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Calvin, Jean – Hiob 1, 6-12

Calvin, Jean – Hiob 1, 6-12

6) Eines Tages nun, als die Gottessöhne kamen, um vor dem Herrn zu erscheinen, kam auch der Satan unter ihnen herein. 7) Und der Herr fragte den Satan: Wo kommst du her? Satan antwortete dem Herrn: Vom Umherschweifen und Umherwandeln auf der Erde. 8) Und der Herr sprach zu Satan: Hast du acht gegeben auf meinen Knecht Hiob, der seinesgleichen nicht hat auf Erden – ein Mann, aufrichtig und redlich, gottesfürchtig und hütet sich vor dem Bösen? 9) Satan antwortete dem Herrn: Fürchtet Hiob den Herrn umsonst? 10) Bist du ihm nicht auf allen Seiten ein Bollwerk gewesen? Hast du nicht sein Haus und all das Seine befestigt? Lässest du nicht alle seine Geschäfte glücken, und ist sein Besitz nicht weithin ausgebreitet? 11) Aber recke einmal deine Hand aus über ihn und zerschlage alles, was er hat – was gilt´s, er wird dir ins Angesicht fluchen! 12) Der Herr sprach zum Satan: Ich übergebe dir alle seine Habe, nur ihn selber darfst du nicht antasten! Da ging der Satan fort aus der Gegenwart des Herrn.

Nunmehr wird uns vor Augen gehalten, wie Gott über den Hiob verfügt: wir sollen wissen, dass wir in unserem Erdenleben nicht vom Zufall regiert werden, sondern dass Gott sein Auge auf uns hat und dass er alle Gewalt über uns besitzt – was auch recht und billig ist, da wir doch seine Geschöpfe sind. Gott hat die Führung in der Welt, und es geschieht nichts, was nicht von ihm geordnet wäre. Um das zum Ausdruck zu bringen, bedient sich die Schrift einer Redeweise, die unserm groben Verständnis angepasst ist; denn wir sind so schwach an Verständnis, dass wir die Majestät Gottes in ihrer ganzen Größe niemals begreifen würden. Gott muss also zu uns herabsteigen, um von uns verstanden zu werden, das heißt, er kann sich nicht in seiner unendlichen Herrlichkeit zeigen, sondern muss sich unserm Verständnis anpassen. Kurz: wir werden Gott niemals erkennen, wie er ist, sondern nur soweit es ihm gefällt, sich uns zu offenbaren, das heißt, soweit er es als zu unserem Heile dienlich erkennt. Das Bild von den Engeln, die an einem festlichen Tage erscheinen, ist von den Königen dieser Welt genommen, die ihre Reichsversammlung halten. Freilich, wir wissen aus vielen Stellen der Schrift: die Engel stehen allezeit vor Gott, obwohl sie unterdessen auf Erden seine Befehle ausrichten. Sie schlagen ein Lager um uns auf, um uns zu bewachen; Gott hat ihnen aufgetragen, uns gleichsam unter ihr freies Geleit zu stellen. Auch seinen Zorn richten sie aus und seine Strafgerichte über die Gottlosen. Gleichwohl sind die Engel Geister, und deshalb sind sie, obgleich sie immer in seiner Gegenwart sind, doch nicht daran gehindert, Gott zu dienen und zu gehorchen und hier unten auf Erden sein Gericht auszuüben. Und wenn unser Herr Jesus Christus sagt; dass die Engel über die kleinen Kinder Wache halten und dass sie allezeit das Angesicht des Vaters sehen, so ist damit ausgedrückt: auch wenn die Engel uns beistehen und wir uns von ihrer Kraft aufrechterhalten fühlen, so bleiben sie doch beständig im Genuss der göttlichen Majestät und sind nicht ferne von ihm. Auch wenn an unserer Stelle gesagt wird, sie seien vor Gott erschienen, so bedeutet das nicht: wenn Gott sie sende, so seien sie von seiner Majestät getrennt und des himmlischen Lebens für die Zeit ihrer Sendung beraubt, nein, weil wir grob und unverständig sind, vergleicht die Schrift Gott mit weltlichen Fürsten, damit wir an einem uns bekannten und vertrauten Bilde erkennen, dass die Engel nichts aus eigenem Antrieb tun, sondern Gott es ist, der ihnen seine Befehle erteilt; er hat alle Macht über sie, ihm müssen sie Rechenschaft ablegen, ihm ist nichts verborgen, sie selbst haben keine eigene oder besondere Macht. Wohl werden sie „Herrschaften“, „Fürstentümer“ und „Kräfte“ genannt, aber das bedeutet nicht, Gott habe ihnen sein Amt abgetreten oder sich seiner Macht begeben und sitze im Himmel müßig, sondern sie sind Werkzeuge seiner Kraft, um sie über das Weltall auszubreiten.

