Calvin, Jean – Hiob 42, 9 – 17.

Calvin, Jean – Hiob 42, 9 – 17.

9) Da kamen Eliphas von Theman, Bildad von Suah und Zophar von Naema und taten, wie der Herr ihnen befohlen hatte, und der Herr nahm das Angesicht Hiobs an. 10) Und der Herr wendete Hiobs Gefängnis, da er für seine Freunde bat, und er segnete den letzten Stand Hiobs mehr als den ersten. 11) Und es kamen zu ihm alle seine Brüder und alle seine Schwestern und alle, die ihn vordem gekannt hatten, und aßen mit ihm in seinem Hause und hatten Mitleid mit ihm und trösteten ihn über allem Unheil, das der Herr über ihn hatte kommen lassen, und er empfing von einem jeden unter ihnen ein Stück Silber und von einem jeden ein güldenes Schmuckstück. 12) Und der Herr segnete den letzten Stand Hiobs mehr als den ersten, so dass er vierzehntausend Schafe bekam und sechstausend Kamele und tausend Joch Ochsen und tausend Eselinnen. 13) Er bekam auch sieben Söhne und drei Töchter, 14) und die erste nannte er Jemima, die zweite Kezia und die dritte Keren-Hapuch. 15) Und es wurden nicht so schöne Weiber gefunden in allen Landen wie Hiobs Töchter, und ihr Vater gab ihnen Erbteil unter ihren Brüdern. 16) Und Hiob lebte darnach noch hundertvierzig Jahre und sah Kinder und Kindeskinder bis ins vierte Glied, 17) dann starb er alt und lebenssatt.

Da sieht man doch, wie die Menschen sich ändern, wenn Gott ernstlich mit ihnen redet, wenn er sie nicht allein mit dem äußeren Ohr seine Stimme hören lässt, sondern so, dass sie sie mit dem Herzen aufnehmen. Zuvor hielten Hiobs Freunde ihn für einen ganz verworfenen Menschen, sie fällten ihr Urteil, ohne irgendeine Entschuldigung gelten zu lassen, sie schalten ihn tapfer aus, als wäre er ein armer Erdenwurm, ja noch etwas viel Verächtlicheres. Jetzt aber kommen sie wie Bettler; den Stolz, der sie zuvor blendete, hat Gott ihnen abgenommen. Ja, Gott muss uns in seine Schule nehmen und lehren; denn von dem törichten Hochmut, mit dem wir aufgeblasen sind, kann kein Mensch in der Welt uns heilen, bis das Gott Hand anlegt. Hiobs Freunde aber haben nicht allein ganz vergessen, wie stolz sie vordem waren, sie legen ihre Buße auch an den Tag, indem sie Gott gehorsam sind, wie denn die rechte Frucht die gute Wurzel sichtbar werden lässt, die sonst im Herzen verborgen bliebe: diese Frucht aber ist der ernsthafte Gehorsam gegen Gott. Darum heißt es auch Apg 2, 37: „Ihr Männer, lieben Brüder, was sollen wir tun?“ Zuerst donnert Petrus über die, die zuvor Verächter unseres Herrn Jesus Christus waren, dann wurden sie im Herzen verwundet und fühlten den Schlag, so dass sie sagten: Was sollen wir tun? Damit zeigten sie sich vor Gott erbötig, alles zu tun, was er ihnen befehlen würde. Solch eine Frucht der Buße sehen wir auch hier.

