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Calvin, Jean – Hiob 7, 16-21.

Calvin, Jean – Hiob 7, 16-21.

16) Ich mag nicht mehr, ich will nicht ewig leben! Lass ab von mir; denn meine Tage sind nichts! 17) Was ist der Mensch, dass du ihn so groß achtest, dass du dich um ihn kümmerst? 18) Des Morgens früh suchst du ihn heim, du siehst auf ihn jeden Augenblick. 19) Wie lange noch willst du nicht ablassen von mir und lässest mir keine Zeit, meinen Speichel einzuschlingen? 20) Habe ich gesündigt, was tue ich dir damit, o du Menschenhüter? Warum hast du mich dir zum Zielpunkt gesetzt, dass ich mir selbst zur Last bin? 21)Warum nimmst du nicht weg meine Sünde und verzeihst nicht meine Missetat? Denn nun werde ich in den Staub sinken, und wenn du mich in der Frühe suchst, werde ich nicht mehr da sein!

Hiob mag nicht mehr leben – nicht als hielte er eigensinnig daran fest, dass er überhaupt keinen Trost mehr an Gottes Güte schmeckte, aber er sieht, was es um sein Leben ist, wenn Gott so streng mit ihm umgeht. Und so kommt er zu dem Schluss, es wäre ihm viel besser, wenn Gott ihn sterben ließe, auf welcherlei Weise es auch geschehen möchte. In solcher Verzweiflung gibt es für uns nur noch den einen Trost, dass mitten in unserm Elend Gott doch nicht aufhört, uns lieb zu haben, und dass er sich am Ende über uns erbarmen wird, dass er uns Heil und Leben schenkt durch unsern Mittler, den Herrn Jesus Christus. Ohne das würde uns das Leben zum Überdruss und uns nichts als Kummer bringen, ja, wir kämen zum Murren wider Gott. So hat denn auch Hiob hier nur zum Ausdruck bringen wollen, wie ihm zu Mute wäre, hätte nicht Gott ihn aufrechterhalten.

Ich mag nicht mehr; ich will nicht ewig leben! Lass ab von mir; denn meine Tage sind nichts! Es ist, als wollte er sagen: Ach Herr, warum verfolgst du mich? Siehe, ich bin ein armer Mensch, der nichts vermag, wenn du ihn nicht in Gnaden anschaust, und mein Leben ist nichts als Eitelkeit. Warum lässest du denn nicht von mir ab? Er meint: Gott soll auf die sterblichen und gebrechlichen Menschen nicht dreinschlagen; sie sind doch nicht von Stein, sind doch auch keine wilden Tiere, dass er deshalb seine Kraft wider sie anwenden müsste! Hiob redet als ein betrübter Mensch, der seines Seufzens kein Ende finden kann.

Dann fügt er hinzu: Was ist der Mensch, dass du ihn so groß achtest, dass du dich um ihn kümmerst? Des Morgens früh suchst du ihn heim, du siehst auf ihn jeden Augenblick. Der Sinn der Stelle ist einfach der: Herr, warum zürnst du so über die Menschen? Du nimmst sie viel zu wichtig! Es will sich für Gott nicht schicken, dass er sich über die Menschen so aufregt. Zum Beispiel: wenn ein großer Fürst sich erzürnt über einen armen Ackersmann, so bringt ihm das keine Ehre ein; man wird sagen: Warum befasst er sich nicht mit seinesgleichen? Er schadet sich selbst; denn er vergisst seinen Rang und seine Würde. Wenn nun schon die Menschen, die armen Erdenwürmer, so sprechen können, es zieme sich nicht, sich mit Leuten zu befassen, die viel unter einem stehen, mit wie viel mehr Recht kann man dann sagen: Gott nimmt die Menschen viel zu wichtig, wenn er sich mit ihnen befasst! Denn was ist der Mensch? Gott hätte allen Grund, ihn zu verachten: Du bist nichts als ein armer Wurm; was soll ich mich denn mit dir abgeben und gar mit dir streiten? Damit täte ich ja meiner Herrlichkeit und Majestät Abbruch! Das ist Hiobs Meinung.

