rache vollzieht.

Zu verderben das ganze Land. Diese Worte weisen darauf hin, dass die kommende Heimsuchung durchaus keine leichte sein wird, die nur einen einzigen Ort trifft, sondern dass sie mehr einer Sintflut gleich das ganze Land überschütten wird.

V. 6. Heulet. Diese Aufforderung richtet der Prophet an die Einwohner Babylons nicht in der Hoffnung, irgendeinen Erfolg bei ihnen zu erzielen, sondern er will damit ihre zukünftige Lage in besonders anschaulicher, eindrücklicher Weise schildern. So schwer wird Gottes Gericht sein, dass es den Babyloniern verdientermaßen nicht nur ein Geschrei, sondern ein Geheul auspressen wird.

Des Herrn Tag ist nahe. Von dem Tag des Herrn spricht der Prophet ganz ebenso, wie es die heilige Schrift auch sonst tut. Der Herr scheint, wenn er seine Gerichte aufschiebt, seine Pflicht zu vernachlässigen, wie etwa Richter, die den Richterstuhl nicht besteigen. Da sind diese Worte nun beachtenswert. Wir möchten den Herrn gern unsern Willen untertan machen, dass er sofort an den Gottlosen das Urteil vollstrecke. Er aber hat seine selbst bestimmte Zeit und kennt die passenden Gelegenheiten, die Bösen zu strafen und den Guten beizustehen.

Er kommt wie eine Verwüstung vom Allmächtigen. Gott wird seine Allmacht in ihrer Verwüstung und Vernichtung offenbaren. Er heißt der Allmächtige. Die Babylonier sollen es bei ihrem Untergang spüren, dass er nicht umsonst so heißt, dass er stark und mächtig ist, zu verderben.

V. 7. Darum werden alle Hände lass. Eine solche Macht steht dem Herrn zur Vernichtung der Babylonier zu Gebote, dass sie seinem Zorn nichts entgegenzustellen vermögen. Trotz ihrer überreichen Hilfsmittel und trotz aller ihrer Macht soll ihr Mut gebrochen und sollen ihre Hände matt werden, sodass sie weder Lust noch Kraft zum Widerstande haben. So wird der Stolz, mit dem die Babylonier sich brüsteten, zu Spott gemacht. In dem Willen Gottes liegt es, Herzen zu entmutigen, zu biegen, zu brechen, oder Hände und Arme zu entnerven, sodass plötzlich aller Mut hinsinkt und alle Kraft entschwindet. Wo aber der Mut gebrochen ist, was sollen da Befestigungswerke, Heere und Reichtümer helfen? Was für einen Zweck hat eine Werkstatt ohne einen Werkmeister? Da sehen wir, wie eitel jedes Vertrauen auf äußere Hilfsmittel ist. Sie nützen uns nichts, wenn der Herr unsere Herzen in Schrecken setzt.

V. 8. Schrecken wird sie ankommen. Mit diesen Worten bestätigt der Prophet, was er im vorher gehenden Verse sagte, dass alle Hände lass und alle Herzen feig sein werden. Woher aber dieser Schrecken? Von Gott. Solchen Schrecken, für den kein äußerer Anlass vorlag, nannten die Alten eine panischen. Denn mit dem Namen ihres Gottes Pan bezeichneten sie Gespenster, Gesichte und derartige Erscheinungen, durch welche die Menschen ohne irgendeine direkte äußere Veranlassung in Schrecken gesetzt wurden. Darin lag ein richtiger Gedanke; doch irrten sie in ihrer krassen Unwissenheit: sie wussten ja nicht, dass das alles von Gott ausgeht. Mit Recht mussten die Babylonier erschrecken, wenn sie sich von tatkräftigen, kriegerischen Völkern angegriffen sahen. Denn der Prophet droht ihnen, wenn sie jenen auch an Stärke gleich seien, sie würden doch wie leblos sein. Durch Gottes geheimnisvolle Einwirkung werden sie wie niedergebrannt am Boden liegen.

