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Calvin, Jean – Hiob 1, 13-19.

Calvin, Jean – Hiob 1, 13-19.

13) Eines Tages, als seine Söhne und Töchter aßen und Wein tranken im Hause ihres erstgeborenen Bruders, 14) kam ein Bote zu Hiob mit der Botschaft: Die Kinder pflügten und die Eselinnen weideten hinter ihnen, 15) da überfielen sie die Sabäer und raubten sie; die Knechte töteten sie mit der Schärfe des Schwerts, und ich allein bin entronnen, dass ich´s dir ansage. 16) Da der noch redete, siehe, da kam ein anderer und sprach: Das Feuer Gottes fiel vom Himmel und verbrannte die Schafe und die Knechte, und ich allein bin entronnen, dass ich´s dir ansage. 17) Da der noch redete, siehe, da kam ein anderer und sprach: Die Chaldäer, in drei Haufen geteilt, überfielen die Kamele und raubten sie; die Knechte erschlugen sie mit der Schärfe des Schwerts, aber ich allein bin entronnen, dass ich´s dir ansage. 18) Da der noch redete, siehe, da kam ein anderer und sprach: Deine Söhne und Töchter aßen und tranken Wein im Hause ihres erstgeborenen Bruders, 19) siehe, da kam ein stürmischer Wind vom Rande der Wüste her, der stürzte sich auf das Haus und stieß an seine vier Ecken; das stürzte über den jungen Leuten zusammen, und sie kamen um, und ich allein bin entronnen, dass ich´s dir ansage. 20) Da stand Hiob auf und zerriss sein Kleid und schor sein Haupt, fiel auf die Erde und betete an 21) und sprach: Ich bin nackend von meiner Mutter Leibe kommen, nackend werde ich wieder dahin kommen. Der Herr hat´s gegeben, der Herr hat´s genommen, der Name des Herrn sei gelobt! 22) In diesem allem sündigte Hiob nicht und schrieb Gott nichts Ungereimtes zu.