Und der Herr nahm das Angesicht Hiobs an und wendete sein Gefängnis, da er für seine Freunde bat. Gott hat „Hiobs Angesicht“ erhört und sich seine Fürbitte gefallen lassen, indem er ihn zum Priester verordnet. Aber haben wir denn nicht eine viel bessere Zuversicht, indem unser ewiger Hoherpriester und Fürsprecher, der ins himmlische Heiligtum eingegangen ist, Jesus Christus, nimmermehr zurückgewiesen werden wird, und ebenso wenig wir, wenn wir durch ihn zu Gott, dem Vater, kommen und allezeit dem Wege und der Anleitung folgen, die er uns gegeben hat? Hiob war in seinem Unglück nahe daran, Gott zu lästern; wohl hat er schließlich die Geduld bewahrt, aber er ist doch in seiner hitzigen, unbedachten Art gegen Gott zu Felde gezogen und hat ihn damit schwer gekränkt. Gleichwohl trägt Gott ihm die Fürbitte auf, und darum wird er auch erhört, nicht allein für seine eigene Person, sondern auch für die Fremden und die, die vordem seine Feinde gewesen waren und sich in Gegensatz gegen Gott gesetzt hatten. Sie hatten ja alle seine Worte verdreht und die Hoffnung des ewigen Lebens zerstört; gleichwohl aber findet Hiobs Fürbitte Gnade. Wenn nun Gott diese Fürbitte annimmt, die doch nur ein geringer und dunkler Schatten war, wie wird es dann erst jetzt gehen, da er uns seinen einzigen Sohn zum Hohenpriester verordnet und ihm nicht Böcke, Schafe und Widder, sondern sich selbst mit Leib und Seele zu opfern befohlen hat?

Die böse Welt ist mit einem Mittler nicht zufrieden. Die Papisten suchen sich Heilige als Schutzherren und Fürsprecher. Und warum? Sie wollen Jesus Christus diese Ehre nicht geben, dass sie sich durch sein Leiden und Sterben losgekauft erklärten. Wohl nennen sie ihn Gottessohn und Erlöser, aber sie wollen ihn nicht als ihren Fürsprecher anerkennen, nehmen auch ihre Zuflucht nicht zu ihm. Sie wissen nicht, wie sie ihn anrufen sollen; das ist ihnen ein unbekanntes Ding. Und tun denn wir unsere Pflicht, wie sich´s gebührt? Recht unterrichtet sind wir doch! Sooft wir zu Gott beten, muss uns das ewige Opfer, das uns die ewige Erlösung gebracht, vor die Augen und ins Gedächtnis kommen. Aber daran denken wir nur so obenhin. Es ist uns genugsam eingeprägt, dass Jesus Christus unser Fürsprecher ist, und doch können wir zwischen Gott und unserm Herrn Jesus Christus nicht unterscheiden, und wenn wir den Vater im Namen Jesu Christi anrufen, so wissen wir gar nicht, ob es einen Anwalt gibt, der für uns eintritt. Aber wir brauchen uns gar nicht zu wundern, wenn unser Herr häufig den Menschen die Augen verblendet, dass sie den richtigen Weg verlassen, den er ihnen in seinem Wort gezeigt; denn in ihrer Bosheit wenden sie sich selber davon ab und verschließen sich selbst die Tür, so dass sie keinen Gebetszugang zu Gott haben; wir wissen ja: Es gibt keine andere Tür, wenn wir nicht unsern Herrn Jesus Christus zum Anwalt haben. Wir sehen doch, dass Gott die Menschen durch Opfer erhört hat; die Priester im Gesetz sind doch nicht vergebens in das Heiligtum eingegangen, das von Menschenhänden gemacht und darum vergänglich war, und haben das Blut eines unvernünftigen Tieres geopfert. Umso mehr dürfen wir gewiss sein: Unser Herr Jesus Christus wird machen, dass wir einen gnädigen, gütigen Gott finden, und da werden wir zu Gnaden angenommen, wenn unser Gebet auf sein Opfer gegründet ist und wir wissen, dass es sein Amt ist, unser Fürsprecher zu sein und uns Erhörung beim Vater zu erwirken.