Der Spruch hat also nicht dieselbe Bedeutung wie im 8. Psalm, wo es heißt (Vs. 5): „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Die Worte sind dieselben wie an unserer Stelle, aber der Sinn ist ein ganz anderer. David preist die grenzenlose Güte Gottes, dass er sich seiner Kreaturen also annimmt, dass er sich um sie kümmert, sie leitet und regiert. Betrachtet man den Menschen an sich, so ist er eine so arme Kreatur, dass man denken könnte, er sei es nicht wert, dass Gott sich um ihn kümmert und überhaupt sein Auge auf ihn richtet. Nun aber sehen wir: Gott will den Menschen nicht allein regieren, nein, er setzt ihn über alle seine Kreaturen, ja, die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels und die Fische des Meeres macht er ihm dienstbar. Hat Gott es also alles dergestalt eingerichtet, dass alles unserm Bedürfnis dienen muss, so ist deutlich ersichtlich: Gott hat uns so lieb, dass er alles, was er hat, unter unsere Hände gibt, als wollte er sagen: Es ist mir nichts für euch zuviel! Alles Elend also, alle Armut der Menschen lässt die Güte und Barmherzigkeit Gottes viel heller leuchten, als wenn wir an uns selber etwas hätten, was ihn bewegen könnte, uns etwas Gutes zu tun. Das ist Davids eigentliche Meinung. Erfüllt aber ist das in der Person unseres Herrn Jesus Christus. Denn ob er wohl Gottes eingeborener Sohn ist, so ist er doch nach seiner menschlichen Natur ein Sohn Abrahams gewesen und in allen Dingen uns gleich geworden, ausgenommen die Sünde. Ihn hat Gott groß geachtet und ihm alle Dinge in seine Hand gegeben, damit wir in ihm bekommen, was wir in Adam verloren haben: in ihm hat er die großen und unendlichen Schätze seiner Barmherzigkeit geoffenbart. In der Tat ist Christus der wahre Spiegel der Gnade Gottes, die hernach über alle seine Glieder ausgegossen ist. Deshalb sollen wir nach Davids Exempel Gottes Güte rühmen und preisen, wenn wir sehen, wie er bei Adam angefangen hat und hernach in Jesus Christus noch heute fortfährt, uns Gutes zu tun, und wie wir an all seinem Reichtum Anteil haben. Da mögen wir wohl verwundert rufen: Ach Herr, wer sind wir, dass du uns heimsuchst und so freundlich mit uns handelst, dass wir wie deine Kinder sind und du uns wie in deinem Schoß trägst und so freundlich zu uns bist?

Hiob aber versteht die Worte in ganz anderem Sinn. Wenn die Menschen einen Ekel haben, kann man ihnen nichts recht machen, was man auch sagen mag. Ist der Magen verschleimt und krank, so schmeckt ihm auch die allerbeste und wohlschmeckendste Speise nicht, er ekelt sich davor. So ist es auch mit uns: ist uns übel zumute, so haben wir kein richtiges Urteil, und Gottes Gnaden finden keinen Geschmack bei uns. Gibt es wohl etwas, was uns mehr zur Liebe Gottes reizen müsste als die Erkenntnis, dass er sich so zu uns herablässt und uns sozusagen füttert wie eine Mutter ihre Kinder, und dass er seine Fittiche ausstreckt, um uns darunter zu sammeln, wie es im Liede Mose heißt: „Wie ein Adler ausführet seine Jungen und über ihnen schwebet, breitete er seine Fittiche aus und nahm ihn und trug ihn auf seinen Flügeln“ (Deut 32, 11)? Wer aber unlustig und ängstlich ist, der schmeckt alles das auch, aber er hat keinen Gewinn davon, ja, er wünschte, Gott wäre weit von ihm weg. So ist es auch dem Hiob geschehen ins seinem fleischlichen Zustand. Kein Zweifel, er hat dies Gefühl bekämpft, er hat auch Geduld gehabt, wiewohl sie in seinem Inneren verborgen blieb; aber es musste auch an den Tag kommen, wie ihm innerlich zumute war, und Gott hat ihn also demütigen wollen.