Es wird ihnen bang sein wie eine Gebärerin. Mit diesem Bild weist der Prophet nicht nur darauf hin, wie groß der Schmerz der Babylonier sein wird, sondern auch darauf, dass derselbe plötzlich über sie kommen wird. Noch klarer beschreibt das nächste Satzglied die Größe des Schreckens: feuerrot werden ihre Angesichte sein. Einige Ausleger meinen, hier sei von der Röte der Scham die Rede, als wenn es hieße: ihre Angesichter werden erröten. Dadurch wird der Sinn aber viel zu sehr abgeschwächt. Jesaja wollte etwas Stärkeres und Gewichtigeres zum Ausdruck bringen. Wenn uns nämlich Qualen peinigen, zeigt unser Angesicht wohl eine flammende Röte, wir glühen förmlich vor Schmerz. Hier nun bei einer so schweren Heimsuchung von der Röte der Scham zu reden, wäre doch gewiss gar zu matt. Denn der Prophet beschreibt doch ein Elend, das so furchtbar sein wird, dass darob den Babyloniern Flammen aus den Augen sprühen werden. So pflegt es ja zu geschehen, wenn Menschen von einem unerträglichen Schmerze gequält werden.

V. 9. Denn siehe, des Herrn Tag kommt. Der Prophet wiederholt, was er schon im 6. Verse berührt hatte. Wenn auch die Babylonier jetzt noch sicher dasitzen in ihrer Macht, der Tag des Herrn ist nahe, der die Sicheren aufschreckt. Hier könnte die Frage aufgeworfen werden: warum wird der Tag des Herrn „grausam“ genannt? Es ist doch nichts wünschenswerter, als Gott nahe zu haben. Seine Nähe allein macht uns wahrhaft glücklich. Ich antworte: man muss immer bedenken, was für Leute der Prophet anredet. Die Propheten pflegen, entsprechend der Verschiedenartigkeit ihrer Zuhörer, Gott auch verschiedenartig zu beschreiben. David sagt (Ps. 18, 27): „Bei den Reinen bist du rein, bei den Verkehrten bist du verkehrt.“ Was können denn die Frevler bei Gott sich anderes vorstellen, als äußerste Strenge? Daher erschrecken sie, so oft Gottes Name erwähnt wird. Sobald aber Gottes Name unter den Frommen genannt wird, werden diese von seiner Lieblichkeit hoch erfreut. Es kann ihnen überhaupt nichts Köstlicheres genannt werden. Bei den Frommen also sprechen die Propheten, wenn Gott erwähnt wird, von höchster Freude; die sollen fühlen, dass Gott ihnen gnädig und barmherzig ist. Den Gottlosen aber stellen sie das Gericht Gottes vor Augen und reden bei ihnen von Angst und Trauer. Wie die Frommen erquickt werden durch die Nähe Gottes, weil sie im Glauben seine Güte ergreifen, so werden die Gottlosen erschreckt, weil das Gewissen sie straft und sie davon überzeugt, dass Gott ihnen naht als ein strenger Richter. Darum sagt der Prophet: des Herrn Tag kommt grausam, zornig, grimmig. Jesaja will mit diesen Ausdrücken umso eindringlicher darauf hinweisen, wie sehr der Zorn Gottes zu fürchten sei. Von Natur schwerfällig, ja stumpf, würden wir nicht so leicht erschüttert werden, wenn der Herr nur mit einfachen Worten von seinen Gerichten redete. Solche einfache Redeweise würde uns wohl ziemlich kalt lassen. Darum gebraucht er, um unser stumpfes Wesen zu erschüttern, eine andere. Die „Sünder“, von denen hier die Rede ist, sind nicht irgendwelche beliebige Leute, sondern die gottlosen, frevelhaften Bewohner Babylons.

