Calvin, Jean – Hiob 33, 29 – 33.

Calvin, Jean – Hiob 33, 29 – 33.

29) Siehe, alles das tut Gott zwei- oder dreimal mit dem Menschen, 30) um seine Seele aus dem Grabe zu ziehen und sie mit dem Licht des Lebens zu erleuchten. 31) Merke auf, Hiob, höre mir zu! Schweig still und lass mich reden! 32) Denn ich möchte dir dein Recht geben. 33) Wo nicht, so höre mir zu, schweig still, und ich will dich Weisheit lehren.

Wenn uns Gott die Rechtfertigung schenkt, so tut er das nicht mit einemmal, sondern er lässt es uns immer wieder sagen; denn so gute Schüler sind wir nicht, dass wir gleich am ersten Tage schon alles wüssten. Darum muss Gott immer wieder das böse Wesen in uns töten, um uns zu sich zu ziehen, uns zu demütigen und uns zu trösten. Wenn das einmal geschieht, so haben wir´s bald wieder vergessen und kehren zu unserm alten Wesen zurück, oder es wirkt doch nicht so gründlich, dass wir nun wandeln könnten, wie sich´s gebührt. Das will uns Elihu oder vielmehr der Heilige Geist lehren.

Darauf müssen wir wohl Acht haben; denn im Papsttum hat man die gnadenweise Gerechtigkeit, durch die Gott uns selig macht, so gut wie begraben. Es hat allerdings auch etliche besonnenere Leute gegeben; aber sie haben diese Wahrheit dermaßen verdunkelt und verwickelt, dass sie bloß gesagt haben, Gott mache uns gerecht in seiner Güte, aber das geschehe nur einmal; seien wir mit ihm versöhnt, so müssten wir uns nun Verdienste erwerben und uns so im Besitz der Gnade erhalten, die wir empfangen haben. Das bringt aber den Menschen völlig in die Verzweiflung; denn wenn uns unser Herr nur für einen Tag die Hand reicht und nichts anderes tut, als dass er uns auf den guten Weg stellt, ach, wie sollen wir da bei der Schwachheit unseres Fleisches wohl bis ans Ende beharren? Da würde uns auch die Gnade nichts nützen, wenn er sie nicht bis ans Ende fortsetzte und nicht immer wieder aufs Neue anfinge, wie das doch vonnöten ist.

Wir sehen doch auch, wie üppig unser Fleisch ist; ja, selbst wenn wir für eine Zeitlang völlig gebändigt und scheinbar wohl imstande sind, das Joch zu tragen, und nur Gott zu gehorchen begehren, so merken wir doch mit Schrecken, wie schnell das mit einem Mal anders sein kann, wie sich verborgener Widerstand erhebt und der Satan, der über alle Verführungskünste verfügt, mit einem Mal vor uns steht, um uns mit seiner Arglist zu verführen. Was sollte wohl daraus werden, wenn Gott nur ein einziges Mal seine bessernde Hand an uns legte und uns darnach so ließe, wie wir sind? Wenn er uns nur einen Tag lang tröstete und wir darnach zusehen müssten, wie wir uns den empfangenen Trost zunutze machten? Da würde uns sicherlich alles unter den Händen zerrinnen. Es ist also nötig genug, dass Gott immer wieder von Neuem anfängt, weil wir doch immer wieder in unsern mutwilligen Leichtsinn verfallen und Gottes Rutenschläge uns nicht so nahe gehen, dass wir sie so im Gedächtnis behielten, wie wir müssten. Auch in unserm Gebet sind wir ja nicht inbrünstig genug, sondern schweifen in unserer haltlosen Art immer hin und her. Statt in ihm unser Heil zu suchen, lassen wir uns hierhin und dorthin treiben, und unser Gemüt ist nicht gesammelt genug, um ernsthaft am Gebet anzuhalten. Mit dem Worte dreimal aber meint Elihu nach dem Sprachgebrauch der Heiligen Schrift soviel wie vielmals; er will nicht etwa eine bestimmte Zahl angeben, sondern vielmehr sagen: Es ist uns heilsam, dass Gott uns also plagt; denn wir sind viel zu wankelmütig und unverständig; Gott muss sich also immer wieder zu uns kehren, sonst nützt uns das, was er an uns getan hat, nichts. Das macht auch die strengen Züchtigungen, die wir von Gottes Hand erleiden, gelinder; denn es ist ja gar nicht anders möglich, als dass wir, soviel wir nur können, vor ihnen fliehen, weil sie doch unserer Natur stracks zuwiderlaufen. Ob uns auch die Trübsale auf den ersten Blick gar bitter vorkommen, müssen wir sie doch aus Gottes Hand hinnehmen. Es sind ja doch Zeugnisse seiner Liebe, er schickt sie, weil er Sorge um uns trägt und um unser Heil bemüht ist. Das muss alles Murren in uns stillen und uns vor Ungeduld bewahren, wenn Gott uns züchtigt. Warum? Weil es uns so heilsam ist! Denn es ist nicht genug damit, dass wir wissen: Die Trübsale sollen uns zur Arznei dienen – nein, wir müssen auch auf die Art der Krankheit achten, dann werden wir die Arznei umso höher schätzen. Schon wenn ein Mensch von einer kleinen und alltäglichen Krankheit geheilt ist, wird er das Heilmittel, das man ihm gegeben hat, zu schätzen wissen. Aber wenn er hoffnungslos erkrankt ist und man ihn schon für tot hält, und er kommt dann doch noch mit dem Leben davon, so wird er seine Medizin umso höher schätzen.