Hiob verkehrt die Vorsehung Gottes ganz in ihr Gegenteil: anstatt sich ihrer zu freuen und zu trösten, wünscht er Gott in weite Ferne. Was ist der Mensch, dass du ihn so groß achtest? Ja, wenn uns Gott um unserer Sünden willen züchtigt, dürfen wir deshalb sagen, er nehme uns zu wichtig und tue uns Unrecht? Es geht doch bei Gott nicht so zu wie bei sterblichen Menschen! Hat ein Mensch eine Kränkung erfahren, so dünkt er sich zu gut, um sich an einem Geringeren zu vergreifen: er gibt sich nur mit seinesgleichen ab; denn bei ihm spricht nur die Rachsucht mit. Wenn aber Gott uns unserer Sünden wegen züchtigt, so tut er das nicht, um sich an uns zu rächen, nein, daran denkt er gar nicht. Warum tut er´s denn? Erstlich sollen wir ihn auch wider Willen, wenn wir ihn verachtet haben, als unsern Richter anerkennen; zum andern aber will er nicht unser Verderben, sondern er will uns durch die Züchtigung zu sich ziehen und zur Besserung ermahnen. Und man kann es doch wirklich nicht unschicklich für Gott nennen, wenn er uns straft und sich so mit uns befasst, dass er uns von unsern Fehlern abbringt, dass wir ihn als unsern Richter und uns als seine Untertanen erkennen! Was ist es also für ein Undank, die Wohltaten Gottes so zunichte zu machen!

Wenn es aber dem Hiob geschehen ist, dass der der Versuchung erlegen ist, Gott in weite Ferne zu wünschen, nun, eine solche Versuchung kann auch uns ankommen, uns mit äußerster Angst erfüllen und völlig zu Boden schlagen. Darauf mögen wir uns wohl rüsten und das eine lernen: Gott will uns umso mehr zu Dank verpflichten, wenn es ihm wohl gefällt, uns heimzusuchen und über unserm Leben zu wachen in väterlicher Sorge; dafür können wir seine Gnade gar nicht genug preisen. Ja, wenn er uns gleich heimsucht wegen unsrer Sünden, so geschieht das nicht deshalb, weil wir seiner Züchtigung würdig wären; er brauchte sich gar nicht um uns zu bemühen, er könnte uns doch so lassen, wie wir sind. Auch in seiner Züchtigung beweist er nur seine Güte und Gerechtigkeit; denn er leitet die Menschen dadurch zur Besserung und will sie durch seine Gerichte nur demütigen. Nur zu ihrem Besten züchtigt er sie – es sei denn, dass unser Undank uns um den Gewinn bringt.

Wie dem auch sei, nur so dürfen wir niemals sprechen: Was ist der Mensch, dass du ihn so groß achtest? Es darf uns nur nicht ärgern, dass Gott über alle unsere Schritte wacht! Denn so machen es die, die nur nach ihrem Vergnügen leben und von Gottes Züchtigung nichts wissen wollen. Was würden wir dabei gewinnen? Wenn Gott die Augen zumachte und ließe uns machen, was wir wollen, ohne sich darum zu kümmern, was sollte wohl aus uns werden? Dann würde der Teufel von uns Besitz ergreifen, und wir würden ihm zur Beute fallen, bis er uns völlig ins Verderben brächte. Nein, es gibt nichts Heilsameres für uns, als dass Gott immerfort seine Augen offen hält und alles sieht, was wir tun, ja, auch unsere Gedanken erforscht, dass wir nicht einen Finger bewegen oder einen Schritt tun können, ohne dass er es merkt und anschreibt.

Nun fügt Hiob hinzu: Wie lange noch willst du nicht ablassen von mir und lässest mir keine Zeit, meinen Speichel einzuschlingen? Das ist ein neuer Ausdruck der Schwermut, von der Hiob angefochten war. Dabei hat er immer irgendeinen Trost gespürt, und völlig hat ihn Gott nie verlassen. Wenn also Hiob hier erklärt, wie ihm nach dem Fleisch zumute ist, so tut er das, um seine Freunde davon zu überzeugen, dass er nicht grundlos in so schwere Klagen ausbricht. Um seine Angst noch deutlicher zu zeigen, wendet er sich an Gott, weil alles Klagen bei Menschen nutzlos ist. Gleichwohl aber kann er es nicht lassen, auch auf Menschen zu sehen, und zwar viel zuviel. Denn hätte er sich innerlich recht gesammelt und sein Gebet zu Gott getan, er wäre gewisslich ruhiger geworden und hätte mehr Geduld und Glauben gezeigt. Was ist der Grund, weshalb Hiob sich so grämt und sich auf den ersten Blick so verzweifelt gebärdet? Er denkt nur an den Vorwurf seiner Freunde; den empfindet er als unerträglich, anstatt davon weg und allein auf Gott zu blicken. Wenn uns die Menschen quälen und ärgern, so müssen wir nicht darauf sehen und daran kleben bleiben, sondern einen Blick dafür bekommen, dass der Satan uns dadurch Schaden tun will; wir müssen deshalb geradeswegs zu Gott kommen und unsere Seufzer vor ihn bringen in der Gewissheit: Er wird uns besser erkennen lassen, wozu uns seine Züchtigungen dienen sollen. So werden wir nicht so leicht vom rechten Weg abgelenkt, als wenn wir nur auf die Menschen blicken. Aber das ist sicher: Hiob will mit diesen Worten seiner großen Not Ausdruck geben, als wollte er sagen: Ihr versteht ja nichts davon, ihr begreift nichts von dem geistlichen Streit, in den mich Gott hineingestellt hat, deshalb ist mein Richter der einzige, mit dem ich reden kann.