Wenn es weiter heißt, auch der Satan sei unter ihnen hereingekommen, so bedeutet das nicht, wie einige meinen, er habe sich eingeschlichen, um in der Schar der Engel den frommen Knecht zu spielen, sondern im Gegenteil: die Schrift will uns zu verstehen geben, dass nicht nur die Engel des Paradieses, die Gott gutwillig gehorchen, ihm Rechenschaft geben müssen, sondern dass auch die Teufel der Hölle, die ihm feindlich und widerspenstig sind und nach Kräften seine Majestät stürzen und alles in Unordnung bringen möchten, widerwillig Gott unterworfen sind, ihm von all ihrem Tun Rechenschaft ablegen müssen und ohne seine Erlaubnis nichts unternehmen können. So erscheint auch der Satan unter den Engeln Gottes, aber sein Erscheinen ist ganz anderer Art. Denn wenn uns die Engel leiten und Gottes Befehl ausrichten, so ist es ihnen natürlich, sich Gott unterzuordnen, sie wollen nichts anderes als ihm gehorchen, und er wohnt und regiert in ihnen durch seinen Heiligen Geist. Darum beten wir auch: „Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“ Hier auf Erden gibt es soviel Widerspruch und entsetzlichen Aufruhr wider Gott, darum bitten wir, er wolle hier auf Erden seine Herrschaft ebenso friedevoll führen wie im Himmel. wo seine Engel ihm in allem gehorsam sind. Aber die Teufel gehorchen Gott wie Sklaven, nicht gutwillig, sondern weil Gott sie zwingt; sie möchten gern seiner Kraft widerstehen und sie zunichte machen, wenn sie könnten, aber sie müssen folgen, wohin er sie führt. Darum werden auch an unserer Stelle die Engel Gottessöhne genannt, während der Teufel den Titel Widersacher („Satan“) führt. Gewiss, auch die Menschen werden bisweilen Gotteskinder genannt, weil Gott ihnen sein Bild eingeprägt hat, vornehmlich die Gläubigen, weil sie erneuert sind nach dem Ebenbild unseres Herrn Jesus Christus, der das lebendige Abbild seines Vaters ist, und auch weil sie den Geist der Kindschaft empfangen haben, der ihnen ein Unterpfand der väterlichen Gottesliebe ist. Ebenso ist es mit den Fürsten und Obrigkeiten; denn sie tragen diesen Ehrentitel, der ihnen verliehen ist, weil Gott sie in diesen Stand gesetzt hat, damit er in ihrer Person erkannt werde. Die Engel aber werden in der Schrift Gottessöhne genannt, weil sie zu Gott nahen und gleichsam Strahlen seiner Klarheit sind; und weil Gott sie Fürstentümer, Kräfte und Hoheiten nennt, haben auch wir sie als Gottessöhne anzuerkennen, weil man die Kraft in ihnen nicht trennen darf von der Kraft Gottes, sondern sie Bächlein sind, die aus diesem Quell und Brunnen fließen. Die Ehre dieses Namens gebührt den Engeln, weil sich seine Herrlichkeit in ihnen zeigt und darstellt. Umso mehr sind wir der unendlichen Güte unseres Gottes zu Dank verpflichtet, der sie uns durch unsern Herrn Jesus Christus zu Dienern bestellt hat. Der Herr Jesus ist der eingeborene und natürliche Sohn Gottes; denn es beruhte nicht auf einer dazugekommenen Gnade, dass ihm diese Ehre eignet, sondern er ist der natürliche und darum der eingeborene Sohn; wie aber unser Herr Jesus Christus um unserer Seligkeit willen nicht verschonet ist, so sind auch durch ihn die Engel als Gottessöhne zu unserm Dienst bestellt, wie der Apostel Hebr 1, 14 sagt. So ist es auch in der Jakobsleiter dargestellt, auf der die Engel vom Himmel zur Erde stiegen, was Jesus Christus in seinem Königreich für erfüllt erklärt (Joh 1, 51): „Ihr werdet sehen die Engel vom Himmel herabsteigen auf die Menschen.“ Ja, auch die Ehre hat Gott uns angetan, dass sein Sohn, um unser Heiland zu werden, nicht die Natur der Engel angenommen, sondern sich mit unserem Leib und unserem Wesen bekleidet hat, wie der Apostel sagt (Hebr 2, 16).

