Calvin, Jean – Hiob 40, 20 – 41, 2.

Calvin, Jean – Hiob 40, 20 – 41, 2.

20) Kannst du an der Angel ziehen das Krokodil und seine Zunge fassen mit der Leine? 21) Kannst du die Angelschnur in seine Nase legen und mit einem Stachel ihm die Backen durchbohren? 22) Meinst du, es werde dir viel Flehens machen oder dir sanfte Worte sprechen? 23) Meinst du, es werde ein Bündnis mit dir schließen, dass du es für immer zum Sklaven hast? 24) Kannst du dein Spiel mit ihm treiben wie mit einem Vogel oder für deine Mädchen es anbinden? 25) Meinst du, die Gefährten würden einen Schmaus von ihm machen und die Händler es unter sich zerteilen? 26) Kannst du das Netz füllen mit seiner Haut und die Fischreusen mit seinem Kopf? 27) Leg doch die Hand an es – an den Strauß wirst du denken, und du versuchst es nicht zum zweiten Mal. 28) Sieh, die Hoffnung, es zu fangen, ist vergeblich, bei seinem Anblick schon fällt sie dahin. 41, 1) Es aufzuwecken ist keiner kühn genug – wer ist denn, der vor mir bestehen könnte? 2) Wer gibt mir etwas zuvor, dass ich ihm vergelten müsste? Mein ist alles, was unterm Himmel ist.

Um seine Kraft und Herrlichkeit zu zeigen, führt Gott mehrere Tiere der Erde vor, darunter das Nilpferd und das Krokodil1). Er meint: Wenn die Menschen das Wesen Gottes nicht anschauen können, so brauchen sie doch, um seine Majestät wahrzunehmen, nur die Tiere anzusehen, die er geschaffen hat, besonders solche, die uns mit ihrem Anblick erschrecken sollen, damit Gott um so mehr von uns geehrt werde. Wenn wir nun aber vor einem Tiere zittern, wie dürften wir dann so kühn sein, um gegen Gott aufzutreten und mit ihm zu rechten, wenn er uns züchtigt, gegen ihn murren, wenn er uns demütigen will? Dürfen wir dann so töricht sein, uns gegen seine Gerechtigkeit aufzulehnen und auch nur in einem Stück ihm widersprechen, ja seine Herrlichkeit schwächen und schmälern zu wollen? Welch ein Wahnsinn, sich an Gott heranmachen zu wollen, wo man doch bange sein muss vor den unvernünftigen Tieren!

Gott will uns lehren, dass uns das Krokodil weit überlegen ist und deshalb unser Stolz sich gar lächerlich ausnimmt, besonders wenn wir so tollkühn sind, uns gegen ihn zu erheben, um ihm zu nehmen, was ihm gebührt, und ihn seiner Gerechtigkeit zu berauben. Dabei müssen wir zu Schanden werden, und Gott braucht gar nicht erst vom Himmel herabzusteigen, um sich in seiner Majestät zu zeigen: er hat genug an den Tieren, um seine Ehre zu wahren. Gott triumphiert zu Wasser und zu Lande, damit die Menschen es lernen, dass sie zu Schanden werden müssen, wenn sie sich in ihrem Stolz gegen ihn auflehnen. Er bedarf keiner andern Richter, um uns zu verdammen, als der unvernünftigen Tiere. Dahin weist uns Gott um unserer verkehrten Art willen, weil unsere Natur ganz boshaft und zum Argen geneigt ist, so dass wir gar nicht zur Vernunft zu bringen sind. Wir sind so verstockt, dass wir immer Ausflüchte suchen und vor Gottes Gericht, soweit wir können, fliehen. Deshalb muss Gott solche Verstocktheit mit Gewalt zerbrechen, um uns sich untertänig zu machen. Wir können schon zufrieden sein, dass Gott uns zu solchen Tieren in die Schule schickt, damit wir bei ihnen Demut lernen. Wir hätten´s wohl verdient, dass uns die Krokodile verschlängen oder das Meer die ganze Erde überschwemmte! Und das geschähe ja auch, hätte uns Gott nicht aus Gnaden einen Wohnplatz übrig gelassen und uns verschont aus unaussprechlicher Güte, so sehr wir es auch verdienten, jeden Augenblick in den Abgrund gestoßen zu werden. Aber wir können zufrieden sein, dass uns Gott in die Schule nimmt zu Wasser und zu Lande und dass alles uns zum Besten dienen muss, wenn wir uns nicht in Trägheit, Unwissenheit und Bosheit von ihm abwenden.