Es steht geschrieben: „Der Engel des Herrn lagert sich um die her, so ihn fürchten“ (Ps 34, 8), und diese Geschichte zeigt uns, wie sehr es uns Not tut, dass wir mit solchem Schutz umgeben sind. Denn wir sehen, wie der Teufel wider die, „die Gott fürchten“, tobt und wütet. Mit Hiobs Gütern und seinen Kindern verfährt der Teufel so tückisch, dass er ihm verschiedenartige Versuchungen zuschickt. Auf der einen Seite lässt er seine Feinde kommen, auf der andern Seite gebraucht er das Feuer vom Himmel und das Wetter der Luft. Das konnte Hiobs Traurigkeit wohl vermehren und ihn noch ärger verwirren; er konnte denken: Wie? Nicht die Menschen nur sind mir zuwider, nein, Gott selbst streitet wider mich! Nun meinen einige, Gott habe uns hier in Gestalt eines Gleichnisses ein Beispiel der Geduld vor Augen gestellt, und dies sei keine wirkliche Geschichte. Aber solche Leute wissen nichts davon, dass er mit seinen Knechten nach dem Maße des Glaubens verfährt, das er ihnen zugeteilt hat. Wieso denn? Wir werden nicht alle gleichmäßig versucht; denn Gott hat uns nicht alle so stark gemacht, wie es nötig wäre. Es gibt auch Schwache; die trägt Gott, und wenn er sie betrübt, so tut er es, um sie zu demütigen, damit sie noch mehr auf ihrer Hut sind und ihn umso ernstlicher anrufen. Andere sind viel stärker und kräftiger. Warum? Weil Gott seinen Geist in größerer Fülle über sie ausgegossen hat. Wer ist unter uns, der so heftig angefochten wäre, wie Abraham es war, und der ein so jämmerliches Leben führen müsste, dass er niemals Ruhe fände? Gott heißt ihn aus seinem Vaterlande gehen, und kaum hat er es verlassen, muss er mitten auf der Reise in seinem Kummer liegen bleiben, bis sein Vater verschieden ist. Endlich kommt er in dies verheißene Land, aber ohne zu wissen, nach welcher Richtung er sich wenden soll, weil es Gott nicht gefallen hat, ihm zu zeigen, welches denn das Land ist, wohin er ihn beruft. Und als er hinkommt, plagt und bedrängt man ihn, er kommt aus der Unruhe nicht heraus. Als dann die Menschen ihn genug gequält haben, verfolgt ihn der Hunger, so dass er wegziehen muss; da raubt man ihm seine Frau. Da er wiederkommt, fängt das Elend von neuem an; zum zweiten Mal muss er anderswohin ziehen, um Weide zu suchen. Unterdessen sagt ihm Gott: Fürchte dich nicht, ich will dir dieses Land geben, und du sollst sein Herr und Meister sein. Jawohl, aber er sieht nichts davon! Keinen Raum hat er zum Wohnen – und dabei verheißt ihm Gott, er wolle ihn zum Erben der Welt machen! Darnach meint er, er solle Kinder bekommen, bekommt aber keine, und doch weiß er, dass sein ganzes Heil davon abhängt. Er ist alt und hinfällig, und gleichwohl sagt ihm Gott: Du kommst nur zum Heil, wenn du Kinder hast! Aber wie kann das sein? Er ist ja schon in einem Alter, wo er nicht mehr auf Kinder hoffen kann! Aber hat ihm Gott nicht den Ismael geschenkt? Freilich, aber der muss verstoßen und abgeschnitten sein aus seinem Hause. Und als er dann endlich der Verheißung gemäß den Isaak bekommen hat, da entreißt ihm Gott sein eigen Kind und sagt ihm: geh hin und töte ihn! Das ist noch viel schlimmer als das, was wir bei Hiob sehen. Denn wenn ein Vater hört, dass seine Kinder vom Donner erschlagen sind oder dass man sie ermordet hat, so ist das wahrlich kummervoll genug und schwer zu tragen, aber dass er sein Kind mit eigener Hand töten soll, das ist doch das Schlimmste von allem! Und eben das soll Abraham tun! Erst dann, als Gott ihm seinen Sohn wiedergibt, als hätte er ihn vom Tode auferweckt, zeigt er ihm, was es mit der empfangenen Verheißung für eine Bewandtnis hat: Bisher habe ich dir gesagt, du sollst dies Land erblich besitzen; aber in seinen Genuss und Besitz kommst du bei deinen Lebzeiten nicht, nein, noch deine Nachkommen müssen daraus vertrieben werden und in einem fremden Lande unter eine grausame Zwangsherrschaft kommen, vierhundert Jahre lang. So hat Gott seinen Knecht Abraham auf eine befremdliche und ungewöhnliche Art geprüft. Und warum? Er hatte ihn doch durch seinen Heiligen Geist gestärkt, und dennoch schickte er ihm so große und harte Anfechtungen! So arbeitet Gott an den Allerbesten: sie sollen uns Spiegel und Vorbilder sein, dass wir ihnen nachfolgen. Solche Arbeiten macht man nicht in einer kleinen Werkstatt, wie man sie in einer großen macht, wo man viel Material und eine Menge Arbeiter hat und alles wohl ausgerüstet und in Ordnung ist; in einer kleinen Werkstätte kann man eben kein großes Werk herstellen. So verfährt Gott auch.