V. 10. Denn die Sterne am Himmel usw. Die Propheten pflegen, um eine tiefe und ernste Furcht vor Gottes Gericht zu erwecken, ihren Drohungen überschwängliche Redewendungen hinzuzufügen, welche den Zorn Gottes gleichsam vor Augen malen und alle Sinne durchdringen sollen. Alle Elemente sollen sich erheben, um sein Strafgericht auszuführen. Doch übertrifft das Überschwängliche dieser Ausdrücke keineswegs die Furchtbarkeit der Sache selbst. Denn keine Darstellung des göttlichen Gerichtes kann so furchtbar sein, wie das Gericht selbst. Dieses wird noch weit mehr als etwas Schreckenerregendes und Entsetzliches empfunden. Sonne, Mond und Sterne sind leuchtende Zeugen der väterlichen Güte Gottes gegen die Menschenkinder. Diese Güte Gottes preist Christus so hoch (Mt. 5, 45): „Er lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten.“ Wenn also Sonne, Mond und Sterne am Himmel glänzen, erfreut uns Gott wie mit einem milden, freundlichen Blick. Am glänzenden Himmel zeigt Gott ein fröhliches und freundliches Angesicht; es ist, als wolle er uns zulächeln. Wenn es aber finster und dunkel ist, wovon der Prophet schreibt, dann Gott gleichsam sein Angesicht verborgen, dann stürzt er die Menschen in düstere Trauer hinein, - denn er zürnt. Eine ähnliche Darstellung enthält das 2. Kapitel des Propheten Joel. Wir haben schon erwähnt, dass diese Art der Rede bei den Propheten gebräuchlich ist. Wir sollen eben wissen, dass, wenn Gott gegen uns ist, alles zu unserm Verderben ausschlagen muss. Gott gibt zwar je und dann sichtbare Zeichen seines Zornes an den Sternen, doch ist das etwas Außergewöhnliches. Die Verfinsterung der Gestirne aber, die der Prophet hier beschreibt, wird vor der Wiederkunft Christi nicht eintreten. Es soll uns genügen, zu wissen, dass alle Kreaturen, die uns ihre Dienste leisten und Zeugen und Träger des väterlichen Wohlwollens Gottes sind, nicht nur, wenn Gott sich zum Gerichte erhebt, ihrem Dienste sich entziehen, sondern sich auch gewissermaßen zur Rache rüsten.

V. 11. Ich will den Erdboden heimsuchen. Der Prophet redet hier nicht von dem ganzen Erdkreis, sondern er gibt Babylon als dem Sitz des mächtigsten aller Königreiche den Namen „Erdboden“. Babylon war wirklich wie der Erdkreis, da es fast die ganze Erde zu umfassen schien. Auf Erden aber gibt es keine noch so weit ausgedehnte Macht, die Gott nicht leicht nur mit einem einzigen Finger hinweg reißen könnte.

Um seiner Bosheit willen, und die Gottlosen um ihrer Untugend willen. Gott wird die Grausamkeit rächen, welche die Chaldäer verübt haben. Die Bosheit und die Freveltaten Babylons werden hervorgehoben, damit wir erkennen, dass der Herr nicht im Geringsten deshalb grausam ist, weil er so strenge gegen Babylon vorgeht. Für seine Freveltaten und Schändlichkeiten diktiert er ihm ja nur die verdienten Strafen. Jeder Grund zur Schmähung Gottes wird also weggenommen. Wir dürfen nicht etwa glauben, Gott finde seine Ergötzung an dem Unglück der Menschen. Wenn er sie so behandelt, wie sie' s verdienen, dann muss jeder Mund verstummen, da ja das herbe Geschick der Bösen nicht von Gott ausgeht, sondern seine Ursache in den Menschen selber findet. Dabei ist festzuhalten, was ich schon berührte, dass kein geringer Trost für die Frommen von dem Propheten darin gegeben wird, dass Gott, wenn er auch zurzeit die Babylonier verschonte, doch zuletzt die Strafe für ihre ungerechte Gewalttätigkeit vollziehen wird.

