Calvin, Jean – 01. Das erste Gebot.

Calvin, Jean – 01. Das erste Gebot.

Abschnitt 22. - 2. Mose 20, 3 / 5. Mose 5, 7.

Gott befiehlt in diesem Gebote, ihn allein zu ehren, und fordert eine von allem Aberglauben freie Anbetung. Zwar scheint ein bloßes Verbot vorzuliegen; doch werden die folgenden Ausführungen zeigen, dass man demselben auch ein ausdrückliches Gebot zu entnehmen hat. Gott tritt also in die Mitte, will die Blicke der Kinder Israel auf sich allein ziehen und wahrt sein Recht, welches keinem Fremden gebührt. In der Auslegung der Worte bestehen verschiedene Ansichten. Manche wollen die Worte „vor meinem Angesicht“ so verstehen: du sollst mir nicht andere Götter vorziehen. Sie berufen sich dafür auf 5. Mose 21, 16, wo Gott verbietet, dass jemand, der zwei Frauen und von beiden Kinder hat, nicht die Erstgeburt auf den Sohn der liebsten übertrage „vor dem Angesichte des erstgeborenen Sohns der unwerten.“ Wir geben zu, dass dieser Satz von einem Vorzug der einen vor der anderen redet. Aber an unserer Stelle wäre es ganz ungereimt, Gott keinen höheren Anspruch zuzuschreiben, als dass man andere Götter ihm nicht voranstellen solle. Vielmehr duldet er nicht einmal, dass man sie ihm gleichsetze und beigeselle. Denn die Frömmigkeit wird befleckt und entstellt, sobald man auch nur das Geringste von Gottes Ehre abzieht. Wir wissen auch, dass Israel, wenn es seine Baalim verehrte, dieselben nicht derartig an Gottes Stelle rückte, dass Gott abgesetzt und sie zu Weltregenten gemacht worden wären. Und doch war es eine unerträgliche Entweihung des Gottesdienstes und ein frevler Bruch des ersten Gebots, sich besondere Schutzgötter zu suchen und ihnen auch nur einen Anteil am göttlichen Wesen zuzuschreiben. Denn wenn Gott nicht allein heilig bleibt, so wird doch schließlich seine Majestät verdunkelt. Für den wirklichen Sinn des Gebotes halte ich also: Israel soll sich keine Götter erwählen, um sie dem wahren und einigen Gott gegenüberzustellen. Denn im Hebräischen heißt „im oder vor dem Angesicht“ häufig so viel wie „in der Umgebung, in der Nähe“ (z. B. Sach. 14, 4: der Ölberg, der vor, genauer vor dem Angesichte Jerusalems liegt.) Gott will also nicht, dass man ihm Kollegen schafft und dieselben gewissermaßen vor seinem Angesicht aufstellt. Dabei liegt wahrscheinlich eine Anspielung an die Offenbarung vor, welche das Volk hätte in frommem Gedächtnis behalten müssen. Dort leuchtete Gottes Angesicht. Unser Wort passt also nicht auf das Verfahren der Heiden: diese schaffen sich zwar willkürlich falsche Götter, aber sie tun es nicht, „vor Gottes Angesicht“, welches sie ja nicht kennen. Wir sollen also wissen, dass Gottes rechte Anbeter nur sind, die allen Wahngebilden den Abschied geben und ihm allein anhängen. Ohne Zweifel zielt aber unser Gebot auf die innere Anbetung, im Unterschiede vom nächsten, welches den äußerlichen Götzendienst verwirft. Wie man sich Götter machen kann, ohne geradezu Bildwerke, Gemälde und andere sinnenfällige Gestalten zu verehren, ist ja bekannt. Wenn jemand Engel an Stelle Gottes anbetet oder in seinen törichten Gedanken sich irgendeine verborgene Gottheit bildet, trifft ihn sicherlich das Gericht dieses Gebots. Gott beansprucht für sich auch der Herzen Gedanken; ihn allein sollen sie mit ganzem Gemüte ehren. Auch daran können die Worte „vor meinem Angesicht“ ganz passend erinnern: wenn auch vor Menschenaugen der Frevel verborgen bleibt, der heimlich zum Götzendienst entartet und im Herzen seine Irrtümer hegt, - der Allwissenheit Gottes wird solche Heuchelei und Treubruch nicht entgehen. Es ist nicht genug, Gottes Namen im Munde zu führen, wenn man nicht auch jede Abgötterei, die seinem Worte zuwider ist, verabscheut. Hier liegt der Unterschied des wahren Gottesdienstes vom verkehrten Aberglauben. Hat Gott vorgeschrieben, wie er von uns verehrt sein will, so bedeutet die geringste Abweichung von dieser Regel einen Schritt zum Götzendienst, welcher den Herrn mit anderen Wesen in eine Reihe stellt.

Erläuterungen zum ersten Gebot.

Abschnitt 23. - 5. Mose 6, 4. 13 / 5. Mose 10, 20 / 5. Mose 6, 16.

5. Mose 6.

V. 4. Der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr. Wenn Mose von der Einheit Gottes spricht, so denkt er gar nicht bloß an sein unbegreifliches Wesen, sondern auch an sein Wirken und die herrliche Offenbarung, welche dem Volke zuteil wurde. Er stempelt es zum Verbrechen, wenn das Volk nicht in dem einen Gott ausruhen würde, der es zu seinem Eigentum genommen. Daher heißt es nicht bloß: „der Herr“, sondern ausdrücklich wird hinzugefügt: „unser Gott.“ Damit werden alle anderen Gottheiten zum Nichts herabgesetzt und das Volk angewiesen, alles zu fliehen und zu verabscheuen, was die Gemüter von der reinen Erkenntnis abführt. Kann man doch dem Herrn seinen göttlichen Namen lassen und ihn dennoch seiner Majestät entkleiden, indem man ihn in den Schwarm anderer Wesen herabzieht. Darum spricht Gott durch den Mund des Propheten (Hes. 20, 39): „Fahret hin, und diene ein jeglicher seinen Götzen“. Damit wehrt der Herr nicht bloß jeglicher Vermischung seiner Person mit den Kreaturen, sondern bezeugt auch, dass er lieber gar nicht als nur mit halbem Herzen verehrt sein will. – Übrigens bietet diese Stelle auch einen brauchbaren Beweis für die Gottheit Christi und des heiligen Geistes: denn wenn Christus mehrfach in der Schrift als Gott angeredet wird (z. B. Joh. 20, 28; Röm. 9, 5) so muss er ohne Zweifel derselbe Jehovah oder Herr sein, der sich selbst als den einigen Gott erklärt.

V. 13. Du sollst den Herrn, deinen Gott, fürchten. Hier wird noch deutlicher, in welchem Sinne soeben die Einheit Gottes eingeschärft wurde: wir sollen nur einem Herrn von ganzem Herzen dienen; denn wenn wir nicht an ihn allein unter ganzes Gemüt hängen, zerbricht unser Gottesdienst in Stücke, und ein Gewirr von Irrtümern muss die Folge sein. Zuerst fordert nun Gott Ehrfurcht für sich, sodann als Zeichen und Beweis derselben den entsprechenden Dienst. Zur Ehrfurcht gehört auch, dass ein Mensch sich dem Herrn unterwerfe, dessen überwältigende göttliche Majestät ihn zum Gehorsam zwingt. Daraus erwächst dann als Zeugnis eines frommen Sinnes der rechte Gottesdienst. Zu bemerken ist indessen, dass die hier geforderte Furcht eine freiwillige ist; sie ist ein Trieb des Herzens, welches nichts sehnlicher wünscht, als seinem Gott zu gehorchen. Wenn ich also gesagt habe, dass uns der Eindruck der göttlichen Macht und Größe unter das Joch des Herrn beugt, so denke ich nicht an einen erzwungenen und knechtischen Gehorsam, sondern meine nur, dass die Menschen nicht eher einen Trieb zum Gehorsam zu Gott empfinden werden, als die Ehrfurcht ihre Seele gebeugt hat. Die angeborene böse Art neigt nur zu leicht zu zügelloser Verachtung der Frömmigkeit. Wenn daher der Prophet (Jer. 5, 22) die Menschen zur Gottesfurcht erziehen will, erinnert er an die gewaltige Macht des Herrn, welche das Meer in seine Schranken zwingt. – In der weiteren Stelle, welche wir aus 5. Mose 10, 20 beigesetzt haben, erinnert das Wort „anhangen“ wiederum, dass auch das geringste Abweichen auf eigene Wege sofort den Gottesdienst verunreinigt. Denn eben darum will Gott seine Anbeter an sich binden, damit sie gewissermaßen an ihm fest haften und ihre Augen nicht anderswohin richten.

V. 16. Ihr sollt den Herrn nicht versuchen. Aus dieser ohne Zweifel zum ersten Gebot gehörenden Mahnung schließen wir, dass es ein wesentliches Stück der Frömmigkeit ist, dem Herrn das Seine zu geben und nichts von dem Rechte abzuziehen, welches er für sich beansprucht. Wie wir früher sahen, ging es aus Unglauben hervor, dass das Volk seinen Gott zu Massa versuchte (2. Mose 17, 2. 7): Israel gab sich nicht mit Gottes Vorsehung zufrieden und ruhte nicht in seiner väterlichen Liebe. Darum kam es zu einem Ausbruch der Ungeduld, und das Volk wollte an Gottes Gegenwart nicht glauben, wenn er nicht seinem unreinen Begehren nachgab. Wir sehen also, dass man Gott nicht anders recht verehren kann, als wenn man seine Tugenden gelten lässt. Zugleich ergibt sich, dass mit dem Glauben auch ein wahrhaft frommer Sinn ohne weiteres verbunden ist: denn wenn wir glauben, dass alles wünschenswerte Gut bei Gott sich finden und dasselbe von ihm erwarten und erbitten, so werden wir mit geduldigem Gleichmut seinen Willen über uns walten lassen, ja wir werden uns und unser Leben ganz in seine Hand geben.

Abschnitt 24. - 3. Mose 19, 1. 2.

Diese Mahnung will uns anleiten, dass wir den Dienst Gottes nicht nach unseren eigenen Gedanken bemessen und einrichten, sondern vielmehr nach Gottes Wesen. Ferner empfangen wir einen Fingerzeig, dass wir vor allem auf einen heiligen Wandel bedacht sein sollen. Denn den Menschen wird nichts schwerer, als alle fleischlichen Lüste abzustreifen und sich ganz nach Gottes Bilde zu gestalten. Zudem ist er nur zu sehr an seinen Schmutz gewöhnt, den er häufig nur mit einer äußeren Frömmigkeit überdecken möchte. So vernehmen wir hier einen Aufruf, wir möchten dem Gott nachfolgen, der uns sein Bild aufprägen wollte, als er uns zu seinen Kindern annahm: müssen doch rechte und wohl geartete Kinder ihres Vaters Art an sich tragen. Wollte es freilich jemand seinem Gott an Heiligkeit gleich tun, so wäre dies ein wahnsinniges Nacheifern. Mag aber auch der Vollkommenste selbst hinter den Engeln noch weit zurückbleiben, so darf sich dadurch auch der Geringste nicht hindern lassen, in aller Schwachheit sich nach dem Vorbilde seines Gottes auszustrecken. Übrigens werden wir später sehen, dass auf diese Hauptforderung der Heiligkeit alle Zeremonien zielen, in welchen Gott sein Volk unter dem alten Bunde üben wollte. So begegnet unser Spruch auch an andern Stellen (3. Mose 11, 44. 45; 20, 26), aber stets in Verbindung mit spezielleren Vorschriften. Darum mag hier der Hinweis auf seinen wesentlichen Gehalt genügen.

Abschnitt 25. - 5. Mose 6, 14. 15.

Hier verbietet Mose dem Volke von dem schlichten Dienst seines Gottes abzuweichen, mochten sich auch ringsum verlockende Beispiele abergläubischen Treibens darbieten. War es doch eine gefährliche Versuchung, wenn man nirgends ein Volk fand, welches sich der Lehre des göttlichen Gesetzes unterwarf: überall galt eine andere Religion; und jede dieser Religionsformen war eine Verlockung vom rechten Wege abzubiegen. Dieser Gefahr musste der Gesetzgeber rechtzeitig begegnen und die Autorität des einen Gottes so unerschütterlich feststellen, dass ihr gegenüber die zusammenstimmende Meinung aller Völker in den Augen der Juden zu einem Nichts werden musste. Beigefügt wird ein drohender Hinweis auf die Strafe, welche jeden abergläubischen Dienst treffen wird: der Herr ist ein eifriger Gott unter dir. Eifrig und eifersüchtig heißt Gott, weil er keinen Nebenbuhler duldet, der seine Ehre schmälert, und auch nicht zulässt, dass man den Dienst, der ihm allein gebührt, einem andern darbringe. Die Erinnerung daran, dass Gott unter seinem Volke wohnt, will einerseits unser Auge auf seine drohende Gestalt richten, anderseits aber die Undankbarkeit strafen, welche dem gegenwärtigen Gott den Rücken kehrt und andere Götter aus der Ferne herbeiholt.

Abschnitt 26. – 5. Mose 18, 9 – 17.

V. 9. Wenn du in das Land kommst usw. Das Menschengeschlecht ist nur zu geneigt, böse Beispiele eifrigst nachzuahmen, und besonders wer in ein fremdes Land kommt, pflegt sich alsbald seinen Sitten und Gewohnheiten anzupassen. Darum will Gott vorbeugen, dass Israel bei seiner Ansiedlung im Lande Kanaan sich nicht von dessen Einwohnern anstecken lasse. Freilich lautet die Mahnung ganz allgemein: du sollst nicht lernen tun die Gräuel dieser Völker. Aber im Hinblick auf die besonderen Gefahren des Götzendienstes empfangen wir im Folgenden eine lichtvolle Erläuterung darüber, was es heißt, fremde Götter zu haben. Fremden Göttern huldigt man nämlich überall, wo man den Dienst Gottes, den jeder Aberglaube verunreinigt, fremdartige Bestandteile mischt. In Summa: Gottes Volk soll nichts mit menschlichen Gebilden zu schaffen haben, welche den reinen und lauteren Gottesdienst verfälschen. Denn ganz im Allgemeinen wollte Gott seine Anbeter von allen Fallstricken zurückhalten, mit welchen Satan von Anbeginn die armen Menschen betrogen hat. Doch werden insbesondere einzelne damals geläufige Stücke aufgezählt. Und damit wir Gottes Absicht desto besser verstehen, müssen wir darauf achten, was ihm an den hier verurteilten Sünden eigentlich missfällt. Der dem Menschen eingeborene Wissensdrang wird nur zu oft zu einem abergläubischen Vorwitz und führt uns dann vom rechten Wege ab, obwohl er an sich eine edle Gottesgabe ist, die uns über die stumpfe Tierwelt erheben sollte. Dies ist ja nicht zu tadeln, dass die Menschen im Bewusstsein der eigenen Unwissenheit sich an Gott zu wenden begehrten, um ihren Wissensdurst zu stillen. Nichts anders wollen ja die Menschen, wenn sie sich mit Zauberern und Wahrsagern einlassen, als eine Kunde, die ihnen selbst abgeht, vom Himmel holen. So legen sie ohne Zweifel das Bekenntnis ab, dass sie bei ihrer Finsternis das Licht der Erkenntnis nur durch eine besondere Gottesgabe empfangen, und dass verborgene Geheimnisse nicht durch menschliche Geisteskraft, sondern nur durch göttliche Einsprachen erschlossen werden können. Wie aber der Satan mit seinen Kunstgriffen alles natürlich Gute zum Bösen wendet, so hat er auch dieses gute Samenkorn durch zwei angehängte Laster verderbt, durch ein ungezügeltes Übermaß der Wissbegier und durch die Neigung, unerlaubte Mittel zur Bereicherung des Wissens zu gebrauchen. Aus diesen beiden Quellen, nämlich aus törichtem Vorwitz und ungezügelter Anmaßung, fließt aller Aberglaube und Irrtum, welcher je die Welt überflutet hat. Diesem doppelten Übel also will Gott begegnen, wenn er zauberische Künste verbietet, die doch nur zu dem argen Zweck erdacht wurden, um zu erforschen und ans Licht zu bringen, was Gott verbergen wollte. Wahre Wissenschaft ist nüchtern und begnügt sich zu erforschen, was uns frommt. Aber eine arge menschliche Laune steigt höher empor und möchte auch die tiefsten Geheimnisse durchmessen. Noch schlimmer ist das zweite Stück, dass man auf verkehrtem Wege ein geheimes Wissen zu erschließen trachtet. Wir werden alsbald sehen, dass auch Gott durch seine Knechte die Zukunft vorausgesagt hat, doch nur soweit dies einen wirklichen Nutzen hatte, und zu dem Zwecke, seine besondere Fürsorge für die Gemeinde zu offenbaren. Aber die unersetzliche Neugier der Menschen lässt sich an die Schranke des Nützlichen nicht binden: nach Adams Vorgang will der Mensch sein wie Gott und alles ohne Ausnahme wissen. Gewährt nun Gott solch frevelhaftes Begehren nicht, so wendet man sich an den Satan, den Vater der Lüge, und macht ihn zu einem falschen Gott. Hier liegt der Ursprung alles eitlen Aberglaubens, von welchem die Welt allezeit voll ist. Nunmehr können wir dessen einzelne Formen betrachten.

V. 10. Der seinen Sohn durchs Feuer gehen lasse. Ein schrecklicher und wunderlicher Wahnsinn hatte die Heiden umfangen und später auch die Juden erfasst, dass sie ihre Kinder opferten und insbesondere zu Ehren der Götter, an die sie ihr Herz hängten, verbrannten. Immerhin mochte man vielfach nicht diesem äußersten Wahnsinn anheim fallen, sondern einem etwas leichteren Aberglauben huldigen: man ließ seine Kinder durch die Flammen hindurch gehen, in der Meinung, sie damit von allem entweihenden Schmutz zu reinigen. Viele aber trieb der grausame Eifer, der nicht einmal das eigene Blut verschonte, bis zum wirklichen Opfer. Dabei mochte man sich auf Abrahams Beispiel berufen, - als ob nicht ein ungeheurer Unterschied wäre zwischen dem Gehorsam des heiligen Mannes, welcher aufgrund eines göttlichen Befehls sich bereit fand, seinen Sohn Isaak zu opfern, und der barbarischen Raserei des Volkes, welches wider Gottes Willen und Befehl seine Kinder mordete. Übrigens zeigt dies hässliche Schauspiel, wie viel eifriger Mensch ist, sich einem unheiligen Götzendienst zu übergeben, als den Gott richtig zu verehren, der klar und ausdrücklich vorschreibt, war recht ist. Gewiss musste es der Eltern erste Sorge sein, ihre Kinder dem Herrn zu weihen. Aber als einzigen Weiheakt hatte Gott bei den Juden die Beschneidung verordnet, mit welcher sie hätten zufrieden sein sollen. Darnach verzeichnet Mose die verschiedenen geheimen Künste, die bei den Heiden geläufig waren, und mit welchen man seinen frevelhaften Wissensdurst zu stillen trachtete. Möglicherweise will das erste Wort „Weissager“ alle diese Künste insgesamt umfassen, und nun erst folgt ihre Beschreibung im Einzelnen: Wolkendeuter sind Leute, welche aus den Wolken und vielleicht auch aus den Sternen die Zukunft deuteten. Mit ihnen gehören enge zusammen die Leute, von welchen es dann ganz allgemein heißt: oder sonst ein Deuter. Denn es ist hier das gleiche Wort gebraucht, wie 1. Mose 44, 5 von dem Becher, mit welchem Joseph angeblich „weissagte“. Zauberer blenden die Augen der Menschen und betören sie damit.

V. 11. Beschwörer pflegen in heimlicher Versammlung Dämonen zu zitieren. Wahrsager, genauer übersetzt: Leute, die einen Wahrsager-Geist befragen (vgl. Apg. 16, 16) tun, was das Weib von Endor tat, welche dem Saul den Geist Samuels heraufführte (1. Sam. 28, 7). Das Wort Zeichendeuter würde sich am genauesten durch „Weiser“ wiedergeben lassen: dieser ehrenvolle Name musste die trügerischen Künste decken, wie es denn überhaupt die Art des Satans ist, seine Lügen mit edlen guten Titeln zu schmücken. Endlich werden Leute genannt, welche die Toten fragen und ihre Antworten zu trügerischen Weissagungen missbrauchen. Man schlief etwa bei den Grabmälern, um die Zusprache der Toten im Traum zu vernehmen. Doch auch auf mancherlei andere Weise suchte die menschliche Torheit Verkehr mit den Abgeschiedenen zu gewinnen. – Wir lernen aus dieser Stelle, wie wunderlich Satan der armen Menschen spottet, und wie viel der Vater der Lüge vermag, um die Ungläubigen zu blenden, wenn Gottes gerechte Rache ihm die Zügel freigibt. Denn nur hochmütige Gleichgültigkeit hält alle diese Dinge für lächerliche Fabeln. Gott hält seine Wahrheit so hoch, dass er in seinem gerechten Gericht die Menschen, welche das Licht mutwillig auslöschen, wirklich in derartige Finsternis hineinstößt. Es wäre Frevel, leugnen zu wollen, dass man in der Tat solche magischen Künste trieb. Oder sollte Gott unbedachter Weise Gesetze über die Dinge erlassen haben, die es gar nicht gab? Sollte es aber töricht und unangemessen scheinen, Weissagungen, die doch Gott allein gehören, auch dem Satan zuzuschreiben, so hebt sich dies Bedenken leicht. Gottes gerechtes Gericht überlässt eben den Teufeln einen Schein von Weissagung, damit sie die Ungläubigen mehr und mehr in die Irre führen. Dabei ist gewiss, dass der Vater der Finsternis nur bei den Ungläubigen etwas vermag, deren Sinne so verfinstert sind, dass sie schwarz und weiß nicht mehr unterscheiden können. Vermochten die Zauberer Pharaos die Wunder des Mose nachzuahmen, so werden wir es nicht unglaublich finden, dass der Satan unter Gottes Zulassung die Elemente in Aufruhr bringt, den Verworfenen durch Krankheit und auf andere Weise schadet oder ihren Augen Trugbilder vorspiegelt. Umso mehr müssen wir aber Gott bitten, dass er einen Feind in Schranken halte, der uns mit so vielen giftigen Künsten treffen kann.

V. 12. Der ist dem Herrn ein Gräuel usw. Gottes Autorität soll uns wie ein Zügel leiten. Weiter stellt die Rede den Israeliten die Strafe Gottes vor Augen, die sie an den Heiden schauen, ja deren Vollstrecker und Handlanger sie selbst werden sollten: um solcher Gräuel willen vertreibt sie der Herr. Es konnte Israel nicht verborgen sein, dass nur Gottes Hand die Bewohner des Landes Kanaan aus ihren ruhigen Sitzen zu treiben vermochte. Und nun wird der Grund offenbart, weshalb dies geschah: die Kanaaniter hatten sich und das Land mit frevelhaftem und abscheulichem Aberglauben verunreinigt. Ihr Beispiel sollte also die Juden von Verbrechen zurückschrecken, über welche sie Gottes grausame Strafe ergehen sahen. In demselben Sinne warnt Paulus (Eph. 5, 6) die Gläubigen vor Sünden, um welcher willen der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens kommt.

V. 13. Du aber sollst rechtschaffen sein. Der Bund Gottes verpflichtet beide Teile: hatte der Herr sich den Juden verbunden, so waren auch sie wiederum verbunden, sich nicht an die Götzen wegzuwerfen oder nach anderen Religionen auszuschauen, welche den menschlichen Sinn hier und dorthin abziehen mussten. Die hier geforderte Rechtschaffenheit steht also im Gegensatz zu allem Mischungen und Fälschungen, welche uns von dem lauteren Dienst des einen Gottes abführen: die Einfalt, welche uns in den Schranken des Gehorsams gegen die himmlische Lehre hält, ist die geistliche Keuschheit, welche Gott von seiner Gemeinde fordert. Auch der Zusammenhang zeigt deutlich, dass Gott den Juden alle Willkür abschneiden und sie so fest an seine Verordnungen für den reinen Gottesdienst binden wollte, dass kein Leichtsinn sie weiter umtreiben sollte. In eben diesem Sinne bezeichnet sich Paulus (2. Kor. 11, 2) als einen Eiferer für Christus: nachdem er die Korinther an Christus gebunden hat, fürchtet er, dass, wie die Schlange mit ihrer Schalkheit Eva verführte, die Lockungen der Betrüger die Gemeinde von der Einfältigkeit in Christo abbringen möchten.

V. 14. Denn diese Völker usw. Wie die Strafe, welche Gott über die Heiden verhängt hatte, den Juden zur Abschreckung dienen sollte, so folgt nun ein Hinweis, dass diese das frei gewordene Erbe nur unter der Bedingung empfangen haben, dass sie sich in dankbarer Erinnerung an solche Wohltat vor aller Befleckung hüten sollten: sie sind nur darum an die Stelle der früheren Bewohner getreten, damit sie sich von ihnen unterschiedlich halten sollten. Mit dieser ganzen Umwälzung wollte Gott sich ja ein neues Volk erwerben und ein von aller Unreinigkeit freies Land schaffen. Werden nun auch nur zwei besondere Formen des Aberglaubens genannt, so ist doch die Abgötterei im Ganzen gemeint. Israel soll sich den Heiden nicht in jenen Lastern und Verderbnissen gleichstellen, um welcher willen dieselben zu Grunde gegangen waren: denn Gott hatte nicht einfach die gegenwärtigen Bewohner des Landes, sondern deren sündhaften Götzendienst treffen wollen. Darum soll dieser Wille Gottes für Israel schwerer wiegen als das Beispiel der heidnischen Umgebung.