Jetzt verstehen wir, warum uns Hiob als ein Muster vor Augen gestellt wurde und warum Gott ihn aufs äußerste plagen musste: wir sollen uns mit ihm vergleichen, und wenn wir das tun, so soll sich ein jeder schämen, weil er nicht einmal leichte und mäßige Trübsal zu erdulden vermag; denn wir sind so verzärtelt, dass es zum Erbarmen ist. Wenn uns Gott irgendwelches Missgeschick sendet, so denken wir gar nicht an all das, womit er uns verschont hat; wir fühlen nur unser Elend und wollen nichts von dem Troste wissen, dass uns doch Gott in seiner Güte geduldig trägt. Wird einer krank, so nimmt er sich sein Elend so zu Herzen, dass er an nichts anderes denkt. Es kommt ihm gar nicht in Sinn, sich zu fragen: Gott gibt mir in meiner Krankheit mancherlei Mittel, mich zu trösten, man kommt mir in meinem Elend zu Hilfe, man trägt Sorge um mich, man tut mir allerlei Dienste; so sehe ich doch, dass Gott mich nicht übers Maß hinaus plagt. Die Trübsal nimmt uns eben derart in Anspruch, dass wir nur immer in den Zaum beißen und uns selber quälen, ja, noch wider Gott murren. Und das ist doch ein schändlicher Undank; denn wir sollten doch immer denken: Ach, wenn der gütige Gott nicht so barmherzig mit mir wäre, was sollte wohl aus mir werden? Ich hätte wohl noch größeres Kreuz verdient, und Gott könnte wohl Mittel finden, mich noch mehr zu plagen. Wenn wir so dächten, so hätten wir mitten in den allerschwersten Bekümmernissen Trostes genug. Gott hält uns in Hiob einen Spiegel vor, worin wir sehen können: Man muss sein Elend nicht noch schlimmer machen, als es ist, und sich nicht verweichlichen, dass man denkt: Schlimmer als ich hat´s niemand! Wir müssen immer denken: Ja, mein Elend drückt mich hart, aber das kommt daher, dass ich so weichlich bin. Und was sollte wohl aus mir werden, wenn mein Gott mir nicht seine Hand böte? Es gibt wohl andere und schlimmere Plagen, als ich sie leiden muss, und Gott weiß in seinem Betrüben Maß zu halten. Gefiele es ihm, so könnte er mich in so viele Abgründe stürzen, dass ich wie in der Hölle wäre. Darum muss ich jetzt auf seine Güte achten und ihm danken, dass er sich meiner erbarmt und mich verschont. Dass dem so ist, sieht man an Hiob. Wir sehen an ihm freilich eine geradezu wunderbare Kraft, aber er war doch nur ein gebrechlicher Mensch wie wir! Wie wäre er wohl zu dieser Kraft gelangt, hätte ihm Gott nicht die Hand geboten? Ist denn heute die Kraft, die er dem Hiob schenkte, geringer geworden? Hat Gott seinen Vorsatz oder seine Natur geändert? Keineswegs!

Endlich haben wir hier ein schönes Zeugnis dafür, dass Trübsale nicht immer Zeichen sind, dass Gott uns seinen Unwillen zuwendet. Sonst könnten wir unmöglich in unsern Trübsalen geduldig sein. Nicht ohne Grund sagt doch Paulus Röm 15, 4: „Auf dass wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben.“ Wenn einer sich nicht in Gott tröstet, so kann man nicht von Geduld reden; er ist nicht geduldig, wie sich´s gebührt, sondern hat nur eine Langobardengeduld, also eine erzwungene Geduld, ähnlich wie ein Maulesel in den Zaum beißt. Gewiss, auch solche Leute wollen die Geduldigen spielen. Man soll nicht von ihnen denken, sie beugten sich; und so sagen sie wohl: Ja, es ist ein Unglück, aber man muss eben standhaft sein! Man sieht, was die Ungläubigen für Geduld haben: man findet unter ihnen Männer, die in der ganzen Welt als tapfere Helden berühmt sind; dabei hören sie nicht auf, sich gegen Gott aufzubäumen und ihn anzuklagen. Kurz, jeder will sich selber rechtfertigen: Ich weiß nicht, warum mir das widerfährt – das Glück muss mir zuwider sein, oder Gott ist müßig und lässt die Dinge gehen, wie sie wollen. Unsere Geduld jedoch muss anderer Art sein: wir sollen bereit sein, alles zu erdulden in der Gewissheit, dass alles, Gutes und Böses, uns aus Gottes Hand zukommt; wir müssen´s leiden, dass er uns züchtigt, müssen nichts anderes begehren, als von ihm regiert zu werden, und allen unseren Lüsten absagen. Gott aber will nicht unser Verderben, wenn er uns plagt, sondern es geht ihm nur um unser Heil. Würden wir Gott lieben können, wenn wir denken müssten, er wolle uns nur verderben und vernichten?