Nun aber erklärt Gott, in welcher Absicht er hier das Krokodil erwähnt: Wer ist denn, der vor mir bestehen könnte? „Wenn die Menschen nicht einmal den Mut haben, ein Krokodil aufzuwecken oder in seine Nähe zu kommen, wer kann dann vor mir bestehen?“ Alles umfasst Gott mit seiner Herrlichkeit, und er umfasst es so, als wenn es nichts wäre; wenn wir denn schon vor einem einfachen Tiere bange sind, sollten wir dann nicht erst recht vor ihm erschrecken? Das bekräftigt er mit dem Wort: Mein ist alles, was unter dem Himmel ist. Es könnte jemand sagen: Ja, ein Krokodil ist ein furchtbares Tier, aber so ist doch Gott nicht! Darauf antwortet Gott: Was ist ein Krokodil anders als ein Wurfspieß, von meiner Hand geworfen, oder ein Schleuderstein? Den Krokodilen und andern Ungeheuern hat Gott eine Spur seiner Stärke aufgeprägt, damit man weiß: Sie kommen von ihm her, und er bedient sich ihrer, wie er will. Weil denn alle Dinge in seiner Hand sind, so haben wir wohl allen Grund, vor ihm zu erzittern. Gewiss, unser Herr will uns nicht weit von sich fortjagen. Aber soviel ist sicher: Erst müssen wir einmal vor ihm erschrecken und ihm die gebührende Ehre erweisen. Dann ruft und lockt er uns zu sich, dass wir bei ihm Freude und Erquickung finden; aber wir können uns nicht zu ihm nahen, ehe wir nicht völlig niedergeschlagen sind. Darum muss ein Schrecken vorhergehen, der uns so erschüttert, dass wir nicht bestehen können, sondern spüren: Es ist aus mit uns, und wir sind verloren, wenn Gott seine Macht gegen uns braucht. Gewiss, wenn wir Gott als unseren Vater erkennen, dann schwindet aller Schrecken. Aber er muss uns zuvor gänzlich niederwerfen, um uns hernach wieder aufzurichten. Wenn wir jedoch bleiben wollen, was wir sind, wenn wir uns gar groß und tüchtig dünken, so kommen wir nie ans Ziel, sondern gehen ganz und gar zugrunde.

Das Wort „bestehen“ zeigt an, dass der Mensch nimmermehr eine gute Sache haben kann, solange er sich für gerecht und weise hält, sondern dass er zuvor völlig zu Schanden werden und einsehen muss, dass Gott alle Gewalt, Macht und Gerechtigkeit hat. Gott will freilich nicht allein, dass wir „bestehen“, sondern er hebt uns, nachdem er uns zuvor niedergeschlagen hat, über alle Himmel empor – jetzt allerdings noch nicht dem Leibe nach. Wissen wir, dass niemand vor Gott bestehen kann, dass auch an uns nichts ist als Unflat und Ungerechtigkeit, ja dass auch das scheinbar Gute nichts ist denn Eitelkeit, alsdann wird uns Gott erheben, und wir können aus lauter Gnade alles von ihm erlangen. Das ist der Hauptgrundsatz unseres Glaubens, dass alles Fleisch vor ihm schweigen und alles Grünende an uns bald verwelken muss. Gott braucht uns nur anzublasen, so sind wir dahin, matt und kraftlos, und all unsere Gerechtigkeit ist lauter Fluch. So muss die Gnade bekannt werden, die in unserm Herrn Jesus Christus offenbart ist; zu der sollen wir unsere Zuflucht nehmen, sollen auf keinen andern Anfang, kein anderes Ende unseres Glaubens warten, als auf das, das Gott uns aus Gnaden zu geben beschlossen hat, ohne dass er uns zu irgendetwas verpflichtet wäre oder wir ihm von dem Unsrigen etwas bringen könnten.

Darum wird ausdrücklich hinzugefügt: Wer gibt mir etwas zuvor, dass ich ihm vergelten müsste? Wenn wir mit ihm rechten wollten, so müsste er uns doch etwas schuldig sein, er müsste eine Verpflichtung uns gegenüber haben und wir gegen ihn einen Rechtsanspruch. Wo ist aber ein Mensch, der gegen Gott einen Anspruch erheben oder behaupten könnte, Gott sei ihm verpflichtet? Im Gegenteil, wir haben alles von ihm, er ist uns nichts schuldig, und gleichwohl sind wir so vermessen, dass wir uns wider ihn aufzulehnen wagen. Unter die Hand Gottes müssen wir uns demütigen und bekennen, dass er weise, gerecht und allmächtig ist in allen seinen Taten, wie es Paulus Röm 11, 35 bezeugt: „ Wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass ihm werde wieder vergolten?“ Dies Wort hat Paulus nicht unmittelbar der Schrift entnommen, aber es gibt unsern Textgedanken wieder. Denn er handelt hier von Gottes Gnadenwahl: Gott erwählt, die er will, zu Erben des ewigen Lebens, und er verwirft auch, die er will. Warum geschieht das so? Das brauchen wir nicht zu wissen, haben auch nicht weiter darnach zu forschen: sein Wille ist der einzige Grund dafür, das muss uns genügen, er tut nichts Unrechtes. Aber soviel ist sicher: Die Geheimnisse seines Ratschlusses sind uns verborgen und unbegreiflich, und seine Wege sind uns unbekannt. Nun wird nichts dem Menschen so schwer, als dieser Lehre gegenüber stille zu bleiben. So groß ist der Menschen Stolz, dass sie sich in diesen Gedanken gar nicht schicken können; darum beruft sich Paulus auf das Wort: „Wer hat ihm etwas zuvor gegeben?“ Ihr tretet so verwegen auf, ihr redet soviel von eurer Kraft und Macht – dann hättet ihr doch Gott belehren sollen, was er zu tun habe, und er hätte nichts tun dürfen, ihr hättet´s ihm denn gewiesen! Stünde es so, dann wäre er euch verpflichtet gewesen!