Und will des Hochmuts der Stolzen ein Ende machen. Der Prophet nennt hier ein ganz besonderes Laster der Babylonier, ihren Hochmut, mit dem sie in ihrer zügellosen Willkür sich alles erlaubten, um Unglückliche zu unterdrücken. Damit trifft er zugleich ihre tyrannische Herrschaft. Hier ist auf eine nützliche Lehre zu achten. Gott muss uns heimsuchen, wenn wir von eitlem, stolzem Selbstvertrauen aufgebläht sind und an uns selbst Gefallen haben. Jede Art des Hochmutes hat der Prophet hier im Auge. Ob nun die Menschen glauben, sie bedeuteten etwas, oder ob sie ihre Macht anstaunen und verächtlich auf andere herabschauen, - der Herr kann keine Anmaßung dulden und lässt sie nicht ungerächt. Unter den Sünden, an denen Babylon überreich war, stand diese obenan und trat besonders deutlich hervor. Durch sie wurde Gottes Zorn am meisten hervorgerufen. Dieser Hochmut war aber, wie gewöhnlich, mit Gewalttätigkeit und Grausamkeit verbunden. Denn aus der Verachtung anderer gehen Gewalttätigkeiten, Ungerechtigkeiten und Bedrückungen hervor. Von ungerechtem Tun lässt einer aber nur dann ab, wenn seine ganze Gesinnung eine andere wird. Darum, wenn wir nicht unserm Verderben entgegen getrieben und nicht gedemütigt werden wollen, lasst uns unsere Herzen aus eignem Antriebe zur Demut neigen!

V. 12. Dass ein Mann teuer sein soll usw. Hier schildert der Prophet noch besonders, wie grausam und furchtbar der zukünftige Krieg gegen Babylon sein wird. Babylon soll nicht nur ausgeraubt, sondern völliger Vernichtung preisgegeben werden. Die Feinde werden so darauf aus sein, Blut zu vergießen, dass Gefangene um keinen Preis aus ihren Händen losgekauft werden können. Sie werden sie lieber töten, als ein Lösegeld für sie annehmen. Nun kann die Frage aufgeworfen werden, ob denn jener Untergang Babylons wirklich so furchtbar gewesen ist, wie Jesaja hier weissagt. Die Geschichte bezeugt es nämlich anders. Daniel, der ein Augenzeuge dieses Untergangs gewesen ist, berichtet, bei der Eroberung Babylons seien die Bewohner von den Medern und Persern verschont worden. Das hat einige Ausleger bewogen, das, was hier von Babylon berichtet wird, in übertragenem Sinne auf alle Gottlosen zu beziehen. Doch tut man dabei den Worten zu viel Gewalt an. Denn kurz hinterher (V. 17) nennt der Prophet ausdrücklich die Meder. Ferner zeigen die Drohungen, die später der Reihe nach gegen die Assyrer, die Philister, die Moabiter, die Tyrer, die Ägypter und die übrigen Völker ergehen, deutlich, dass diese Weissagung hier direkt gegen die Chaldäer sich richtet. Der Prophet führt diese an erster Stelle an, nicht weil ihnen der Untergang näher war, als den andern Völkern, sondern weil es keine schlimmeren Feinde gab, als sie. Wenn er nun bezeugt, Babylon solle gänzlich zerstört werden, so ist dabei sicherlich nicht an eine einzelne Zerstörung zu denken, sondern an alle insgesamt, die später im Laufe eines langen Zeitraums erfolgten. Doch spricht der Prophet nicht ohne Grund so schwere Drohungen aus. Denn die nächste Eroberung, die den Verlust der Herrschaft mit sich brachte, war ja nur ein Vorspiel der verschiedenen Erschütterungen, die hinterher nachfolgten, bis zuletzt die Stadt unter ihren Trümmern begraben war. Das Wort „Mann“ soll nach einigen Auslegern hier soviel wie Kriegsmann, Edelmann bedeuten, das Wort „Mensch“ soviel wie der gemeine Mann. Doch entspricht das weder der Bedeutung der beiden Wörter, noch hat es meiner Meinung nach dem Propheten im Sinn gelegen. Mir scheint vielmehr die Wiederholung nur zur Verstärkung zu dienen, wie es im Hebräischen üblich ist.