So nahe ist nun der Sohn Gottes gekommen, dass er dieselbe Natur wie die Menschen annahm; aus dieser selben Gnade fließt auch die andere, dass die Engel für uns sorgen und wachen, und das ist auch eigentlich ihr Amt und Beruf, dass sie für unser Heil sorgen. Dementsprechend unterscheidet sie auch der Heilige Geist von dem Satan und lehrt, dass sie willige Diener Gottes sind. Warum sind sie das? Als seine Kinder! Wenn ein Kind seinem Vater gehorcht, so tut es das nicht ungern, sondern weil es dazu geneigt ist, weil die Natur es dazu anweist, und weil die Liebe es zur Erfüllung seiner Pflicht leitet: geradeso also machen es die Engel. Demgegenüber ist der Satan der Widersacher; denn wiewohl er vor Gott erscheint und ihm Rechenschaft ablegen muss, so beugt er sich doch nicht gutwillig und möchte Gott nicht unterworfen sein, sondern er lehnt sich dagegen auf; er ist von so rasender Wut erfüllt, dass er am liebsten, wenn es ihm möglich wäre, Gottes Macht zugrunde richtete. Er behält also seine verderbte Natur, die ihn zum Feinde Gottes macht, aber unter dem Zwange der Gewalt kommt er herzu, um dem zu huldigen, der die alleinige Gewalt über seine Kreaturen hat. So ist denn auch der Satan Gott unterworfen; denn man darf nicht meinen, der Satan übe irgendeine Herrschaft aus, die ihm nicht von Gott gegeben wäre. Und es hat seinen guten Grund, dass Gott alles unterworfen ist: von ihm geht ja alles aus. Die Teufel sind ebenso wie die Engel von Gott erschaffen, aber nicht als solche, die sie heute sind. Den Vorbehalt müssen wir immer machen, dass die Bosheit, die den Teufeln innewohnt, von ihnen selbst kommt; sie sind ja abtrünnig geworden, um sich von dem Quell der Gerechtigkeit abzuwenden, sie haben Gott verlassen und ihm den Rücken zugekehrt. So sind sie denn verderbt worden, und ist nur noch Böses in ihnen. So ist es auch mit der Sünde der Menschen: wenn sie in der menschlichen Natur steckt, so kommt das nicht daher, dass Gott sie schöpfungsmäßig dort eingepflanzt hätte, sondern der Satan hat seine Bosheit weiter ausgebreitet, als sich der Mensch durch seine List verführen ließ, das gottgeschaffene Gute zu zerstören. Ferner ist aber zu bedenken: Die Teufel stehen allezeit unter Gottes Hand, und was sollte auch werden, wenn wir das nicht wüssten? Dass der Teufel der „Fürst dieser Welt“ heißt, würde uns ja mit Schrecken erfüllen, wenn wir nicht wüssten, dass er einen Zügel über sich hat, der ihn zurückhält, so dass er nicht tun kann, was er möchte. Wäre des Satans Macht nicht beschränkt, er würde sofort die Oberhand über uns gewinnen. Nichts begehrt er so heiß wie unser Verderben; er ist unser Todfeind, wie es auch an andern Stellen heißt: „Er gehet umher wie ein brüllender Löwe und suchet, welchen er verschlinge“ (1. Petr 5, 8). Die Schrift berichtet uns beides: dass der Satan der Fürst dieser Welt ist, und dass er Gott unterworfen ist. Beides ist voneinander unterschieden, ohne doch im Gegensatz zu stehen; beides ist uns heilsam und enthält eine gute Lehre. Denn wenn der Teufel eine solche Gewalt hat und hier auf Erden König ist, wenn die Menschen gleichsam unter seinen Füßen liegen und unter seiner Zwangsherrschaft stehen, wenn er sie in seinen Banden hält, so sollen wir darin erkennen, wie arm wir sind. Wir sehen ja, wie stolz die Menschen sind; sie prahlen, sie wollten sich über die Wolken erheben in ihrer Weisheit, in ihrer Stärke und in allen Dingen. Wenn sich die Menschen nun so überheben, so sagt Gott das Gegenteil: er nennt sie Sklaven des Satans. Wollt ihr euch einen großen Adel zuschreiben? Wollt ihr euch überheben? Der Teufel herrscht dennoch über euch, ihr mögt machen, was ihr wollt! Siehe, so beschämt Gott die Menschen und macht ihr Geschwätz ganz klein. Hat er sie aber gedemütigt, so ermuntert er sie wieder, damit sie in größerer Furcht wandeln. Denn wenn wir vergäßen, dass wir einen Feind haben, der wider uns Krieg führt, so würden wir nachlässig und lebten hier wie im Frieden. Darum lehrt uns Gott, dass der Satan ein brüllender Löwe ist, der immer seinen Rachen über uns offen hat, uns zu verschlingen, und dass wir keine Waffen zum Widerstande haben, wenn er sie uns nicht gibt. Das hilft uns dazu, an uns selbst zu denken, über uns zu wachen und nicht einzuschlafen; denn sonst würde uns der Teufel unversehens fangen. Darum heißt in der Schrift der Satan der Fürst dieser Welt; denn zum ersten will Gott uns demütig machen, zum andern aber uns Furcht und Zittern lehren. Wir sollen Gott anrufen mit Gebet und Flehen, dass er uns nicht in des Satans Schlingen fallen lasse, darnach aber bitten, er wolle uns stärken, wie er verheißen hat, und uns allezeit in rechter Wachsamkeit erhalten.