So sind auch die Worte Elihus zu verstehen. Er meint nicht nur, Gott heile unsere Fehler, wenn er uns züchtigt, sondern er will sagen: Gott zieht uns aus dem Grabe und macht uns wieder lebendig. Es ist mit uns zu Ende, und wir sind hoffnungslos verloren, wenn Gott uns nicht mit Gewalt zu sich reißt. Von den Toten weckt Gott uns auf, darum können wir seine Güte, die er uns gerade in seinen Züchtigungen erweist, gar nicht hoch genug preisen. Endlich ist es beachtenswert, dass Elihu das Grab im Vergleich stellt zu dem Licht des Lebens. Was bedeutet es, dass Gott uns aus dem Tode zieht, und wozu stellt er uns in das Licht des Lebens? Das eine ist der Übel größtes, das andere der Güter höchstes! Lässt Gott uns unsern Lüsten und Begierden nachgeben, dann kommt das einem Eilen zum Grabe gleich, dann sinken wir ganz und gar in ein Verderben, aus dem wir nie wieder heraus können. So geht es dem Menschen, wenn Gott ihm den Zügel locker lässt. Ja, wir haben wohl Grund, uns zu missfallen, wenn wir an die Verderbnis denken, die in uns steckt. Gewiss, es wird jedermann sagen: Das möchte ich gern, zu Gott kommen und zur Seligkeit gelangen! Aber was tun wir in Wirklichkeit? Achten wir doch einmal auf unser Leben, unsere Gedanken, unsere Werke – laufen wir nicht wie besessen geradeswegs in unser Verderben hinein? Ohne Unterlass fordern wir Gottes Zorn heraus, und wir meinen, wir könnten unsere Bosheit gar nicht schnell genug bis auf den Grund ausschöpfen. Allem Bösen sind wir von Natur ergeben, als wollten wir mit Wissen und Willen zugrunde gehen. Darum müssen wir einen Abscheu vor uns bekommen und uns in Gottes Regiment schicken, weil wir uns selbst ja nur jämmerlich und unselig zu leiten wissen. Darum müssen wir alle die törichten und vermessenen Behauptungen der Welt fahren lassen, als könne sich ein jeder mit seinem „freien Willen“ schon selber helfen. Nein, im Gegenteil, mit Gewalt bekämpft Gott in uns die verfluchte Neigung, mehr können zu wollen, als uns zusteht.

Wohin aber beruft uns Gott, wenn er uns aus dem Grabe zum Licht des Lebens führt? Nicht in eine Art Zwischenzustand, als wollte er sagen: Ihr seid nicht gänzlich tot, ihr seid nur schwach und schlaff – nein, er beruft uns zum Licht des Lebens, also zu einer Erneuerung, durch die wir in ein unvergängliches und himmlisches Leben wiedergeboren werden. Nicht allein vom Tode erlöst uns Gott, sondern er führt uns in sein ewiges Reich. Und wenn wir auch hienieden zwischen vielerlei Verderbnis wandeln, die uns ganz und gar umgibt, ja in uns wohnt und in unserm Fleisch und Bein steckt, so will Gott uns doch leiten und regieren, bis wir in sein Königreich kommen. Dieser Vergleich zwischen dem Grab und dem Licht des Lebens soll uns als die unendliche Gnade unseres Gottes nur noch mehr bekräftigen, damit wir sie umso eifriger suchen und auf dem rechten Wege weiterkommen, ja, damit wir uns weiter unterweisen lassen und Gott bitten, er wolle weiter an uns arbeiten.