V. 13. Darum will ich den Himmel bewegen. Diese Redewendungen dienen in ähnlicher Weise zur Steigerung des Ausdrucks. Gott kann ja nicht zu groß dargestellt werden, nicht nur um damit die Gottlosen zu erschrecken, sondern auch um den Frommen Trost zu spenden, welche oft in Verwirrung kommen, wenn es den Gottlosen gut und alles nach Wunsch geht. Letzteres ist nach seinem eignen Geständnis einem Asaph widerfahren, wenn er spricht: (Ps. 73, 13): „Soll es denn umsonst sein, dass ich meine Hände in Unschuld wasche, dass mein Herz unsträflich lebet?“ Mit Recht werden uns darum diese lebendigen Schilderungen vor Augen geführt: sie sollen uns das Verderbensende der Gottlosen offenbar machen. Jesaja will etwa sagen: Wenn auch Himmel und Erde in Bewegung gesetzt werden müssen, um die Gottlosen zu zerschmettern und zu vernichten, - es wird geschehen. Zwar sind sie ihrer Meinung nach außer aller Gefahr und so fest gewurzelt, dass sie nicht ausgerissen werden können. Der Prophet zeigt aber, dass sie sich sehr täuschen; denn der Herr wird, wenn es sein muss, Himmel und Erde in Bewegung setzen, um sie jählings niederzuwerfen. Mag also auch die Welt uns tausend Stützen allenthalben darbieten, so hat doch nichts Bestand, wenn Gott uns nicht gnädig ist. Wenn das nun in den Einzelgerichten Gottes schon hervortritt, wie viel mehr in dem Endgericht, wenn Christus, um die Gottlosen dem Verderben zu überliefern, den Stuhl seiner Herrlichkeit besteigt!

V. 14. Und sie sollen sein wie ein verscheucht Reh usw. In diesen Bildern bringt der Prophet die Furcht zum Ausdruck, von der die babylonischen Soldaten samt ihren Hilfsvölkern einst befallen werden. Babylon hatte nämlich nicht nur einheimische Truppen, sondern auch fremde Söldner. Diese alle sollen sein, wie verscheuchte Rehe – ein Reh ist ein furchtsames Tier – und wie eine Herde ohne Hirten. Sie werden sich nicht zu ihren Fahnen, noch in ihre Stellungen begeben und keinerlei Ordnung innehalten.

Dass sich ein jeglicher zu seinem Volk kehren und ein jeglicher in sein Land fliehen wird. Aus diesen Worten ist leicht zu entnehmen, dass der Prophet nicht von den Einheimischen allein redet, sondern auch von den auswärtigen Hilfsvölkern, welche zum Schutze der Stadt herbeigerufen waren. Schon an anderer Stelle haben wir es ausgesprochen: die Herzen der Menschen sind derart in Gottes Hand, dass je nach seinem Willen diejenigen, welche früher weich und furchtsam waren, mit einem Male eine frische Tapferkeit bekommen, während solche, die früher große Kühnheit gezeigt hatten, ihren wilden Mut ablegen und erschlaffen.

V. 15. Darum dass, welcher sich da finden lässt usw. Hier bestätigt der Prophet, was er früher gesagt, dass niemand in Babylon entrinnen, dass vielmehr seine ganze Einwohnerschaft zu Grunde gehen soll. Der griechische Schriftsteller Xenophon berichtet nun, bei der Eroberung Babylons seien auf Befehl des persischen Königs Cyrus in der ersten Nacht alle, die angetroffen wurden, niedergemacht worden, am folgenden Tage aber nur die, welche die Waffen nicht abgelegt hatten. Wir haben jedoch schon betont, dass diese Weissagung sich auch auf weit spätere Zeiten und Eroberungen bezieht. Jene Verwüstung war nur das Vorspiel anderer, für die Babylon nach Gottes Ratschluss aufbewahrt wurde, um auf diese Weise häufiger dem Untergang geweiht zu werden.

Und welcher dabei ist, durch's Schwert fallen wird. Dies zweite Glied des Verses übersetzen einige anders: Und wer schon aufgerieben ist, wird durchs Schwert fallen. Sie denken dabei an alle Leute, welche, schon vom Alter aufgerieben, ohnehin nicht länger hätten leben können. Der Prophet hätte sagen wollen: Nicht einmal im hohen Alter stehende, abgelebte Leute werden geschont, obwohl sie schon halbtot sind und ihre Seele schon auszuhauchen scheinen. Doch ist das eine frostige Auslegung. Ich verstehe den Satz lieber allgemein von allen, die in Babylon waren, als es zerstört wurde. Vielleicht kann man aber auch an die Bundesgenossen denken, die mit Babylon verbunden und etwa zu einem Heerkörper vereinigt waren. Der Prophet wollte dann dadurch noch mehr hervorheben, wie furchtbar jene Zerstörung sein sollte.