Gott soll wenigstens solange von ihm ablassen, bis er seinen Speichel einschlingen, das heißt Atem holen kann. Das klingt, als wollte er gegen Gott streiten, aber er will nur seine fleischliche Schwäche zum Ausdruck bringen. Denn wenn Gott den Menschen die Gnade erzeigt, dass sie sich ihm ergeben und ihr Kreuz und ihre Anfechtungen geduldig ertragen, so bedeutet das nicht, dass sie unempfindlich und unbewegt bleiben, wenn man sie ärgert und quält, sondern es bedeutet, dass sie zu dem festen Vorsatz gelangen, das alles mit Geduld zu ertragen und daraus den Schluss zu ziehen: Gott ist dennoch mein Herr und Meister, und ich muss mich ihm unterwerfen und seinem guten Willen mich fügen. Aber ohne Kampf geht das nicht. Hiob gibt einfach seinem Schmerz Ausdruck, und dabei ist Gottes Gnade bei ihm für eine Zeitlang wie begraben, doch nicht ganz erloschen: Gott hat ihn aufrechterhalten. Wir können Gott wohl unsere Schwäche vorhalten, wenn wir Barmherzigkeit und Linderung erhalten wollen. Aber Hiob macht es zu schlimm, wie ein Mensch, der ganz von Sinnen ist und nicht weiß, wo aus noch ein. Ein Gläubiger kann wohl sprechen: Herr, meine Tage sind nichts als Eitelkeit und Rauch, erbarme dich doch über mich arme Kreatur! Solch ein Gebet ist gut und heilig, und Gott nimmt es an, umso mehr, weil es uns vom Heiligen Geist so eingegeben ist. Hiob aber spricht in ganz anderer Art und in anderem Ton: Meine Tage sind nichts als Eitelkeit, und du kommst und legst deine Hand an mich? Du lässest mir nicht soviel Ruhe, dass ich zu Atem kommen kann? Nicht einmal solange lässest du von mir ab! Er hat das Gefühl: wenn Gott seine Hand zurückzöge, dann würde er Linderung haben. Aber was sollte daraus werden, wenn Gott uns wirklich verließe? Hätten wir dann überhaupt noch Kraft zum Atemholen? Wäre es dann nicht aus mit uns? Aber Hiob ist ein betrübter Mensch, der nur auf sein Elend sieht.