Gott plagt den Hiob nicht nur an seinen Gütern, sondern auch an seinen Kindern. Das ist wohl zu beachten; denn es kommt häufig vor, dass einer, der in einer Art von Anfechtung sich tapfer zeigt, alsbald in der andern unterliegt. Wenn ein Mensch auf der Folter liegt, so quält man ihn immer mehr, bis aufs äußerste. So macht´s der Satan auch mit Hiob. Als ihm gemeldet wird: Die Sabäer haben deine Kinder genommen und deine Knechte ermordet, da wird er an den Strick gebunden; als es jedoch heißt: Das Feuer fiel vom Himmel und verzehrte all dein Vieh, da ist es, als hängte man einem armen Menschen den Gewichtsstein an seine Füße, um seine Qual zu vermehren. Bis aufs äußerste aber steigt die Qual, als man ihm den Tod seiner Kinder ansagt. Wenn das nun dem Hiob widerfahren ist, so lasst uns das zu unserm Nutzen beachten: Gott will durch mancherlei Anfechtungen unseren Glauben und unsere Ausdauer erproben. Wenn uns die Menschen plagen und kränken und Gott tritt nicht alsbald von Stund an als unser Rächer auf, so meinen wir, Gott tue uns Unrecht. Aber Gott weiß besser als wir, was uns gut und heilsam ist.

Wir sagen wohl: Die Geduld ist eine große Tugend, - dabei aber gibt es nur wenige, die wirklich wissen, was das Wort „Geduld“ eigentlich bedeutet. Lasset uns in den Spiegel blicken, der uns hier vorgehalten wird! Hiob hätte wohl bei allen seinen Unglücksbotschaften in den Abgrund versinken mögen, aber er stand auf, zerriss sein Kleid und schor sein Haupt, fiel nieder und betete an. Die Geduldigen haben also wohl Bekümmernis und empfinden Trauer und Angst in ihrem Herzen. Wären wir ein Holzblock oder Stein, so gäbe es keinerlei Tugend in uns. Ein Mensch, der von seinem Jammer nichts merkte oder fühlte, der wäre keines Lobes wert. Man kann bisweilen einen armen Irrsinnigen sehen, der lacht und die ganze Welt verspottet, ob er gleich am Rand es Grabes steht; aber das kommt daher, dass er von seinem Elend nichts fühlt. Dergleichen kann man aber doch nicht für eine Tugend erklären, es ist nur Unempfindlichkeit; die unvernünftigen Tiere empfinden zuweilen gar nichts, aber darum sind sie doch nicht tugendhaft! Das Wort „Geduld“ hat nicht die Bedeutung, dass die Menschen abgestumpft sind, dass sie keine Traurigkeit fühlen, wenn sie Trübsal erfahren, sondern von einer Tugend der Geduld kann man nur reden, wenn sie sich beherrschen und mäßigen können, wenn sie ohne Aufhören Gott in ihren Trübsalen verherrlichen, wenn sie nicht dermaßen verängstigt sind, dass sie alles verloren geben, sondern ihre Gefühle beherrschen, bis es ihnen gelingt, sich in den guten Gotteswillen zu schicken, und zu dem Ergebnis kommen wie Hiob: Gott ist gerecht in allen Dingen. Als Hiob sein Kleid zerriss und sein Haupthaar schor, war er bis zum äußersten betrübt und geängstet, und dass er auf die Erde fiel, ist nur ein anderes Zeugnis dafür. Es hat jedoch den Anschein, Hiob lasse seiner Traurigkeit den Zügel schießen, und das wäre ein Fehler, den man verurteilen müsste. Wir wissen ja: Die Menschen sind immer nur zu sehr geneigt, in ihren Gefühlen zu weit zu gehen; bei aller möglichen Zurückhaltung gehen sie gleichwohl übers Maß hinaus, und nichts wird uns so schwer, als uns so zu beherrschen, dass wir Richtschnur und Kompass innehalten. Schon in der Freude gehen wir leicht viel zu weit; ein viel ungestümeres Gefühl aber als die Freude ist die Bekümmernis und Traurigkeit. Darum müssen wir immer auf der Hut sein, wenn Gott uns ein Ungemach zuschickt, denn dann pflegen wir uns am meisten gehen zu lassen.