V. 16. Es sollen auch ihre Kinder usw. Der Prophet zeichnet hier ein Bild schlimmster, blutigster Gräuel. Das ist im Kriege doch der Gipfel aller Grausamkeit, wenn kein Alter geschont wird, und selbst Kinder, die sich bei ihrer Jugend nicht zu verteidigen vermögen, hingeschlachtet werden. Dass die Eltern dies aber vor ihren Augen geschehen lassen müssen, ist das Allerentsetzlichste. In dieselbe Richtung weisen auch die folgenden Worte: es sollen ihre Häuser geplündert und ihre Weiber geschändet werden. Solche Grausamkeit zeigt sich da, wo Feinde aller Menschlichkeit bar geworden und von solcher Wut entflammt sind, dass sie nur noch den einen Willen haben, die Unterworfenen gänzlich mit Stumpf und Stiel auszurotten.

V. 17. Denn siehe, ich will die Meder über sie erwecken. Der Prophet nennt hier die Urheber des Untergangs Babylons. Dabei betont er aber zugleich, dass Gott der letzte Urheber desselben sein wird. Er sagt nämlich: „Ich“ will die Meder erwecken. Auf die Meder hätte durch rein menschliche Erwägungen keiner kommen können. Denn zwischen Babyloniern und Medern herrschte keine Spannung und kein Zwiespalt. Und wenn es doch der Fall gewesen wäre, - welcher Art war damals die Macht der Meder, dass sie den Babyloniern hätte schaden können? Wenn also die Verhältnisse nicht derart waren, dass die Meder die Babylonier bekriegen konnten, so geht daraus doch aufs Gewisseste hervor, dass jene Weissagung auf göttlicher Eingebung beruhte, zumal Jesaja mehr als ein Jahrhundert vor Eintritt jenes Ereignisses dies weissagte.

Die nicht Silber suchen oder nach Gold fragen. Der Prophet spricht die Meder nicht von Raubgier und Habsucht frei, als wären sie so edel, dass sie Gold und Silber verachteten. Vielmehr will er darauf hindeuten, der Krieg werde so wild und grausam werden, dass man in ihm nur ans Vernichten denke. Man darf nun keinen Widerspruch darin finden, dass Gott, obwohl er nicht grausam ist, dennoch so grausame Diener gebraucht. Gerecht handelt Gott, auch wenn er der Gottlosen sich bedient; er wird durch deren Nichtswürdigkeit nicht befleckt. Man darf daher Gottes Werke nicht nach denen beurteilen, die sie ausführen und sich dabei von Ehrgeiz oder Habsucht oder Unmenschlichkeit treiben lassen. Gottes Strafe war eine gerechte: die Babylonier hatten sie mit ihren Freveltaten verdient.

V. 18. Noch der Kinder schonen. Die Grausamkeit der Meder wird so furchtbar sein, dass sie nicht einmal unschuldige Kinder schonen, die man doch in Ruhe zu lassen pflegt, es müsste denn die Wut aufs Höchste gestiegen sein. Auf das Alter wird eben keine Rücksicht genommen. Doch lesen wir nirgends, dass sie Meder solche Grausamkeit begangen haben. Zudem stand und blühte Babylon noch sehr lange nach dieser Niederlage. Wenn es auch nicht mehr der Sitz eines Königs war, so behielt es doch seinen ruhmvollen Namen. Auch wütete man bei jener Eroberung nach Anbruch des Tages nur noch gegen bewaffnete Leute. Wenn aber auch der Prophet hier noch auf andere göttliche Gerichte Bezug nehmen wollte, welche die Babylonier später trafen und lange nach jener ersten Eroberung erfolgten, so schildert er doch nicht ohne Absicht und nicht unangebracht jene barbarischen Sitten. Die Juden sollten umso mehr erkennen, dass für die Tyrannei Babylons ein gerechter Lohn bereit sei. Ohne Zweifel haben auch im Vertrauen auf diese Verheißung die Gläubigen jenen Wunsch ausgesprochen (Ps. 137, 9): „Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und zerschmettert sie an dem Stein.“