Auf der anderen Seite aber soll die Macht des Satans nicht so furchtbar werden, dass wir allen Mut verlieren und in Verzweiflung geraten; darum heißt es: Er kann nichts tun ohne Gottes Geheiß und Erlaubnis, und wenn er Feuer und Flammen speit, so vermag er doch nichts, es sei denn, dass Gott ihm erlaubt, was ihm gut erscheint. Gewiss, der Teufel lässt nicht nach in seiner Wut, er macht, dass alles drunter und drüber geht, aber niemals erlaubt ihm Gott etwas anderes, als was er für gut befindet, und darüber hinaus nichts. Darum wird uns hier gesagt, der Teufel mische sich unter die Kinder Gottes; das soll nicht heißen, dass er zu ihnen gehöre oder gleiche Würde wie die Engel habe, sondern daran sollen wir nur merken, dass er gerade wie die Engel unter dem Gehorsam Gottes steht, freilich in ganz anderer Art; denn der Heilige Geist nennt ihn ja den Widersacher, während er die Engel Gottes Söhne nennt. Er will sagen: Die Engel gehorchen aus freiem Willen als willige Diener, Satan aber handelt unter Zwang und Notwendigkeit.

Und der Herr fragte den Satan: Wo kommst du her? Satan antwortete dem Herrn: Vom Umherschweifen und Umherwandeln auf der Erde. An sich braucht Gott sich nicht zu erkundigen, was der Satan in der Welt getan hat, sondern es ist um unseres schwachen Verständnisses willen so berichtet. Das ist Gottes Güte, dass er sich uns also anpasst, weil wir doch nicht zu ihm kommen und so hoch nicht steigen können; darum lässt er sich zu uns herab, ja, er wandelt seine Gestalt, nur damit wir sehen, was gut und heilsam ist. Wenn aber Gott so nahe zu uns kommt, müssen wir uns dann nicht schämen, dass wir so lässig im Zuhören sind? Wie gemein ist es doch, dass manche Leute den armen Ungelehrten keinerlei Lehre gönnen wollen! Als wäre die Schrift so dunkel, dass man nichts damit anfangen könnte! Freilich ist in uns selbst nichts als Finsternis, und insofern wird uns die Schrift immer dunkel sein; Gott aber hat doch verheißen, die Kleinen und Geringen zu erleuchten!

Hast du acht gegeben auf meinen Knecht Hiob, ein Mann, aufrichtig und redlich, gottesfürchtig und hütet sich vor dem Bösen? Gott will Satan ärgern mit denen, denen er die Gnade verliehen hat, nach seinem Willen zu wandeln. Da sehen wir auch, wozu uns Gott in Welt gesetzt hat: wir sollen gleichsam Spiegel seiner Kraft sein. Wenn er uns die Wohltat erweist, uns durch seinen Heiligen Geist zu regieren, so stellt er uns gleichsam auf ein Schaugerüst, damit seine Güte und Barmherzigkeit an uns sichtbar werde, und zudem verherrlicht er sich an uns, dem Satan zum Trotz. Das ist eine unausdenkliche Ehre, die Gott uns erweist, wenn er uns arme Erdenwürmer erwählt, um sich an uns gegen den Satan zu verherrlichen. Was ist doch der Mensch? Ach, kann Gott vom Menschen etwas nehmen, was seiner Ehre dienen könnte? Sicher nicht das Geringste, denn da gibt´s nur Böses. Aber nun? Wenn uns Gott erwählt hat, gießt er seinen Heiligen Geist über uns aus und schenkt uns immer mehr von seinen Gnaden, überdies will er an uns verherrlicht werden und triumphiert mit uns wider seine Feinde. Gefällt es Gott nun, uns im mancherlei Kampf und Anfechtung zu üben, so soll uns das nicht befremden. Haben wir aber verstanden, dass Gott uns übt, so sollen wir uns mit der Frucht unserer Kämpfe begnügen: dass Gott verherrlicht, dass seine Kraft erkannt wird, damit der Satan mit all seiner Bemühung zu Schanden wird. Wenn aber der Ausgang unserer Kämpfe ein so glücklicher ist, sollen wir sie dann nicht geduldig ertragen?