V. 15. Einen Propheten usw. Diese Aussprache will einem nahe liegenden Einwand begegnen: Israel soll nicht glauben, in seinem Verkehr mit Gott schlechter gestellt zu sein als die Völker der ganzen Welt. Hielt man es doch jederzeit für ein unvergleichliches Gut, mit Gott zu verkehren; und in der Tat kann man sich nichts Besseres wünschen. Nun aber war die Meinung eingerissen, dass man mit Zauberkünsten, Wahrsagereien usw. Gott näher komme. So konnte Israel vielleicht über Zurücksetzung klagen, wenn ihm der Zugang zu solchen Offenbarungen verwehrt wurde. Dieser Klage zu begegnen, verkündet Mose, dass Israel einen nicht minder vertrauten Umgang mit Gott haben sollte, als wenn der Herr selbst sichtbar vom Himmel herabstiege: nur sollte das Volk auf dem rechten Wege bleiben und sich mit der Art, in welcher Gott seine Offenbarung geben wollte, zufrieden geben. In seiner Mitte soll statt aller heidnischen Lügen allein die Lehre der Propheten gelten. Steigt auch Gott nicht greifbar vom Himmel hernieder, so wird er doch, soviel es nützlich ist, seinen Willen gewiss und deutlich offenbaren und durch seine Knechte, die Propheten, treulich das Volk unterweisen. Darum heißt Jes. 43, 10 im Zusammenhang einer Spottrede über Weissagungen der Götzen das Volk Israel Gottes „Zeuge“: denn bei ihm hatte Gott seine Geheimnisse und die Schätze der himmlischen Weisheit niedergelegt. Nun wissen wir, in welcher Weise Gottes Volk sich Kunde von den Dingen verschaffen soll, die zu seinem Heil notwendig sind. Dies ergibt sich mit vollster Deutlichkeit aus Jes. 8, 19: „Wenn sie zu euch sagen: Ihr müsset die Wahrsager und Zeichendeuter fragen, - soll nicht ein Volk seinen Gott fragen? Oder soll man die Toten für die Lebendigen fragen? Ja, nach dem Gesetz und Zeugnis!“ Ohne Zweifel denkt Jesaja an unsere Stelle, wenn er menschlichen Vorwitz und Irrtum verwirft und den Gläubigen gebietet, sich einfach an Gottes Gesetz zu halten und sich mit dieser Regel für ihre Wissbegier zufrieden zu geben, wenn sie nicht kläglich in die Irre gehen wollen. – Buchstäblich ist nur von einem Propheten die Rede: gemeint ist aber, dass Gott stets seinem Volke einen solchen erwecken werde, um seine Gemeinde ununterbrochen zu leiten. Es ist darum falsch, nur etwa an den einen Josua oder Jeremia zu denken, und auch nicht richtig, unsere Weissagung kurzweg auf Christum allein zu beschränken. Wir müssen im Auge behalten, dass Gott den Juden alle Entschuldigung magischer Künste gerade damit nehmen wollte, dass er ihnen den fortwährenden Beistand von Propheten und Lehrern verhieß. Hätte er sie allein auf den künftigen Messias verwiesen, so hätten sie geantwortet: Wie hart, dass wir zwei Jahrtausende hindurch ohne Propheten und Offenbarungen sein müssen! Dennoch ist es überaus fein und richtig, wenn Petrus (Apg. 3, 22) unsere Stelle auf Christum wendet. Denn er will damit die übrigen Knechte Gottes nicht ausgeschlossen wissen, sondern lediglich die Juden erinnern, dass, wenn sie Christum verwerfen, sie sich überhaupt der hier verheißenen göttlichen Wohltat berauben. Vor Christi Ankunft war ja freilich die Prophetie im Volke Israel zuweilen unterbrochen: so mussten die Gläubigen in der traurigen Verstörung, welche auf die Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft folgte, klagen (Ps. 74, 9) dass sie ihre Zeichen nicht mehr sahen und kein Prophet mehr aufstand. In Zusammenhang mit solchen Stimmungen mahnt dann Maleachi (3, 22), des auf dem Berge Horeb gegebenen Gesetzes zu gedenken. Und er fügt sofort hinzu, womit er auf eine baldige vollkommenere Offenbarung des Lichtes deutet: „Ich will euch senden den Propheten Elia“ usw. So ist denn richtig, was wir Ebr. 1, 1 lesen: „Nachdem vor Zeiten Gott manchmal und mancherlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn!“ Seit die Lehre des Evangeliums aufging, ist der Lehrgang der prophetischen Unterweisung abgeschlossen, weil hier Gott vollkommen gegeben hat, was er dort nur verhieß. Diese Wahrheit war so allgemein bekannt, dass sogar eine Samariterin sprechen konnte (Joh. 4, 25): „Wenn der Messias kommen wird, so wird er uns alles verkündigen.“ Aus alledem ergibt sich, dass Petrus vollkommen recht hatte, als er unsere Stelle auf Christum deutete.

V. 16. Wie du von dem Herrn gebeten hast usw. Wie undankbar wäre es gewesen, wenn die Juden sich nicht willig an die Propheten gehalten hätten: denn eben auf ihre Bitte hin hatte Gott sie gegeben! Um das prophetische Amt begehrenswert und wertvoll erscheinen und nicht wegen seiner Handhabung durch sterbliche Menschen verächtlich erscheinen zu lassen, hatte Gott das Volk zu dem Bekenntnis geführt, dass es das Beste sei, wenn er die Offenbarer seines Willens aus dem Kreise der Menschen wähle. Bei der Offenbarung des Gesetzes erschien Gottes Herrlichkeit in sichtbarem Glanze: dieser Anblick aber schreckte das Volk, so dass es aus freien Stücken bat, Mose möchte ihm als Lehrer und Dolmetsch der himmlischen Stimme gegeben werden (2. Mose 20, 19). Wie nötig jene schreckhafte Erscheinung war, um das menschliche Lehramt empfehlenswert erscheinen zu lassen, haben wir schon gesehen. Wissen wir doch nur zu gut, wie leicht sich unser Geist zu eitlen Spekulationen erhebt: so würde es auch unser Wunsch sein, Gott vom Himmel reden zu hören, sobald sich irgendein Zweifel regte. Darum mussten die Israeliten einen Eindruck von ihrer Schwachheit empfangen und dadurch sich in ihre Schranke zurückweisen lassen: was Gott ihnen als eine nützliche Gabe zugedacht hatte, mussten sie sich selbst als eine Wohltat ausbitten und damit dem stolzen Vorwitz, der sie ohne solchen Zügel fortwährend gestachelt haben würde, den Abschied geben. Und nun wäre es unentschuldbar gewesen, wollten sie eine Gabe verachten, die sie selbst als überaus heilsam erkannt hatten. Alles in allem: Gott ist einmal sichtbar erschienen, um seinen Propheten Glaubwürdigkeit und Autorität zu verschaffen; dann aber hat er zur Leitung seiner Gemeinde und Bezeugung seines Willens eine Ordnung gesetzt, deren Angemessenheit das Volk selbst erfahrungsmäßig erprobt hatte.

V. 17. Sie haben wohl geredet. Mose erinnert daran, dass der Wunsch des Volkes durch Urteil und Stimme Gottes selbst gebilligt worden ist (5. Mose 5, 25). Wenn törichter Leichtsinn Menschen zu einer unzeitigen Bitte reizt, so muss dieselbe nicht sofort gewährt werden; wo aber Gottes Beifall und Billigung hinzukommt, muss fest und unverletzlich stehen, was er als ihm genehm erklärt hat. Daraus ergibt sich, dass Gott aufs beste für das Heil der Menschen sorgt, wenn er seine Propheten sendet. Wenn treue Lehrer aufstehen, welche den Weg des Heils zuverlässig lehren, so ist dies also ein sonderliches Zeugnis der Gnade Gottes; und den Ruhm dafür nimmt der Herr für sich in Anspruch, indem er zum zweiten Male spricht (V. 18): Ich will einen Propheten erwecken. So lehrt auch Paulus (Röm. 10, 15): „Wie sollen sie predigen, wo sie nicht gesandt werden?“ Und derselbe Apostel bezeugt, dass zu dieser Aufgabe niemand tüchtig ist, der nicht die Fähigkeit recht zu lehren von Gott empfängt (1. Kor. 2, 14; vgl. 2. Kor. 2, 16). Nach alledem muss es als ein sicheres Zeichen der göttlichen Gnadengegenwart gelten, wenn der Herr treue und rechte Lehrer mit seinen Geistesgaben ausrüstet und auftreten lässt. Dabei gibt Mose zu verstehen, dass der Herr seiner Ehre nichts vergibt, wenn er seine Gemeinde durch den Dienst der Menschen regiert. Denn er behauptet als sein Eigentum: Ich will meine Worte in seinen Mund geben; und der Prophet darf nichts anderes reden, als was Gott ihm gebieten wird. Wir sehen also, dass von Anfang an die Hirten nicht eingesetzt wurden, um zu herrschen und die Gemeinde ihren willkürlichen Einfällen dienstbar zu machen, sondern lediglich um als Werkzeuge des heiligen Geistes zu wirken.

Abschnitt 27. – 5. Mose 13, 2 – 5 / 5. Mose 18, 21 – 22.

An die Warnung vor den fremdartigen Irrtümern der Heiden schließt sich nun eine Mahnung, Israel möge sich auch vor gar zu leichtgläubiger Hingabe an die falschen Lehrer hüten, die aus seiner eigenen Mitte aufstehen. Man soll nicht jedem neuen Menschengedicht anheim fallen und nicht im Geringsten von der Bahn des Gesetzes abweichen. Gefahr drohet nicht bloß von ausgesprochenen Feinden und durch von außen eindringenden Aberglauben, sondern unter trügerischem Missbrauch des göttlichen Namens sucht uns Satan auch durch Betrügereien zu täuschen, die im eigenen Kreise sich bilden. So muss Gottes Wort nach außen nicht bloß, sondern auch nach innen dem Glauben als Schutzwehr dienen, damit nicht neue Erdichtungen sich einschleichen, unter welchen die reine Lehre Schaden leidet. Um zur Gewissheit in der göttlichen Lehre zu gelangen, welche unsern Glauben nicht wanken noch fallen lässt, muss derselbe in ihr lebendige Wurzeln treiben. Vergeblich würde uns Gott vor falschen Lehrern warnen, wenn er uns nicht zugleich zeigte, auf welche Weise wir feststehen können. Es ziemt sich nicht, dass ein Glaube schwankend und unsicher bleibt, welcher im Gesetz seine klare Regel und Beschreibung empfing, und welchen Gott eben darum unbeweglich und fest auf der einmal überlieferten Wahrheit ruhen sehen will. So heißt es in Hinblick auf das Gesetz mit vollem Rechte (Jes. 45, 19): „Ich habe nicht zum Samen Jakobs vergeblich gesagt: Suchet mich.“ Soll man aber Gott suchen, so genügt es nicht, die Wahrheit zu wissen: die Seele muss auch in seiner Gemeinschaft gefestigt werden. Ein Glaube, welchem die Festigkeit fehlt, hat wenig Wert. Ohne Zweifel gilt auch für das Gesetz, was Paulus (Eph. 4, 14) vom Evangelium bezeugt, dass es seine Jünger gegen alle Versuchungen wappnet, damit sie sich nicht mehr wie Kinder wägen und wiegen lassen von allerlei Wind der Lehre durch Schalkheit der Menschen usw. Um was es sich handelt, wird eine ordnungsmäßige Auslegung der einzelnen Worte noch deutlicher machen.

5. Mose 13.

V. 2. Wenn ein Prophet unter euch wird aufstehen. Hier sehen wir deutlich, dass nicht von den Irrungen die Rede ist, welche Satan über den Erdkreis verbreitet hatte, sondern von solchen, welche aus dem Schoß der Gemeinde selbst entsprungen waren. Mose will sagen, dass das Gesetz die Juden nicht bloß von der Heidenwelt scheiden, sondern auch innerlich im reinen Glauben erhalten soll. Wie Christus heute durch die Prediger des Evangeliums seine Brautgemeinde an sich bindet, die als eine reine Jungfrau ihm allein gehorchen und sich nicht durch irgendwelche Verlockung von dem schlichten Glauben abtreiben lassen soll, so hat auch Gott dem Volk des alten Bundes, das er zu seinem Eigentum nahm, die Ohren allen Betrügern gegenüber verschließen wollen: sind doch solche Leute Verführer, welche Satan erweckt hat, um den heiligen und innigen Ehebund zu stören, der zwischen Gott und den Seinen geschlossen ward. Warum Gott seiner Gemeinde überhaupt solches Übel verordnet, werden wir alsbald sehen. Inzwischen ist es gut, die Gläubigen an die bestehende Gefahr zu erinnern, damit sie in angespannter Wachsamkeit sich vor den Schlichen des Satans hüten. Denn diese Seuche hat sich nicht nur in vergangenen Zeiten gezeigt: sie wird bis ans Ende der Tage wüten, und es gilt das Wort des Petrus (2. Petr. 2, 1): Wie unter dem Volk Israel falsche Propheten waren, so werden auch unter den Christen falsche Lehrer aufstehen, die neben einführen werden verderbliche Sekten. Übrigens denkt Mose nicht bloß im Allgemeinen an innere Feinde, sondern insbesondere an solche, die sich mit dem Prophetentitel schmücken, um desto frecher und ungestörter ihre Täuscherei zu treiben. Darum darf keine Ehrenstelle, noch irgendein scheinbarer Name, es sei eines Hirten oder Propheten oder Priesters, ohne weiteres die Person decken, wo wir nicht eine der Berufung entsprechende Zuverlässigkeit und Treue finden. Denn Gott befiehlt hier eben, solche Leute zu fliehen und zu verabscheuen, die sich zwar des Prophetentitels rühmen, die aber bei genauer Prüfung, wenn man ihnen die Maske abreißt, elend zu Schanden werden müssen. –

Neben den Propheten werden als eine besondere Art die Träumer genannt: denn Gott offenbarte sich den Propheten bald durch Visionen, bald durch Träume. Und dieser doppelte Name konnte einen Vorwand geben, die Betreffenden in besonderer Weise zu ehren. Besonders schwer wurde die Versuchung, wenn solcher Prophet oder Träumer sich durch irgendeine wirklich zutreffende Weissagung empfahl (V. 3): das Zeichen oder Wunder kommt, davon er dir gesagt hat. Denn wer wagt eine durch den Ausgang bestätigte Weissagung zu verwerfen? Wird uns doch Jes. 41, 23 eingeprägt, dass wirkliche Weissagungen nur Gott zu geben vermag. Der Zweifel steigert sich noch, wenn wir 5. Mose 18, 22 ausdrücklich angewiesen werden, eben nach diesem Kennzeichen wahre und falsche Propheten zu unterscheiden. Die Lösung ist diese: Wenn auch wirkliche Weissagung ein unveräußerliches Eigentum Gottes ist, so vermag doch der Herr im einzelnen Falle zuzulassen, dass auch Satans Diener richtig weissagen. Bileam, der Gottes ewige Ratschlüsse umstoßen wollte, war sicherlich der schlechteste unter allen Lohnpropheten: und doch gebrauchte der heilige Geist seine Zunge zur Verkündigung der Gnade, welche auszulöschen er gedungen war (4. Mose 22 ff.). So kann jemand ein abscheulicher Betrüger sein und doch im einzelnen Falle eine Gabe der Weissagung besitzen. Natürlich wird er nicht immer Offenbarungen der Wahrheit vortragen, wie auch Kaiphas, der einmal weissagte (Joh. 11, 50), nicht immer in der Wahrheit blieb: Gottes Zulassung gibt solchen Leuten nur gelegentlich eine wirkliche Weissagung, sodass diese eine Wahrheit die Summe ihrer Irrtümer decken muss. Warum dies geschieht, sagt uns ein Wort des Paulus (2. Thess. 2, 10): Weil die Verworfenen die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, auf dass sie selig würden, sendet ihnen Gott kräftige Irrtümer, dass sie glauben der Lüge. – Zur Bestätigung ihrer Lüge tun die falschen Propheten Zeichen oder Wunder. Ein prophetisches „Zeichen“ war es, wenn Jesaja nackt einherging (Jes. 20, 2) oder Jeremia ein Joch auf seinen Hals nahm (Jer. 28, 10). Hier aber will unter Zeichen, was sonst im Allgemeinen jedes Erkennungszeichen, wie eine Fahne usw. sein kann, ein ungewöhnliches Wunderzeichen verstanden sein, welches die Weissagung zu bekräftigen vermochte. „Wunder“ sind Krafttaten, mit welchen Gott seinen Weissagungen eine Gewissheit verleiht, als hörte man seine Stimme selbst vom Himmel her. So lassen Wunder und ungewöhnliche Zeichen auf Gottes gegenwärtige Macht schließen, und Christus kann seine Jünger warnen, sich nicht durch trügerische Zeichen und Wunder täuschen zu lassen (Mt. 24, 24). Mag auch Satan unsere Augen mit Wunderwerken blenden und in trügerischer Nachäffung Gottes Ruhm sich aneignen, so wissen wir doch aus den Worten des Paulus und Mose, dass die Lügenpropheten Werkzeuge der Rache Gottes sind, der durch ihre Wunder die Verworfenen ins Verderben stürzt. Wollte aber jemand einwenden, dass ja dann Wunderzeichen wenig Wert hätten, wenn sie ebenso gut schädliche Täuschungsmittel wie Bestätigungen der Wahrheit sein können, so antworte ich: so viel Freiheit lässt Gott dem Teufel niemals, dass nicht endlich doch sein Licht mitten aus der Finsternis hervorbräche. Es wird vorkommen, dass Gottes Wahrheit und Macht eine zeitweilige Verdunklung erleidet, wie wir in der Geschichte der ägyptischen Zauberer sahen: aber sie wird niemals ganz erdrückt werden. So erstrahlte in den Wundern, welche zur Bestätigung des Gesetzes geschahen, Gottes Herrlichkeit in einem solchen Maße, dass bei frommen Gemütern ein ganz zweifelfreier Glaube daraus erwachsen konnte. Ebenso sind die Wunder über jeden Zweifel erhaben, welche Glauben für das Evangelium erwecken sollen: sie tragen die Spuren göttlicher Herkunft so deutlich an sich, dass jeder Verdacht der Täuschung ausgeschlossen erscheint. Freilich sind die Augen der Menschen nicht bloß in der Betrachtung des ordnungsmäßigen Wirkens Gottes stumpf und blind; sie täuschen sich auch bezüglich der Wunder, wenn nicht Gottes Wort die Finsternis durchleuchtet. Sollen uns also die Wunder rechte Wegweiser sein, so müssen wir die unzerreißbare Verbindung zwischen Lehre und Wunderzeichen wohl im Auge behalten. Mit Recht warnt uns also Mose vor Leuten, welche die Wunder zum Vorwand brauchen, um Gottes Wahrheit umzustürzen: denn sie reißen frevelhafter Weise auseinander, was Gott zusammengeknüpft hat, und verkehren die Wunderzeichen, welche Stützen der rechten Lehre sein sollten, in ihr Gegenteil. Nachdem aber die Religion durch gewisse und unzweifelhafte Zeichen in Israel bekräftigt war, war es hässlicher Undank und Frevel, auf ganz neue Zeichen zu achten. Alles in allem: wir sollen fest an der Anbetung des einen Gottes halten, so dass auch die größten Wunder unseren Sinn nicht wankend zu machen vermögen. Dabei fordert das Satzglied Beachtung: andere Götter, die ihr nicht kennet. Mose will damit sagen: für die Herrlichkeit ihres Gottes haben die Juden so gewisse Zeugnisse empfangen, dass es ein unverzeihlicher Leichtsinn wäre, sich von ihm abzuwenden. Wie hebt sich doch die gewisse Erkenntnis Gottes, die unserem Herzen eingeprägt sein sollte, fest und klar von den Künsten des Satans ab, durch die nur Flattergeister sich verführen lassen!

V. 4. Der Herr versucht euch. Wenn es von Gott heißt, dass er uns versucht, so ist dies nie im argen Sinne gemeint: Er will uns nie hinterlistig zu Fall bringen noch ungefestigte Gemüter täuschend in die Irre führen, sondern nur prüfen. Gott erforscht die Menschenherzen, nicht um zu erfahren, was er selbst noch nicht wusste, sondern um klar und offenbar zu machen, was verborgen war. So hat Gott den Abraham versucht und seinen Glauben und Gehorsam einer überaus ernsten Prüfung unterworfen. Mit alledem streitet nicht, was wir oft lesen, und was ich soeben anrührte, dass Gott sich des Satans und der Bösen bedient, um zu versuchen: wenn man nämlich auf den Zweck solcher Erprobungen achtet, wird alsbald klar werden, dass Gott dabei ganz etwas anderes im Sinne hat als der Satan mit seiner Bosheit und List. Gottes Absicht ist, die Gläubigen vor Überraschungen zu bewahren, durch welche schwache Gemüter leicht erschreckt werden könnten. Nichts erscheint ja unerhörter, als dass Satan Gottes spottet, Himmel und Hölle durcheinander mischt und ungestraft sich aneignet, was Gottes Eigentum ist. Damit solche Erfahrungen nicht gutgesinnte Leute in hemmende Zweifel verwickeln, erinnert Mose daran, dass Gott inzwischen nicht müßig sitzt oder schläft, ohne sich um seine Gemeinde zu kümmern, sondern mit bewusster Absicht seine Frommen prüft, um sie von den Heuchlern zu unterscheiden. Diese Prüfung werden sie bestehen, wenn sie gegen allen Ansturm der Versuchung fest im rechten Glauben beharren und sich nicht aus der Bahn drängen lassen. So sagt auch der Apostel (1. Kor. 11, 19), dass notwendig Spaltungen in der Gemeinde sein müssen, damit offenbar würde, wer rechtschaffen ist. Darum dürfen wir nicht darüber seufzen noch uns wider Gott auflehnen, wenn es sein Wille sein sollte, die Festigkeit unseres Glaubens, der köstlicher ist als Gold und Silber, im Feuerofen zu prüfen. Es gilt, sich in aller Demut unter seinen Ratschluss zu beugen. Sollte aber wiederum jemand sagen, dass bei der bekannten Schwäche der menschlichen Natur Gott zu viel verlangt, wenn er uns gefährlichen Versuchungen unterwirft, so ist die Antwort leicht. Ohne Zweifel scheint bei der Empfänglichkeit unseres fleischlichen Sinnes ein solches Verfahren mit Gottes Vatergüte zu streiten: denn wer sollte nicht unterliegen, wenn vor seinen Augen ein handgreifliches Wunder geschieht? Schließlich wird die Versuchung aber nur solche Leute zu Fall bringen, deren gottlose und verdammte Art längst feststand und jetzt nur ans Licht tritt. Die treuen Anbeter Gottes werden ohne Schaden hindurchgehen. Ist es aber so, wer will dann dem Herrn die Freiheit beschränken, treuloser Hurerei die Maske vom Gesicht zu ziehen? Ist für alle wirklich Guten der Sieg gewiss, müssen alle Angriffe Satans für sie lediglich zu Übungsmitteln ihrer Kraft werden: warum will man es dann dem Herrn vorwerfen, dass er die Bosheit des Satans und der Gottlosen gebraucht, um den Guten Kronen und Triumphe zu schaffen? Freilich müssen wir den Grundsatz festhalten, dass Menschen, welche von Herzensgrunde ihren Gott lieben und verehren, unter seinem Schutze allezeit sicher und in Ewigkeit geborgen sein werden. Sicherlich ist solch reines Herz eine besondere Gabe Gottes und eine Frucht der heiligen Erwählung. Warum sollten wir aber die Schuld des Abfalls unbilliger Weise bei Gott suchen, während doch die Verworfenen das eigene Gewissen wegen ihrer Gleichgültigkeit, Heuchelei, wegen ihres Stolzes und ihrer Bosheit straft? Dabei ist festzuhalten, dass alle, welche nicht im Glauben zu stehen scheinen und darnach die Wahrheit verwerfen und verleugnen, nur einen Scheinglauben besessen und ein Scheinbekenntnis abgelegt haben können: hätten sie Gott im Ernste geliebt, so würde ihr Herz bei allen Anläufen fest geblieben sein. Allerdings wird es vorkommen, dass auch fromme Leute in Irrtum fallen und sich von den Gottlosen verführen lassen, aber doch immer nur in gewissen Stücken und auf Zeit, so dass sie niemals im tiefsten Grunde abfallen und auch bald wieder Buße tun. Solcher zeitweilige Fall ist die Strafe für einen nachlässigen oder leichten Sinn, der nicht genug auf Gottes Wort achtete und sich im frommen Streben nicht eifrig genug erwies. Im Allgemeinen aber bleibt immer wahr, dass Gottes Wahrheit sich nur für solche Leute verhüllt, deren Sinn der Gott dieser Welt verblendet hat (2. Kor. 4, 4). Und dies gilt insbesondere, wo das himmlische Licht, dem gegenüber man die Augen schließen muss, um in die Irre zu gehen, schon seine Erleuchtung gespendet hat. Darum folgt nunmehr ein Hinweis auf das rechte Hilfsmittel:

V. 5. Ihr sollt dem Herrn, eurem Gott, folgen. Wer den Gott, der uns in freier Gnade zuvorkam, zum Führer nimmt, ist gegen alle Abirrung vom rechten Wege geschützt. Weil aber nur zu viele dem Rufe Gottes nicht folgen und seine Winke unbeachtet lassen, führt die Rede fort: Ihr sollt ihn fürchten. Denn die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang (Ps. 111, 10). Die folgenden Wendungen prägen dann von neuem ein, dass es niemandem, der wirklich seinem Gott gehorchen will, an genügender Erleuchtung für seine Entschlüsse und Taten fehlen wird. Freilich muss man seinem Gott anhangen d. h. treulich bei ihm aushalten. Wie töricht sind also die wankelmütigen Geister, welche dem Herrn den Rücken kehren, um jeder eitlen Lüge nachzulaufen!

5. Mose 18.

V. 21. Ob du aber in deinem Herzen sagen würdest usw. Diese einschränkende Weisung schließt sich an die Aussprache an, welche wir aus 5. Mose 18 bereits beigebracht haben (Abschnitt 26). Gott hatte die Propheten an seiner Statt zu Lehrern des Volkes bestellt, hatte sie mit besonderer Autorität ausgerüstet und hatte befohlen, dass man sich an ihr Wort halten solle. Da nun aber nicht alle Lehrer treulich ihr Amt ausrichteten, so musste der Zweifel aufsteigen, woran das Volk eine wahre Rede in Gottes Namen und ein irreführendes Gerede unterscheiden könne. Dabei denkt Mose nicht gerade an eine offen aufgeworfene Frage, sondern an halb verborgene Gedanken, welche „im Herzen“ unruhig aufstiegen. Um solche Zweifel zu beheben, bespricht er nicht alle Unterscheidungsmerkmale: denn wir hören nichts von der Lehre, sondern nur von den Weissagungen. In Rücksicht auf das populäre und oberflächliche Verständnis wird lediglich darauf hingewiesen, man möge nachsehen, ob die Weissagungen der angeblichen Propheten zutreffen. Freilich kommt es vor, wie wir hörten, dass auch einmal die falschen Lehrer in diesem Stück wie wahre Knechte Gottes dastehen und eine zutreffende Weissagung aussprechen. Indessen genügt hier der Hinweis auf das gewöhnliche Erkennungszeichen, durch welches Gott sich in der Tat von den Götzen unterscheiden und abheben will (Jes. 41, 22; 43, 9; 44, 7). Dabei ist die Meinung durchaus nicht, dass man allen „Propheten“ glauben solle, deren Wort einmal eintrifft, sondern nur, dass man bei genauerer Prüfung schwerlich irren werde, weil Gott alsbald die falschen Propheten zu schanden und ihre Torheit offenbar werden lässt.