Auf der anderen Seite: wenn Gott uns Trübsal zuschickt, müssen wir uns das ernsthaft zu Herzen nehmen; denn alle Bekümmernis sich aus dem Sinn schlagen, ist eine böse Gewohnheit. Wenn Gott uns plagt, so tut er es nicht, um uns Hammerschläge auf den Kopf zu geben, damit wir gefühllos und betäubt werden, sondern er will uns dahin bringen, dass wir uns unsern Jammer zu Herzen nehmen. Wieso denn? Er will uns unsere Sünden ins Gedächtnis rufen, damit wir um ihre Vergebung bitten und künftig umso vorsichtiger wandeln; zudem aber sollen wir merken, wie es um unser Leben steht: wir sollen daran kein Gefallen haben, sollen uns nicht von Leichtsinn und Vermessenheit aufblasen lassen, sondern endlich erkennen, wie sehr wir Gott zu Dank verpflichtet sind, dass er so freundlich mit uns verfährt und uns gleichsam in seinem Schoße trägt; und wenn wir dann sehen, dass er für unser Leben sorgt, sollen wir noch weiter blicken und nach dem himmlischen Reich trachten, wo unsere rechte Freude und Ruhe ist.

Hiob fällt zur Erde nieder, um anzubeten und im Blick auf Gott sich zu demütigen vor seiner hohen Majestät. Denn die große Güte Gottes hat nur den Zweck, uns zu sich zu ziehen. Aber weil wir so lässig sind und nicht zu ihm kommen mögen, so muss er uns vorfordern und uns zeigen, was er für ein Recht über uns hat, gerade wie es ein Fürst macht: wenn er seinen Lehnsmann lässig sieht in Erfüllung seiner Pflicht, so schickt er ihm seinen Befehlshaber und lässt ihn vorfordern.

Nun spricht sich Hiob darüber aus, wie es mit den Menschen bestellt ist: Ich bin nackend von meiner Mutter Leibe kommen, nackend werde ich auch wieder dahin kommen. Mit diesem dahin könnte er den Mutterleib der Erde meinen, die unser aller Mutter ist. Hiob meint es jedoch so: Ich bin nackend aus meiner Mutter Leibe gekommen; es hat Gott gefallen, mich eine Zeitlang reich zu machen, ich war wohl bekleidet mit den Gnaden und Segnungen, die mir Gott beschert hatte. Nun will er, dass ich ganz nackend dahinfahre, zu meinem ersten Stand zurückkehre und mich zum Gange ins Grab anschicke. Darum ist Hiobs Ausspruch so bedeutsam: er hätte seine Geduld gar nicht treffender zum Ausdruck bringen können als so, dass er sich bereit erklärt, ganz nackend zu werden, weil es Gott so wohl gefällt. Die Menschen mögen sich drehen und wenden, wie sie wollen, aber der Natur Gewalt antun können sie nicht: es sei ihnen lieb oder leid, sie müssen allesamt wieder nackend in die Grube fahren. Haben doch sogar die Heiden gesagt, dass nur der Tod offenbar macht, wie klein der Mensch ist. Sterben wir, so brauchen wir nicht mehr Erde, als wir lang sind, um der Verwesung und dem Nichts anheim zu fallen. Nichtsdestoweniger sieht man viele, die gegen ein solches Muss ankämpfen: sie veranstalten prächtige Begräbnisse und treiben groß Gepränge mit den Leichen. Es sieht aus, als wollten sie Gott Widerstand leisten, aber sie erreichen nichts damit.