Von allen Seiten her versucht der Teufel, uns in den Abgrund zu stürzen, und wenn ihm der eine Versuch misslingt, so ersinnt er eine neue List. Denn tausend Ränke schmiedet er in seiner Werkstatt – umso mehr müssen wir auf der Hut sein. Sicher verdirbt das Glück die Menschen mehr als alle Trübsale der Welt. Denn Reichtum verbindet sich gern mit Hoffart, Prunksucht, Gottesverachtung, Grausamkeit, Betrug und ähnlichen Dingen, zudem bringt er mit sich allerlei Lust und Vergnügen, so dass der Mensch ganz zum Tier wird. Soviel ist sicher: Weil der Satan den Hiob mit dem einen nicht überwinden kann, versucht er´s mit dem andern und stellt die Forderung, er solle nun durch Trübsal versucht werden. Dabei weiß Gott ganz gut, was geeignet ist, unseren Glauben und Gehorsam zu erproben – daran braucht ihn der Teufel nicht erst zu erinnern. Aber der Ausdruck ist gewählt, damit wir wissen: Schickt Gott uns Armut und Trübsal, so wollen wir an uns denken und uns im Glück nicht mehr erheben als im Unglück, - und damit wir ihn anrufen je nach der Not, die uns drückt. Der Teufel aber ist immerdar hinter uns her, um uns zu Fall zu bringen, wenn er kann; sind wir ihm auf der einen Seite entronnen, so schickt er uns alsbald eine andere, neue Anfechtung. Was uns mit einem Wort beim Propheten Sacharja gesagt ist (3, 1), das ist uns hier deutlicher auseinandergesetzt: Satan ist der Verkläger, der Widersacher aller Gotteskinder; auch in der Offenbarung heißt er der Verkläger unserer Brüder. Ja, wir haben einen starken Gegner und haben´s wohl nötig, dass Christus unser Fürsprecher ist und uns mit seiner Kraft gegen den Satan beisteht, damit er uns mit seinen Tücken und Listen nicht umgarne.

Fürchtet Hiob den Herrn etwa umsonst? Der Teufel tut hier nur, was sein Geschäft ist: er verkehrt alles Gute in sein Gegenteil. Wiewohl er aber Hiob fälschlich der Heuchelei bezichtigt, so deckt er nichtsdestoweniger damit das Böse auf, das sich so leicht im Menschen findet und zu dem wir von Natur geneigt sind. Er weist auf eine Krankheit hin, mit der alle behaftet sind, bis uns Gott durch seine Gnade davon heilt: Im Glück können wir Gott wohl preisen, aber wenn er uns schlägt, dann fängt das Murren an, und wir haben ganz vergessen, dass wir ihm doch Lob gespendet haben, als er uns nach unseren Wünschen behandelte. So gibt es denn viele Heuchler, die nie als solche erkannt und entlarvt würden, wenn Gott sie nicht mit Leid heimsuchte. Jetzt sehen wir, warum uns die Schrift so oft darauf hinweist, dass Gott die Seinen prüft: er probt sie durch Trübsale, er legt sie wie Gold in den Ofen, nicht allein um sie zu läutern, sondern auch um sie offenbar zu machen. Denn die Trübsale haben einen doppelten Zweck: Gott tötet die Sünden in uns, wenn er uns schlägt, wir werden gebändigt, er zwingt uns, uns von der Welt zurückzuziehen und ihren Lüsten abzusagen; aber noch mehr: gleichwie das Gold im Ofen geprüft wird, ob sich Schaum darin findet, so bringt Gott mit seinen Schlägen an den Tag, was wir für Menschen sind; denn die Menschen kennen sich selber nicht, bevor sie in dieser Weise geprüft sind. Bis dahin halten wir uns für gottesfürchtig und meinen, an uns sei nichts zu tadeln, und dabei gibt es in uns Sünden genug, die uns selbst unbekannt sind. Die zeigt uns Gott und lässt sie uns fühlen, wenn er uns irgend Kummer oder Beschwernis zuschickt; und dann erst fühlen wir unsere Schwachheit. Wenn nun Gott seinen Gläubigen ihre Trübsale als Spiegel dienen lässt, in denen sie sich beschauen sollen, - mit wie viel mehr Recht wird er den anderen gegenüber an den Tag bringen, was in ihnen ist, ob Glaube und Gehorsam in ihren Herzen ist, ob sie Heuchler sind oder ob sie ihm in Wahrheit dienen! Das sagt uns diese Stelle, das lehrt uns auch die Erfahrung.