V. 22. Der Prophet hat´s aus Vermessenheit geredet. Nicht bloß eitle Torheit wirft Mose den Lügenpropheten vor, welche ihre Einfälle als Worte Gottes vortragen, sondern auch Vermessenheit, wie es denn in der Tat eine lästerliche und unerträgliche Unverschämtheit ist, als einen himmlischen Spruch auszugeben, was doch einem menschlichen Gehirn entsprang. Dies kräftige und deutliche Wort soll also die Leute brandmarken, welche mit ihren pomphaften „Offenbarungen“ schlichte Gemüter verwirrten. Darum kann die Rede auch fortfahren: scheue dich nicht vor einem solchen „Propheten“, der im frechen Übermut mit seinen Offenbarungen klappert. Hier ist ein Schild, mit welchem man sich deckt, und an welchem das schreckhafte Getöse sich als eitel Dunst erweist. Auch heute haben wir reichlich Gelegenheit, diese Weisung des Mose zur Anwendung zu bringen.

Abschnitt 28. – 3. Mose 18, 21 / 3. Mose 19, 26. 31 / 5. Mose 12, 29 – 13, 1.

3. Mose 18.

V. 21. Du sollst niemand usw. Die beiden aus 3. Mose 18 und 19 ausgehobenen Stellen rühren drei Stücke nur flüchtig an, die wir bereits zu 5. Mose 18, 9 ff. ausführlicher behandelt haben: gottlose Opfer, insbesondere die scheußliche Aufopferung der Kinder an den Moloch, weiter Zeichendeuterei, endlich die Benützung von Wahrsagerkünsten. Damit man derartige Dinge nicht etwa für nur geringe Versehen halte, hören wir die Warnung, „dass du nicht entheiligst den Namen deines Gottes“, „dass ihr nicht verunreiniget werdet“ (3. Mose 19, 31). Dass dies alles mit dem ersten Gebot zusammenhängt, ergibt sich aus dem wiederholten feierlichen Schluss: Ich bin der Herr, euer Gott. Damit fordert Gott alle Anbetung für sich allein und verwirft im stillen Gegensatz gegen alle erdichteten Götzen jeglichen Aberglauben, welcher die wahre Religion verunreinigt. Es ist, als hörten wir den Herrn sprechen: Ich bin der ewige Gott und hoch erhaben über alle Götzen, welche die törichten Heiden sich ausdenken; ich habe euch zu meinem Eigentumsvolk erwählt: darum will ich euch, wie es sich ziemt, von jeder Befleckung rein und geschieden sehen.

5. Mose 12.

V. 29. Wenn der Herr die Heiden ausrottet usw. Diese Ausführung erinnert an die schon besprochene Stelle 5. Mose 18, 12. Weil das Volk nur zu geneigt war, in die Bahnen seiner heidnischen Umgebung einzulenken und den Göttern Verehrung darzubringen, unter deren Schutz und Schirm gerade dieses Land nach Meinung seiner Einwohner stehen sollte, so untersagt das Gesetz in der strengsten Weise, nach diesen Götzen überhaupt zu forschen (V. 30): dass du nicht fragest nach ihren Göttern. Pflegt doch dies der Anfang des Götzendienstes zu sein, dass man sich mit der schlichten Einfalt der Verehrung Gottes nicht begnügt, sondern vorwitzig nachfragt, ob nicht auch noch allerlei Menschengedichte Glauben verdienen. Neue Erscheinungen nehmen das Gemüt gefangen, und mit diesem Sauerteig durchsäuert man den Inhalt des göttlichen Wortes. Darum soll Israel nach solchen Dingen nicht bloß nicht fragen; es empfängt auch die Weisung zur äußersten Vorsicht: Hüte dich! Damit wird der nur zu verlockenden Neugier ein Riegel vorgeschoben. Gott zieht Schranken um sein Volk, welche jeden Ausblick auf schädliche Dinge verhindern. Israel soll vor dem Aberglauben geradezu die Flucht ergreifen und überhaupt nichts davon hören wollen, um sich nicht zu beflecken. Es soll nicht in den Strick fallen. Denn der sündhafte heidnische Kultus ist ein Netz und Strick des Satans, welcher die Menschen fängt, die ihm zu nahe kommen. Der wiederholte Hinweis, dass die Heiden um dieser Dinge willen vor Israel vertilget sind, soll von neuem zur Abschreckung dienen.

V. 31. Du sollst nicht also tun. Diese Worte lassen ersehen, was es heißt, nicht andern Göttern dienen: es gilt dabei, allen Menschengedichten den Abschied zu geben und allein auf das zu merken, was Gott befiehlt. Eben darum will ja Gott von seinem auserwählten Volke anders verehrt sein, als die Heiden ihre Götter ehren, um einen sichtbaren Unterschied zu schaffen und jeder Religionsmengerei zu wehren. Leute, die sich nicht unbedingt an Gottes Wort halten und nicht mit voller Entschiedenheit sich nur das erlauben, was darin gelehrt wird, werden aus fortwährendem Schwanken nicht herauskommen und urteilslos herausgreifen, was ihnen begegnet. Für uns aber gilt jenes „nicht also“ als Schirm und Schild gegen jeden Aberglauben, der den Gottesdienst verunreinigen müsste. Mose fügt hinzu, dass all dergleichen dem Herrn ein Gräuel ist und dass er es hasset, eine Aussage, deren Glaubwürdigkeit durch ein handgreifliches Beispiel gestützt werden soll: dass Eltern ihre unschuldigen Kinder verbrennen, ist doch gewiss ein abscheulicher Frevel.

5. Mose 13.

V. 1. Alles, was Ich euch gebiete, das sollt ihr halten. Dieser Schlusssatz lehrt kurz und bündig, dass ein rechter Gottesdienst nur derjenige ist, zu welchem sich Gott in seinem Worte bekennt, und dass wahre Frömmigkeit nur aus dem Gehorsam geboren wird. Es wird uns eingeprägt, dass aller religiöser Eifer, der mit Aberglauben versetzt und nicht nach dieser Ordnung geregelt ist, in die Irre geht. Daraus ergibt sich, dass zur rechten Beobachtung des ersten Gebotes eine Erkenntnis des wahren Gottes gehört, welche der Glaube aus seinem Worte schöpft. Das Verbot, irgendetwas nach menschlichem Gutdünken hinzuzufügen oder hinweg zu nehmen, brandmarkt alle solche Versuche als geistlichen Ehebruch. Daraus folgt, dass jeder, der in der Verehrung Gottes sich nach einer andern Regel richtet, als welche Gott selbst gegeben hat, sich andere Götter macht. Solchem Frevel droht Gott durch den Mund des Propheten eine furchtbare Strafe (Jes. 29, 13 f.): „Darum dass dies Volk mich fürchtet nach Menschengeboten, will ich wunderlich mit ihm umgehen, dass die Weisheit seiner Weisen untergehe“ usw. Was Wunder also, wenn im Papsttum der Herr diese angedrohte Verblendung gerade über die Lehrer und Führer verhängt hat, wo der gesamte Gottesdienst nichts anderes ist, als ein Wust von hohlen menschlichen Überlieferungen!

Zeremonialgesetzliche Anhänge zum ersten Gebot.

Abschnitt 29. – 2. Mose 12, 1 – 20.

V. 1. Der Herr sprach usw. Unter dem Gesichtspunkte, dass das Passah zu den von Gott verordneten Festen gehört, werden wir in der Besprechung des Sabbatgebotes auf dasselbe zurückkommen. Das Passah ist aber zugleich ein feierliches Wahrzeichen der Erlösung, in welchem das Volk sich zu Gott als seinem Erlöser bekennt und sich gleichsam an seinen Herrn bindet. Darum habe ich kein Bedenken getragen, dasselbe auch unter den Anhängen des ersten Gebotes zu behandeln. An dieser Stelle wollen wir also nur darauf achten, dass Gott behufs völliger Verbindung mit seinem Volke diese Feier eingesetzt hat, welche Israel lehren sollte, sich niemals dem Gott zu entfremden, dessen gnädige Hand sie erlöst hatte. Der Herr hatte sich sein Eigentumsvolk erworben. So oft er also den Juden einen Abfall von seiner wahren Verehrung vorwerfen muss, klagt er sie an, dass sie diese seine Gnade vergessen, deren Gedächtnis stark genug hätte sein sollen, sie an ihren Gott zu binden. So lehrte das Passah die Juden, dass es für sie nicht recht sei, auf einen anderen Gott zu blicken als auf ihren Erlöser, dass es ihnen zieme, sich dem Gehorsam und Dienste des Herrn zu weihen, der sie aus dem Tode in das Leben versetzt hatte. Wie in einem Spiegel oder auf einem Bilde zeigte hier Gott seine Gnade: was das Volk einmal erfahren, sollte durch jährliche Wiederholung seinem Gedächtnis unauslöschlich eingedrückt werden. – Doch es gilt, zunächst genauere Auskunft zu geben, was eigentlich das Passahlamm bedeutet. Das hebräische Wort „passah“ heißt überspringen oder vorübergehen. Als der Herr durch Ägyptenland ging, alle Erstgeburt zu schlagen (V. 12), (V. 13), ohne irgendwelchen Schaden zu tun. In diesem Sinne heißt es auch Jes. 31, 5, dass der Herr schonend an Jerusalem vorübergehen, also es behüten werde. Damals, als der Herr seines Volkes in Ägypten verschonen wollte, gab er den Gläubigen ein Zeichen, an welches sich die Hoffnung auf dies schonende Vorübergehen klammern konnte. Darnach stiftete er ein bleibendes Gedächtnis dieser Gnadentat, ein Denkmal zur jährlichen Erinnerung an die Erlösung. Denn das erste Mal wurde das Passah als ein Bestandteil der gegenwärtigen Erlösungstat begangen: es sollte ein Unterpfand sein zur Stärkung schwacher Gemüter. Die jährliche Wiederholung aber war ein Dankopfer, welches die Nachgeborenen daran erinnerte, dass sie kraft des Rechtes der Erlösung Gottes Schutzbefohlene geworden waren. Übrigens besitzt sowohl die erste Einsetzung als auch die stete Wiederholung eine tiefere Bedeutung. Gott hat ja das Volk des alten Bundes einmal erlöst, nicht bloß um es in irdischer Hinsicht zu retten und zu behüten, sondern um es zum Erbe des ewigen Lebens zu führen. So war das Passah nicht minder als die Beschneidung auch ein Zeichen einer geistlichen Gnadengabe; als solches können wir es mit dem heiligen Abendmahl zusammenstellen, weil es die gleichen Verheißungen in sich schließt, welche Christus uns heute versiegeln lässt, und weil es lehrt, dass wir nicht anders als durch Sühneblut einen gnädigen Gott haben können. Alles in allem: das Passah war gleicher Weise ein Zeichen der bereits erfahrenen wie der noch zu erwartenden Erlösung. Darum kann der Apostel Paulus den Herrn Christus als das für uns geopferte Passahlamm bezeichnen (1. Kor. 5, 7), was doch nicht passen würde, wenn die alttestamentliche Feier nur ein Denkmal irdischer Durchhilfe gewesen wäre. So wollen wir denn vor allem festgestellt haben, dass Gott unter dem Gesetze die Passahfeier als ein Mittel verordnet hatte, durch welches das Volk seinem Gott die schuldige Dankbarkeit bezeugen und ihm, der sie durch die Erlösung zu seinem Eigentum erworben, sich weihen sollte. – Nun zur Betrachtung des Einzelnen. Gott ordnet an, dass Israel mit dem Monat der Ausführung aus Ägypten die Monate des Jahres anheben soll (V. 2): er war gewissermaßen des Volkes Geburtstag, wie ja jener Auszug als eine Neugeburt gelten musste. War Israel in Ägypten gleichsam begraben, so hub mit der von Gott geschenkten Freiheit ein neues Leben an, und ein neues Licht ging auf. Allerdings hatten die Israeliten die Einsetzung in die Gotteskindschaft schon viel früher erfahren; da aber diese Erfahrung in der Zwischenzeit in vielen Herzen verwischt war, bedurfte es einer Wiedergeburt, damit ein neuer Eindruck von dem väterlichen Verhältnis Gottes zu seinem Volke entstünde. Unter diesem Gesichtspunkte hören wir beim Propheten (Hos. 13, 4): „Ich bin der Herr, dein Gott, aus Ägyptenland her; und du sollst ja keinen andern Gott kennen denn mich, und keinen Heiland ohne allein mich.“ Noch deutlicher hören wir etwas zuvor (Hos. 11, 1): „Da Israel jung war, hatte ich ihn lieb, und rief ihn, meinen Sohn, aus Ägypten.“ Mochten andere Völker den gleichen Jahresanfang haben, so besaß derselbe für das auserwählte Volk doch eine besondere Bedeutung: er war ihm ein jährliches Denkmal seiner Auferweckung. Bis dahin hatten nämlich die Ebräer das Jahr mit dem Monat Tisri begonnen, der etwa unserem September entspricht: viele hielten dafür, dass in diesem Monat die Welt geschaffen wurde, weil es passend schien, dass die Erde schon bei der Schöpfung sich mit ihren reifen Früchten und im vollkommenen Schmucke ihrer Fruchtbarkeit zeige. Noch heute kennen die Ebräer einen doppelten Jahresanfang: für das tägliche Geschäftsleben hat man den altherkömmlichen Jahreswechsel im Herbst beibehalten, während das gottesdienstliche Jahr mit seiner Festordnung auf Grund des mosaischen Gesetzes mit dem Monat Nisan beginnt, welcher (abgesehen von den durch den veränderten Kalender entstandenen Verschiebungen) sich ungefähr mit unserem März deckt.

V. 3. Sagt der ganzen Gemeine usw. Man kann die Frage aufwerfen, warum je ein Lamm zu einem Haus gleichsam als ein besonderes Opfer verordnet war, da doch ein einziges Opferlamm die ganze versöhnte Gemeinde deckte und Gottes Gnade durch das einige Opfer Christi erworben war. Die Antwort ist leicht: neben dem allgemeinen Zeichen der die ganze Gemeinde umfassenden Erlösungstat, welches der überall gleiche Ritus bildete, hat jene von Gott verordnete Anwendung auf jedes einzelne Haus, welche die Gnadentat noch spezieller in die Herzen prägen sollte, ihren guten Sinn. So haben auch wir heute alle die gleiche Taufe als gemeinsames Mittel der Einfügung in den Leib Christi: und doch wird jedem einzelnen persönlich die Taufe erteilt, damit er desto gewisser seine Gotteskindschaft und Zugehörigkeit zur Gemeinde fasse. Sicherlich war es nicht Gottes Absicht, jeder einzelnen Familie, die ihr besonderes Lamm schlachtete, eine besondere von der Allgemeinheit abweichende Hoffnung zu eröffnen: aber er wollte eindrücklich zeigen, dass jedes einzelne Haus ihm gehörte, und dass nicht bloß das ganze Volk, sondern auch jede einzelne Familie ihm für seine allgemeinen und besonderen Wohltaten zu danken habe. Dass aber die nächsten Nachbarn (V. 4) hinzugezogen werden sollten, wenn in einem Hause die Kopfzahl nicht ausreichte, um das Passahlamm zu verzehren, erklärt sich daraus, dass nichts übrig bleiben sollte. Diese letztere Vorschrift (V. 10) wird unter anderem darin seinen Grund haben, dass die heilige Speise nicht unter die tägliche Nahrung gemischt werden und auch nicht dadurch an ihrer eigenartigen Schätzung verlieren sollte, dass das Fleisch etwa verdarb. Vielleicht war es auch Gottes Absicht, allem Aberglauben zu wehren, der sich leicht an etwa übrig gebliebene Stücke hängen konnte: darum sollte man alle Reste mit Feuer verbrennen.

V. 5. Ihr sollt aber ein solch Lamm nehmen usw. Wir werden später sehen, dass das Gesetz bei allen Opfern ein starkes Gewicht darauf legt, dass sie ohne Makel und Fehler sind. So wurde dem Volke eingeprägt, dass eine rechte Sühne nur da zu standen kommen konnte, wo eine für Menschen unerschwingliche durchaus vollkommene Darbringung erfolgte. Unter diesem Gesichtspunkte fordert Gott auch hier ein Lamm, da kein Fehl an ist und eines Jahrs alt: Israel sollte wissen, dass zur Sühne vor Gott nur ein Preis ausreichte, wie man ihn unter dem ganzen Menschengeschlecht vergeblich suchen würde. Gab es ohne Zweifel ein völlig tadelloses Tier überhaupt nicht, so muss die verlangte sichtbare Fehlerlosigkeit des Lammes oder Bockes als eine Darstellung der himmlischen Vollkommenheit und Reinheit Christi verstanden werden. In dieselbe Richtung weist es, wenn das Passahlamm (V. 3, 6) vom zehnten bis zum vierzehnten Tage von der übrigen Herde getrennt behalten werden sollte. Dass aber bezüglich des Bluts Gott anordnete (V. 7), man solle beide Pfosten an der Tür und die obere Schwelle damit bestreichen, hat die belehrende Bedeutung, dass das Opfer nur da einen Nutzen schafft, wo man sich mit seinem Blute bestreicht und bezeichnet. Denn das Auftragen des Blutes auf den Pfosten sollte ebensoviel gelten, als wenn jeder einzelne dies Zeichen auf seiner Stirn getragen hätte. Sicherlich hat auch Christus durch sein vergossenes Blut nicht alle Menschen frei gemacht, sondern nur die Gläubigen, welche sich ihm heiligen. Dabei kommt alles auf die inwendige Besprengung an, welche durch die Kraft des heiligen Geistes vollzogen wird (1. Petr. 1, 2): das äußere Zeichen aber sollte die Israeliten lehren, dass nur der vorgehaltene Schild des Blutes sie gegen Gottes Zorn decken konnte. Das alles stimmt mit der eben vorgetragenen Lehre, dass ein und dasselbe Opfer jedem einzelnen Hause zugewandt wurde, damit diese persönliche Berührung auch dort Eindruck mache, wo man ein bloß allgemeines Zeichen wenig oder nicht verstanden hätte. Warum (V. 8) das Fleisch am Feuer gebraten und nicht gesotten werden sollte, weiß ich nicht; ich will dies auch lieber offen eingestehen, als solche Spitzfindigkeiten vortragen, dass Christus am Kreuze gleichsam im Feuer der Trübsal verdörrt worden sei u. dgl. Wahrscheinlich deutete die Vorschrift lediglich auf die Eile des Auszugs: nachdem bereits alle Gefäße zusammengepackt, ließ sich schneller an einem Spieße braten als in einem Topfe kochen. Ebendahin deuten auch die Vorschriften darüber, wie das Mahl verzehrt werden sollte. Drei Stücke sind hier herauszuheben (V. 8, 11): „ungesäuertes Brot“, „mit bittern Kräutern“, und endlich: um eure Lenden sollt ihr gegürtet und überhaupt wie Reisende gerüstet sein. Bei der plötzlichen Eile des Auszugs konnte man nur schnell etwas Mehl zusammenraffen und daraus ungesäuertes Brot herstellen. Diese ganze Situation sollte jährlich erneuert werden, damit die Nachkommen wüssten, dass ihre Väter, die in eilender Flucht und mit keiner Zehrung für den Weg ausziehen musste, nur durch Gottes Hilfe erlöst wurden. Keine noch so kunstreiche Darstellung hätte eindrücklicher an diesen himmlischen Beistand erinnern können, als dieser Mangel an hinreichendem Proviant. Weiter sollte das Volk sich mit bitteren Kräutern begnügen: denn Wanderer, die aus einem feindlichen Lande entfliehen, haben keinen Überfluss, sondern müssen ihren Hunger mit allem stillen, was ihnen gerade vorkommt; so nehmen sie auch bittere Kräuter in Kauf, die sie in besseren Zeiten verachten würden. Vielleicht erinnern diese Kräuter auch an die traurige Lage der Väter, die unter der harten und bitteren Tyrannei sich gleichsam mit Bitterkeit sättigen mussten. Noch deutlicher kommt die Eile darin zum Ausdruck, dass man sich gestiefelt und gegürtet, mit Stäben in der Hand zum Mahle setzte. Pflegt man sonst nach dem Mahle zu ruhen, so konnte das Volk daran nicht denken, sondern musste in eiliger Flucht aufbrechen. Ausdrücklich wird der Grund angegeben: denn es ist des Herrn Passah. Nur unter Zittern und Zagen ist Israel dem wütenden Schwerte Gottes entronnen. – Bei alledem wollen wir noch einmal anmerken, dass dieses Sakrament eine doppelte Bedeutung hatte: es sollte dem Volke das Gedächtnis für die erfahrene Wohltat stärken und zugleich die Hoffnung auf die künftige Erlösung nähren. So erinnert das Passah Gottes Volk nicht nur daran, was sein Herr ihm schon geschenkt hat, sondern auch was es von ihm noch erhoffen darf. Diese heilige Feier gab dem einmal aus Ägypten erlösten Israel das Anrecht, sich einer noch viel besseren Erlösung entgegenzustrecken. Diese geistliche Bedeutung ist durch Christi Ankunft vollends klar geworden. Darum kann Paulus das alttestamentliche Vorbild auf die christliche Gemeinde anwenden und uns zurufen (1. Kor. 5, 7): „Weil auch wir ein Passahlamm haben, das für uns geopfert ist, so lasset uns das Passahlamm nicht im alten Sauerteig der Bosheit und Schalkheit, sondern mit dem ungesäuerten Brot der Lauterkeit und Wahrheit halten.“ Sollten schon unter dem alten Bunde die Häuser, in denen man Passah feierte, von aller Verunreinigung frei bleiben, wie viel mehr muss das heute bei uns Christen der Fall sein! Christi Opfer, welches uns vom ewigen Tode erlöste, darf nicht mit dem Sauerteig in schmutzige Berührung kommen. Darauf deutet die weitere Ausgestaltung der Feier: die Lockungen dieser Welt sollen uns nicht fesseln, Freude und Lust sollen unseren Lauf nicht aufhalten; wir sollen uns auf Erden als Pilgrime fühlen, zum Weiterwandern gerüstet und geschickt; auch dem Geschmack des bitteren Kreuzes Christi sollen wir nicht aus dem Wege gehen.

V. 12. Ich will durch Ägyptenland gehen. Das bezieht sich auf das erste Passah in der Nacht, als Israel aus Ägypten befreit ward. Insbesondere wollte Gott damals seine Strafe beweisen an allen Göttern der Ägypter: denn damals wurde handgreiflich offenbar, dass sie nichts helfen konnten, und ihre Anbetung eitel und trügerisch war. Vielleicht ist es eine Anspielung an unsere Stelle, wenn wir Jes. 19, 1 lesen: „Siehe, der Herr wird auf einer schnellen Wolke fahren und über Ägypten kommen. Da werden die Götzen in Ägypten vor ihm beben.“ Überhaupt offenbart ja der Herr seine Herrlichkeit gegenüber allem frevelhaften und verkehrten Götzendienst, so oft er als Erlöser seines Volkes erscheint.

V. 14. Und sollt diesen Tag haben zum Gedächtnis. Dies zielt auf die jährliche Feier, welche ein Denkmal sowohl des Auszuges als auch der künftigen Erlösung sein sollte. Dass aber diese Ordnung zur ewigen Weise sein soll, deutet nur auf eine ununterbrochene Fortsetzung, bis Gott ein Neues stiften würde. Ist doch die Beschneidung und der ganze gesetzliche Gottesdienst seit Christi Ankunft zwar äußerlich außer Gebrauch gesetzt, hat aber gerade dadurch an wahrer und ewiger Bedeutung nur gewonnen. Hieran geschieht kein Abbruch durch die Änderung der Zeremonien, die uns Christen von dem Volke des alten Bundes unterscheidet, wie ja überhaupt der neue Bund den alten nicht dem Wesen, sondern nur der Form nach beseitigt.

V. 16. Dass Israel am Passahtage keine Arbeit tun soll, außer was zur Speise gehöret, wird ausdrücklich angemerkt, damit die heilige Feier ja nicht durch andere Geschäfte gestört werde.

Abschnitt 30. – 2. Mose 12, 24 – 27; 43 – 49.

V. 24. Darum so halt diese Weise usw. Das Gebot der jährlichen Wiederholung der Erlösungsfeier wird noch einmal eingeschärft und dabei angemerkt, dass es in Geltung treten soll, wenn Israel in das gelobte Land kommt (V. 25). Neu ist dabei die Vorschrift, dass die Väter auch ihre Kinder über den Sinn der Feier belehren sollen, damit dieselbe nicht ein totes und nutzloses Werk bleibe. Mit vollem Rechte also gilt uns die Lehre als die Seele der Sakramente, ohne welche die Leben spendende Kraft fehlt. Darum soll auch das Passah kein stummes Schauspiel bleiben. Die Worte (V. 26): wenn eure Kinder zu euch werden sagen wollen natürlich nicht den Vater anweisen, mit seiner Belehrung zu warten, bis das Kind von selbst fragt; sie enthalten lediglich eine Erinnerung, dass das für den Unterricht erforderliche Alter erreicht sein muss. Auch für Kinder liegt hier ein Antrieb, lernbegierig und genau nach dem Sinn der Zeremonien zu forschen, sobald sie reif genug sind, die Bedeutung der Feier zu fassen. So sollte die heilige Ordnung von Hand zu Hand weitergegeben werden und unter dem Volke lebendig und wirksam bleiben. Da nun übrigens das Passahlamm das entsprechende Vorbild des heiligen Abendmahles ist, so ergibt sich auch für dieses, dass niemand zugelassen werden soll, der die christliche Lehre nicht verstehen kann.