Nun aber heißt es: Der Herr wendete Hiobs Gefängnis. Die Angst, die ihn umklammerte, wurde von ihm genommen, Gott hatte Mitleid mit seinem Knecht. Ausdrücklich wird gesagt, das sei geschehen, weil Hiob für seine Freunde bat, also für die, die ihn verfolgt hatten. Lieben wir unsere Feinde und sind auf ihr Heil bedacht, so kommt das uns zugute, und Gott lässt den Segen wieder auf uns zurückkommen. Manchmal fürchten wir, wir wären zu freundlich und gelinde, wenn man uns gekränkt hat, und halten es viel zu oft mit dem teuflischen Sprichwort: Wer sich zum Schaf macht, den frisst der Wolf. Darum sind wir so hitzig darauf erpicht, uns zu rächen, wenn man uns kränkt oder Unrecht tut; es dünkt uns, es bringe uns nur Schande, wenn wir verzeihen, und wir ermutigten unsere Feinde damit nur zu neuer Kränkung. Solche verkehrten Gedanken müssen wir fahren lassen, weil uns doch Gott in seinen Schutz genommen und uns einen guten Hirten gegeben hat, Jesus Christus, der uns zugesagt hat, uns zu bewahren. Bitten wir jedoch für die, die uns quälen, so wird dieser Segen wieder auf uns kommen. Gott lässt es ihnen zugute kommen, dass wir für sie gebeten, und so werden sie, die früher Feinde waren, unsere Brüder; bleiben sie aber in ihrer Bosheit verstockt, so lässt doch Gott ganz gewiss alle unsere Fürbitten uns zugute kommen.

Darum heißt es ausdrücklich: Der Herr nahm das Angesicht Hiobs an, weil er für seine Freunde gebeten. Da müssen wir an das Wort des Apostels Jakobus denken: „Die Geduld Hiobs habt ihr gehört, und das Ende des Herrn habt ihr gesehen“, das Ende, das Gott ihm geschenkt (Jak 5, 11). Damit will er uns lehren: Die Anfechtungen, die Gott seinen Kindern auferlegt, sind zeitlich, ihr Ausgang aber ist selig, und es ist besser, eine Zeitlang angefochten zu sein, als allezeit herrlich und in Freuden leben. Denn wenn Gott uns gar zu sehr verschonte, so wäre keiner unter uns, der in dieser Welt nicht einschliefe; wir wüssten gar nicht mehr, was es heißt, Gott zu gehorchen; die Begierden unseres Fleisches würden wilden Pferden gleich, und wir dächten nur an dies vergängliche Leben.

Wenn also Gott seine Gläubigen mit Plagen heimsucht, so tut er das nicht, um sie bis aufs äußerste zu bedrücken, denn er weiß, wie viel sie tragen können, wie der hl. Paulus sagt: „Gott ist getreu, der euch nicht lässt versuchen über euer Vermögen, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende gewinne, dass ihr´s könnet ertragen“ (1. Kor 10, 13). Zudem aber lehrt er uns auch, dass wir uns gern von seinen Ruten schlagen lassen sollen, wie David sagt: „Ehe ich gedemütigt ward, irrte ich; nun aber halte ich dein Wort“ (Ps 119, 67). So können wir uns allezeit unseres Elends und unserer Züchtigungen rühmen.

Das sollen wir aus dieser Stelle lernen; denn nicht um Hiobs willen steht es geschrieben, dass Gott seinen letzten Stand mehr segnete als den ersten, dass er ihm doppelt soviel Güter und Reichtümer gab als vorher – und sie waren doch zuvor schon groß genug – und dass er ihm Söhne und Töchter schenkte und er in die Länge leben durfte und schauen Kinder und Kindeskinder bis ins vierte Glied, nachdem er sie doch alle hatte hergeben müssen. Gewiss hat der Heilige Geist an der Person Hiobs ein Denkzeichen der Gnade Gottes aufrichten wollen, aber das sollte nicht in erster Linie zu seiner Unterweisung dienen, sondern zu der unsrigen. Darum hält uns Jakobus nicht ohne Grund diesen Spiegel vor; er will sagen: Meine Lieben, Geduld ist schwer zu lernen, wenn die Menschen gequält werden, denn das geht gegen ihre Natur; aber am Ende wendet es Gott ihnen zum Heil, und sie erkennen, dass es ihnen viel besser war, solche Züchtigung zu erleiden, als zu sehr auf den Händen getragen und verzärtelt zu werden.