Wenn sodann hier gesagt ist, dass die Menschen in der Anfechtung der Trübsale Gott ins Angesicht fluchen, so geschieht das freilich nicht gleich beim ersten Male; denn soviel Scheu vor Gott tragen wir noch im Herzen, dass wir bei irgendeiner Bekümmernis wohl im Geheimen murren und trotzen, aber den Mund auftun zur Lästerung Gottes – davor würde uns doch grauen! Nimmt aber die Not zu und dauert sie zu lange, dann lodert unsere Ungeduld auf wie ein Feuer und wir fangen an, auszuspeien, was bis dahin in unsern Herzen verschlossen lag. Wenn die Trübsal lange dauert, so fluchen wir Gott ins Angesicht, wir gehen über das Maß hinaus, wir fürchten die Majestät Gottes nicht mehr zu unserer Demütigung, wir merken nicht mehr, dass wir uns gegen ihn auflehnen, wir fürchten sein Gericht nicht mehr, das uns vor Maßlosigkeiten bewahren könnte. So haben wir denn Anlass genug, Gott zu bitten, er wolle unsere Zunge im Zaum halten, ebenso wie unsere Herzen, und er wolle uns nicht in die schreckliche Sünde fallen lassen, ihm öffentlich zu fluchen, sondern er wolle seine Züchtigungen solch ein glücklich Ende gewinnen lassen, dass es uns zu Nutz und Heil gereiche. Und das ist ja auch seine Absicht, wenn er uns schlägt.

Der Satan ist ein Vater der Lügen; aber hier spricht er einmal die Wahrheit: Bist du Hiob nicht auf allen Seiten ein Bollwerk gewesen? Hast du nicht sein Haus und all das Seine befestigt? Lässest du nicht alle seine Geschäfte glücken? Da kann man sehen, wie er sich in einen Engel des Lichts verstellt; denn weil er vor Gott steht, muss er sich wohl verstellen – sonst könnte er ja nicht solche Täuschereien begehen, wie er sie braucht, um die Menschen zu betrügen. So spricht er denn Grundsätze aus, die an sich ganz wahr sind, aber er tut es nur in böser Absicht; er sucht nur Hiobs Verderben. Denn sobald er nur die Erlaubnis dazu hat, macht er Hiobs ganze Habe zu Schanden, und das mit maßlosem Ungestüm. Darum musste Hiob zuvor durch Gottes Gnade bewahrt werden, darum war er rings um ihn her wie eine feste Burg. Lasst uns also Gott anrufen und ihn bitten, er wolle uns behüten; denn solange wir in dieser Welt sind, sind wir wie in einem Walde voller Mörder und Räuber. Darum werden ihm auch in der Schrift solche Namen beigelegt wie unser „Schild“, „Mauer“ und „Graben“, „Wall“ und „Bastei“, „Turm“ und „Festung“. Warum macht die Schrift soviel Worte, um den Wert des göttlichen Schutzes auszudrücken? Wir sollen wissen, dass wir ohne ihn jeden Tag tausendmal umkämen und dass er ohne Unterlass über uns wachen muss, wenn wir selig werden sollen! Wer aber an diesen göttlichen Schutz nicht denkt, ist schlimmer als der Teufel, der muss ganz vertiert und behext sein.