V. 43. Kein Fremder soll davon essen. Weil das Passah ein heiliges Band zwischen Gott und seinem erwählten Volke war, durfte kein Fremder daran teilnehmen: eine Freiheit unterschiedslosen Genusses wäre eine schmähliche Entweihung gewesen. Eine Feier, die wir als Anhang des ersten Gebotes betrachten können, gehört doch nur für Leute, welchen die Vorrede des Gesetzes gilt (5. Mose 6, 4): „Höre Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr.“ Weiter bedeutete die Passahfeier auch ein Bekenntnis zum reinen und wahren Gottesdienst, welches Leute, die außerhalb der Gemeinde Gottes stehen, nicht ablegen können. War nun damals die Beschneidung der Zaun, welcher den heiligen Samen Abrahams von der unreinen Heidenwelt trennte, so ergibt sich notwendig die Vorschrift (V. 48): kein Unbeschnittener soll davon essen. Dabei denkt Gottes Gesetz selbstverständlich nicht an das bloße äußerliche Zeichen, sondern an dessen Zweck und Absicht: wer sich beschneiden ließ, weihe sich dem wahren Gott und gab das Versprechen, in lauterer Frömmigkeit wandeln zu wollen. Bleiben also im Allgemeinen alle Fremden von Israel und seiner heiligen Feier ausgeschlossen, so lässt das Gesetz doch eine doppelte Ausnahme zu (V. 44): wer ein erkaufter Knecht ist, den beschneide man. Dies Verfahren war ja ganz unvermeidlich. Weiter aber durfte auch ein Fremdling (V. 48), der über sich selbst frei verfügen konnte, wenn er überhaupt Israels gottesdienstliche Vorschriften auf sich nahm, zur Passahfeier zugelassen werden. Darin liegt ein neuer Beweis, dass die Feier nicht bloß dem gegenwärtigen Eigentumsvolk gehörte, sondern auch ein Zeichen der zukünftigen Erlösung war. Kein Fremder vermochte sich ja in Wahrheit als einen Genossen der Erlösung zu bekennen, welche nur die Nachkommen Abrahams erfahren hatten. Solche Fremdlinge gehörten auch in irdischer Beziehung nicht zum Volke Israel und empfingen kein Land in seinen Grenzen. Aber sie wurden Mitglieder der Gottesgemeinde, welche mit ihrer Passahfeier einer zukünftigen Erlösung entgegenwartete. Wegen der Zusammengehörigkeit des Abendmahls und Passah besitzt übrigens das Gesetz, dass kein Befleckter oder Unreiner sich zum Tische des Herrn nahe, sondern allein Gläubige, die ihr Bekenntnis zu Christo abgelegt haben, noch heute bleibende Geltung. Darauf deuten auch die Worte (V. 49): Einerlei Gesetz sei dem Einheimischen und Fremdling. Alle sollen in gleicher Weise das Sakrament heilig halten, um eine und dieselbe Gnadengabe gemeinsam zu empfangen: in diesem Stücke stehen sie gleich, wenn sie auch am Erbe des Landes nicht den gleichen Anteil haben.

V. 46. Und sollt kein Bein an ihm zerbrechen. Einen tieferen Grund für diese Vorschrift vermag ich nicht anzugeben; vielleicht ist auch sie ein Zeichen der Eile: wer nicht Zeit hat, lange beim Mahle zu sitzen, wird schwerlich bis an das Mark der Knochen vordringen. Übrigens hat Gott auch diesen Zug der Passahfeier an seinem eingeborenen Sohn zur handgreiflichen Erfüllung gebracht. Dieses Zusammenstimmen von Vorbild und Wesen beweist deutlich, dass allein Christi Blut Gott mit seinem Volke aussöhnt. So wird von neuem ersichtlich, dass für das Volk des alten Bundes das Passahlamm eine Weissagung auf die zukünftige Erlösung war: andernfalls würde es ja nicht stimmen, dass der Evangelist (Joh. 19, 33) unsere Stelle als ein typisches Vorbild dessen betrachtet, was an Gottes Sohn wirklich geschehen ist. Dass Christo am Kreuze kein Bein zerbrochen ward, wie dies zur Beschleunigung des Todes den Übeltätern geschah und natürlich auch Christo ursprünglich zugedacht war, geschah unter der besonderen Leitung Gottes, als ein weissagendes Zeichen dafür, dass Christus das wahre Passahlamm ist, durch welches jetzt die Erlösung geschehen sollte.

Abschnitt 31. – 2. Mose 13, 3 – 10

V. 3. Da sprach Mose zum Volk: Gedenket usw. Die ausführlichen Vorschriften des vorigen Kapitels über den Tag der ungesäuerten Brote werden hier kurz wiederholt, nicht weil ein Bedürfnis zu weiteren Belehrungen bestand, die schon hinreichend gegeben waren, sondern lediglich um das Volk zur Erfüllung dieser Pflicht anzueifern. Konnte es doch leicht geschehen, dass, wie es oft geht, im Laufe der Zeit der Eifer nachließ. So schärft Mose ein, dass Israel, wenn es in sein Land kommt, dies Gebot treulich halten soll. Steht dasselbe übrigens im engsten Zusammenhang mit der Darbringung der Erstgeburt (V. 2), so wird beiden Geboten die Absicht unterliegen, das Volk, welches solche Erlösung erfahren hat, bei der besonderen Verehrung des wahren Gottes festzuhalten.

V. 4. Heute seid ihr ausgegangen. Der Tag des Auszugs tritt in Vergleich mit dem ganzen Zeitraum, während dessen Israel im Lande Kanaan wohnen durfte. Mose will sagen: Ihr habt diese Erlösung nicht erfahren, um einen schnell vorüberrauschenden Freudentag zu erleben, sondern um in allen zukünftigen Zeiten solcher Wohltat zu gedenken. Der rühmende Hinweis auf die Weite und Fruchtbarkeit des Landes (V. 5) hat einen doppelten Zweck. Erstlich soll Israel, wenn es so herrliche Siege gewinnt, nicht stolz, und seine Augen unter dem reichen Überfluss der Güter nicht gleichgültig werden. Weiter soll die Größe dieser Gandengaben das Volk zu allen Pflichten der Dankbarkeit und zur Anbetung seines Gottes treiben. Konnte doch Leute, die so viel Völker besiegt und ein so ertragfähiges und reiches Land in Besitz genommen hatten, im Übermut leicht ihres Gottes und seines Dienstes vergessen. So bedürfen sie der Erinnerung, dass sie es allein dem einigen Gott verdanken, wenn sie eine ganze Reihe von Völkern unterjochen und deren Erbe antreten konnten. Je größer Gottes freigebige Güte sich zeigte, umso weniger hätte sich das Volk entschuldigen können, wenn es etwa an ernstlicher Dankbarkeit etwas fehlen ließ. Darum zählte Mose die Namen aller Völker auf, deren Gebiet Israel einnehmen soll, und richtet noch einmal den Blick auf den Reichtum des Landes, in welchem Milch und Honig fließt, um seinem Volke alles vor Augen zu stellen, was es zu einem frommen Wandel mehr und mehr reizen konnte. – Der Monat Abib hat mit dem Monat Ab, welcher unserm Juli entspricht, gar nichts zu schaffen. Denn die von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzte Passahfeier liefert ein unwidersprechliches Zeugnis dafür, dass Israel im Monat Nisan um die Zeit der Tag- und Nachtgleiche im Frühling aus Ägypten auszog. Da nun ferner alle hebräischen Monatsnamen, welche die Juden nach zweitausend Jahren gebrauchen, den Chaldären entlehnt sind, so wird „Abib“ überhaupt nicht als Eigenname zu verstehen sein, zumal ein solcher in der Schrift sich sonst nicht findet. Wir haben es also mit einem Nennwort zu tun: „Monat Abib“ heißt „Monat des Aufwachsens.“ So kann der Monat Nisan genannt werden, weil in jenen heißen Gegenden schon um diese Zeit die Saat zu sprossen beginnt. Außerdem liegt aber, wie wir schon ausführten, die Vermutung nahe, dass man die Zeit des beginnenden oder aufwachsenden Jahres auf diesen Punkt festlegte, um damit an die Geburt und das Aufwachsen der Gemeinde Gottes zu erinnern, welche ja eine Erneuerung der Welt bedeutete.

V. 8. Und sollt euren Söhnen sagen: usw. Damit wird die Vorschrift wiederholt, welche den Vätern die Pflicht auflegt, durch Unterweisung ihrer Kinder für eine Fortpflanzung des rechten Gottesdienstes zu sorgen. Hieß es aber zuvor (12, 26): „Wenn eure Kinder euch fragen“ usw., so wird jetzt einfach angeordnet, dass die Väter aus eigenem Antriebe Gottes Wohltaten verkündigen sollen. Auch die Vorschrift wird wiederholt, dass das Gedächtnis der Erlösung durch die jährliche Feier wach gehalten werden soll: denn gar zu leicht gerät solch frommer Brauch in Vergessenheit, wenn man nicht regelmäßig an seiner Übung festhält. Heißt es nun weiter (V. 9), dass Israel ein Zeichen in seine Hand und Denkmal vor seine Augen nehmen solle zum Gedächtnis an die Erlösung, welches ihm im Passah geschenkt war, so soll dies ähnlich wirken, wie etwa ein Ring am Finger, auf welchen man zum Zwecke der Erinnerung blickt, oder ein kostbares Stirnband. Unter demselben Gesichtspunkte stand die Vorschrift, die Worte des Gesetzes am Kopf, an den Händen und auf dem Saume des Kleides auf Zetteln geschrieben zu tragen. Alles in allem: das Passah sollte als ein Denkmal der Gnade Gottes dastehen, zum Schutz wider die menschliche Vergessenheit; es sollte zu immer neuem Anreiz der Dankbarkeit dienen. Eben dahin zielt die alsbald folgende Vorschrift über das Opfer der Erstgeburt. Lesen wir nun die Mahnung an Israel: des Herrn Gesetz sei in deinem Munde, so wird daraus vollends deutlich, dass die Ordnung des Passah auf das erste Gebot zielt. Diese Worte besagen ja, dass die äußere Feier nicht genügt, wenn sie nicht dem Zwecke dient, sich der Gemeinschaft und Erkenntnis Gottes zu weihen. Im Munde soll Israel das Gesetz führen, nicht als ob es die Hauptsache wäre, über Gottes Wort zu reden oder zu disputieren, - denn wenn die Frömmigkeit auf der Zunge säße, wären die Heuchler die besten Anbeter Gottes. Vielmehr wünscht Mose aufs dringendste, dass jeder Israelit sich persönlich in das Gesetz vertiefe, um andere unterweisen und erinnern zu können.

Abschnitt 32. – 5. Mose 16, 3. 4 / 2. Mose 23, 18 / 2. Mose 34, 25.

5. Mose 16.

V. 3. Du sollst kein Gesäuertes auf das Fest essen. Weil das Zeichen des Passah Israel daran erinnerte, dass es wie ein Brand aus dem Feuer gerissen, darum kommt Mose so oft auf das Verbot des Sauerteigs zurück. Wird doch gerade dadurch dem Volke das Elend anschaulich vor Augen gestellt, aus welchem es entronnen war. Es musste wohl allerhöchste Not und Bedrängnis gewesen sein, wenn die Zeit nicht einmal reichte, um Brot zu backen. Darum stellt die Bezeichnung des ungesäuerten Brotes als Brot des Elends den Vorgang bei der Befreiung und damit die Gnade Gottes uns besonders lebhaft dar. Die frühere Vorschrift, dass vom Passahlamm nichts bis auf den nächsten Tag übrig bleiben soll, wird wiederholt. Auf den ersten Blick könnte freilich die Stelle 2. Mose 23, 18 auf das tägliche Opfer zu deuten scheinen. Da aber 2. Mose 34, 25 ausdrücklich vom Passah die Rede ist, hebt sich dieser Zweifel. Das Fett dient an der einen Stelle zu der Bezeichnung des gesamten Fleisches: ein Austausch der Begriffe, wie er öfter vorkommt. Vielleicht deutet aber der Ausdruck auch auf eine besondere Heiligkeit des Fettes, von welchem zu essen nicht erlaubt war, und welches in allen Opfern verbrannt wurde.

Abschnitt 33. – 4. Mose 9, 1- 14.

V. 1. Und der Herr redete mit Mose im zweiten Jahr. Wie sorglos und undankbar muss das Volk gewesen sein, dass Gott nötig hat, noch vor Ablauf des zweiten Jahres an die Passahfeier zu erinnern! Drohte das Fest schon nach so kurzer Zeit in Vergessenheit zu geraten, was sollte erst nach fünfzig Jahren werden? Wäre das Volk von selbst für diesen Dienst eifrig gewesen, so hätte ja Gott nicht nötig gehabt, von neuem einzuprägen, was er früher schon unter strengen Drohungen anbefohlen hatte. Jetzt aber, da sich das Jahr zu Ende neigt, erinnert Gott daran, dass der Tag bevorsteht, den er für die Passahfeier bestimmt hatte: so sollte es den Israeliten eingeprägt werden, dass jenes feierliche Opfer jährlich zu begehen sei, und dass man es durchaus nicht unterlassen dürfe. Danach wird noch einmal die genaue Beobachtung aller Zeremonien eingeschärft, damit nicht ein fremder Beisatz die reine Ordnung verderbe. Endlich (V. 5) wird der Gehorsam gelobt, mit welchem Gottes Volk die Ordnung ausführte, ohne etwas hinzuzufügen oder wegzulassen.

V. 6. Da waren etliche Männer usw. Gelegentlich wird hier die Frage eingefügt, was man tun solle, wenn jemand durch eine unerwartete Unreinigkeit verhindert wäre, zugleich mit den andern das Passah zu feiern: wollte doch Gott jeden aus seinem Volke ausrotten, der an der Gedächtnisfeier der Erlösung nicht teilnahm. Kleidet sich nun auch die Belehrung über diesen Fall in die Form eines geschichtlichen Berichts, so ist doch in diesem Zusammenhange der Ort, darauf einzugehen. Mose berichtet, dass etliche Männer unrein waren über einem toten Menschen oder, wie in merkwürdig gegensätzlicher Anschauung der hebräische Ausdruck genau übersetzt werden müsste: über „der Seele eines Menschen.“ Sie waren entweder in Berührung mit einem Leichnam gekommen, oder sie hatten ein Haus betreten, wo ein Toter lag, oder sich an einem Begräbnis beteiligt: solche erklärte das Gesetz, wie wir anderwärts (4. Mose 19, 11) sehen werden, für unrein. Freilich scheint darin ein Widerspruch zu liegen, dass die Unreinigkeit den Zutritt zum heiligen Mahle verwehrte, und dass man doch auch diese fromme Übung nicht unterlassen durfte. Und wenn Mose sich erst Zeit nimmt (V. 8) den Herrn zu befragen, so bekennt er damit, dass ihn der Fall in Verlegenheit bringt. Übrigens gibt dieser Prophet ein herrliches Zeichen bescheidenen Sinnes, dass er solch zweifelhaften Fall nicht selbst zu entscheiden wagt, obgleich er als Gesetzgeber hätte auftreten können. So wird es ganz deutlich, dass Mose das Gesetz, dem er ohne einen besonderen göttlichen Fingerzeig nicht einmal eine Einzelanwendung zu geben wagt, nicht aus seinem eigenen Sinn gegeben hat. Gott selbst muss durch Anordnung einer Ausnahme den Widerspruch im Gesetze heben. Wen ein wirklicher Grund dazu veranlasste, sollte im nächsten Monat die heilige Feier halte, die er nicht entbehren durfte, jedoch den festgesetzten Tag nicht eigenmächtig verschieben. Diese Erlaubnis bedeutet eine Erleichterung nicht bloß für die Unreinen, sondern für jedermann, bezüglich dessen sich eine ähnliche Frage erheben konnte, zum Beispiel auch für Wanderer, die ohne ihr Verschulden etwa nicht mehr zur rechtzeitigen Feier eintreffen konnten. Natürlich soll dem Leichtsinn und der Gleichgültigkeit keine Hintertür geöffnet werden. Die Männer, welche ja hier aus eigenem Antriebe es beklagen, dass ihre Unreinigkeit sie von der Passahfeier ausschließt, bewiesen eben damit ihre fromme Gewissenhaftigkeit. Nur solchen gilt die Ausnahme, wobei doch zur Vermeidung aller leichtfertigen Unordnung unter Androhung der schwersten Strafe noch einmal alle wesentlichen Zeremonien eingeschärft werden. – Übrigens hören wir hier ganz deutlich, dass das Passahlamm ein Opfer war: denn es ist V. 7 und V. 13 von der Gabe die Rede, welche dem Herrn gebracht wird. Ich merke dies an, weil manche Ausleger bei der Schlachtung des Passahlamms den Gedanken an ein Opfer ausschließen wollen. Auch Paulus deutet doch auf eine Opfergabe (1. Kor. 5, 7): Wir haben auch ein Osterlamm, das ist Christus, für uns geopfert.

Abschnitt 34. – 2. Mose 13, 1. 2; 11 – 16 / 2. Mose 22, 29 / 2. Mose 34, 19. 20 / 3. Mose 27, 26 / 5. Mose 15, 19. 20.

2. Mose 13.

V. 2. Heilige mir alle Erstgeburt. Dass Gott die Erstgeburt als sein Eigentum beansprucht, um das Gedächtnis der Erlösung festzuhalten, steht ebenfalls im Zusammenhang mit dem ersten Gebot. Dadurch empfingen die Israeliten eine Erinnerung, dem Gott die Ehre zu geben, durch dessen Gnade sie dem allgemeinen Sterben in Ägypten entronnen waren. Weiter lag darin ein Hinweis, dass Israel eben darum erlöst war, damit es sich dem Herrn, seinem Erlöser, weihe. Denn das Opfer, das Gott hier fordert, war ein Zeichen der Scheidung zwischen dem heiligen Volk und den Heiden. Heißt es nun: bei den Kindern Israel, während doch nicht bloß von menschlicher Nachkommenschaft, sondern auch vom unvernünftigen Vieh die Rede ist, so deutet dies auf einen Unterschied zwischen den Tieren des Feldes und dem Zugvieh wie sonstigen zahmen Haustieren. Beansprucht aber Gott vom Samen Abrahams die Erstgeburt zum Opfer, so soll dies ohne Zweifel bedeuten, dass ihm das ganze Volk heilig ist.

V. 11. Wenn dich nun der Herr ins Land gebracht hat usw. Noch immer wird die Anweisung über das Opfer der Erstgeburt fortgesetzt, durch welches Israel sich zu der wunderbaren Gnadentat Gottes bekennen soll, welche seine Erstgeburt rettete, aber die Erstgeburt Ägyptens schlug. Die Erstgeburt des Viehs soll man (V. 12) dem Herrn aussondern, d. h. zur Stiftshütte bringen und daselbst schlachten. Es ist ja ein geläufiges Bild, dass die Gläubigen mit ihren Gaben „vor dem Herrn erschienen“, wenn sie zur Stiftshütte kamen. Der Befehl (2. Mose 22, 30), die Erstgeburt sieben Tage bei der Mutter zu lassen, soll wohl der betrügerischen Selbstsucht begegnen: denn wenn man eben geborene Tiere von den Brüsten der Mutter gerissen und den Priestern gegeben hätte, so wäre dieses Opfer unnütz gewesen. Als Tag der Darbringung wurde der achte wohl aus dem Grunde bestimmt, weil er auch der Tag der Beschneidung war. Eine Ausnahme wird gemacht (V. 13), dass nämlich die Erstgeburt vom Esel, deren Darbringung unrein gewesen wäre, durch die Darbringung eines Schafes gelöst werden soll. Ebenso musste alle erste Menschengeburt gelöst werden, weil man sie weder opfern noch zu Priestern machen konnte.

2. Mose 34.

V. 19. Alles, was seine Mutter am ersten bricht, ist mein. Diese erneute Vorschrift über das Opfer der Erstgeburt ergeht wesentlich unter dem Gesichtspunkte, dass die Lösung sowohl der Kinder als auch der unreinen Tiere geordnet werden soll: was aber zum Opfer dargebracht werden kann, soll man zur Stiftshütte führen. Nun wollte ja Gott nicht, dass man ihm Menschen weihe, weil er dafür, wie wir anderwärts sehen werden, den Stamm Levi erwählt hatte: so blieben denn die männlichen Kinder frei und ungehindert, nachdem sie durch Geld gelöst waren. Unreine Tiere durfte man unter der gleichen Bedingung in der Wirtschaft gebrauchen, nachdem dem Herrn, dem sie gehörten und der sie für sich beanspruchte, ein Preis gezahlt worden war. Wenn aber jemandem ein Esel oder ein anderes unreines Tier so viel nicht wert war, soll er ihm das Genick brechen (V. 20): denn hätte er das Tier lebend behalten und in seiner Wirtschaft gebraucht, so wäre dies ein Raub an Gottes Eigentum gewesen.

3. Mose 27.

V. 26. Die Erstgeburt, die dem Herrn sonst gebührt, soll niemand dem Herrn heiligen. Dieses ist eine Vorsichtsmaßregel: niemand soll dem Herrn opfern, was ihm ohnedies gehört. Sind doch die Menschen nur zu oft auf den leeren Schein gestimmt, und namentlich bei den Pflichten der Frömmigkeit geschieht es, wie das Sprichwort sagt, dass man zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Solch sündhaftem Gebahren schiebt Gottes Gesetz einen Riegel vor: wer die Erstgeburt opfert, die schon Gottes Eigentum ist, opfert geraubtes Gut. Dass hierüber ein besonderes Gesetz notwendig war, darf uns nicht wunder nehmen: die Scheinheiligkeit, welche den Herrn mit einem Scheinopfer betrügen und auf diese Weise einen besonderen Ruhm der Frömmigkeit ernten möchte, sitzt ja tief in den Herzen der Menschen. Nur zu gern hätten auch die Juden unter dem Vorwande des Opfers dem Herrn recht eigentlich geraubt, was sein war.

5. Mose 15.

V. 19. Du sollst nicht ackern mit dem Erstling. Eine weitere Vorsichtsmaßregel: man soll die Erstgeburt nicht für sich selbst ausnützen. Konnte man sich doch eines Ochsen zum Ackern und Fahren bedienen und ein Schaf scheren, um auf diese Weise die Tiere erst in einem minderwertigen Zustande zur Stiftshütte zu bringen. Darum befiehlt Gott, dass man treulich und unverkürzt geben soll, was ihm gebührt. Wenn es wahr ist, dass man aus guten Gesetzen auf schlechte Sitten zurück schließen kann, so lässt sich hier sehen, wie die freche Gewinnsucht die Menschen von jeher getrieben hat, sich einen sündhaften Vorteil zu verschaffen. Es bedurfte eines ausdrücklichen Gebotes, dass man sich nicht auf Kosten seines Gottes solle zu bereichern suchen! Sind die Menschen immer klug und erfinderisch, untereinander sich zu betrügen, so nimmt es uns auch nicht wunder, dass sie mit solch zweifelhaften Künsten unbedenklich ihres Gottes spotten.

Abschnitt 35. – 2. Mose 30, 11 – 15.

V. 12. Wenn du die Häupter der Kinder Israel zählest usw. Das Gesetz über die Steuer, welche Gott gelegentlich der Zählung des Volkes einfordert, lässt sich sehr gut mit dem ersten Gebot verknüpfen. Macht Gott sich das Volk steuerpflichtig, so erklärt er damit, dass es unter seiner Botmäßigkeit und Herrschaft steht: das Volk sollte die Tatsache, dass der Herr es zu seinem Eigentum erworben, durch die Pflicht solcher Gaben willig anerkennen. Wenn Fürsten ihre Untertanen zählen, so vergegenwärtigen sie sich ihre Macht. Gott aber, welcher von Menschen keine Hilfe und Unterstützung braucht, wollte, dass Israel wenigstens mit einem Zeichen bekennen sollte, dass seine Hand es erlöst habe und nun es zu leiten berechtigt sei. Wenn also David das Volk zählte (2. Sam. 24, 2), entzog er es gewissermaßen der Herrschaft Gottes, weshalb auch diese Überhebung, Anmaßung und Undankbarkeit hart gestraft werden musste. Weil nun aber doch eine Volkszählung nützlich und recht war, wird sie unter der Bedingung zugelassen, dass man durch Zahlung eines Lösegeldes (denn so wird das Wort „Versöhnung“ buchstäblich wiederzugeben sein) Gott als den einzigen König anerkannte. Als „Versöhnung“ konnte dies Lösegeld insofern gelten, als man einen gnädigen Gott ja nur dann behalten konnte, wenn man durch dies Zeugnis sich dazu bekannte, dass unser Leben eigentlich dem Herrn gehört. Übrigens ließe sich auch erinnern, dass das Wort „versöhnen“ soviel heißt als „bedecken“: wer also freiwillig sich dem Herrn unterwarf und unter den Schatten seiner Flügel floh, deckte sich damit gewissermaßen, d. h. schützte und sicherte sich. Eben dies wird später (V. 15) noch einmal so ausgedrückt, dass die Hebe, d. h. Gabe, welche die Israeliten abliefern mussten, zur Versöhnung ihrer Seelen diente. Eben dahin deuten auch die Worte: auf dass ihnen nicht eine Plage widerfahre, wenn sie gezählet werden. Beruhte doch ihr Heil und Schutz gegen allerlei Plagen allein in der göttlichen Bewahrung. Und da sie Pharaos Knechte waren, konnte nur Gott sie rechtmäßiger weise frei und losmachen. Sollte sie nicht eine Strafe treffen, wie sie entlaufenen Sklaven gebührt, so mussten sie sich durch einen feierlichen Akt als Gottes Eigentum bekennen. – Die gleiche Summe soll jedermann geben, welches Standes er auch sei (V. 15), weil auf diese Weise am klarsten wird, dass der ganze Mensch dem Herrn gehört: soll Gottes Anrecht auf die Person selbst zum Ausdruck kommen, so bleibt mit Recht das Vermögen außer Betracht; es handelt sich um eine Kopfsteuer im eigentlichsten Sinn. –

Ein Silberling oder Sekel nach dem Lot des Heiligtums, von welchem die Hälfte gegeben werden sollte (V. 13), galt vier attische Drachmen.1) Der „Zinsgroschen“, welchen man den Herrn Jesu abforderte (Mt. 17, 24), betrug, wie der griechische Ausdruck dort besagt, eine Doppeldrachme, also genau die hier vorgeschriebene Summe. Wahrscheinlich ist dieser Anspruch auf die Kopfsteuer auf die Römer übergegangen, als sie sich das Volk Israel unterwarfen, wodurch freilich die römische Herrschaft noch verhasste werden musste: denn diese im Gesetz Gottes vorgeschriebene Steuer war doch für Israel ein Symbol der Freiheit von jeder unheiligen Fremdherrschaft und der Zugehörigkeit zu dem einen Gott. Weil aber die Juden in ihrer Hartnäckigkeit das Joch des Herrn abgeschüttelt hatten, hat Gott sein Recht fahren lassen und hat das Volk einer Fremdherrschaft unterworfen. Dies war kurz vor Christi Ankunft geschehen, welcher sich von ganzem Gemüte entgegenzusehnen eben jene neue und unerhörte Unterdrückung das Volk lehren sollte. So oft aber diese im Gesetz stehende Steuer gezahlt ward, erinnerte es die Juden daran, dass sie Gottes heiliges Volk waren.