Er fährt fort: Habe ich gesündigt, was tue ich dir damit, o du Menschenhüter? Er meint: „Herr, mit Ausflüchten komme ich bei dir nicht durch; ich gestehe meine Schuld, ja, ich habe gesündigt! Aber warum lässest du mich nicht? Du siehst, ich bin eine arme geschlagene Kreatur, matt und kraftlos, und dennoch verfolgt mich immerzu deine Strenge. Ich bekenne, dass ich dein Schuldner bin, und dennoch behältst du mich auf der Folter! Wozu das? Ich habe gesündigt; jetzt darfst du mich nicht mehr peinigen, als ob ich meine Sünde noch bekennen müsste. Was verfolgst du mich noch weiter? Du bist doch der Menschenhüter! Du weißt doch alles! Wenn du erst jetzt noch untersuchen müsstest, was dir verborgen wäre, so könntest du sagen: Ich lasse dich auf der Folter, bis du alle Missetaten gestanden hast. Aber du weißt ja alles, du bist Menschenhüter; und wenngleich die Menschen sich selbst nicht kennen, du kennst sie doch und weißt, was an ihnen ist. Warum tust du dann aber deine Hand nicht von mir ab und plagst mich immer noch weiter?“ Aber so machen es die Menschen, wenn sie Gottes Gerechtigkeit mit ihrem Maße messen wollen; des dünkt sie, als schlage sie Gott übers Maß hinaus, als sei er viel zu streng. Dabei denken wir nicht daran, Gott öffentlich der Grausamkeit zeihen zu wollen, aber das Murren gegen ihn lassen wir doch nicht; Hiob ist ja auch dieser Versuchung erlegen. Was sollen wir denn tun? Erkennen, dass Gott der Menschenhüter ist! Dass wir allezeit vor seinem Angesicht stehen. Und mögen wir auch noch soviel Ausflüchte und Winkelzüge vor den Menschen machen, so wird doch unsere ganze Heuchelei Gott nicht hindern können, uns zu durchschauen und unsere Gedanken zu lesen. Was hat unser Vorvater Adam damit gewonnen, dass er sich unter den Blättern versteckte, als Gott ihn vor sich forderte? Er musste doch vor ihm erscheinen, ob er wollte oder nicht, und sich seine Sünde vorhalten lassen. Alle unsere Werke, Worte und Gedanken sind im Buche Gottes geschrieben, und ob wir auch jetzt unsere Anklageschrift nicht lesen können, so muss doch das Wort Daniels in Erfüllung gehen: „Das Gericht ward gehalten, und die Bücher wurden aufgetan“ (Dan 7, 10). Wenn wir das beherzigten, so würden wir sicher sorgfältiger wandeln. Vor den Menschen schämen wir uns, unsere Gemeinheiten am hellen Tage und auf offener Strasse zu begehen. Warum? Das Auge der Menschen ist uns hinderlich. Nun aber sind Gott und seine heiligen Engel Zeugen unseres Lebens; soll uns das nicht bewegen, in viel größerer Furcht unsern Wandel zu führen? Gott verfährt nicht nach der gemeinen Weise der Menschen; er hat andere Augen als wir. Ja, auch wenn wir unsere Fehler bekannt haben, - er weiß, was im Innersten verborgen ist und wovon wir selber nichts wissen. Hat ein Verbrecher seine Missetaten vor einem irdischen Richter bekannt, so fragt man ihn nicht weiter; aber Gott ist ein geistlicher Richter, er will uns zur innerlichen Erkenntnis unserer Sünden bringen. Deshalb ist es nicht genug damit, dass wir sagen: Ich habe gesündigt! Nein, die Sünde müssen wir an uns verdammen, so dass ein jeder sein eigener Richter ist und einen Abscheu vor der Sünde bekommt.

Endlich sagt Hiob noch: Warum hast du mich dir zum Zielpunkt gesetzt? Warum nimmst du nicht weg meine Sünde und verzeihst nicht meine Missetat? Denn nun werde ich in den Staub sinken, und wenn du mich in der Frühe suchest, werde ich nicht mehr da sein! Damit wiederholt er, er möchte nur Ruhe und Linderung haben, bis er wieder zu Atem komme. Warum hast du mich zu einer Zielscheibe gemacht? Am liebsten möchte er, Gott ließe ihn so, wie er ist. Wer bin ich denn, und mit wem befassest du dich? Ein armer Erdenwurm bin ich, und du machst mich zu einer Scheibe, nach der man schießen soll! Musst du denn wirklich deine Kraft an mir ausprobieren? Gewiss, wenn Gott uns als Zielscheibe vor sich hinstellt, so ist das etwas derart Furchtbares, dass wir´s gar nicht aushalten können. Aber trotzdem dürfen wir uns ihm nicht entziehen; denn sobald uns Gott den Rücken kehrt, ist es aus mit uns. Wollen wir am Leben bleiben, so darf uns Gott nicht den Rücken kehren, so müssen wir eine Zielscheibe werden, auf die er schießt, sooft es ihm gefällt – wenn er uns nur die Schmerzen der Wunden, die er uns geschlagen, lindert und uns seine Güte fühlen lässt und wir merken, dass er mitten in seinem Zorn seine Barmherzigkeit nicht vergessen hat, wie geschrieben steht (Habakuk 3, 2): „Wenn Trübsal da ist, so denke an Barmherzigkeit.“ Wir müssen zwar mit Hiob bekennen: Wenn uns Gott vom Abend bis zum Morgen anschaut, so werden wir nicht mehr sein, nämlich wenn er uns seine Gnade entzieht und uns verlässt. Aber wenn wir aufrichtig zu ihm zurückkehren, so werden wir merken, dass er uns allezeit nahe ist und sich uns nicht entziehen wird, sondern uns allezeit beisteht, bis er uns endlich in seine himmlische Herrlichkeit aufnimmt, dass wir in alle Ewigkeit bei ihm bleiben.

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