Weil nun der heilige Apostel Paulus also davon redet und wir verstehen, was er mit dieser Lehre von der ewigen Gnadenwahl Gottes eigentlich will, so haben wir daran festzuhalten: Es ist eine der vornehmsten Grundlagen unseres Glaubens, dass Gott nichts von uns empfangen hat; wir können nicht beweisen, dass er etwas von uns erhalten habe. Er will alle Ehre haben, und wir dürfen nicht denken, er sei geringer als wir oder er wäre uns irgendwie verpflichtet. Es kommt nur alles darauf an, dass wir von dieser Lehre die rechte Anwendung machen: besonders wenn unser Fleisch uns reizt zu Vermessenheit und Stolz, muss diese Lehre der Zügel sein, den wir uns anlegen. „An wen wagst du dich heran?“ müssen wir uns dann fragen. „Willst du wirklich Gott vor Gericht stellen und ihm den Prozess machen, so musst du schon gewichtige Gründe haben, um gegen ihn aufzutreten. Und was kannst du in Wirklichkeit vorbringen? An dir hast du doch nichts als Jammer und Fluch! Wäre es da nicht richtiger, du unterwürfest dich ihm in allem Gehorsam und aller Demut?“

Unsere Stelle schlägt alle menschliche Weisheit und Gerechtigkeit zu Boden. Denn es sind zwei Dinge, die uns aufsässig machen wider Gott. Das eine ist der Dünkel, wir wären gar weise. Nein, das müssen wir lernen, dass wir gar nicht weise sind, müssen nüchtern und demütig werden, müssen uns damit begnügen, dass wir von seinen Werken nur soviel erkennen, als er uns davon offenbart, und nicht begehren, über das, was uns die Heilige Schrift zeigt, hinauszukommen. Dann wird uns allezeit der Heilige Geist regieren. Es muss uns genügen, was zu unserer Erbauung im Glauben und in der Furcht Gottes dient! Gern müssen wir uns gefallen lassen, Gottes Schüler zu sein, weil er uns die Ehre antut, uns mit seinem Munde und dem Heiligen Geiste zu belehren. Bei dem zweiten aber handelt sich´s um unsere „Gerechtigkeit“, die wir gegen Gott ins Feld führen. Wir müssen uns aber davon überzeugen lassen, dass wir keinerlei Würdigkeit besitzen und auch mit all unserer Mühe Gott nichts bringen können: wir stehen unter dem Verdammungsspruch. Aber das allerschlimmste ist doch, dass die Menschen sich nicht nur keine Mühe geben, Gutes zu tun, sondern dass sie alle ihre Kraft und all ihr Vermögen auf das Böse verwenden, solange Gott ihnen nicht eine Wiedergeburt geschenkt hat. Wir haben also keinerlei Verdienst noch Würdigkeit, wir sind auf der ganzen Front geschlagen.

Übrigens ist es unnötig, auch nicht erbaulich, uns bei jedem Wort dieser langen Beschreibung des Krokodils aufzuhalten, und doch ist nichts Überflüssiges dabei. Wir sind viel zu oberflächlich in der Betrachtung der Zeugnisse Gottes von seiner Majestät, die er uns vor Augen stellt. Wären wir verständig genug, um zu sehen, was Gott uns zeigt, so würden wir seine Güte und Kraft genugsam an uns spüren und brauchten weiter nichts zu suchen. „In ihm leben, weben und sind wir“ (Apg 17, 28), das müsste vollkommen genügen, um uns zu überführen. Wir brauchen nicht einmal die Augen aufzumachen: Gott lässt es uns mit Händen greifen, dass er in uns wohnt, und er gibt sich uns so deutlich zu erkennen, dass wir ihm unsere Huldigung darbringen müssen. Aber wir sind so lässig. Es bedürfte sozusagen nur des Nagels am kleinen Finger, um uns im Gehorsam Gottes zu erhalten, wenn wir klug und bescheiden wären. Aber wir achten nicht auf die großen und herrlichen Wunderwerke Gottes – daher diese lange Beschreibung von lauter unvernünftigen Tieren. Und wenn man sich nicht einmal an ein Krokodil wagen kann, wie darf man dann so vermessen sein, sich an den lebendigen Gott zu wagen und ihm den Krieg zu erklären! Wird uns sein Angesicht nicht viel schrecklicher sein als das eines Krokodils?

1)
Calvin übersetzt: Elefant und Walfisch.
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