Abschnitt 36. – 4. Mose 6, 1 – 21.

V. 2. Wenn ein Mann oder Weib ein sonderlich Gelübde tut. Zuvor hatte Gott eine Kopfsteuer verordnet, welche den Israeliten einprägen sollte, dass sie seine freigelassenen Knechte waren. Durch diesen Bekenntnisakt sollte also jedes Glied des Volkes, vom Größten bis zum Geringsten, an Gott gebunden werden. Jetzt aber ist von einer noch engeren Bindung die Rede. Wenn sich jemand auf Zeit und freiwillig dem Herrn weihte, hieß er Nasiräer oder Verlobter: das Wort bedeutet, dass er etwas Besonderes oder Hervorragendes war und eine Würde besaß, die ihn über das gemeine Volk emporhob. Solche Leute waren eine Zier der Gemeinde, und Gott wollte, dass an ihnen seine Herrlichkeit in besonderem Maße wiederstrahle. Wenn also Amos den Juden zum Vorwurf macht, dass sie seinen Propheten den Mund verbieten und den Nasiräern Wein zu trinken geben, so ergibt dieser Zusammenhang, dass es eine besondere Gabe war, wenn Gott aus den Kindern Israel Nasiräer und Propheten erweckte (Am. 2, 11). Und wenn Jeremias die Zerstörung der Gemeinde beweint, so führt er als Zeichen derselben auch dies an, dass jetzt nicht mehr wie einst sich Nasiräer fänden rein wie Schnee (Klagel. 4, 7). Und wenn Jakob seinen Sohn Joseph als einen Geweihten unter seinen Brüdern auszeichnet (1. Mose 49, 26), so wird er damit in prophetischem Geiste an die Würde anspielen, zu welcher später unter dem Gesetze die Verlobten des Herrn als hervorragende Leuchten der Gemeinde hervorgehoben wurden. Gehörte demnach dieser besondere Brauch auch nicht dem ganzen Volke, so müssen wir ihn doch unter den Übungen der Frömmigkeit verzeichnen: denn die Nasiräer waren gleichsam Bannerträger, welche andern den Weg weisen sollten. Konnten sie auch nicht alle in ihre Bahn hineinziehen, so gab die Glut ihres Eifers doch den schwachen Durchschnittsmenschen einen höchst nützlichen Anstoß. Weil aber jeder selbst erwählte Gottesdienst dem Herrn ein Gräuel ist, zieht er feste Schranken und gibt ein klares und gewisses Gesetz. Zeigt doch auch die eben beigebrachte Stelle aus Amos, dass kein anderer als Gott selbst die Ordnung der Nasiräer eingesetzt hatte. Nur flüchtig anmerken wollen wir, dass Simson (Richter 13, 5) ein Nasiräer besonderer Art war, da er nicht bloß für bestimmte Zeit ein Gelübde übernahm, sondern von Mutterleibe an für sein ganzes Leben dem Herrn geweiht war. In diesem Stück kann er als abbildliche Darstellung Christi gelten, wie denn überhaupt alles, was das Gesetz hierüber vorschreibt, auf den einigen Quell der Heiligkeit bezogen werden muss: den Juden sollte gewissermaßen das Bild Christi wie in einem Spiegel vor Augen gestellt werden. Denn je näher jemand unter dem Gesetze sich zu Gott hielt, desto heller erstrahlte in ihm das Bild Christi: dasselbe war also nicht nur in dem gesetzlichen Priestertum, sondern auch in dem reinen und enthaltsamen Leben der Nasiräer ausgeprägt.

V. 3. Die erste Vorschrift lautet, dass die Nasiräer sich nicht bloß des Weins und starken Getränks enthalten, sondern auch auf jeden Genuss von Weinbeeren verzichten sollten. Bloß den Weingenuss zu unterlassen war nicht allzu schwer: weil aber die menschliche Schlauheit nur zu gern auf allerlei Ausflüchte verfällt, bedurfte es weiterer Einzelvorschriften, um das Gesetz vor betrügerischer Umgehung zu schützen. Auch ohne Wein zu trinken, hätte man sich allerlei ausgesuchten Genüssen hingeben können: man konnte sich mit frischen oder dürren Weinbeeren sättigen, den Saft frisch ausgedrückter Trauben in Wasser mischen usw. Der Mensch ist immer erfinderisch, den Geist des göttlichen Gesetzes oft in der schamlosesten und gröbsten Weise zu umgehen. Hier sehen wir nun, dass der Gott, dem nichts mehr gefällt als Klarheit und Wahrheit, solch verschmitztes Wesen nicht dulden will. Den Nasiräern war ja der Weingenuss versagt, nicht bloß um der Trunksucht zu steuern, sondern um sie überhaupt zu einer eingeschränkten und bescheidenen Lebensweise zu führen. Was soll man aber dazu sagen, wenn die Mönche bei ihrer angeblichen engelgleichen Vollkommenheit sich nur bestimmte Speisen versagen, um in anderer Hinsicht desto gründlicher zu schlemmen!

V. 5. Es soll kein Schermesser über sein Haupt fahren. Der Sinn der Verordnung ist nicht ganz durchsichtig: vielleicht sollte dies sichtbare Zeichen nur eine ständige Erinnerung an das übernommene Gelübde bedeuten. War es sonst bei den Männern Sitte, sich das Haar zu scheren, worauf ja schon die natürliche Empfindung deutet (1. Kor. 11, 4), so erinnerte die handgreifliche Abweichung von dieser Sitte die Nasiräer an ihre besondere Heiligkeit, die sie niemals vergessen oder außer acht lassen durften. Dass die Zierde des langen Haares gleichsam eine Krone auf ihrem Haupte bedeuten sollte, liegt wohl fern, und vollends lächerlich ist es, wenn die Papisten ihre Tonsur mit diesem Gebrauch in Vergleich setzen. – Dass übrigens diese besondere Vorschrift für die weiblichen Nasiräer überflüssig scheint, löst sich leicht: wenn sie ihr langes Haar trugen, so gründete sich dies bei ihnen nicht wie bei anderen Frauen auf die bloße Gewohnheit, sondern auch auf ihr Gelübde. Möglicherweise wird aber diese Vorschrift über die Haartracht überhaupt nur die Männer betreffen.

V. 6. Er soll zu keinem Toten gehen. Wie die Enthaltung vom Weingenuss die Nasiräer nahe an die Würde der Priester heranrückte, welchen ebenfalls während der Zeit ihres Dienstes der Wein verwehrt war, so empfangen sie jetzt eine weitere Vorschrift, welche ebenso auch dem Hohenpriester galt, der nicht einmal den Tod seiner Eltern mit den üblichen Trauergebräuchen beklagen durfte. Zweierlei ordnet Mose an: ein Nasiräer soll weder ein Trauerhaus betreten noch sich durch Totenklage beflecken (V. 7). Gewiss war es eine Pflicht menschlicher Teilnahme, die Toten zu bestatten; und doch verunreinigte sich jedermann, wenn er an ein Totenbett oder eine Bahre herantrat, durch diese Berührung mit dem Toten. Von den Nasiräern aber fordert Gott noch mehr, wenn anders sie ihre Reinigkeit sich bewahren wollen: wie wir bald noch einmal hören werden, genügte für sie die gewöhnliche Reinigung nicht, sondern sie mussten sich noch weit mehr von aller Befleckung fernhalten. Warum aber die Berührung eines Leichnams eine Verunreinigung bedeutete, werden wir gegebenen Orts ausführlicher darlegen. Jetzt sei nur so viel gesagt, dass der Tod als der Sünde Sold ein Zeichen des göttlichen Fluches war: so gaben die betreffenden Gesetze den Israeliten eine Mahnung, sich vor toten Werken zu hüten. Dass aber der Nasiräer nicht trauern sollte, hatte darin seinen Grund, dass er als ein besonderer Bekenner Gottes den andern ein Zeichen von Geistesgröße und unerschüttertem Frieden geben sollte. Freilich sind Tränen und Schmerz beim Tode unserer Lieben nicht sündhaft: sonst hätte ja Christus am Grabe des Lazarus nicht geweint (Joh. 11, 35). Immerhin pflegt sich mit dem Schmerz eine innere Verstörung zu verbinden, und die menschlichen Trauergebräuche sind nur zu oft auf Schein und Gepränge berechnet und geeignet, über das natürliche Maß hinaus den Schmerz zur Darstellung zu bringen. Hätten sich darum die Nasiräer in solche Trauerversammlung gemischt, so hätten sie für andere nicht als Vorbild der Mäßigung dagestanden. Darum wehrt das Gesetz nicht bloß der Üppigkeit, sondern jetzt auch dem entgegengesetzten Fehler einer übertriebenen Trauer. Soll nun auch jeder Mensch Maß zu halten wissen, so gilt dies von den Nasiräern noch in höherem Maße: sie sollten, wie wir alsbald auch von den Priestern hören werden, über alle irdischen Gefühle erhaben sein und damit dem Volke ein Beispiel geben.

V. 9. Wo jemand vor ihm unversehens plötzlich stirbt. Damit folgt eine Vorschrift für den Fall, dass ein Nasiräer sich unversehens eine unvermeidbare Unreinigkeit zuzog. Hätte ein solcher mit Wissen und Willen ein Trauerhaus betreten oder sich einem Toten genaht, so wäre dies eine frevelhafte Verletzung seiner religiösen Pflicht gewesen: bei einem plötzlichen Todesfall lag eine entschuldbare Irrung vor, welche nach Gottes Willen doch nicht ungesühnt bleiben sollte. Die ganze bisherige Zeit, welche der Betreffende unter seinem Gelübde zugebracht hatte, sollte für nichts gelten. Dass jemand auf diese Weise ohne seine Schuld noch einmal von vorn beginnen musste, war freilich hart: außer dem Verlust der Zeit war doch auch das Opfer zu verrechnen, welches ihm für die neue Weihe nach der Verunreinigung aufgelegt war. Da es sich aber um einen freiwilligen Akt handelte, so durfte sich niemand, der denselben von sich aus auf sich nahm, über eine unbillige Härte beklagen. Es sollte eben gezeigt werden, wie viel an der vollen Reinheit des göttlichen Dienstes liegt.

V. 13. Dies ist das Gesetz des Verlobten usw. Endlich beschreibt Mose die Rückkehr eines Nasiräers ins gemeine Leben nach Vollendung der Weihezeit. Ein solcher soll an der Tür der Stiftshütte erscheinen und ein untadeliges Lamm als Brandopfer, ein Schaf als Sündopfer, einen Bock als Dankopfer darbringen, samt den mit Öl besprengten Kuchen, Fladen, ungesäuerten Broten, dem Opfer des eignen Haares und andern Darbringungen. Das Dankopfer und auch das Brandopfer begreifen wir an dieser Stelle recht wohl: denn gewiss musste jemand, der den heiligen Dienst vollendet hatte und darin einer besonderen Ehre von Gott gewürdigt war, freudigen Empfindungen Ausdruck geben und Gottes Güte preisen. Fraglich aber bleibt, was das Sündopfer soll, da doch reine und heilige Menschen keiner Sühne bedurften. Sicherlich sehen wir hier, dass bei aller ernsten und aufrichtigen Aufopferung gegen Gott Menschen niemals das höchste Ziel der Vollkommenheit erreichen, hinter ihrem eignen Streben weit zurück und vor Gottes Gericht immer verschuldet bleiben, wenn der Herr ihnen ihre Fehler nicht verzeiht. Wie schmählich ist es also, wenn die Papisten von überschüssigen Werken träumen, mit welchen man Gott versöhnen könnte!

Abschnitt 37. – 5. Mose 26, 1 – 11 / 4. Mose 15, 17 – 21 / 2. Mose 22, 28 / 2. Mose 23, 19 / 2. Mose 34, 26.

5. Mose 26.

V. 1. Wenn du in das Land kommst usw. Dass die Israeliten die Erstlinge ihrer Früchte darbringen und dass sie anderseits eine Kopfsteuer zahlen sollten, hat den gleichen Sinn: sie sollten damit bekennen, dass sie mit all ihrem Gute dem Herrn gehörten. Nur darin lag ein Unterschied, dass die Kopfsteuer ein Zeichen der Freilassung war, die sie damit als ein besonderes Geschenk der göttlichen Gnade anerkennen sollten; dagegen dienten die Erstlingsgaben als ein Zeugnis, dass das Land dem Herrn zinspflichtig war und dem Volke nur zu Lehen gegeben war, während der eigentliche Besitz und das Regiment Gott allein gehörte. So hatten diese Erstlingsgaben den Zweck, den Juden in jedem Jahre ihre gnädige Aufnahme zur Gotteskindschaft ins Gedächtnis zurückzurufen: ihnen war ein besonderes Erbe im Lande Kanaan geschenkt, woselbst sie ihrem Gotte fromm und heilig dienen und dabei bedenken sollten, dass der Herr sie nicht bloß wie alle anderen Völker, sondern wie seine eignen Kinder trug und nährte; deshalb war auch die Speise ihm geweiht. Sofern nun die Erstlinge unter die Opfergaben im Allgemeinen gehören, werden wir später von ihnen zu handeln haben. Hier haben wir nur auf ihren Hauptzweck zu achten: sie wurden darum vom Volke gefordert, um demselben einzuprägen, dass auch der Unterhalt des Lebens ihm von Gott zufloss; ferner sollten sie ein Zeichen des Glaubens sein, der Israel von den übrigen Völkern abschied und allein an Gott band.

V. 2. So sollst du nehmen allerlei erste Früchte. Wir wissen, dass in diesen ersten Früchten der gesamte Ertrag des Landes geweiht war. In ihnen brachte also das Volk ein Bekenntnis seines frommen und treuen Glaubens an Gott dar, den es im täglichen Leben als seinen Versorger erkennen musste. Heute ist ja nun diese zum Schattenwerk des alten Bundes gehörende Zeremonie dahin gefallen: dass aber ihr wahrer Sinn noch heute Bestand behält, lehrt die Mahnung des Paulus, dass auch unser Essen und Trinken zur Ehre Gottes dienen soll (1. Kor. 10, 31). Von dem Ort, den Gott erwählen wird, an welchem die Erstlingsgaben darzubringen waren, ferner in welchem Sinne es heißt, dass sein Name daselbst wohne, wird später noch gelegentlich der Opfer gehandelt werden.

V. 3. Ich bekenne heute usw. Mit diesen Worten bekannten die Israeliten, dass sie nicht aus eigenen Kräften oder durch einen Glücksfall in den Besitz des Landes gekommen waren, sondern durch Gottes freie Gnade, und zwar auf Grund seiner bundesmäßigen Zusage. Der Satz enthält also zweierlei: dass Gott dem Abraham versprochen, er werde ihm das Land als ein Erbe für seine Nachkommen zum Geschenk geben, weiter dass Gott dies Versprechen auch gehalten hat, nicht bloß indem er die Kinder Abrahams in den Besitz des Landes einführte, sondern indem er ihnen überdies ruhigen Frieden schenkte. Derselbe Gedanke wird alsbald (V. 5) noch ausführlicher verfolgt: die Israeliten sollen auch erzählen, wie jämmerlich es ihren Vätern ging, bis Gott sie mit seiner Gnade umfasste und seiner Barmherzigkeit würdigte. Antworten (V. 5) ist nach hebräischem Sprachgebrauch so viel wie anheben oder feierlich aussprechen: es ist ja von einem feierlichen Bekenntnis die Rede, mit welchem die Israeliten sich von Jahr zu Jahr wieder ihrem Gott verpflichteten. Als Stammvater wird dabei nicht Abraham genannt, sondern Jakob, an dessen Person man Gottes Gnade fast noch handgreiflicher erkennen konnte. Denn nachdem er aus dem Land Kanaan hatte fliehen müssen, brachte er einen erheblichen Teil seines Lebens in Syrien zu, um erst als alter Mann in die Heimat zurückzukehren; später veranlasste ihn wieder Hunger und Mangel, nach Ägypten zu wandern, wo er dann auch starb. So hatten seine Nachkommen das Land, in welchem ihr Vater Jakob nicht einmal ein Pilgrim sein durfte, weder nach dem Rechte der Erbschaft überkommen, noch durch eigene Macht erworben. Ein Syrer heißt Jakob, weil er dort bei Laban seine Weiber genommen, seine Kinder gezeugt und dem Lande Kanaan scheinbar ganz den Rücken gekehrt hatte, bis er endlich in schon vorgerücktem Alter an die Rückkehr dachte. Gab sich so der Stammvater viele Jahre mit seinem in Syrien erwählten Wohnsitz zufrieden, so konnten seine Nachkommen ihn in ihrem Bekenntnis recht wohl als einen Fremdling und Ausländer bezeichnen, wodurch sie dann selbst als Leute fremder Herkunft erschienen. Fahren sie dann fort, dass Jakob hinab nach Ägypten zog, dort ein Fremdling war und erst daselbst ein groß, stark und viel Volk wurde, so bezeichnen sie sich selbst damit als Ägypter: denn in Ägypten liegt der Ursprung ihres Namens und ihres Stammes. Im folgenden (V. 6) wird dann noch deutlicher, dass allein Gottes Hand Israel in das Land Kanaan führte: in ihrem harten Dienst schieen sie zu dem Herrn (V. 7), und der Herr erhörte ihr Schreien. Weiter soll sich Israel auch mit rühmendem Danke zu den Zeichen und Wundern bekennen, welche die Erlösung aus Ägypten verherrlichten, ein Antrieb, seinem Gott nicht nur mit halbem Herzen zu dienen, sondern seine Verehrung wider alle Gedichte der Heiden unverfälscht festzuhalten. Wollte man dies nicht tun, so würde dieser ganze fromme Brauch seinen Inhalt verlieren.

V. 11. Und fröhlich sein über allem Gut usw. Die Gedankenverknüpfung wird noch deutlicher werden, wenn wir etwa sagen: dann wirst du fröhlich sein usw. Denn für den Gebrauch von Speise und Trank soll hier vor allen Dingen eingeprägt werden, dass man sie mit freiem und fröhlichem Gewissen aus Gottes Hand als ein Zeugnis seiner väterlichen Gunst annehmen muss. Nichts macht das Herz unglücklicher als der unglückliche Zweifel. Darum fordert der Apostel (Röm. 14, 22) vor allem Gewissheit: niemand soll ohne zuversichtlichem Glauben von einer Speise genießen. In derselben Absicht erinnert Mose die Israeliten, dass sie erst nach vollzogener Pflicht der Dankbarkeit mit voller Freiheit und Freudigkeit Gottes Gaben würden genießen können. Damit empfängt das Volk den tiefsten Anstoß zur Erfüllung dieser Pflicht.

4. Mose 15.

V. 20. Als eures Teigs Erstling usw. Eine weitere Art von Erstlingsgaben: auch heilige Kuchen vom ersten neuen Gerstenteig sollen dargebracht werden. Man brachte zwar schon Erstlinge von den Früchten und Ähren: aber die Abgabe vom Brote selbst musste noch eindrücklicher wirken. Gott forderte den Zoll der Dankbarkeit nicht bloß von der Tenne, sondern auch von Mühle und Backofen, damit das Volk gerade beim Genuss des Brotes seinen Herrn vor Augen habe.

2. Mose 22.

V. 28. Deine Frucht Fülle und Saft usw. Indem diese Vorschrift dicht neben der Forderung der Erstgeburt erscheint, wird vollends deutlich, dass Israel mit diesen Erstlingsgaben sich zu seinem Gott bekennen sollte: denn das Opfer der Erstgeburt sollte doch jedenfalls das Gedächtnis der Erlösung festhalten und dem Volke einprägen, dass sie ihre und ihres Viehes Bewahrung dem Herrn verdankten: nun aber hatte Gott zur Gnadentat der Erlösung auch dies gefügt, dass er seinem Volke während der ganzen Folgezeit die nötige Nahrung spendete. An unserer Stelle ist nun insbesondere vorgeschrieben, dass man nicht bloß von den Beeren des Weinstocks und Feigenbaums, sondern auch von ihrem Safte Erstlinge darbringen sollte. Dabei heißt es ausdrücklich: du sollst nicht zurückhalten. Mose findet es eben immer wieder nötig, vor einem frevelhaften Vergessen der Erlösung und einer undankbaren Entweihung von Speise und Trank zu warnen. Wissen wir doch, wie Israel auch die klarsten Vorschriften verachtet und übersehen hat, worüber sogar unmittelbar nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft der Prophet Maleachi (3, 7. 10) klagen muss.

Abschnitt 38. – 3. Mose 12, 1 – 8.

V. 2. Wenn ein Weib empfähet usw. Die hier vorgeschriebene Ordnung hat einen doppelten Zweck: sie will die Juden an die allgemeine Verderbnis der Menschennatur erinnern und zugleich ein Heilmittel für dies Übel darbieten. Warum ein Weib, das empfangen und geboren hat, unrein heißt, lässt sich leicht einsehen: das ganze Geschlecht Adams ist befleckt und durch Schmutz verunreinigt; so verunreinigt sich eine Mutter einfach dadurch, dass sie ein Menschenkind empfängt und gebiert, und auch der Geburtsakt selbst wirkt befleckend. Daraus sieht man, wie schmutzig und hässlich in Gottes Augen unser ganzer Zustand ist, wenn wir doch durch unser bloßes Geborenwerden, ja noch ehe wir geboren sind, unseren Müttern eine Ansteckung zuziehen. Es wäre nämlich ein schwerer Irrtum, wollte man, wie oft geschieht, in unserer Seele lediglich die böse Lust im geschlechtlichen Verkehr verurteilt finden: denn die Reinigung soll ja nur dann stattfinden, wenn Nachkommenschaft erzielt wird. Es ist also wohl zu merken, dass hier nicht an die Unreinigkeit beim geschlechtlichen Umgang, sondern beim Gebären gedacht werden soll. Freilich ist der Geschlechtsakt, wenn er ohne Rücksicht auf die Erzeugung von Kindern vollzogen wird, eine schmutzige und hässliche Sache. Dieselbe Erzeugung von Kindern aber, um deren willen der Geschlechtsverkehr seinen unreinen Charakter verliert, wird nun aber hier als eine Ursache der Befleckung bezeichnet, weil eben das ganze Geschlecht Adams von Ansteckungsstoff voll ist. Hier empfangen wir einen starken Beweis wider den Irrtum des Pelagius2), der die Vererbung der Sünde Adams auf seine Nachkommen bestreitet und davon träumt, dass die Sünde unserer Eltern nicht durch Vererbung, sondern nur durch Nachahmung auf uns übergeht. Denn, wenn die Kinder rein und völlig unbefleckt wären, so könnte auch die Mutter nicht unrein werden. Durch diese Zeremonie wollte also Gott das Volk des alten Bundes lehren, dass alle Menschen unter dem Fluch geboren werden und eine angeborene Verderbnis mit sich bringen, welche auch auf die Mutter befleckend einwirkt. Sollte aber jemand sagen, dass diese Ansicht Schmach und Schande auf den heiligen Ehestand fallen lasse, so lässt sich ganz einfach antworten: dass auf das Ehebett kein Makel fällt, fließt lediglich aus Gottes gnädigem Übersehen. Dass also selbst rechtmäßig verbundene Eheleute Kinder zeugen, ist nicht an und für sich erlaubt, sondern durch Gottes Erlaubnis und besondere Bewilligung: so deckt die Heiligkeit der Ehe, was sonst als Schuld angerechnet werden müsste, und tilgt den Schmutz der verderbten Natur. So fällt denn auf die Ehe, durch welche die Kinderzeugung erst gesetzmäßig zulässig wird, kein Flecken. Daraus folgt aber keineswegs, dass die so geborenen Kinder heilig und fleckenlos sind: denn alle Kinder der Ungläubigen bleiben unter Schuld und Fluch, und die Kinder der Gläubigen werden nur durch übernatürliche Gnadenwirkung und durch besondere Einsetzung in die Gotteskindschaft dem allgemeinen Verderben entnommen. Und eben dies letztere will Gott klar und ausdrücklich einprägen, indem er für die Reinigung ein Opfer fordert (V. 6 ff.). Scheint nun auch Moses dabei nur an die Mutter zu denken, so können wir aus Lukas (2, 22) doch das richtige Verständnis entnehmen: denn er spricht von den Tagen „ihrer Reinigung“ d. h. der Mutter und des Kindes. Allerdings ließe sich fragen, ob denn für das letztere zur Reinigung der verderbten Natur nicht die Beschneidung ausreiche. Dass aber Gott hierfür sich nicht mit einem Zeichen begnügte, zeigt nur, wie groß unsere Unreinigkeit ist. Um uns im fortwährenden Gedenken daran zu üben, hat er noch ein zweites hinzugefügt, zumal er wohl wusste, wie tief die Heuchelei in den Menschenherzen sitzt, wie sicher sie sich in ihren Fehlern schmeicheln, und wie schwer ihr Stolz sich beugen lässt; vergessen wir doch nur zu leicht unser Elend wieder, auch wenn wir es notgedrungen anerkennen mussten. Dass hier (V. 3) ausdrücklich an die Beschneidung erinnert wird, geschieht also, um diesem nahe liegenden Einwand zu begegnen. Die Israeliten sollten nicht sagen, dass ja schon die Beschneidung verordnet sei, um den Fluch völlig zu beseitigen. Gott will eben einprägen, dass trotz der vorausgegangenen Beschneidung auch die hier vorgeschriebene Reinigung durchaus nicht überflüssig sei. Dieser Reinigung hat sich auch der Sohn Gottes unterzogen, obgleich er rein, ja die Reinheit selbst war: denn er vertrat in seiner Person das menschliche Geschlecht; darum ward er unter das Gesetz getan, auf dass er die, so unter dem Gesetz waren, davon erlöste (Gal. 4, 4 f.). Und durch diese freiwillige Unterwerfung hat er den alten Ritus abgeschafft, so dass heute die Kinder nicht mehr unter Darbringung eines Opfers bei dem sichtbaren Zelt dargestellt werden müssen, sondern es genug ist, in Christo selbst die Reinigung zu suchen.