Wir müssen also an Hiobs Geschichte sonderlich das Ende bedenken. Dann können wir daraus den Trost schöpfen, dass die Trübsal der Kinder Gottes zeitlich und vergänglich ist, ja, sie dient ihnen als Arznei, und der Ausgang ist allezeit selig: in jedem Fall haben sie Anlass, Gott zu preisen, nicht nur wenn er sie erlöst, sondern auch insofern er die Begierden in ihnen ertötet. Und eine weitere Bestätigung dieser Lehre haben sie darin, dass sie unserm Herrn Jesus, dem lebendigen Vorbild der Gläubigen und Gotteskinder, gleich gestaltet werden, wie Paulus (Röm 8, 29) sagt: „Welche er zuvor ersehen hat, die hat er auch verordnet, dass sie gleich sein sollten dem Ebenbilde seines Sohnes, auf dass derselbe der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.“ Wenn wir allein das Kreuz Jesu Christi anschauen, so ist es durch Gottes Mund verflucht, wir sehen darin nichts als Schmach und Schrecken, kurz, es sieht aus, als hätte der Abgrund der Hölle sich aufgetan, um Jesus zu verschlingen. Schauen wir aber seine Auferstehung mit seinem Tode zusammen, dann haben wir nur Freude, dann lindert sich all unsere Traurigkeit, und wir brauchen auch unsere eigene Züchtigung nicht allzu sehr zu betrauern. Das hat sich deutlich an unserm Herrn Jesus Christus erfüllt, damit wir wissen: Es ist nicht nur um einer Person willen geschrieben, sondern der Sohn Gottes will uns seines Lebens teilhaftig machen, wenn wir mit ihm gestorben sind, und er will uns an seiner Herrlichkeit Anteil geben, wenn wir alle Schmach und alles Elend tragen, das Gott nach seinem Rat uns auf die Schultern legt, wie auch Paulus an einer andern Stelle sagt: „Dulden wir, so werden wir mitherrschen“ (2. Tim 2, 12).

Wir sehen jetzt, warum uns da vorgehalten wird: Wir sollen durchaus nicht überrascht sein, wenn Gott uns plagt, und wir dürfen uns nicht einer Traurigkeit ergeben, die uns das Herz zusammenschnürt und uns so gefangen nimmt, dass wir keinen Trost mehr schöpfen können, sondern sollen stets auf den Ausgang sehen, den Gott seinen Kindern verheißen hat. So hat er´s mit der Tat bewiesen an Hiob, an David und andern, vor allem aber an unserm Herrn Jesus Christus, der aller Gläubigen rechter und oberster Schutzherr ist. Gewiss, es geschieht nicht immer, dass Gott den Betrübten seine Gnaden verdoppelt; es wird nicht immer sichtbar, dass sie doppelt so reich werden, als sie vorher waren. Das sieht man nicht in allen Fällen; denn Gott behandelt auch nicht den einen wie den andern; er weiß, was jedem heilsam ist, und wir müssen bereit sein, das Teil, das er uns zuweist, hinzunehmen; denn Gott handelt wie ein Hausvater, der wohl weiß, was den Seinen dienlich ist. Aber dem sei, wie ihm wolle: wir dürfen unserer Geschichte die allgemeine Lehre entnehmen, dass Gott nicht nur, wenn es Zeit ist, unsern Trübsalen ein Ende macht, sondern dass er uns alles zum Besten wendet und wir es spüren, dass er uns während der ganzen Trübsalszeit nicht vergessen hat, sondern hat sich uns immer als Vater erzeigt, weil er nicht will, dass wir in dieser Welt sicher einschlafen.