V. 19. Also soll Babel umgekehret werden. Mit diesem Verse wollte Jesaja zusammenfassend seine Weissagung über den Untergang der Babylonier schließen. Doch fügt er nachher noch einiges hinzu, wodurch er die Tatsache bekräftigen will, dass sie gänzlich vernichtet werden. Die Propheten reden über die Strafen der Gottlosen in einer Weise, dass sie für Gottes Barmherzigkeit, an der sie sich aufrichten könnten, keinen Platz mehr übrig lassen. Die Frommen aber werden, obwohl sie zuweilen härter gezüchtigt erscheinen, durch die Zuversicht aufrechterhalten, dass der Herr sich ihrer erbarmen und sie nicht völlig verstoßen wird. Wir dürfen nicht immer nach dem äußeren Schein urteilen. Denn dann würden wir oft Gottes Kinder für verloren halten: und doch ist ihnen auch mitten im Tode das Heil nahe.

Wie Sodom und Gomorra. Dies Beispiel ist den Propheten geläufig. Wenn auch die Art der Strafen nicht gleich ist: Gottes Gericht bleibt doch das gleiche. Jenes wunderbare Schauspiel, das der Herr in Sodom gegeben hat, bezieht sich auf alle Gottlosen. Nicht minder schreckliche Strafen erwarten diejenigen, welche mit ähnlicher Hartnäckigkeit in ihren Sünden beharren. Darin aber unterscheiden sich die Strafen des auserwählten Volkes von den Strafen der Gottlosen, dass Gott dem Volk Israel immer noch einen Samen übrig lässt, wie wir bereits im 1. Kapitel sahen, wo es im 9. Verse heißt: „Wenn uns der Herr Zebaoth nicht ein weniges ließe überbleiben, so wären wir wie Sodom und gleich wie Gomorra.“ Die Gottlosen verfolgt er mit unerbittlicher Rache. Sie trifft das gleiche Ende wie die Bewohner Sodoms, der schrecklichste Untergang, ohne jede Hoffnung, ihm zu entrinnen. Von Gott soll Babel umgekehrt werden. Wir sollen eben nicht glauben, es sei dies zufällig geschehen, oder von Menschen geplant und ausgegangen. Denn wie der Blitz nicht zufällig vom Himmel auf Sodom hernieder zuckte, so stürzte auch Babylon nicht zufällig zusammen, sondern durch Gottes gerechte, rächende Hand. Er, der sich immer gleich bleibt, vollzog an seinen Bewohnern ein gerechtes Gericht. Dasselbe wird er an allen Gottlosen vollziehen bis ans Ende der Tage. Wenn Babel die schönste unter den Königreichen, die herrliche Pracht der Chaldäer genannt wird, so sollen wir daraus erkennen, dass kein Ruhm und keine Pracht dem Herrn widerstehen kann; er schleudert die Gottlosen in das Nichts zurück. Je unglaublicher jener Sturz Babels war, einen umso klareren Beweis göttlicher Macht bot derselbe dar.

V. 20. Dass man hinfort nicht mehr da wohne. Der Prophet weist mit diesen Worten darauf hin, dass keine Hoffnung vorhanden sein wird, Babylon wieder aufzubauen. Alle Ausdrücke dieses Verses haben denselben Zweck, nämlich zu zeigen, dass die Babylonier derartig vernichtet werden sollen, dass ihr Ruin ein ewiger bleibt. So groß wird die Verwüstung Babylons werden, dass auch die Araber keine Hütten daselbst machen und die Hirten keine Hürden da aufschlagen. Diese Stätte der Zerstörung muss so auffallend einsam und öde gewesen sein, dass auch jene Nomaden sie mieden. Das Volk der Araber war ja ein Nomadenvolk und hatte keine festen Wohnplätze. Sie verließen ihre Heimat, weil sie unfruchtbar war, darum hieß sie auch „die Wüste Arabien“. Sie zogen umher ohne feste Sitze, weideten ihre Herden und lagen der Jagd ob. Mitten auf den Feldern und zumal auf den Weideplätzen schlugen sie ihre Zelte auf, weshalb sie auch von Griechen Zeltbewohner genannt wurden. Die Gegend um Babylon war vor jener Verwüstung aber in hohem Grade fruchtbar. Umso Staunen erregender, ja geradezu ungeheuerlich war dieser Wechsel. Mochte nun dem Land seine frühere Fruchtbarkeit genommen oder mochten die fortgesetzten Verwüstungen die Ursache sein, jedenfalls schreckten alle vor Babels Anblick zurück. Sicherlich deutet der Prophet damit an, dass Babylon nicht nur zerstört, dass auf ihm auch ein Fluch liegen werde.