V. 4. Sie soll daheim bleiben dreiunddreißig Tage. Eine Unreinigkeit von sieben Tagen bei der Geburt eines Knäblein und von vierzehn Tagen bei der Geburt eines Mägdeleins ist auf den Blutfluss zu rechnen (V. 2, 5), wie wir anderwärts auch von dem monatlichen Fluss hören werden. Aber auch für die übrige Zeit wird der Wöchnerin verwehrt, das Heiligtum, d. h. den Vorhof zu betreten, weil sie noch als unrein gilt, - nicht bloß damit sie selbst ihr Los beklage, sondern damit auch ihr Mann durch diesen Anblick erinnert und gelehrt werde, die Erbsünde als etwas Schreckliches und Abscheuliches anzusehen. Denn das bedeutete eine ernste Ermahnung zur Buße, wenn man erkennen musste, dass von dem Kinde, in dessen Geburt uns doch anderseits auch der Segen Gottes leuchtete, eine Befleckung ausging. Nun fragt sich aber, warum bei der Geburt eines Mädchens die Zeit der Unreinigkeit verdoppelt wird. Manche denken dabei an einen natürlichen Grund, weil in diesem Falle der Blutfluss länger anhielte. Und gewiss gehörte auch dies zur ehelichen Keuschheit und Enthaltsamkeit, dass die Männer während dieser Zeit ihre Frauen unberührt ließen. Trotzdem werden wir auch in diesem Stück hauptsächlich auf den Zweck dieser Ordnung achten müssen, wonach sie ein Spiegelbild des über das ganze Menschengeschlecht verhängten Fluchs sein sollte. Dass die Mutter durch die Geburt eines Mädchens stärker verunreinigt würde, weil die Sündhaftigkeit des weiblichen Geschlechts eine größere wäre, wird man wohl kaum behaupten dürfen. Erwägenswerter scheint der Hinweis darauf, dass der Sündenfall beim Weibe seinen Anfang nahm, indem Eva sich von der Schlange verführen ließ und nun mit ihrem Manne alle Nachkommen in das Verderben riss. Am wahrscheinlichsten aber ist es, dass in Rücksicht auf die Beschneidung die Strafzeit bei der Geburt eines Knaben auf die Hälfte herabgesetzt wurde. Denn wenn auch Gott durch dieses Zeichen beide Geschlechter sich heiligen wollte, so wurde dem männlichen Geschlecht doch der besondere Vorzug zuteil, dass an seinem Fleisch das Bundeszeichen wirklich vollzogen ward. Darum wird an diese Beschneidung, mit welcher der Vorzug des Mannes vor dem Weibe zusammenhing, hier ausdrücklich erinnert.

V. 8. Vermag aber ihre Hand nicht ein Schaf usw. Diese Vorschrift nimmt freundliche Rücksicht auf die Armen, denen nicht ein gar zu großer Aufwand zugemutet werden sollte, der sie nur unlustig zum Gehorsam gegen Gottes Gesetz hätte machen müssen. Wir sehen daraus, dass dem Herrn an äußerem Glanz und Reichtum nichts gelegen ist: das geringe und seiner Dürftigkeit angepasste Opfer des Armen ist ihm nicht weniger angenehm als die stattliche Gabe des Reichen.

Abschnitt 39. – 5. Mose 24, 8. 9 / 4. Mose 5, 1 – 3 / 3. Mose 13, 1 – 59.

5. Mose 24.

V. 8. Hüte dich bei der Plage des Aussatzes. Ich weiß, dass hier die Ansichten der Ausleger weit auseinander gehen, und dass sie die Vorschriften über den Aussatz in der Auslegung missdeuten. Die einen ergehen sich in Allegorien, andere meinen, dass Gott als ein vorsorglicher Gesetzgeber gesundheitspolizeiliche Vorschriften erlassen wollte, um der Ansteckung zu steuern. Diese törichte Ansicht widerlegt sich ohne weiteres dadurch, dass Mose hier (V. 9) auf das Beispiel der Mirjam verweist und anderwärts (4. Mose 5, 3) als Grund der Ausschließung angibt, dass die Aussätzigen nicht das Lager verunreinigen sollen, in welchem Gott unter seinem Volke wohnt, wobei sie z. B. auf gleiche Stufe mit Leuten zu stehen kommen, die an den Toten unrein geworden sind. Um also die eigentliche Absicht dieser Vorschrift klar heraustreten zu lassen, schien es mir nützlich, der eigentlichen Darlegung zwei kürzere Stellen einleitungsweise vorauszuschicken. Wenn 5. Mose 24 das Volk erinnert wird, die Vorschriften über die Plage des Aussatzes mit Fleiß zu halten, so wird damit ohne Zweifel eingeprägt, was 3. Mose 13 ausführlicher geordnet war. Erstlich soll sich nun das Volk an diePriester halten und nach ihrer Entscheidung tun. Diese selbst aber dürfen nicht willkürlich urteilen, sondern sollen sich nur als Diener und Sprecher Gottes, des einigen Richters, fühlen, dessen Verordnungen sie genau zu befolgen haben. Und das Gesetz wird durch ein ganz eigenartiges Beispiel bekräftigt! Gott hat selbst die Mirjam, die Schwester des Mose, eine Zeitlang aus dem Lager getan, damit die Unreinigkeit ihres Aussatzes dasselbe nicht verunreinigte (4. Mose 12, 10 ff.). Der Sinn dieses Hinweises ist schwerlich, das Volk zu warnen, dass es sich nicht durch seine Sünde die gleiche Strafe zuziehe wie Mirjam. Vielmehr passt am besten in den Zusammenhang, dass Gottes damalige Anordnung, welche die Mirjam aus dem Lager ausschloss, hier als ein Beispiel mit bleibender Gesetzeskraft beigebracht wird.

4. Mose 5

V. 2. Gebeut den Kindern Israel, dass sie aus dem Lager tun alle Aussätzigen. Diese Stelle zeigt klar, dass es sich nicht um eine Sanitätsregel, sondern um eine Übung der levitischen Reinigkeit handelt: weder durch Tote, noch durch Aussätzige usw. sollen die Israeliten (V. 3) ihr Lager verunreinigen. Alle Wohnstätten des erwählten Volkes sind ja gleichsam Stücke des göttlichen Heiligtums, von welchen jede Unreinigkeit fern bleiben soll. Wir wissen ja, wie auch durchaus unheilige Leute sich zum Dienst an Gottes Heiligtum drängen und mit befleckten Händen das Heilige berühren. So empfing das Volk des alten Bundes durch solche äußerliche Ordnung den sehr nötigen Fingerzeig, dass ein befleckter Mensch dem Herrn nicht in rechter Weise dienen, sondern höchstens mit seinem Schmutze anstecken kann, was sonst heilig ist. – Nunmehr können wir zur Auslegung des ausführlichen Gesetzes übergehen.

3. Mose 13.

V. 2. Wenn einem Menschen an der Haut etwas auffähret usw. Da nicht jeder Ausschlag oder Grind ein Aussatz war, der den Menschen unrein machte, so überträgt Gott den Priestern das Urteil, wobei die Merkmale verzeichnet werden müssen, durch welche der Aussatz sich vom gewöhnlichen Grind, und die verschiedenen Formen des Aussatzes sich von einander unterscheiden. Denn auch nicht jeder wirkliche Aussatz war unheilbar; er war es nur dann, wenn das durch und durch vergiftete Blut die Haut vollkommen verhärtet und eingefallen gemacht hatte. Übrigens lassen diese Vorschriften ersehen, dass diese uns fast unbekannte Krankheit bei den Juden sehr weit verbreitet gewesen sein muss. So konnten einige alte Schriftsteller gar die Verleumdung aussprechen, dass alle Juden aussätzig gewesen seien, und dass die Ägypter sie eben darum aus ihrem Lande getrieben hätten, um sich vor Ansteckung zu schützen. Die Verordnung geht nun dahin, dass bei dem ersten aufsteigenden Verdacht der Jude sich dem Priester stellen soll: findet dieser ein Anzeichen des Aussatzes, so soll er ihn (V. 4) sieben Tage verschließen, so lange bis man aus dem Fortschritt der Krankheit ersehen kann, ob es sich um den unheilbaren Aussatz handelt. Dass aber Gott den Priestern, und zwar denjenigen der ersten Ordnung, diese Feststellung übertrug, ist ein deutliches Zeichen, dass es sich in der Tat mehr um ein Stück des Gottesdienstes als um eine Gesundheitsmaßregel handelt. Wollte man demgegenüber sagen, dass doch um Ansteckungsgefahr willen die Aussätzigen aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen werden mussten, so ist ja dies richtig: man trifft aber damit nicht den Kern des Gebots. Denn obgleich, wenigstens im Laufe der Zeit, am besten die Ärzte die Feststellung hätten übernehmen können, hat Gott doch den Priestern dieses Amt übertragen und hat ihnen die nötigen Weisungen darüber erteilt. Um dem Urteil ein größeres Ansehen zu verschaffen, legt es Gott auch nicht in die Hände irgendwelcher Leviten, sondern allein der Kinder Aarons, welche die erste Rangordnung bildeten. Töricht ist aber die Spielerei, welche die Papisten mit dieser Vorschrift treiben: der geistliche Aussatz sei die Sünde, und über sie zu urteilen, sei auch heute das Amt der Priester, welche die Sünder von der Gemeinde der Gläubigen ausschließen und durch die Absolution wiederum reinigen und aufnehmen; und da das Urteil doch nur auf Grund genauer Untersuchung gefällt werden könne, so müsse die Ohrenbeichte vorausgehen. Wollte man sich auf solche Spitzfindigkeiten einlassen, so würde sich aber viel eher die gegenteilige Forderung ergeben. Denn nach unserem Texte soll ja der Priester gar kein Urteil über eine verborgene Krankheit abgeben, sondern erst nachdem offenbare Anzeichen zu sehen waren. Also ergäbe sich, dass verborgene Sünden gerade nicht dem priesterlichen Urteil unterstünden und dass die Qual der Ohrenbeichte zu Unrecht aufgerichtet wäre. Doch lassen wir diese Spielereien und achten einfach auf die Parallele zwischen uns und dem Volke des alten Bundes. Gott hat einst verordnet, dass man in seinem Volke die äußere Unreinigkeit am Fleische nicht dulden solle. Da nun durch Christi Ankunft das Schattenwerk der äußeren Zeremonie beseitigt ward, so bleibt für uns die Lehre übrig, dass unter uns kein Schmutz, der den reinen Gottesdienst verkehren müsste, geduldet und gehegt werden soll. So entspricht dieser Zeremonie bei uns die Exkommunikation, die Abtrennung von der christlichen Gemeinde, durch welche diese gereinigt wird, damit die Verderbnis nicht allenthalben um sich greife und nicht ruchlose und verbrecherische Menschen gleiches Recht in der Kirche hätten. Wenn nun Gott den Kranken noch sieben Tage verschließen lässt, so lange seine Krankheit noch unausgeprägt und zweifelhaft ist, so legt er uns damit Mäßigung ans Herz, damit nicht Leute, die noch heilbar sind, vor der Zeit verurteilt werden. Es gilt, einen Mittelweg zu gehen: auf der einen Seite soll der Richter sich im Verzeihen nicht gar zu schlaff und nachgiebig beweisen, auf der anderen Seite soll die Strenge durch Billigkeit gemildert und insbesondere das Urteil nicht überstürzt werden.

V. 29. Wenn ein Mann oder Weib … ein Mal hat. Gemeint ist nicht ein kahler Kopf, wie er sich im Greisenalter einzustellen pflegt, sondern ein ganz eigenartiger Haarausfall, der mit dem Aussatz zusammenhängt. Weil aber gewisse Erscheinungen auf den ersten Blick sich wenig vom Aussatz unterscheiden, darum war genaue Beobachtung erforderlich.

V. 44. So ist er aussätzig und also unrein. Dieser Satz sagt einfach, dass ein Aussätziger als unrein zu gelten hat. Im nächsten Satze aber wird angeordnet, dass das Urteil über diese Unreinigkeit der Priester sprechen soll, und dass von da ab der Betreffende nicht mehr in Menschengemeinschaft geduldet werden darf. Das besagt der Satz: der Priester soll ihn unrein sprechen … auf seinem Haupt: eine gerechte Schmach soll auf seinem Haupte ruhen. Mose nimmt nämlich als allgemein zugestanden an, dass Gott die Menschen, die er mit Aussatz schlägt, öffentlich brandmarkt, - und so kann er sagen, dass sie ihre Strafe recht und billig tragen. Die nächsten Verse beschreiben die Weise des Vollzugs (V. 45 f.). Zum Zeichen der Schmach sollen die Kleider des Aussätzigen zerrissen, sein Haupt bloß und seine Lippen verhüllt sein, und er selbst soll zum Herold seiner Befleckung werden; endlich soll er allein wohnen, von jedem Verkehr mit Menschen ausgeschlossen. Der Ausdruck außer dem Lager zeigt, dass Mose an die gegenwärtigen Zustände während der Wüstenwanderung denkt. Denn nachdem das Volk sesshaft geworden, verwies man die Aussätzigen aus den Städten und Dörfern in die Einsamkeit. Den Grund für die Bedeckung des Mundes wollen manche darin finden, dass der verpestete Atem nicht ansteckend wirken sollte: aber das ist wohl nicht hinreichend begründet. Ich möchte lieber annehmen, dass der Mund wie bei einem Toten bedeckt sein sollte, zum Zeichen, dass der Aussätzige bürgerlich als tot galt. Statt des Satzes: und soll rufen: Unrein, unrein! ließe sich auch übersetzen: und er soll als unrein ausgerufen d. h. öffentlich erklärt werden. Indessen spricht schon die Wiederholung des Wortes dafür, dass es sich um einen Ruf handelt, den der Aussätzige selbst ausstoßen soll, damit niemand durch unvorsichtige Berührung sich anstecke. Wahrscheinlich wurde allerdings außerdem jeder Fall von Aussatz öffentlich verkündigt, und man wird sich gegenseitig die nötige Warnung zugerufen haben. Darauf scheint der Prophet Jeremia anzuspielen (Klagel. 4, 15), wenn er die Verunreinigung der Stadt beschreibt, wobei jedermann hin und her gerufen habe: „Ein Unreiner! Weicht, weicht!“

V. 58. Das Kleid aber usw. Diese Art von Aussatz ist uns nach Gottes unendlicher Barmherzigkeit unbekannt geblieben. Stoffe von Wolle und Fällen sind zwar von Motten bedroht, viele Gefäße von Rost, Grünspan und dergleichen, und dem Menschen hat Gott vielerlei Seuche auferlegt, sodass sich die Strafen der Sünde unserem Auge überall aufdrängen: was aber Aussatz an den Kleidern ist, wissen wir nicht. Dass es aber unter dem Gesetze nötig war, auch solchen Aussatz zu reinigen, war für das Volk des alten Bundes eine Mahnung, sich ernstlich auch vor äußerer Unreinigkeit zu hüten und sich von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes zu reinigen.

3. Mose 14, 1 – 56.

V. 2. Nunmehr verhandelt Mose, wie die Aussätzigen gereiniget und wieder aufgenommen werden sollen, wenn sie etwa Heilung gefunden. Hat er bisher gezeigt, welche Leute der Priester zur Gemeinschaft des heiligen Volkes zulassen und für rein erklären soll, so verordnet er jetzt einen Ritus der Entsündigung, aus dem das Volk abnehmen soll, welch einen Abscheu Gott gegen eine solche Unreinigkeit hegt, für die er eine so feierliche Sühne als nötig anbefiehlt. Weiter wollen aber diese Zeremonien dem Geheilten einprägen, dass er durch eine besondere Wohltat Gottes dem Tode entrissen ward, damit er in Zukunft umso ernstlicher nach Reinheit strebe. Denn das hier geforderte Opfer hatte zwei Teile: die Abwaschung des Schmutzes und die Danksagung. Dabei gilt es immer den schon im vorigen Kapitel erörterten Zweck der Zeremonie im Auge zu behalten: die Kinder Israel sollten erinnert werden, ihren Gott rein und lauter zu verehren und von seinem Dienste alle befleckende Entweihung fern zu halten. Weil also der Aussatz eine Art von Befleckung war, wollte Gott die von ihm Geheilten nicht anders als durch ein Opfer wieder in die Gemeinschaft seines heiligen Volkes aufgenommen wissen: der Priester sollte sie gleichsam wieder aussöhnen, nachdem sie aus der Gemeinde ausgestoßen worden waren. – Nun sind noch beachtenswerte Einzelheiten herauszuheben. Dem Priester wird das Amt der Reinigung übertragen: und doch darf er niemanden reinigen, der nicht vorher schon rein war. Damit beansprucht Gott auf der einen Seite den Ruhm der Heilung allein für sich, und doch schafft er eine Reinigungsordnung, die in seiner Gemeinde gelten soll. Sagen wir es ganz deutlich: allein Gottes Sache ist es, Sünden zu vergeben. Was bleibt denn aber für Menschen anderes übrig, als dass sie Verkünder der von Gott verliehenen Gnade sein können? Der Diener Gottes kann niemandem die Sünde vergeben, dem sie Gott nicht zuvor vergeben hat. Der menschliche Diener steht immer an zweiter Stelle: er kann nur das göttliche Urteil unterschreiben oder vielmehr den Spruch Gottes verkündigen. Darauf zielt der nachdrückliche Spruch (Jes. 43, 25): „Ich, Ich tilge deine Übertretungen, und außer mir niemand.“ In demselben Sinne verheißt Gott mehrfach bei den Propheten, dass das Volk rein werden solle, wenn er es reinige. Damit streitet aber nicht, dass in einem gewissen Sinne auch die berufenen Lehrer den Schmutz des Volkes reinigen. Denn da allein der Glaube die Herzen reinigt, sofern er nämlich das Zeugnis annimmt, das ihm Gott durch Menschenmund gibt, so heißt es ganz richtig, dass der Diener am Worte, der unsere Versöhnung mit Gott verkündigt, unseren Sündenschmutz abtut. Diese Entsündigung ist noch heute in Übung, wenn auch die alte Zeremonie längst dahin gefallen ist. Weil aber die geistliche Gesundheit, die wir im Glauben empfangen, ihren Ursprung allein in Gottes Gnade hat, so schmälert auch der Dienst eines Menschen Gottes Ehre nicht. So wollen wir uns merken, dass beides trefflich zusammenstimmt: Gott allein ist der Spender unserer Reinigkeit, und doch soll man die Weise und äußeren Mittel, durch welche er uns reinigt, keineswegs verachten. Insbesondere empfangen wir hier einen Wink für die kirchliche Ordnung, dass wer durch die öffentliche Autorität einmal aus der Gemeinschaft der Heiligen ausgeschlossen ward, nur wieder aufgenommen werden soll, nachdem er seine Reue und den Entschluss zu einem neuen Leben ausdrücklich kundgegeben hat. Zu bemerken ist übrigens, dass den Priestern dieses Gerichtsamt nicht bloß unter dem Gesichtspunkt übertragen ward, dass sie in ihrer Person Christum vorbildeten, sondern auch kraft des Amtes, das auch wir noch mit ihnen gemein haben.

V. 3. Und der Priester soll aus dem Lager gehen usw. Dies bezieht sich auf die Untersuchung, über welche bereits das vorige Kapitel ausführliche Vorschriften gab, ohne welche selbstverständlich der einmal Ausgestoßene auch nicht wieder aufgenommen werden durfte. Die folgende Vorschrift (V. 4 ff.) rechnet wohl darauf, dass den Priester jedes Mal ein Levit begleitete, um das Opfer zuzurüsten, wobei doch dem Priester die erste Stelle blieb. Was die zwei Vögel anbelangt, so will die mit ihnen vorgenommene Zeremonie im wesentlichen die Reinigung vom Aussatz als eine Art Auferstehung darstellen. Zwei Vögel hatte man vor Augen, deren einem mit dem Blute des andern die Freiheit erkauft wurde: denn er wurde erst losgelassen, nachdem man ihn zuvor in das Blut und Wasser getaucht, und dann erst fand die Besprengung statt, mit welcher der Mensch gereinigt werden sollte, - und zwar (V. 7) siebenmal, um dem Gedächtnis den Hinweis auf die Gnade für alle Zeit tief einzuprägen. Wird doch in der Schrift mit der Siebenzahl häufig die Vollkommenheit ausgedrückt. Demselben Zweck dient es, wenn der Geheilte (V. 9) seine Haare abscheren und seine Kleider waschen soll. Dabei durfte er nicht gleich am ersten, sondern erst (V. 8) am achten Tage wieder in seine Hütte zurückkehren. Am vorhergehenden siebenten Tage beschor er den Bart, die Augenbrauen und alles Haar, wusch sich und seine Kleider; darauf erst kam er zum Opfer. So viel gehört dazu, Menschen zu einer ernsten Betrachtung ihrer Sünde zu erziehen, die sie hassen lernen sollen, wie auch zu einer rechten Würdigung der Gnade, die sie frei macht.

V. 10. Und am achten Tage soll er zwei Lämmer nehmen usw. Wie die Kinder am achten Tage als Glieder in die Gemeinde eingefügt wurden, nachdem die mit der Geburt zusammenhängende Unreinigkeit abgewaschen, so wird hier am achten Tag zur Wiederaufnahme auch derer festgesetzt, welche ihre Gesundheit wiedererlangt und dadurch gleichsam eine Wiedergeburt erfahren hatten. Denn solche Menschen, die um des Aussatzes willen aus der Gemeinschaft des heiligen Volkes ausgestoßen waren, galten als tot. So wird ein Opfer verordnet, welches die teilweise um ihre Kraft gekommene Beschneidung wiederherstellen soll. Übrigens weiß ich nicht für alle hier beschriebenen Zeremonien einen Grund anzugeben, und die Leser werden gut tun, nicht allzu genau nachzuforschen. Einiges lässt sich aber mit großer Wahrscheinlichkeit deuten: dass der Priester mit dem Blut des Opfers (V. 14) etwas auf das rechte Ohr, den Daumen der rechten Hand und den großen Zehen des rechten Fußes streicht, soll bedeuten, dass der Aussätzige nun wieder zu Umgang und Brauch des alltäglichen Lebens zurückkehrt, dass er freien Zugang, freie Hantierung und freien Verkehr im Hören und Reden hat; denn auf Hören und Reden wird sich die Bestreichung des Ohres beziehen. Das Haupt wird (V. 18) mit Öl gesalbt oder gewaschen, damit am ganzen Leibe nichts Unreines zurückbleibe. Der Dürftigen und Armen (V. 21) schont aber der Herr: sie sind nicht gehalten, zwei Lämmer darzubringen, damit sie nicht über Vermögen beschwert werden. Daraus entnehmen wir, dass der Wert eines Opfers sich nicht nach dem Maß der Leistung bemisst, sondern nach der frommen Gesinnung: so darf jeder mit frohem Gemüte darbringen, wie viel ihm gegeben ist.

V. 34. Wenn ihr ins Land Kanaan kommt usw. Hier ist von einer anderen Art des Aussatzes die Rede, die uns heute glücklicherweise unbekannt ist. Wie Gott die Kinder Israel mit besonderen Vorzügen geschmückt hatte, so war es auch billig, dass er den undankbaren Missbrauch dieser herrlichen Gaben besonders eindrücklich und schrecklich bestrafte. So wundern wir uns nicht, dass er Strafen verhängte, von denen wir nur zu hören brauchen, um zu erstaunen und zu erschrecken. War es schon ein jämmerliches Schauspiel, den Aussatz an menschlichen Leibern zu sehen, so ist es doch fast einem Wunder gleich, dass dieser Aussatz auch Häuser befällt, deren Herren er mitsamt ihren Familien austreibt; denn wer mit Wissen und Willen darin geblieben wäre, der hätte sich und allem Hausgerät die schleichende Ansteckung zugezogen. Weil aber Gott die Leute, deren Haus der Aussatz befiel, mit einem öffentlichen Schandfleck stempelte, so soll der Betroffene (V. 35) es selbst ansagen und damit seine Schuld gestehen, und nicht bloß dann, wenn das Übel schon überhand genommen, sondern schon, wenn der erste Verdacht aufsteigt. Übrigens zeigt das Gesetz, dass manche nur leicht gezüchtigt werden (V. 37 ff.): in diesem Falle, wenn nach der Besichtigung durch den Priester innerhalb sieben Tagen der Flecken nicht wuchs, wurden nur die Wände abgeschabt, und der Besitzer konnte in sein Haus zurückkehren. Andere strafte Gott schwerer (V. 43 ff.): es konnte nötig werden, ein Haus bis auf den Grund abzubrechen, weil sich auf andere Weise die Befleckung nicht beseitigen ließ. Waren dies nun auch Zeichen des Zornes Gottes, so wollte der Herr doch sein Voll durch die sühnende Reinigung seines Schmutzes im Eifer für ein reines Leben üben: war es doch, als verschlösse er Menschen, die aus einem unreinen Hause kamen, den Zugang zu seinem Heiligtum. Diese Gebräuche wollten also hauptsächlich einprägen, dass ein jeglicher mit Eifer und Mühe darauf bedacht sein solle, sein Haus rein, keusch und von aller Befleckung sauber zu halten. Wenn dann durch Gottes Gnade die Plage vorüberging (V. 48 ff.), so musste, ebenso wie für die Menschen, ein Dankopfer gebracht werden. - - Das nächste Kapitel, welches nicht etwa von Verunreinigungen im Allgemeinen handelt, sondern nur von solchen, die mit der Fleischeslust zusammenhängen, könnte vielleicht passend auch zum siebenten Gebot verhandelt werden: der Zusammenhang wird doch alsbald zeigen, dass es hierher gehört.

Abschnitt 40. – 3. Mose 15, 1 – 33.