Soviel ist sicher: das ist aller Menschen Los. Für uns aber gilt es: Wenn uns Gott mit Reichtum bekleidet, so wollen wir´s auch leiden, dass er uns dies Kleid wieder auszieht und wir ganz nackend werden und bereit sind, so ins Grab zu gehen. Damit erst können wir den Beweis liefern, dass wir geduldig sind. Gewiss, wir sollen es uns immerdar ins Herz prägen: Gott will es uns an nichts mangeln lassen, er hat uns nicht in die Welt gesetzt, um es uns darin an Nahrung fehlen zu lassen; aber das müssen wir immerdar bedenken, dass uns das alles von anderswoher zukommt, und wir sollen nicht meinen, wir hätten ein Anrecht auf all das, was wir doch nur der unverdienten Güte Gottes verdanken. Schuldig ist uns Gott nichts, und weil wir arme Leute sind, müssen wir zu ihm kommen und alle Tage wie Bettler von seiner grenzenlosen Freigebigkeit leben.

Noch weiter aber führt uns Hiob: Der Herr hat´s gegeben, der Herr hat´s genommen, der Name des Herrn sei gelobt! Hat Gott es gegeben, so ist es recht und billig, dass Gott über das Seine verfügt, das er unsern Händen anvertraut hat. Beschert Gott uns Reichtum, so bedeutet das nicht, dass er auf sein Recht verzichtet oder die Herrschaft, die er als Weltschöpfer haben muss, aufgibt. In dem Worte Schöpfer liegt, dass er alle Dinge mit der Bestimmung gemacht hat, dass alle Macht und Alleinherrschaft ihm verbleibt. Und wenn auch jeder Mensch seinen Anteil an den Gütern besitzt, die Gott den Menschen beschert hat, so muss doch gleichwohl er aller Dinge Herr und Meister bleiben. Das weiß Hiob und hat sich deshalb dem guten Willen Gottes in allen Dingen unterworfen. Wir finden das auch ganz in Ordnung, aber sich auch nun selber darein fügen, das will niemand.

Gott hat aber Freiheit, uns seine Güter genießen zu lassen oder, wenn es ihm gefällt, sie uns in einem Augenblick wieder wegzunehmen. Darum ermahnt uns der hl. Paulus, weil doch „das Wesen dieser Welt vergeht“ und alle Dinge zerfließen und verschwinden (1. Kor 7, 31): „Die diese Welt gebrauchen, dass sie dieselbe nicht missbrauchen“ – also wir sollen unser Herz nicht daran hängen, „nicht hoffen auf den ungewissen Reichtum“ (1. Tim 6, 17), sondern allezeit bereit sein, mit Hiob zu sprechen: Herr, du hast von deinem Recht Gebrauch gemacht: du hast´s gegeben, du hast´s genommen – es hat dir so gefallen!