V. 21. Sondern Wüstentiere werden sich da lagern. Der Prophet beschreibt jene Wüstenei weiter. Was wir unter den Wüstentieren zu verstehen haben, ist nicht leicht zu sagen. Die Ausleger sind darüber verschiedener Meinung. Jedenfalls aber hat der Prophet an wilde Tiere gedacht, die nicht gezähmt werden können, und an Vögel, die in der Wüste hausen, wie Eulen und Strauße, die er hier besonders nennt.

Und Feldgeister werden da hüpfen. Wir werden nicht irre gehen, wenn wir unter den Feldgeistern dämonische Wesen verstehen, in deren Gaukelgestalten der Satan mit den Menschen seinen Spott treibt. Die Absicht des Propheten ist, das höchste Übermaß der Ödigkeit zu beschreiben: Babel soll nicht nur von Menschen verlassen sein, es werden auch dämonische Geister dort ihr Gaukelspiel treiben. Denn die Dämonen nehmen ihre Gelegenheit an solchen Orten wahr, die mit ihrer Einsamkeit Schrecken einflößen. Feinde und Räuber erscheinen furchtbarer, wenn sie aus einem versteckten, finstern Ort hervorbrechen. So benutzen auch die Dämonen Nacht und Finsternis und von Menschen gemiedene, einsame Orte, um von da aus den schon von Natur furchtsamen Menschen noch größeren Schrecken einjagen zu können.

V. 22. Und wilde Hunde usw. Der Prophet bringt wiederholt dasselbe zum Ausdruck und zeigt, wie furchtbar jene Veränderung werden wird, sodass es zu Tage tritt, wie sie ihren Grund in Gottes Gericht hat, nicht in einem zufälligen Geschick. Das betont er noch mehr, wenn er hinzufügt, nicht irgendwelchen beliebigen Gebäuden werde es so ergehen, sondern ihren Palästen und lustigen Schlössern.

Und ihre Zeit wird schier kommen. Die Kürze der Zeit, von der hier die Rede ist, muss auf die nahende Heimsuchung Babylons bezogen werden. Die Hoffnung der Gläubigen soll eben nicht zu lange hinaus gezogen werden. Ich habe aber oben schon gesagt, dass Babel nicht so bald gestürzt wurde; auch ist der Stadt von den Medern kein solcher Schlag versetzt worden, dass sie darnach mit einer Wüste verglichen werden könnte. Der Prophet sagt aber, dass man verhältnismäßig bald die Anfänge des von ihm geweissagten Endgeschicks werde einsetzen sehen. Den Juden sollte es genügen, dass die ihnen versprochene Rache nicht eine leere Drohung sei. Der heilige Geist pflegt Rücksicht zu nehmen auf unser hitziges, überstürzendes Drängen. Wir möchten wohl, dass Gott seine Gerichte gleich vollziehe und die Frevler strafe, sobald wir es nur wünschen. Gott aber weiß allein die rechte Zeit, die wir bei unserm Drängen nicht abwarten können. Wenn wir an seine Ewigkeit dächten, müsste es uns doch leicht sein, unsere allzu große Eile in Geduld zu zügeln. Da aber unser rücksichtsloses Drängen sonst kaum in Schranken gehalten werden kann, so kommt Gott uns bis zu einem gewissen Grade entgegen. Darum kündet er an, er werde schier in kurzem kommen. Übrigens sollen wir solche kurze Zeit nicht mit irdischem Maßstab messen; den müssen wir bei Seite lassen und die Herzen zum Himmel empor heben. Vor allem aber lasst uns lernen stille sein, so oft uns Gottes Gerichte wenig gefallen; er schiebt ja nur ihre volle Erfüllung weiter hinaus.

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