Was den zeitlichen Segen angeht, so lasst uns den hinnehmen, so wie Gott ihn schickt, dabei aber vor allen Dingen beachten: Wenn wir nichts anderes hätten, als dass wir der Güte unseres Gottes versichert sind und dass er uns immer mehr seine Hilfe beweisen will, indem er unsern Glauben in der Trübsal übt – wäre das nicht viel? Wenn wir nichts anderes hätten als die Hilfe, die Gott uns erweist, wenn er durch seinen Heiligen Geist an uns arbeitet, damit wir nicht erliegen, und wenn endlich durch diese Erfahrung klar wird, dass Gott immer zu unserer Hilfe bereit ist – wenn wir auch nur das hätten, wäre das nicht ein ganz unschätzbarer Gewinn? Aber wir haben noch mehr davon: Gott lässt uns unsere Schwachheit sehen, die uns sonst unbekannt bliebe, und das treibt uns immer mehr, ihn anzurufen. Außerdem werden wir in der Trübsal daran gewöhnt, nach dem himmlischen Leben zu verlangen; denn wer nur in der Freude dieser Welt lebt, wendet sich von Gott ab. Wenn aber Gott uns niederschlägt und so tief demütigt, dass wir nicht aus noch ein wissen, so tut er das, damit wir umso mehr schmecken von dem geistlichen Heil, das uns bereitet ist. Wenn wir also nichts anderes hätten, müssten wir dann nicht sagen: Was von Hiob geschrieben ist, ist an uns in Erfüllung gegangen, und so ist er uns ein treffliches Beispiel!? Deshalb wollen wir Gott mit uns handeln und von seinen Gnadengaben uns austeilen lassen, je nachdem er für gut befindet. Aber es gehe, wie es will – der Ausgang unserer Trübsale wird immer selig sein. Ja, wenn wir nichts anderes hätten, als dass wir zur Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus geführt werden und dass wir beim Abscheiden aus dieser Welt in die Gemeinschaft des Sohnes Gottes und seiner Engel eingehen, müssen wir dann nicht unsere Trübsal segnen? Und wenn es uns auch nach dem Fleische sauer ankommt, haben wir dann nicht allen Grund zu immerwährender Freude und zum Dank gegen unsern Gott, vornehmlich wenn er uns erlöst von allem Elend des gegenwärtigen Lebens?

Ich will nun nicht alles einzelne auslegen, will auch nicht darüber reden, dass „nicht so schöne Weiber gefunden wurden in allen Landen wie Hiobs Töchter.“ Denn die Schrift will nur im Allgemeinen sagen, dass es ihm Gott nach Art der Welt hat wohl ergehen lassen, so dass wir´s mit Augen sehen können: Gott war ihm wohlgesinnt, ja über den gewöhnlichen Lauf der Dinge hinaus. Es soll uns nicht befremden, dass Gott zu jener Zeit seine Liebe zu seinen Gläubigen durch irdisches und vergängliches Glück hat beweisen wollen; denn es gab damals noch keine so deutliche Offenbarung vom himmlischen Leben wie heute im Evangelium. Noch war Jesus Christus nicht geoffenbart, der zu uns herabgestiegen ist, um uns zum Himmel hinaufzuziehen, der sich mit unserm Fleisch bekleidet hat, um uns zu zeigen, dass Gott in uns wohnt und uns mit seiner Herrlichkeit und Unsterblichkeit vereinigt hat. Das alles gab es damals noch nicht, deshalb musste er damals seine Gläubigen in etwa wie kleine Kinder behandeln. Darum wird von den alten Vätern in der Schrift ausdrücklich erzählt, Gott habe sie gesegnet mit Kindern, Vieh, Geld und dergleichen, ja besonders mit langem Leben. Mit solchen Mitteln mussten sie sich behelfen und warten auf die Offenbarung des himmlischen Lebens, wie denn unser Herr Jesus uns die Pforte des Paradieses aufgetan hat bei seiner Ankunft, um uns mit sich dort hinaufzuführen. Lässt uns also Gott gegenwärtig nicht nach der Art der Welt glücklich sein, so soll uns das nicht verdrießen, denn wir haben´s darum nicht schlechter als die alten Väter; wir haben einen viel besseren Lohn, und das soll uns trösten.