Noch wichtiger ist das, was Hiob noch hinzufügt: Der Name des Herrn sei gelobt! In diesen Worten liegt eine völlige Unterwerfung unter Gott und ein Bekenntnis zu seiner Güte und Gerechtigkeit, auch da er so hart von seiner Hand geschlagen wird. Gott hat alle Macht, ihm zu nehmen, was er ihm gegeben, aber jetzt bekennt er auch, dass Gott recht und billig gehandelt hat. Denn wie wäre es möglich, Gottes Namen zu loben, wenn wir uns nicht zuvor zu seiner Gerechtigkeit bekennten? Wer die Barmherzigkeit und Gnade nicht schmeckt, die Gott den Menschen auch in der Trübsal erzeigt, der kann nicht anders, als die Zähne zusammenbeißen und lauter Gift gegen ihn spritzen.

Hiob sagt nicht: Der Satan hat mir alles geraubt, sondern: Gott hat´s getan. Ist das keine Gotteslästerung? Mitnichten! Er hat bekannt, Gott sei gerecht, und hat ihn gepriesen, wie sich´s gebührt. Nichtsdestoweniger spricht er es auch, dass Gott das getan hat, was die Mörder und auch der Teufel vollführt haben. Gott ist immer oberster Alleinherrscher; er leitet und ordnet an, was hienieden geschieht, er führt alles zu dem Ende, das ihm gut dünkt. Es geht nicht an, dass wir hier nach unserm Empfinden urteilen, wie es naseweise Leute tun, die ganz klug sein wollen und Gott und sein ganzes Wort ihrem Gutdünken unterwerfen. Aber das sind nicht Menschen, sondern Tiere, und ihr Unverstand geht über alle Grenzen. Da ist weder Wissen noch Verstand; sie wollen sich nur selber aufblasen, darum sagen sie: Wir finden es nicht richtig, dass Gott alles tue, denn dann wäre er ja der Urheber der Sünde. Nun, damit klagen sie den Heiligen Geist an, der doch also geredet hat. Denn wir müssen uns hier doch bescheiden, und wenn man lange darüber hin und her geredet hat, kommt man doch immer zu dem Schluss: wir können die Größe und Höhe der Werke Gottes nur so weit begreifen, als es ihm gefällt, uns einen Geschmack davon zu geben, und auch das nur nach unserm kleinen Maß gemessen. Nur Gott allein sind seine Werke bewusst. „Dein Recht ist wie eine große Tiefe“ (Ps 36, 7), und wir haben keinerlei Mittel, sie zu ergründen. Ja, alle, die sich unterfangen, sie zu erforschen, müssen damit zu Schanden werden, es sei denn, dass sie mit aller Ehrerbietung und Scheu vorgehen. Gottes Sache ist es, uns zu erkennen zu geben, was er tut und wie und warum er es tut; dabei haben wir uns an dem genügen zu lassen, was die Schrift uns sagt. Und wenn uns das noch so befremdlich dünkt, und wenn unsere Fassungskraft und Vernunft nicht ausreichen, es zu begreifen, so müssen wir dennoch gestehen, dass Gott gerecht ist; und sowenig wir jetzt davon verstehen, so wollen wir doch warten, bis der Jüngste Tag kommt, an dem wir´s nicht mehr stückweise oder im dunklen Rätselwort, wie Paulus sagt (1. Kor 13, 9 ff.), sondern, was uns jetzt nur wie im Spiegel gezeigt wird, schauen werden von Angesicht zu Angesicht.

So will uns denn Gott seines Schutzes versichern und uns zeigen, dass der Satan keineswegs der Meister ist, der tun könnte, was er will, sondern dass vielmehr Gott sich seiner bedient. Sind wir also auch von Feinden umgeben, ja, sind wir wie Schafe im Rachen der Wölfe, so sollen wir gleichwohl unermüdlich auf Gott vertrauen und versichert sein, dass wir unter dem Schatten seiner Flügel unseres Heils ganz gewiss sein können. Denn Gott hat die Alleinherrschaft über alle Kreaturen, er hält auch den Satan selbst und alle Bösen in der Welt im Zaum. Dabei aber müssen wir daran festhalten, dass wir nicht Gottes Richter sind; denn das hieße sich doch zu viel anmaßen. Ist es nicht eine teuflische Anmaßung, dass die Menschen Gott nur so weit als gerecht wollen gelten lassen, als sie ihn als gerecht erkennen? Am liebsten möchten sie, Gott demütigte sich vor ihnen und ließe sich zu dem Geständnis herab: Siehe, hier stehe ich, um euch Rechenschaft abzulegen.