Der Herr aber sprach zum Satan: Ich übergebe dir alle seine Habe, nur ihn selber darfst du nicht antasten! Es könnte einen auf den ersten Blick befremden, wie Gott seinen Knecht also der Willkür des Satans preisgeben kann. Hat denn der Teufel soviel Kredit bei Gott, dass dieser ihm jede gewünschte Erlaubnis gibt, uns zu misshandeln? Es sieht so aus, als wäre Gott dem Satan gewogen; es sieht aus, als spiele er mit uns wie mit einem Ball. Aber wenn Gott das dem Satan erlaubt, so tut er es nicht ihm zuliebe, sondern Gott hat es in seinem Rat so angeordnet, er lässt sich nicht durch Satans Bitte bewegen, sondern schon bevor der Satan ein Wort gesagt hatte, hatte er es bereits in seinem Rat beschlossen. Gott wollte seinen Knecht plagen, und er wollte es mit gutem Grund, den er uns auch bekannt gegeben hat. Kennten wir ihn aber nicht, so müssten wir das Haupt neigen und sagen: Gott ist gerecht und billig in allem, was er tut. Der Satan hofft, wir würden alsbald von Traurigkeit verschlungen sein und endlich in unserer Verzweiflung Gott lästern; aber Gott widersteht ihm und spottet dieser Hoffnung. Denn er stellt dem entgegen die Gnade seines Heiligen Geistes und macht den Satan zu Schanden.

Warum sagt uns aber die Heilige Schrift, dies hier sei auf die Bitte des Satans hin geschehen? Das hat zwei Gründe. Erstlich: wenn wir mit Gottes Ruten geschlagen werden, so sollen wir wissen, dass der Satan Gott dazu anreizt, um uns in Verzweiflung zu stürzen. Dasselbe lässt uns der hl. Paulus erkennen: „Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die bösen Geister unter dem Himmel“ (Eph 6, 12). Sooft uns ein Unheil widerfährt, sollen wir daran denken, dass es uns der Satan angezettelt hat, damit wir ihm widerstehen im Glauben, uns wappnen mit der Kraft Gottes und wissen: Satans Macht über uns ist darum so groß, dass wir unsere Zuflucht zu dem nehmen sollen, der uns stark machen kann. Zum zweiten aber will uns die Schrift auch Gottes väterliche Güte gegen uns zu erkennen geben; die ist so groß, dass er uns als seine Kinder trägt und dass er unserem Widersacher nicht soviel Macht über uns gibt, wie er wohl haben möchte. Auch hat er nicht etwa seine Lust daran, uns zu bedrängen, es sei denn, dass er sieht, es möchte zu unserm Heile dienen. So zärtlich liebt uns Gott, dass er nichts anderes begehrt, als uns wieder zurecht zu bringen; er schonet unser und hält uns in seinem Schoß. Das ist die Art, wie die Schrift von diesen Dingen redet.

Man könnte es freilich seltsam finden, dass Gott den Satan so zu seinem Dienst gebraucht. Aber unser Vertrauen würde bald zerflattert sein, wenn wir nicht ganz fest daran hielten, dass die Teufel unter Gottes Regiment stehen und dass sie deshalb ohne seine Erlaubnis nichts tun können. Doch das ist noch nicht alles: sie sind auch gleichsam Gottes Henker, die seine Gerichte vollstrecken müssen, womit er die Gottlosen strafen will, zugleich aber sind sie die Ruten, mit denen Gott seine Kinder züchtigt. Um es kurz zu sagen: Der Teufel muss ein Werkzeug des Zornes Gottes sein, er muss seinen Willen ausrichten, nicht dass er´s mit gutem Willen täte, aber weil Gott die höchste Gewalt über seine Kreaturen hat und weil es ihm zusteht, sie zu lenken und zu wenden, wohin er will. Aber auf einen großen Unterschied haben wir hierbei zu achten: Wenn Gott dem Satan verstattet, den Hiob zu plagen, so sagt er ihm: Siehe, du magst wohl den Blitz in all seine Habe schleudern, aber seine Person darfst du nicht antasten. Und als er ihm all sein Gut vernichtet hat, sagt er ihm: Seine Person darfst du antasten, aber komm nicht an seine Seele! Hiobs Seele behält Gott allezeit sich selber vor. Ebendies lehrt auch der hl. Paulus (2. Thess 2, 10 f.): Wenn die Menschen so heillos sind, dass sie Gottes Gnade verwerfen und von sich weisen, alsdann schickt Gott ihnen falsche Propheten und Verführer, die nicht allein alle gute Lehre verkehren, sondern auch Glauben finden; Gott sendet ihnen eben „kräftige Irrtümer“. Damit ist gesagt: Wenn Gott uns seine Klarheit entzieht, also dass unser Verstand verfinstert wird, so stumpfen wir ab, so dass wir nicht mehr besser unterscheiden können als die unvernünftigen Tiere; ja, wenn der Graben ganz offen vor uns liegt, so fallen wir doch hinein, ohne das geringste davon zu sehen. Gott hat in solchem Fall dem Satan die Macht gegeben, uns zu täuschen und uns zu verführen, ja, uns völlig zu verblenden und zu verzaubern, also dass wir uns nirgend hinwenden können, nicht hierhin, nicht dahin, ohne in irgendeine neue Täuschung zu verfallen. Aber nicht so tut er mit den Seinen; da steckt Gott dem Satan einen Riegel vor, und bei all seiner Wut wird er doch fest im Zügel gehalten, also dass er nichts vermag, als was Gottes Wohlgefallen ihm zulässt. Zwar wenn wir unserer eigenen Meinung folgen, mögen wir uns wohl verwundern, wie das zugeht, dass er dem Teufel solche Gewalt und Macht gibt, uns zu verführen. Was sollen wir denn tun? Demütigen sollen wir uns und den Tag abwarten, da wir Gottes Geheimnisse besser verstehen werden, die uns heute noch unbegreiflich sind! Denn wir haben ein viel zu kleines Maß, um sie zu dieser Zeit schon vollkömmlich zu verstehen. In Demut müssen wir wandeln; denn unser Wissen ist Stückwerk, bis uns die vollkommene Offenbarung geschenkt wird am Jüngsten Tag. Aber dem sei, wie ihm wolle, - wir dürfen nur die Augen nicht verschließen vor dem, was die Schrift uns zeigt: Gott braucht den Satan in der Art, dass er immer bereit ist, die Menschen zu verführen, wenn sie es verdient haben; und vor allem: wenn sie es verdient haben; und vor allem: wenn sie der Wahrheit nicht gehorchen wollen, so müssen sie zur Lüge gebracht werden.