Als Beispiel soll uns nur dienen, was vom langen Leben gesagt ist. Gott hat in seinem Gesetz das lange Leben, das er seinen Gläubigen geben wollte, sehr hoch geschätzt, gleichwohl aber hat es Ungläubige und völlig Verworfene gegeben, die lange gelebt haben. Wir haben also darauf keinen besonderen Wert zu legen, weil diese Wohltat den Feinden Gottes und seinen Gläubigen gemein ist; langes Leben ist nicht das höchste Gut, ist nicht das wahre und vollkommene Glück – weit gefehlt! Aber man muss auch bedenken: Die alten Väter wussten noch nicht so genau wie wir, dass Gott ihnen ihr Erbteil im Himmel bereitet hatte. Gewiss, einen Geschmack davon hatten sie auch, und unser Glaube ist derselbe wie der ihre, aber gleichwohl sahen sie noch lange nicht so klar wie wir, die wir die Offenbarung in unserm Herrn Jesus Christus haben. Darum musste ihnen Gott ein langes Leben schenken, damit die lang dauernde Erfahrung in dieser Welt sie im Glauben wachsen ließe. So hat auch Hiob ein langes Leben gehabt. Heutzutage ist unser Leben kürzer; denn uns ist Jesus Christus erschienen und hat uns gelehrt, dass wir Fremdlinge in dieser Welt sind, um zu dem Erbgut zu eilen, das uns durch sein Blut erworben ist. Das war damals nur als ein Schatten da, deshalb musste es mit sichtbaren Wohltaten bezeugt werden; jetzt aber haben wir das Wesen selbst. Schatten und Vorbilder gibt´s nicht mehr, wir haben jetzt die Sache selbst in unserm Herrn Jesus Christus. Darum müssen wir zufrieden sein mit dem, was Gott uns gibt, und uns allezeit in seine Leitung ergeben.

Schließlich müssen wir auf eins noch achten: Wir müssen „lebenssatt“ sein, wenn es Gott gefällt, uns aus dieser Welt abzuberufen. Gewiss, wenn die Schrift von Hiob und Abraham sagt, sie seien gestorben „alt und lebenssatt“, so denkt sie dabei an den leiblichen Segen. Aber dem sei, wie ihm wolle: weder Hiob noch Abraham und ihresgleichen wären jemals „lebenssatt“ gewesen in der Welt, hätten sie sich nicht nach einem besseren und herrlicheren Ziele ausgestreckt. Darum musste ihnen Gott ein langes Leben schenken, damit sie mehr Erfahrung von seiner Güte bekämen, was für uns heute nicht so nötig ist, da wir ja eine viel deutlichere Anschauung von der väterlichen Liebe Gottes haben. So müssen wir des Lebens satt und zum Sterben bereit sein, wenn der gute Wille Gottes es fordert; dann müssen wir mit fröhlichem Mute hinübergehen und nicht mit Zähneknirschen, wie es die Ungläubigen tun. Denn wenn sie auch hunderttausend Jahre gelebt hätten, so wollten sie doch noch länger hier unten bleiben: sie haben keine andere Hoffnung als die des gegenwärtigen Lebens, und sie meinen, es entgehe ihnen alles, wenn sie sterben müssen; darum sind sie auch nie bereit, diese Welt zu verlassen. Dagegen die alten Väter haben die richtige Mitte innegehalten: sie haben ihren Glauben gestärkt, wenn ihnen Gott langes Leben schenkte, dabei aber haben sie sich bereitgehalten, abzuscheiden, wenn Gott sie zu sich rief.

Was sollen wir denn heute tun? Wir haben heute kein längeres Leben nötig, um unseres Gottes väterliche Freundlichkeit kennen zu lernen; und wenn wir nur drei Tage in dieser Welt zu leben hätten, so wäre das lange genug, um Gottes Güte und Barmherzigkeit zu schmecken und unsern Glauben zu stärken. Unser Herr Jesus Christus ist ja gestorben und auferstanden, darum brauchen wir nicht lange Zeit in dieser Welt zu sein, um zu erkennen, dass Gott unser Vater ist und wir unseres Heils gewiss sein dürfen. Sobald uns also Gott die Wahrheit seines Evangeliums zu erkennen gibt, sollen wir bereit zum Sterben sein; denn wir wissen ja doch, dass er uns zu seinen Kindern angenommen hat und sich als unser Vater erzeigen wird im Leben und im Sterben. So sind wir allezeit „lebenssatt“, weil Gott uns in unserm Herrn Jesus Christus ein so herrliches Unterpfand seiner Liebe gegeben hat, dass wir gar keine bessere Bestätigung mehr verlangen können und darum auch kein längeres Leben zu wünschen brauchen. Lasst uns nur täglich bitten, er wolle in dieser Welt durch seinen Heiligen Geist uns leiten und alsdann zu sich ziehen; dann dürfen wir dorthin kommen lebenssatt, weil er uns hier genährt und erhalten und gelehrt hat, dass unser wahres, seliges Leben uns da droben bereitet ist.

EHRE SEI GOTT!

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