Nun aber meinen einige, viel gewonnen zu haben, wenn sie in ihrer Vermessenheit sagen: Gott tut nicht alles das, was der Satan oder die bösen Menschen tun; wenn die Gottlosen etwas Böses tun, so tritt Gott dabei nicht in die Tätigkeit, sondern er lässt es nur zu und gibt einfach dazu die Erlaubnis. Aber hat Gott die Macht, es zu verhindern, und er lässt es dennoch zu, - ist das nicht ebenso gut, als wenn er´s selber täte? Das ist also eine ganz freche Ausrede, und Gott braucht doch auch unsere Lügen nicht, um seine Wahrheit und Gerechtigkeit aufrecht zu erhalten! Wir brauchen wirklich nicht zu solchen Ausflüchten zu greifen, um den Gottlosen das Maul zu stopfen, die die Heiligkeit Gottes lästern wollen, sondern wir haben genug an dem, was die Heilige Schrift uns sagt. Die Schrift aber sagt nicht: Herr, du hast´s zugelassen, sondern: Du hast´s getan. So redet der Herr selbst davon; wollen wir weiser sein als er? Wollen wir ihn glauben machen, er habe unsere Schönfärbereien nötig, um sich gegen unsere Vorwürfe zu schützen? Nein, es handelt sich nicht um eine einfache Erlaubnis, sondern Gott wirkt in der Art, dass die Bösen Werkzeuge seines Willens sein müssen. Und ich bitte euch: Gehört es zum Amt eines Richters, dass er dem Henker Erlaubnis gibt, zu tun, was er will? Nein, im Gegenteil: er spricht das Urteil und gibt den Verbrecher in die Hand des Henkers, dass dieser das Urteil vollstrecke.

Wie ist es aber mit der göttlichen Leitung und Regierung des irdischen Geschehens? Es ist wahr, des Satans ganzes Sinnen und Trachten geht immer nur auf Zerstörung und Vernichtung; Gott aber hat einen anderen Zweck. Denn alle seine Werke heißen „Gerichte“, und mit diesem einzigen Wort will die Schrift alle unsere schlechten Phantasien beseitigen; das Wort ist ein Kennzeichen, das zur Rechtfertigung der Werke Gottes dient: sie sind gerechte Gerichte. Dass dem so ist, sieht man daran: Gott straft die, die ihn beleidigt haben – und wer könnte bestreiten, dass er recht daran tut? Zudem will er seine Gläubigen in der Geduld üben, will ihre fleischlichen Begierden abtöten, will sie zur Demut unterweisen – kann man das alles verurteilen? Sicherlich nicht! Ja, auch die Gottlosen müssen, wenn man sie fragt, ob Gott die Sünden der Menschen strafen kann und ob er nicht die Seinen demütigen darf, Gott die Ehre geben, ob sie wollen oder nicht. So sind denn alle seine Werke gerecht und untadelig, was auch die Menschen daran zu tadeln finden mögen. Zwar hören die Gottlosen niemals auf, gegen Gott zu murren und zu bellen, wenn sie nicht beißen können; dabei aber muss es gleichwohl so kommen, wie David Ps. 51, 6 sagt: „Auf dass du rein bleibest, wenn du gerichtet wirst“ (oder: richtest). Wir brauchen uns gar nicht zu verwundern, wenn man gegen diese Lehre murrt; denn es muss so sein, und der Heilige Geist hat es so vorhergesagt; uns aber bleibt nur übrig, in Einfalt des Geistes zu wandeln und mit dem zufrieden zu sein, was Gott uns von sich selber sagt.

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