Wir dürfen aber auch den Mut nicht sinken lassen, wenn wir immer wieder zurückfallen und anscheinend nur rückwärtsgehen, wenn Schwachheit und Unglauben wieder anfangen und wir mit Finsternis bedeckt sind: Siehe, alles das tut Gott zwei- oder dreimal mit dem Menschen. Sind wir in Gemeinschaft mit Gott und haben eine gewisse Hoffnung des Heils, und wir kommen dann bisweilen noch in Angst und Bekümmernis, als bräche ein Wetter über uns herein, so dürfen wir deshalb doch nicht aufhören, unser Vertrauen auf ihn zu setzen. Er wird sein Werk in uns immer wieder von neuem anfangen. Nicht als dürften wir deshalb die Zügel schleifen lassen, nein, davor mögen wir uns wohl hüten. Aber wir müssen tun, was uns bei Jesaja gesagt ist: „Stärket die müden Hände und erquickt die strauchelnden Knie!“ (Jes 35, 3). Wenn ein Mensch stark genug ist, um Gott zu trotzen und seine Gnade in den Wind zu schlagen, so muss er Gottes Gericht zu fühlen bekommen und bis ins Mark zerschlagen werden. Sind wir aber schwach, dass uns die Knie zittern und wir keine Kraft mehr haben, so ist es die Eigenart des Evangeliums, dass es uns wieder stärkt, wie Jesaja allen denen, die das Amt der Unterweisung in der Kirche haben, gebietet, die schwachen Gemüter zu befestigen und die zitternden Knie zu stärken. Das wendet der Apostel auf jeden Gläubigen an; er erklärt, dass jeder in diesem Falle sein eigener Lehrer sein muss (Hebr 12, 12.13).

Elihu fährt fort: Schweig still, Hiob, und lass mich reden; denn ich möchte dir dein Recht geben. Er meint: Ich möchte nur, dass du los gesprochen würdest. Hast du gute, triftige Gründe zu deiner Verteidigung, so bringe sie vor; wenn nicht, so halte deinen Mund! Wir haben zu schweigen und nichts dawider zu sagen, wenn man uns die Wahrheit Gottes vorhält. Wir sind ja allezeit zum Widersprechen geneigt, wir sind nicht demütig genug. Hält man uns etwas Gutes und Heiliges vor, so sind wir nicht bescheiden genug, um es anzunehmen; denn wir sind stolz, dass wir uns nichts anderem als unserm eigenen Willen unterwerfen wollen. So ist der Mensch: Er bäumt sich auf gegen Gott und schlägt immer gegen sein Wort aus wie ein störrisches Pferd, Auch Jakobus ermahnt uns: „Nehmet das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt ist!“ (Jak 1, 21). Wollen wir vom Worte Gottes Gewinn haben, so müssen wir sanftmütigen Geistes sein; wenn Gott redet, müssen wir schweigen. Unsere ganze Weisheit besteht darin, dass wir uns Gott gelehrig erzeigen und uns gänzlich dem unterwerfen, was uns in seinem Namen und mit seiner Autorität vorgehalten wird. Insonderheit aber müssen wir stillschweigen, wenn man uns von der Gerechtigkeit Gottes sagt und wir um unsere Sünden gestraft werden.

Wir betrügen uns so leicht; es ist uns unmöglich, Gott so zu preisen, dass wir dabei in uns selbst völlig zu Schanden werden. „Gewiss“, sagen wir, „vollkommen gerecht bin ich nicht, aber ganz arm bin ich doch auch nicht!“ Die Menschen wollen immer etwas für sich behalten, sie bringen es nicht fertig, Gott alle Ehre zu geben. Darum bekommen wir es auch nicht fertig, die Lehre von der unverdienten Rechtfertigung anzunehmen, so, wie sie wirklich lautet. Elihu möchte, dass Hiob freigesprochen würde, er ist also nicht verärgert oder streitsüchtig, nein, er will, Hiob bekäme sein Recht, und weil er es sich selbst nicht schaffen kann, möchte er ihn demütig vor Gott machen. Er redet hier als ein Werkzeug des Heiligen Geistes, darum sollen wir aus seinen Worten etwas lernen: Sooft Gott in der Heiligen Schrift seinen Donner über uns erschallen lässt, tut er es nicht, um uns zu Schanden zu machen oder uns zu nehmen, was uns zusteht, als gönnte er es uns nicht oder als hätten wir etwas Lobenswertes an uns. Denn davon hätte er doch keinen Schaden; würde Gott etwa dadurch verkleinert, wenn wir unsererseits wirklich etwas Gutes besäßen? Nein, aber uns ist es nötig, dass wir völlig zu Boden geschlagen werden; denn das Gute, das er uns anbietet, können wir nur annehmen, wenn wir aller Vermessenheit und Eitelkeit abgesagt haben.

Was meint aber Elihu mit dem Stillschweigen? Wir dürfen Gott nicht widersprechen; ihm geht der Gehorsam über alles. Und das ist am Glauben die Hauptsache: die friedsame Unterwerfung unter Gott. Unsere vermessene Art muss völlig in den Tod gegeben werden, und alle Weisheit müssen wir von Gott begehren.

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