Was aber die Gläubigen angeht, so gibt Gott auch sie zuweilen in des Satans Gewalt, so dass sie sich verführen lassen. Ja, auch Hiob war am Ende von diesem Übel nicht ausgenommen. Wir sehen auch, was die heilige Geschichte von David sagt. Woher ist es gekommen, dass er das Volk zählte (1. Chr 21, 1)? „Der Satan reizte David“! Wenn wir das sehen, haben wir wohl Grund, Gott zu bitten und uns unter den Schatten seiner Flügel zu flüchten; denn wenn so etwas dem David widerfahren ist, wie soll es uns ergehen?

Indessen lasst uns auch dies beachten: Gibt Gott dem Satan über seine Gläubigen die Überhand, so tut er das doch nur für eine kleine Zeit. „Der Fürst dieser Welt“, sagt Paulus Eph 2, 2, „hat zu dieser Zeit sein Werk unter den Kindern des Unglaubens.“ Damit beschränkt er die Herrschaft des Satans auf die, die von Gott getrennt und von seiner Kirche abgeschnitten sind. Warum? Weil er hier seine Grenzen hat. Wenn er aber die Kinder Gottes kränken kann, so soll ihnen das alles zur Arznei dienen. Was für eine wunderbare Güte Gottes, dass er das Böse in Gutes verwandelt! Denn was kann der Satan anders bringen als Gift? Wir wissen ja, dass er nichts als Tod in sich hat, heißt er doch daher der Fürst des Todes (Hebr 2, 14: „der des Todes Gewalt hat“). Gott aber vermag ein Mittel zu finden, um das Böse, das der Satan in sich trägt, zum Heil zu wenden. An dieser Arznei ist auch der hl. Paulus gesund geworden, wie er selbst bekennt, als er von den hohen Offenbarungen redet, die ihm geschenkt waren: „Gott hat dafür gesorgt, dass ich mich nicht überhebe“ (2. Kor 12, 7). Und wie ist die Heilung geschehen? Er schickte ihm des Satans Engel, „der ihn mit Fäusten schlage“. Und er Ausgang? Es ist wahr: Der Satan wollte ihn zugrunde richten und abspenstig machen, dass er den Dienst Gottes aufsage; müde des unablässigen Jammers und Elends, sollte er sich von seinem Christusdienst ein wenig zurückziehen. Aber was geschieht? Gott hat ein anderes Ziel im Auge: er will seinen Knecht im Zaum halten, damit er seiner selbst nicht vergesse und sich nicht zu sehr erhebe. Zu diesem Zweck wird er mit den Fäusten geschlagen.

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