V. 2. Wenn ein Mann an seinem Fleisch einen Fluss hat usw. Hier werden andere Arten von Befleckung erörtert, welche eine feierliche Reinigung erfordern. Zuerst lehrt Mose, dass Männer sich durch den Samenfluss verunreinigen. Derselbe kann in doppelter Weise auftreten, entweder durch einen Erguss vermöge eines Traums, oder durch allmähliches Ausfließen in der Krankheit, welche den griechischen Namen „Gonorrhö“ trägt. So könnte die hier gegebenen Vorschriften auch als Anhang zum siebenten Gebot verhandelt werden: aber wenn man genauer zusieht, ergeht darin doch nicht bloß ein Urteil über allerlei unreine Lust, sondern wir haben es mit einem allgemeinen Gesetz für die Pflege der Reinigkeit zu tun, welches sich nicht auf die Erziehung zur Keuschheit beschränkt. Denn ein aus Krankheit und Schwachheit sich ergebender Samenfluss hat, wenn nicht etwa diese selbst durch unmäßigen Geschlechtsgenuss erworben wurde, keinen notwendigen Zusammenhang mit unreiner Lust. Vollends was in Betreff des monatlichen Flusses der Weiber folgt (V. 19 ff.), steht auf ganz gleicher Stufe mit anderen Befleckungen und Verunreinigungen. Alles in allem: der Samenfluss zählt unter die Unreinheiten, um deren willen ein Israelit nicht zum Heiligtum und zum äußeren Gottesdienst sich nahen durfte. Darum ist stets die Regel festzuhalten, dass vor Gott Sünde ist, was von einem unreinen Menschen getan wird, und dass niemand sich oder das Seine in rechter Weise dem Herrn darbringen kann, der nicht an Leib und Seele rein und sauber ist. So erläutert Paulus Sinn und Zweck dieser Zeremonie (2. Kor. 7, 1), wenn er die Gläubigen ermahnt, dass sie als Glieder des göttlichen Eigentumsvolkes sich von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes reinigen sollen. Übrigens verkündet Mose, dass ein Mann nicht nur dann unrein wird, wenn der Same ausfließt, sondern auch (V. 3), wenn er zurückgehalten bleibt, und dass die Unreinigkeit nicht nur an ihm selbst haftet, sondern auch (V. 4 ff.) auf alles übergeht, was er anrührt, auf Bett, Sitz, Reitsattel, Decken usw., so dass die Verunreinigung auch auf einen anderen übergeht, der etwa auf derselben Unterlage liegt oder auf demselben Sattel reitet. Durch diese Verordnungen wollte Gott einen Abscheu erwecken, damit man sich umso ängstlicher vor allerlei Beschmutzung hüte. Denn an sich wäre hier nicht immer ein abscheuliches Vergehen gewesen, wenn nicht eben diese äußere bedeutsame Übung, die ein Hinweis auf die geistliche Reinigkeit sein sollte, die Sache dazu gestempelt hätte. So ist es der tiefste und wahre Gehalt dieser Zeremonie, was wir Ps. 24, 3 f. lesen: „Wer wird auf des Herrn Berg gehen? und wer wird stehen an einer heiligen Stätte? Der unschuldige Hände hat und reines Herzens ist.“ Also auch wer bei einem Samenfluss sich keiner Schuld bewusst war, sollte sich doch durch diese Zeichen an die Verderbtheit seiner Natur erinnern lassen; und einer sollte dem andern zum Beispiel dienen, damit ein jeglicher sich ernstlich hüte, da ja das ganze Menschengeschlecht in der Verderbtheit steckt. Die Abwaschung stellte das Heilmittel für das Übel vor Augen: und dass dadurch die Schande gebrandmarkt wurde, war ein Antrieb zur Buße. Ein Mensch, der durch irgendeine Pest verseucht ist, muss beschämt werden, damit er ein Missfallen an sich selbst empfinde: aber die Erkenntnis des Übels würde nur zur Verzweiflung führen, wenn nicht zugleich eine Hoffnung auf Vergebung eröffnet würde. Also wurden alle, die der Reinigung bedurften, immer an das Wasser gewiesen. So oft aber vom Wasser die Rede ist, soll uns das Wort des Apostels in den Sinn kommen (1. Joh. 5, 6), dass Christus mit Wasser und Blut gekommen ist, um allen Schmutz zu reinigen und zu sühnen. Außer der Reinigung durch Wasser wird (V. 14) das Opfer von zwei Turteltauben oder von zwei jungen Tauben verordnet. Der Sinn ist der gleiche, dass nämlich ein Unreiner seine Reinigung außer sich selbst suchen sollst, die wir dann endlich durch Christi Opfer erlangt haben.

V. 19. Wenn ein Weib ihres Leibes Blutfluss hat usw. Jetzt ist von den Weibern die Rede, die einen doppelten Blutfluss haben können, den regelrechten monatlichen oder einen krankhaften und andauernden. Beide Formen werden als unrein erklärt. Für die monatliche Regel wird eine bestimmte Zeit der Enthaltung vorgeschrieben, während welcher das Gesetz den Verkehr mit dem Manne verbot; handelte es sich aber um einen außergewöhnlichen Fluss, so wurde die Zeit der Reinigung verschoben, bis er aufgehört hatte. So sehen wir, wie in allen solchen Dingen, die man schamhaft zu verdecken pflegt, Israel eine Erinnerung an seinen Schmutz empfängt: auf diese Weise sollte es an eine heilige Scheu gewöhnt und zum Eifer der Reinigung erzogen werden. Dies ergibt sich auch aus der abschließenden Erinnerung (V. 31): So sollt ihr die Kinder Israel warnen vor ihrer Unreinigkeit, dass sie nicht sterben, wenn sie meine Wohnung verunreinigen. Kurz, Gott enthüllt hier seine Absicht, dass alles unheilige Wesen seinem Volke fernbleiben soll: er will, dass in seinen Anbetern ein klarer Sinn regiere, und er kann es nicht dulden, dass sein Zelt durch irgendeinen Flecken verunreinigt werde.

Abschnitt 41. – 5. Mose 23, 1. 2.

V. 1. Es soll klein Zerstoßener usw. Auch die hier in Betreff der Verstümmelten und Hurenkinder gegebene Vorschrift dient dem gleichen Zweck: Gottes Gemeinde soll nicht durch hässliche Flecken beschmutzt werden, wodurch ja die Religion ihre Würde verlieren müsste. Zwei Arten von Menschen schließt Mose aus der Gemeinde der Gläubigen aus: Verschnittene und Hurenkinder. Doch es fragt sich, was es bedeutet: in die Gemeine des Herrn zu kommen. Die Meinung wird weder sein, dass die Betreffenden kein öffentliches Amt bekleiden sollen, noch dass sie kein Weib aus dem Samen Abrahams nehmen sollen, weil es eine Schmach und Unreinheit wäre, die Töchter Israels, die das Gottesvolk fortpflanzen sollten, an Entmannte wegzuwerfen. Vielmehr wird Mose die mit den genannten beiden Fehlern Behafteten vom Gebrauch der heiligen Handlungen ausschließen wollen. War ihnen auch die Beschneidung mit dem erwählten Volke gemein, so sollten sie doch nach Gottes Willen ein Zeichen ihres Makels tragen, damit sie andern zum Beispiel dienen, und das Volk sich umso eifriger vor aller Befleckung hütete. So wurde ihnen ein Vorrecht genommen, welches alle anderen Israeliten besaßen: sie hatten keinen Teil am Heiligtum und den heiligen Versammlungen. Indem davon zunächst Leute betroffen werden, deren Geschlechtsorgan irgendwie beschädigt oder verstümmelt ist, will Gott seinem erwählten Volke einprägen, dass es entsprechend seinem Vorzuge sich auch zu halten hat: ihre besondere Stellung soll den Kindern Israel keinen Anlass zum Hochmut, sondern zu einem besonders heiligen Leben bieten.

V. 2. Es soll auch kein Hurenkind usw. Darunter werden nicht alle unehelich Geborenen zu verstehen sein, sondern nur die Kinder solcher Mütter, die unterschiedslos sich preisgaben, sodass der Vater nicht festzustellen war. Diese Verordnung sollte das Geschlecht Abrahams daran erinnern, wie es um seiner Würde willen sich von heidnischen Befleckungen rein halten müsse. Die bedauernswerten Kinder, die davon betroffen wurden, sollten freilich nicht von der Hoffnung des ewigen Lebens ausgeschlossen sein: denn es war nicht ihre Schuld, dass sie den Namen ihres Vaters nicht nennen konnten; es war nur eine zeitliche Strafe, welche sie demütigte, und durch welche sie für andere ein nützliches Beispiel werden sollten.

Abschnitt 42. – 4. Mose 19, 1 – 22.

V. 2. Diese Weise soll ein Gesetz sein usw. Weil die Gläubigen bei ihrem Wandel in der Welt nicht vermeiden können, dass der mannigfache Schmutz, mit dem sie in Berührung kommen, auch sie bespritzt, so wird hier die Herstellung eines Reinigungswassers beschrieben (V. 9), mit dessen Besprengung sie ihre Unreinigkeit abwaschen und sühnen können; alsdann werden die verschiedenen Arten von Befleckungen verzeichnet (V. 11 ff.), für welche die Reinigung erforderlich ist. Gott verordnet, dass eine rötliche Kuh geschlachtet werden solle, die noch kein Joch getragen hat. Dieselbe wird außerhalb des Lagers samt Fell und Kot verbrannt; die Asche wird dann von einem reinen Manne zusammengescharrt und außerhalb des Lagers zum allgemeinen Gebrauch des Volkes aufgeschüttet. Damit aber das mit dieser Asche in Berührung gebrachte Wasser die nötige Sühnekraft bekomme, muss zuvor (V. 4) der Priester vom Blute der Kuh siebenmal etwas mit seinem Finger vor den Altar gesprengt haben. Diese ganze Zeremonie hatte einen doppelten Zweck. Erstlich wollte Gott sein Volk anleiten, seine Unreinigkeit genau in Augenschein zu nehmen, und damit sie inwendig rein würden, sollen sie eifrig ausschauen, dass sie nicht eine Befleckung von außen ankomme. Weiter soll eingeprägt werden, dass bei schon vorhandener Verunreinigung auch die Sühne anderswoher kommen müsse, nämlich durch das Opfer und die Besprengung. So werden die Menschen erinnert, dass sie selbst vergeblich Mittel zu ihrer Reinigung suchen werden, weil Reinheit nur aus dem Heiligtum kommen kann. Wollte man die Einzelheiten gar zu genau ausdeuten, so würde man leicht fehl greifen: man wird sich begnügen müssen, auf den Zweck und den Nutzen zu achten, den die Zeremonie im Ganzen für das Volk haben sollte. So deutet die rote Farbe der Kuh schwerlich auf die Sünde, sondern wird lediglich verordnet sein, weil sie die gewöhnliche war, und weil Gott nicht Auffälliges und Besonderes verlangen wollte. Wichtiger ist die bei allen Opfern wiederholte Vorschrift, dass das Tier ohne Gebrechen sein soll; auch darf es noch kein Joch getragen haben: es soll also noch nicht unter Menschenhänden gewesen sein, damit die Reinigung nichts Menschliches an sich habe. Die Darbringung wird nun den Kindern Israel, also dem ganzen Volke anbefohlen: denn wenn wir an der Reinigung Anteil gewinnen wollen, muss jeder Einzelne Christum dem Vater darbringen. Denn wenn auch er sich allein und einmal dem Vater dargebracht hat, so wird uns doch anbefohlen, ihn täglich durch Glauben und Gebet darzubringen. Diese Aufopferung Christi, durch welche wir uns die Kraft und Frucht seines Todes aneignen, ist ganz etwas anderes als die verkehrte Darbringung im Messopfer, worin die Papisten das heilige Abendmahl verwandelt haben, weil sie meinen, dass ohne dieses tägliche Opfer sein Tod uns nichts nützen könne.

V. 3. Und gebet sie dem Priester Eleasar. Hier wird der Unterschied zwischen den beiden nötigen Darbringungen ganz deutlich: die Kuh zu schlachten steht nicht dem Volke zu, sondern ist allein das Amt des Priesters. So opfert das Volk mittelbar durch des Priesters Hand. Genau so ist es auch heute: obgleich wir, um Gott zu versöhnen, Christum vor sein Angesicht stellen müssen, so muss er doch selbst für uns eintreten und seines Priesteramts walten. Dass der Priester die Kuh hinaus vor das Lager führen soll, ist ein Zeichen des Fluchs, der auf das Sühnopfer gelegt wird. Aus demselben Grunde wurden auch die für das Sühnopfer bestimmten Tiere, deren Blut darnach ins Allerheiligste gebracht wurde, außerhalb des Lagers verbrannt (3. Mose 16, 27). Diese bildliche Darstellung ist in Christo volle Wahrheit geworden, der außen vor dem Tore gelitten hat (Ebr. 13, 11 f.). Weil aber damit eine Art Verwerfung vollzogen wurde, und also leicht der Gedanke sich einstellen konnte, dass solches Opfer nichts wert oder dass es durch den Fluch befleckt sei, erklärt Gott durch die siebenmalige Besprengung des Altars, dass das Blut davon dennoch heilig und ein Opfer angenehmen Geruchs sei: denn mit etwas Unreinem hätte man doch den Altar nicht beflecken dürfen. Das sehen wir an Christus mit voller Deutlichkeit. Denn wenn er auch für uns ein Fluch ward (Gal. 3, 13) und sogar „Sünde“ genannt wird (2. Kor. 5, 21), weil er als Sühnopfer am Kreuz unsere Sünde trug, so verlor er damit doch nichts von seiner Reinheit: ist doch seine Heiligkeit die Heiligung der ganzen Welt. Denn er hat sich im Geist dargebracht (Ebr. 9, 14); und seinen Tod nennt Paulus ein Opfer von süßem Geruch (Eph. 5, 2; Phil. 4, 18).

V. 6. Und der Priester soll Zedernholz usw. Damit die Besprengung nicht bloß mit Wasser, sondern auch mit Blut stattfinden könne, wurde in das Feuer Zedernholz, Ysop und scharlachrote Wolle geworfen, woraus auch sonst das Besprengungsmittel hergestellt zu werden pflegte. Ohne die Belehrung, welche sie diesem äußeren Zeichen entnehmen konnten, hätten die Israeliten nicht so deutlich gewusst, dass sie nicht bloß mit Wasser gereinigt wurden, sondern dass auch die Darbringung des Opfers zur Tilgung ihres Schmutzes beitrug. Es genügte aber nicht die bloße Vergießung des Blutes, sondern es musste, wie wir sahen, auch eine Besprengung stattfinden, wenn anders man rein werden sollte. Da nun das Zedernholz einen kostbaren Geruch und der Ysop die Kraft der Reinigung besaß, so schließen wir daraus, dass das Opfertier rein blieb, wenn es auch die Sünden mitsamt ihrem Fluch und der Sühne auf sich nahm. Auf welche Weise wir aber mit dem Blute Christi besprengt werden, lehrt Paulus (1. Petr. 1, 2), nämlich durch den Geist. Und Johannes tut (1. Joh. 5, 6) vollends dar, dass alle Stücke dieser Zeremonie in Christo ihre Wahrheit finden, indem er schreibt, dass derselbe mit Wasser und Blut gekommen sei, und dass der Geist, der die Wahrheit ist, von ihm zeuge.

V. 7. Und soll seine Kleider waschen. Auf den ersten Blick scheint es ein Widerspruch, dass die Kuh Gott geweiht und rein sein soll und dass sie doch durch ihre Berührung den Priester verunreinigt; dennoch stimmt beides wohl zusammen. Denn dass sowohl der Priester als auch der bei der Verbrennung mitwirkende Gehilfe bis zum Abend unrein waren, bedeutet für das Volk eine tief schmerzliche Erinnerung, wie sehr man die Sünde verabscheuen müsse. Da nun aber nur ein reiner Mann (V. 9) die Asche von der Kuh aufsammeln durfte, und da sie nur an eine reine Stätte gelegt werden sollte, so wurde mit diesem Zeichen bewiesen, dass an dem Opfer selbst keine Unreinigkeit haftete, sondern dass der Mann um einer fremden und von außen kommenden Ansteckung willen unrein geschätzt wurde: war doch das Opfer eben dazu bestimmt, den Schmutz abzuwaschen. Darum auch das Wasser, in welches die Asche hinein getan wurde, ein Reinigungswasser und eine Sündensühnung heißt. Man fragt sich aber, warum (V. 10) diese Verordnung gleicher weise den Kindern Israel und den Fremdlingen gelten soll: denn Unbeschnittenen an dieser Reinigung Anteil zu gewähren, wäre doch unpassend gewesen. Die Schwierigkeit löst sich aber leicht, wenn man unter den Fremdlingen nicht Leute versteht, die von Israel ganz geschieden waren, sondern solche, die trotz ihres heidnischen Ursprungs sich an das Gesetz hielten: diese will Gott bezüglich der Opfer und anderer Kultushandlungen den Kindern Abrahams gleichstellen, damit nicht durch eine abweichende Behandlung die Einheit der Gemeinde zerrissen würde, welcher sie eingeleibt waren.

V. 11. Wer nun irgendeinen toten Menschen anrühret usw. Nunmehr werden einige Arten von Verunreinigung angeführt, bei denen eine Waschung notwendig wurde: es läuft dies alles darauf hinaus, dass die Berührung eines Leichnams, eines Grabes oder von Totengebeinen den Menschen verunreinigte. Da nun dabei durchaus kein Unterschied zwischen einem Ermordeten oder einem auf seinem Bette Verstorbenen gemacht wird, so sehen wir, dass uns der Tod an sich als ein Spiegelbild des göttlichen Fluches vor Augen gestellt werden soll. Und wenn wir seinen Ursprung und seinen Grund erwägen, so offenbart sich allerdings an jedem Toten die Verderbnis der Natur, die das Bild Gottes verunstaltet hat: denn wenn wir nicht durch und durch sündhaft wären, würden wir nicht zum Sterben geboren werden. So will denn Gottes Zeichensprache das Volk belehren, dass man sich eine Ansteckung zuzieht, wenn man mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis Gemeinschaft hat. Denn der Apostel nennt (Ebr. 6, 1) die Sünden „tote Werke“, entweder um ihres endlichen Zieles willen, oder weil der Unglaube die Seele im Tode gefangen hält, gleichwie umgekehrt der Glaube das Leben der Seele ausmacht. Da nun Leichnam, Totengebeine und Grab auf das hindeuten, was wir von Natur mitbrachten, und weil wir bei lebendigem Leibe tot sind, wenn wir nicht wiedergeboren werden, und Gott uns durch seinen Geist und den Glauben ein neues Leben einhaucht, so ist hier ohne Zweifel eine Erinnerung an die Kinder Israel, dass sie sich für ihren Gott rein und von aller Verderbnis frei erhalten sollen: denn jede durch die Berührung eines Toten entstandene Verunreinigung bedurfte alsbald schleunigster Reinigung. Der Zweck dieser Zeremonie ist aber lediglich der, dass die Kinder Israel frei von allen Fleischeslüsten ihrem Gott aufrichtig dienen und sich in steter Buße und Bekehrung üben sollen; wären sie aber ja aus dem Stande der Reinheit gefallen, so sollen sie durch Opfer und Waschung die Versöhnung mit Gott sich angelegen sein lassen.

V. 13. Wenn aber jemand … sich nicht entsündigen wollte usw. Dass ein solcher ausgerottet d. h. mit dem Tode bestraft werden soll, ist ein Beweis dafür, wie viel dem Herrn an der Reinheit gelegen ist. Allerdings konnte jemand, der die Besprengung am dritten oder siebenten Tage versäumt hatte (V. 12), unter weiterem Zeitverlust seine Nachlässigkeit wieder gut machen, da die Reinigung lediglich auf einen anderen Tag verschoben wurde: wer aber ungereinigt das Heiligtum betrat, beging ein todeswürdiges Verbrechen; denn dadurch wäre das Heilige mit Unheiligem vermischt, ja der Altar und der ganze Gottesdienst entweiht worden. Freilich ist die Berührung eines Leichnams nicht von großer Bedeutung und kann an sich nicht als ein schweres Verbrechen angerechnet werden; auch ist gewiss nicht die Meinung, dass Gott durch eine solche Verunreinigung, die man bei Ausübung frommer Pflicht sich zuzieht, beleidigt würde. Aber es gilt auf den Zweck der Zeremonie zu achten: Gott wollte durch solche elementare Unterweisung die Israeliten wie Kinder darüber belehren, dass es eine unerträgliche Frechheit wäre, wollte etwa jemand das Heilige mit seinem Schmutz beflecken. Sie sollten wissen, dass man dem Herrn nur mit lauterem Herzen und reinen Händen dienen kann. Starb jemand (V. 14) in der Hütte, so verunreinigte man sich durch das bloße Betreten des Raumes, und auch (V. 15) alles offene, nicht mit Deckel versehene Gerät wurde unrein.

V. 22. Und alles, was der Unreine anrühret usw. War ein Mensch, der einen Leichnam usw. berührt hatte, ganze sieben Tage unrein, so währte die Verunreinigung, die von ihm aus weiter übertragen wurde, doch nur bis zum Abend. Übrigens spielt der Prophet Haggai (2, 11 ff.) auf unsere Stelle an, indem er den Priestern die Frage vorgelegt wissen will, ob das Heilige durch seine Berührung ohne weiteres unrein mache. Und wenn er daraus schließt: „Eben also sind dies Volk und diese Leute vor mir auch, spricht der Herr; und all ihrer Hände Werk und was sie opfern, ist unrein“ – so enthüllt er uns damit als den eigentlichen Sinn unserer Zeremonie: verkehrte und verderbte Anbeter machen dem Herrn nicht Ehre, sondern Schande, indem sie seinen heiligen Namen mit ihrem unsauberen Wesen in Berührung bringen.

Abschnitt 43. – 5. Mose 23, 9 – 14.

V. 9. Wenn du ausziehest … und dein Lager aufschlägst usw. Was Mose dem Volke von der Reinigkeit zu Hause und im Frieden einprägt, dehnt er nun auch auf das Kriegslager aus: inmitten des Geklirrs der Waffen sollen sie sich von aller Befleckung rein halten. Wissen wir doch, wie im Kriege, wo man weniger nach Vernunft als nach plötzlicher Eingebung zu handeln pflegt, meist die Gesetze außer Wirksamkeit kommen, und wie man gemeinhin den Soldaten vieles erlaubt, was man im Frieden für unerträglich halten würde. Diesem Übel will Gott vorbeugen, indem er den Kindern Israel im Kriege den gleichen Eifer für Reinigkeit abefiehlt wie im Frieden. Denn wie zuvor der Unreinigkeit im Allgemeinen gewehrt wurde, so haben wir jetzt mit einem Sondergesetz für den Krieg zu tun, damit im Feldzuge nicht alle Bande der Scheu sich lösen. Wird nun selbst die Kriegsunruhe nicht zur Entschuldigung für ein unreines Wesen dienen, wie viel unverzeihlicher muss es erst sein, wenn jemand im Frieden und unter ruhigen Verhältnissen sich mit dem Schmutz einlässt! So sehen wir, wie Gottes Gesetze unter keinem Vorwande verletzt werden dürfen: mag die Erfüllung der Pflicht noch so schwer sein, so verzichtet doch Gott niemals auf sein Recht.

V. 10. Wenn jemand unter dir ist usw. Indem verschiedene Arten von Befleckungen aufgezählt werden, ersieht man erst, was damit gemeint war (V. 9), dass Israel sich vor allem Bösen hüten soll. Erstlich werden diejenigen für unrein erklärt, die im Traum einen Samenerguss hatten: sie haben sich aus dem Lager zu entfernen, bis sie sich vor Abends gereinigt haben. Wir sehen daraus, dass Schamlosigkeit einen Menschen tief schändet, wenn doch schon ein hässlicher Traum ihn unrein machen kann. Weiter soll (V. 12) das Lager auch nicht durch Kot verunreinigt werden: und nicht allein dies, sondern auch außen vor dem Lager, wo man sein Bedürfnis verrichtet, soll der Kot in die Erde gegeben werden, damit man nichts Hässliches sehe. Dass solche Vorschrift unter die Ordnungen der Heiligkeit aufgenommen wurde, darf uns nicht wundernehmen: Gott regelt in pädagogischer Absicht das Leben des alttestamentlichen Bundesvolkes bis ins kleinste, damit nicht aus Freiheit Frechheit entspringe. Hätten die Israeliten das Lager überall besudeln dürfen, so wären sie alsbald völlig verroht und in jeder Weise unflätig geworden. So wird ihnen ein Zügel angelegt, der auch ihr Gemüt zu größerer Sorgfalt in geistlicher Reinigkeit anleiten soll. Es handelt sich also keineswegs um eine bloße Sanitätsmaßregel: Mose zieht gar nicht bloß in Betracht, was gesund oder auch vor Menschenaugen anständig ist, sondern er will das Volk anleiten, alles schmutzige Wesen zu fliehen und sich rein und unbefleckt zu halten. Fügt er doch hinzu (V. 14): Denn der Herr, dein Gott, wandelt unter deinem Lager, dass er dich errette. So müssen die Kinder Israel sich hüten, ihr Lager zu verunreinigen, damit Gott nicht beleidigt werde und um des Schmutzes willen das Lager verlasse. Alles in allem: da sie der Hilfe Gottes bedürfen, wenn sie zum Kampf wider ihre Feinde ausziehen, so darf der Ernst der Heiligung selbst mitten im Kriege nicht nachlassen.

Abschnitt 44. – 5. Mose 22, 9 – 11. / 3. Mose 19, 19. 23 – 25. 27. 28. / 5. Mose 14, 1. 2.

5. Mose 22.

V. 9. Du sollst deinen Weinberg nicht mit mancherlei besäen. Die hier zusammengestellten Verordnungen, welche allen von außen eindringenden Verunreinigungen wehren, sind ohne Zweifel ein Anhang zum ersten Gebot. Darauf deutet auch der angegebene Grund, dass die Mischung des Samens das Gewächs verunreinigen würde. Es handelt sich offensichtlich um die Forderung völliger Reinheit. Freilich sagt Mose, dass durch die Mischung der Ertrag „geheiligt“ werde: aber dies wird doch wohl ein spöttischer Ausdruck für das Gegenteil sein3). Denselben Zweck hat die nächste Vorschrift (V. 10): Du sollst nicht ackern zugleich mit einem Ochsen und Esel. Dies Verfahren wird doch nur deshalb verboten, weil die Menschen leicht auf allerlei Irrwege geraten, sobald sie den Pfad der Schlichtheit verlassen. Doch will ich auf diese Erklärung nicht unbedingt bestehen, denn man könnte darauf hinweisen, dass das Verbot (3. Mose 19, 19) der geschlechtlichen Vermischung verschiedener Tierarten mit dem Gesetz der Keuschheit zusammenhängt, und dass der Gesetzgeber vielleicht der Betrügerei begegnen will, wenn er verbietet den Acker mit verschiedenerlei Samen zu besäen und (5. Mose 22, 11) ein Kleid aus Wolle und Leinen zugleich zu weben. Einfacher wird man doch daran denken, dass das Volk in der Reinheit erhalten werden soll: es soll sich nicht an verderbte Sitten gewöhnen, noch allerlei Mischungen verfallen, die schließlich auch den Gottesdienst verunreinigen werden. Gottes Absicht war, dass sein Volk in seinem ganzen Verhalten eine einfache Lebensführung zeigen und sich von allen fremdartigen Verkehrungen rein und frei halten sollte. In diesem Sinne vergleicht die Schrift (Matth. 16, 11) fremdartige Lehren, welche das schlichte Wort Gottes durch Zusätze oder Abstriche verfälschen, mit einem Sauerteig. Und es war auch nützlich, dass das Volk mit geringen und scheinbar bedeutungslosen Dingen geübt wurde: so wurde ihm ein Zügel angelegt, damit es keinen Schritt vom rechten Wege abweiche. Es war ja in der Tat eine Kleinigkeit, einen gröberen und einen feineren Faden zusammenzuweben, und vielleicht hätte sich auch solches Verfahren vielfach nützlich erwiesen; auf manchen Äckern mehrt es auch den Ertrag, wenn man zwischen den gewöhnlichen Weizen noch eine bessere Sorte sät; beliebt ist auch die Mischung eines Hengstes und einer Eselin, wodurch man Maulesel erzielt. Aber Gott wollte das alles dem Volke des alten Bundes nicht zulassen, damit es nicht allmählich zu größerer Freiheit verführt würde und sich ganz durch heidnische Sitten gefangen nehmen ließe. Darum lautet auch die Einleitung (3. Mose 19, 19): Meine Satzungen sollt ihr halten. So sehen wir, wie das Volk mit Schranken umgeben wurde, damit es sich nicht durch fremde Sitten beflecke und in die Bahnen der Heiden einlenke, von denen es doch geschieden war. Die Hauptsache von dem allen ist, dass Israel in Gottes Geboten bleibe.

3. Mose 19.

V. 23. Wenn ihr ins Land kommt und allerlei Bäume pflanzet usw. Diese Verordnung ist ebenso wie das Gesetz von der Beschneidung der Menschen ein Anhang zum ersten Gebot: selbst an den Bäumen sollten die Kinder Israel ein Zeichen ihrer Annahme zur Gotteskindschaft sehen und sollten lernen, dass allein Gottes Kinder deren Frucht in rechter Weise genießen können, und dass alles, was die Erde hervorbringt, in seinem ersten Ursprung gewissermaßen unheilig ist, bis dass es gereinigt wird. Denn sicherlich soll diese zeremonielle Vorschrift anschaulich darstellen, was Paulus (1. Tim. 4, 5) lehrt, dass alles durch das Wort Gottes und Gebet geheiliget wird, - nicht als wäre irgendeine Kreatur an sich unrein: aber da durch die Sünde des Menschen der Fluch auch auf die Erde übergegangen ist, so werden mit Recht in Rücksicht auf uns auch unschuldige Früchte wie eine Vorhaut unrein geschätzt. Alles in allem: Gott wollte sein Volk wie mit einem Zaun von den Heiden abscheiden und wollte daran erinnern, dass die Kinder Adams die Früchte der Erde nur durch eine besondere gnädige Erlaubnis ohne Sünden gebrauchen dürfen. So sind diese Früchte vor dem Zeitpunkt dieser Erlaubnis gleichsam unbeschnitten: nur auf Grund desselben Rechtes, durch welches die Israeliten zu Gottes Eigentum angenommen wurden, waren für sie auch die Früchte der Bäume rein. Damit es nun nicht als zu hart empfunden würde, wenn man drei Jahre lang den Ertrag nicht genießen durfte, verspricht Gott durch künftigen Segen einen Ausgleich zu schaffen: wenn man die unreine Frucht sich versagt, soll man für die Zukunft einen desto reicheren Ertrag erhoffen dürfen.

V. 27. Ihr sollt euer Haar am Haupt nicht rund umher abschneiden. Diese Vorschrift will offenbar nur ein Hindernis aufrichten, dass Gottes Volk nicht ganz und gar den unreinen Heiden sich gleichstelle. Denn nichts ist geläufiger, als dass einer vom andern solche Gewohnheiten annimmt, und so pflegt es zu geschehen, dass auch Fehler und Laster übertragen werden. Darum wurde es zunächst verhütet, dass Israel nicht gar zu leicht in fremde Lebensgewohnheiten sich fügte und auf diese Weise vielleicht auch vom rechten Gottesdienst abkäme: darauf gründet sich auch der Sprachgebrauch, dass, was allgemein verbreitet oder „gemein“ war, als unrein galt. So verhindert Gott mit aller Strenge, dass das Volk nicht durch Annahme heidnischer Sitten die von ihm gesetzte Sonderstellung verwische. Ohne Zweifel hing es mit mancherlei Aberglauben zusammen, wenn die Heiden Buchstaben in ihr Gesicht einätzten, das Haar in bestimmten Stufen und Figuren schnitten, in Trauerfällen ihr Fleisch aufritzten usw. So ist es bekannt, dass die Anbeter der Göttin Cybele mit Messern und Pfriemen ihr Fleisch verwundeten und sich in dieser Weise ganz und gar entstellten, im ihren Eifer zu zeigen. Auch sonst waren solche Sitten verbreitet, wie denn überhaupt der äußere Schein in der Welt Eindruck zu machen pflegt. Obgleich nun viele unter diesen Sitten an sich gleichgültig waren, so wollte Gott seinem Volke darin doch keine Freiheit lassen: wie Kinder sollten sie auch aus den geringsten Anzeichen lernen, dass sie ihrem Gott nicht anders gefallen könnten, als indem sie sich in allen Stücken von den unbeschnittenen Heiden unterschieden und soviel möglich von ihrem Vorbild entfernten; insbesondere sollten sie alle Zeremonien meiden, die bei den Heiden zum Ausdruck der Frömmigkeit dienten. Lehrt doch die Erfahrung, dass fremdartige Beisätze den wahren Gottesdienst nur verdunkeln können, und dass dem verkehrtesten Aberglauben Tür und Tor geöffnet wird, wenn Menschen ihre Fündlein an Gottes Wort hängen. Freilich könnte die Vorschrift (V. 28): Ihr sollt kein Mal um eines Toten willen an eurem Leibe reißen, auch darauf gedeutet werden, dass Gott einer unmäßigen Trauer wehren will: wissen wir doch, wie maßlos gegen Gott sich die Menschen gebärden, wenn sie ihrem Schmerze die Zügel schießen lassen. Aber weil dabei die Absicht der Heiden war, den Toten ihr Recht zu geben und die Totenfeier als eine Art von Sühnopfer zu begehen, so erscheint es passender, dass in diesem ganzen Zusammenhang die verkehrten Zeremonien verworfen werden, die bei den Heiden Ausdruck der Frömmigkeit waren, im Volke Gottes aber nur verunreinigend hätten wirken können. Dies ergibt sich aus 5. Mose 14, 1 mit voller Deutlichkeit, wo es in einem Zuge heißt: Ihr sollt euch nicht Male stechen noch kahl scheren über den Augen über einem Toten. Auch wird dort der Grund ausdrücklich angegeben: Ihr seid Kinder … Gottes, d. h. dem Eigentumsvolke ziemt solche Verunreinigung nicht. Gottes Gnade fällt dahin, wenn Israel sich nicht tatsächlich von den fremden Völkern abhebt. Der Hinweis (V. 2) auf die Erwählung aus allen Völkern soll zum Zeichen der herrlichen Gnade dienen, in welcher Gott sein Volk mit Übergehung aller anderen Völker zum ewigen Heil berief. Denn man konnte an Israel keinen besonderen Vorzug entdecken, auch war es nicht hervorragend durch große Zahl, noch bestand irgendein anderer Anlass, dies Volk der ganzen Welt vorzuziehen. So stellt denn Mose den Kindern Israel Gottes unvergleichliche Wohltat vor Augen, damit sie sich umso mehr vor unreiner Vermischung hüten, durch welche sie den Heiden gleich werden und aus ihrer Ehrenstellung herausfallen würden.

Abschnitt 45. – 3. Mose 20, 25. 26. / 3. Mose 11, 1 – 47. / 5. Mose 14, 3 – 20.

3. Mose 20.

V. 25. Ihr sollt absondern das reine Vieh usw. Ohne Zweifel hängt dieser Satz von dem vorhergehenden ab (V. 24): „Ich bin der Herr, der euch von den Völkern abgesondert hat.“ Dieser Hinweis dient zugleich den vorausgehenden Warnungen vor Unzucht wie auch der jetzt folgenden Unterscheidung von reinen und unreinen Tieren zur Stütze. Der Sinn dieser letzteren Vorschrift ist also der, dass Israel lernen soll, alle heidnische Befleckung zu fliehen und sich eifrigst vor ihr zu hüten. Schon mancherlei heilige Ordnungen waren als Wegweiser zu einem reinen Leben aufgestellt: jetzt wird solche Ordnung auch bis auf die Tiere ausgedehnt. Derartige Vorschriften müssten uns freilich lächerlich vorkommen, wenn wir nicht eben wüssten, dass sie Israel zur Reinigkeit anleiten und von der Vermischung mit den Heiden abhalten sollten. So wird denn noch einmal wiederholt (V. 26): Ich, der Herr, bin heilig, der euch abgesondert hat von den Völkern, dass ihr mein wäret. Daraus folgt, dass die Kinder Israel nach der Heiligung jagen sollen, damit sie sich dem Bilde Gottes gleich gestalten. Nun ist gar kein Zweifel mehr, dass wir es hier mit einem Anhang zum ersten Gebot zu tun haben, welches uns ja in der rechten und reinen Verehrung Gottes unterweisen und unsre Anbetung von allen abergläubischen Beimischungen freihalten will.

3. Mose 11.

V. 2. Das sind die Tiere, die ihr essen sollt usw. Schon längst vor Mose kannten die Väter den Unterschied reiner und unreiner Tiere, wie wir ganz deutlich an Noah sehen (1. Mose 7, 8; 8, 20), der nach Gottes Befehl je sieben Paare der reinen Tiere mit in die Arche nahm und davon hernach dem Herrn ein Dankopfer brachte. Diesen Befehl konnte er doch nur ausführen, wenn ihn entweder ein inneres Wissen leitete, oder wenn er eine Überlieferung von den Vätern her besaß. Indessen hat es nichts Anstößiges, dass Gott zur Bestätigung des alt überlieferten Unterschiedes zwischen den Tieren nunmehr genauere Kennzeichen hinzufügt: dadurch gewinnt das Gesetz noch an Heiligkeit, und es wird der Unwissenheit gewehrt, die sonst mehr und mehr zu Übertretungen führen könnte. So hat Gott auch den Sabbat sich schon seit der Schöpfung geheiligt und hat seine Beobachtung dem Volke schon vor Erlass des Gesetzes anbefohlen: später wurde die Heiligkeit dieses Tages dann nur noch stärker unterstrichen. Hier werden nun die reinen und unreinen Tiere sowohl namentlich als auch durch bestimmte Kennzeichen unterschieden. Auf die einzelnen Namen kommt für uns wenig mehr an, sie sind auch, da man manche der genannten Arten nur im Morgenlande genauer kennt, teilweise unsicher. Immerhin kann namentlich in Betreff der Haustiere kaum ein Zweifel obwalten, und die angegebenen Zeichen verschaffen uns völlige Gewissheit. Als rein gelten nun die Säugetiere (V. 3), welche gespaltene Klauen haben und wiederkäuen; unreine sind diejenigen, welchen eines dieser beiden Kennzeichen fehlt. See- und Flussfische (V. 9) sind rein, wenn sie sich durch Floßfedern und Schuppen eben als Fische ausweisen. Bei den Vögeln (V. 20 ff.) ist von den Reptilien die Rede. Was im Einzelnen zu bemerken ist, werden wir nachher ausführen. Jetzt prägen wir uns nur im Allgemeinen ein, was ich schon sagte: wenn die Heiden sich mit allerlei Speisen nähren, so waren den Juden viele Fleischarten verboten, damit sie selbst in ihrer Speise an das Trachten nach Reinigkeit erinnert würden, indem sie sich von der „gemeinen“ Sitte unterscheiden mussten. Freilich hindert schon der natürliche Instinkt die Menschen, viele von den Tieren zu essen, deren Genuss hier ausdrücklich untersagt wird. Gott aber wollte sein Volk mit Schranken umgeben und dadurch von den Nachbarvölkern scheiden. Die Ausleger, welche die Unterscheidung der Tiere als eine Art Sanitätsmaßregel ansehen, verkennen den Sinn des Gesetzes gründlich. Freilich sind die Speisen, deren Genuss Gott verstattet, gesund und zur Nahrung besonders geeignet: aber sowohl aus den ermahnenden Einleitungssätzen (3. Mose 20, 24 ff.), in welchen Gott sein Volk auf die Heiligung hinweist, als auch aus der Abschaffung dieses Gesetzes im neuen Bunde geht hervor, dass wir es hier mit einem Stück jener Pädagogik zu tun haben, unter welcher Gott sein alttestamentliches Volk erzog. Sagt doch Paulus (Kol. 2, 16 f.): „Lasset niemand euch Gewissen machen über Speise oder Trank, welches ist der Schatten von dem, das zukünftig war; aber der Körper selbst ist in Christo.“ Die will sagen, dass, was eine geistliche Wahrheit hatte, in den Speiseverboten äußerlich und schattenhaft dargestellt war. In demselben Sinne sagt der Apostel auch, er wisse und sei überzeugt in dem Herrn Jesu, dass nichts gemein sei an ihm selbst (Röm. 14, 14): denn Christus hat uns durch seinen Tod von solchen knechtenden Ordnungen befreit. Daraus folgt, dass auch das Speiseverbot unter die Zeremonien gehört, welche der gottesdienstlichen Übung dienten. – Doch erhebt sich des Weiteren die Frage, wie es zusammenstimme, dass schon zu Zeiten Noahs der Unterschied zwischen reinen und unreinen Tieren vorhanden war, und dass doch Gott damals den Fleischgenuss unterschiedslos gestattete (1. Mose 9, 3 f.). Die Annahme, dass ein damals von Gott gesetzter Unterschied allmählich in Abgang gekommen sei, erscheint mir unzulässig: denn mit alleiniger Ausnahme des Blutes überlässt Gott den Nachkommen des Noah alles zur Speise, was sich auf Erden reget. So wird sich die Unreinheit gewisser Tiere, von der schon die Alten wussten, lediglich auf ihre Darbringung als Opfer beziehen: und ich zweifle nicht, dass Abraham und die anderen Patriarchen Schweinefleisch ebenso gut wie Rindfleisch essen durften. Als aber Gott später dem Volk das Joch des Gesetzes auflegte, um sein ausschweifendes Leben zu zügeln, schränkte er auch die früher gegebene allgemeine Erlaubnis ein, - nicht als ob ihn seine Güte gereut hätte, sondern weil es nützlich schien, das noch unerzogene und ungebändigte Volk in dieser Weise zum Gehorsam anzuleiten.

V. 3. Alles, was die Klauen spaltet usw. Wenn ich auch Bedenken trage, mich in weitere Allegorien einzulassen, so wird man doch eine leise Ausdeutung der hier gegebenen Kennzeichen reiner Tiere allenfalls wagen dürfen: die gespaltenen Klauen mögen auf Scharfsinn in der Erforschung biblischer Geheimnisse deuten, das Wiederkäuen aber auf ein ernstes Nachsinnen über die himmlische Lehre. Die rechte „Spaltung“ ist nicht bei jedermann, der nur mit fleischlichem Verstande an Gottes Wort herankommt: denn Paulus sagt (1. Kor. 2, 15), dass nur der geistliche Mensch alles richtet. Dazu muss dann das Wiederkäuen kommen, damit man die geistliche Speise recht verdaue und aneigne. Denn viele schlingen die Schrift ohne viel Nutzen herab, indem sie weder mit rechtem Ernst nach weiterem Fortschritt trachten, noch ihre Seelen wirklich mit dieser Speise erquicken wollen: sie begnügen sich mit eitlem Wissen und verachten die Anwendung aufs Leben. So warnt also das erste Kennzeichen vor einer nicht tiefer eindringenden Unaufmerksamkeit, das andere vor dem hochfahrenden und leichtsinnigen bloßen Wissensdünkel. Diese Anwendung des von den Tieren Gesagten auf die Menschen durften wir wohl unternehmen, da ja auch in der Vision des Petrus die Heiden unter der Gestalt unreiner Tiere dargestellt werden (Apg. 10, 12). Weshalb aber Gott als Kennzeichen gerade die gespaltenen Klauen und das Wiederkäuen angegeben hat, weiß ich ebenso wenig, als warum gerade der Genuss des Schweinefleisches verboten war. Höchstens könnte man sagen, dass Tiere um ungespaltenen Klauen auch wild zu sein pflegen, und dass solche, die nicht wiederkäuen, gewöhnlich auch Schmutz und Kot fressen. – Wir wissen übrigens, dass alsbald im Anfang der evangelischen Predigt über diese Vorschriften ein heftiger Streit entbrannte, weil gar zu gesetzeseifrige Juden die Speiseordnung nicht zu den abgeschafften Zeremonien rechnen und die Kirche des neuen Bundes ganz ebenso wie das alttestamentliche Bundesvolk darauf verpflichten wollten. Endlich erkannte das Aposteldekret (Apg. 15, 28 f.) den Heiden vollständige Freiheit der Speisen zu: nur sollten sie, um den für die Juden empfindlichsten Anstoß zu meiden, sich vom Blut und vom Erstickten enthalten. Nachdem also nun der Unterschied der Speisen, den einst Gott selbst angeordnet hatte, abgeschafft ist, ist es eine teuflische Anmaßung, die Gewissen an menschliche Gesetze zu binden und ihnen die von Christus erworbene Freiheit zu rauben. – Es bleibt nur noch die Frage, wieso Gott für unrein erklären konnte, was er doch selbst geschaffen hat: denn wenn man ein Tier als unrein verwirft, so fällt vielleicht auch ein Schatten auf dessen Schöpfer; auch damit scheint diese Verordnung nicht zu stimmen, dass Gott im Anfang alles ansah und sehr gut fand (1. Mose 1, 31). Die Antwort ist die: kein Tier ist an sich unrein, sondern es wird nur in Rücksicht auf den Gebrauch als unrein erklärt. So war auch der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen nicht von Natur schädlich oder giftig, so dass er etwa den Menschen hätte anstecken können, und doch hat sich an ihm in Rücksicht auf das ergangene Verbot der Mensch den Tod geholt. So ist es auch beim Genuss unreiner Tiere nicht die Natur des Geschöpfes an sich, sondern die Übertretung des Gebots, welche verunreinigt. Gott wollte sein Volk lehren, vor dem, was er verboten hatte, einen Abscheu zu gewinnen; und es stand in seiner Macht, zu gebieten und zu verbieten, was er für gut fand. Damit löst sich auch eine weitere Frage. Christus spricht aus (Mt. 15, 11), dass, was zum Munde eingehet, den Menschen nicht verunreinigt. Wollte jemand daraus schließen, dass also mit Unrecht unschuldige Tiere verworfen werden, so ist zu antworten, dass sie nicht an sich, sondern um eines besonderen Zweckes willen als unrein galten. Die Lehre (Röm. 14, 17), dass das Reich Gottes nicht in Essen und Trinken stehet, hat von jeher gegolten; und wenn Gott trotzdem den Juden den Genuss dieser oder jener Speise untersagte, so wollte er sie durch solche zeremonielle Ordnungen zum Abscheu vor innerer Herzensbefleckung erziehen. Erst allmählich konnten sie durch solchen Elementarunterricht zu der geistlichen Erkenntnis geführt werden, dass nichts anderes den Menschen verunreinigt, als was aus seinem Munde ausgehet. Die Gläubigen befinden sich jetzt in einer ganz anderen Lage: ihnen hat Christus Freiheit erworben, indem er die Handschrift des Gebotegesetzes ans Kreuz heftete (Kol. 2, 14).

V. 4. Was aber wiederkäuet usw. Jetzt wird noch deutlicher ausgedrückt, was soeben nur angedeutet war, dass ein Wiederkäuer noch nicht rein ist, wenn er nicht auch die Klauen spaltet, und dass umgekehrt ein Tier mit gespaltenen Klauen auch wiederkäuen muss, um als rein zu gelten. Dieser Verordnung entnehmen wir die Lehre, dass man vor den Herrn nicht eine halbe und verstümmelte Reinheit bringen darf; Gott fordert ein ganz reines Wesen, das nicht durch irgendeinen Beisatz befleckt erscheint. Übrigens war dieses Gesetz den Juden besonders bezüglich des Schweinefleisches beschwerlich, welches als Nahrungsmittel sich hervorragend eignet, nicht bloß als angenehme Beigabe zu anderen Speisen, sondern für Arbeiter auch wegen seiner Billigkeit. Darum wurde die religiöse Gewissenhaftigkeit des jüdischen Volkes gerade in diesem Stück erprobt; als die Schergen des Antiochus das Volk zur groben Verleugnung des Gesetzes zwingen wollten, drängten sie nur zum Genuss von Schweinefleisch (2. Makk. 6, 18; 7, 1). Damit hängt auch das berühmte Wort des Augustus zusammen: „Ich möchte lieber des Herodes Schwein als sein Sohn sein2 – weil dieser Fürst, der kein Schwein anrührte, der Mörder seiner Söhne war. Denn damit die Juden das Gebot umso strenger hielten, durften sie unreine Tiere, nachdem sie getötet waren, nicht einmal mit den Händen anrühren (V. 8); für Rind- oder Hammelfleisch bestand eine solche Vorschrift nicht, da man selbstverständlich die Speisen mit den Händen anfassen musste.

V. 9. Dies sollt ihr essen unter dem, das in Wassern ist usw. Auch hier handelt es sich nicht um eine Fürsorge für die Gesundheit, wofür die gegebenen Vorschriften zum Teil auch gar nicht passen würden; vielmehr wollte Gott sein noch rohes Volk durch solche äußeren Zeichen allmählich zu höherer Einsicht erziehen. Dass bei den Fischen eine namentliche Aufzählung fehlt, wird sich daraus erklären, dass sehr viele ihrer Arten den Juden unbekannt waren: hatte doch ihr Land außer dem Jordan fast keine Flüsse, so dass viele Arten von Flussfischen überhaupt fehlten, und Seefische kannte man nur in einem schmalen Küstenstrich.

V. 13. Und dies sollt ihr scheuen unter den Vögeln usw. Die im Folgenden verbotenen Arten von Vögeln und Reptilien pflegt fast sämtlich schon der natürliche Instinkt zu verabscheuen. So kommt Gott seinem Volke freundlich entgegen, um es nicht mit allzu schweren Lasten zu drücken. Weil aber die menschliche Gier zuweilen auch geradezu an Abscheulichkeiten Geschmack findet, wollte Gott den Seinen auch in kleinen Dingen einen Zügel anlegen, damit sie sich nicht nach gemeiner Menschen Weise in Unmäßigkeit ergingen, welche den Menschen doch auch innerlich befleckt: wer unterschiedslos abscheuliche Tiere herab schlingt, wird nur zu leicht roh und verkommen. Es wird auch die weitere Verordnung hinzugefügt (V. 24 ff., 32 ff.), dass Israel nicht bloß den Genuss unreiner Tiere meiden, sondern sich auch nicht durch die Berührung des Kadavers beflecken soll, ja wenn das Aas solcher Tiere mit Gefäßen in Berührung gekommen war, so sollte man irdene zerbrechen, andere aber abwaschen. Dies scheint ja nun eine kleinliche Vorschrift, dass ein Wasserbehälter, in dem eine Maus umgekommen war, selbst als unrein gelten sollte. Es erscheint auch als eine übermäßige Strenge, dass, wenn ein solches Tier in einer Weinkufe ertrunken war, man nicht nur den Wein verschütten, sondern auch das Gefäß zerbrechen musste, dass man einen Backofen, in dem es erstickt war, und einen Kessel oder Herd, in dem es gelegen hatte, zerstören sollte, - gleich als ginge die geistliche Ansteckung auch auf leblose Dinge über. Es gilt aber in allen diesen Stücken auf Gottes Absicht zu achten: es liegt dem Herrn nicht sowohl daran, in Kleinigkeiten harte und strenge Vorschriften zu geben, als vielmehr die Seinen durch solche Übungen zum Eifer in der Heiligung zu erziehen, die unter den Menschen sonst ganz und gar vernachlässigt wird. Auch uns gilt noch das Wort des Paulus (1. Kor. 10, 31). „Ihr esset nun oder trinket oder was ihr tut, so tut es alles zu Gottes Ehre.“ Aber darin unterscheiden wir uns vom Volke des alten Bundes, dass wir über die kindlichen Anfangsgründe hinausgewachsen sind und nur auf die geistliche Hauptsache zu achten haben: dass Speise und Trank uns von Gott gegeben werden, und dass wir ihn als den Urheber unseres Lebens mit reinem Herzen anbeten sollen. Die Juden aber sollten auf allerlei Weise diesem Ziele entgegengeführt und ihre Aufmerksamkeit dafür geweckt werden. Wenn Gott sie heißt ihre Häuser von aller Verunreinigung frei halten und aufmerksam auf Wasser und Gefäße zu sein, so will er ihnen damit vor Augen stellen, wie viel an der wahren Reinigkeit liegt. Dies wird nun noch am Ende des Kapitels eingeprägt.

V. 43. Macht eure Seelen nicht zum Scheusal usw. Gott droht den Juden nicht eine Gefahr für ihre Gesundheit an, sondern warnt sie, sich nicht zu verunreinigen. Und es folgt eine noch deutlichere Erklärung (V. 44): Ich bin der Herr, euer Gott. Darum sollt ihr euch heiligen …, denn Ich bin heilig. Will man freilich nicht den Hauptwert der Frömmigkeit in äußeren Zeremonien suchen, so muss man dabei auf Gottes Wesen achten: der Gott, der Geist ist, will nur im Geiste angebetet sein. Darum kann ein Mensch sich nur in sehr abgeleiteter Weise durch Auswahl der Speisen heilig darstellen: denn die Enthaltung von manchen Speisen bedeutete für die Juden doch nur, dass sie innerlich dem Herrn geweiht waren. So war es ein unentschuldbarer Aberglaube, wenn sie sich nur an die oberflächliche Beobachtung der Äußerlichkeiten hängten, - nicht besser, als wenn sich jemand die Buchstabenzeichen einprägen, aber sie nicht zum wirklichen Lesen verwenden wollte. Aber man sieht daran, wie gierig die Menschen alles aufgreifen, was zur Stütze eines heuchlerischen Wesens dient: denn die Juden haben nicht bloß die Vorschriften, die an sich eine nützliche Anleitung zu wahrer Herzensreinigkeit waren, in ihrem irdischen Sinne vergröbert, sondern sie haben noch viele überflüssige Riten darauf gehäuft. So kam es, dass sie sich auch keiner besonderen Befleckung bewusst waren; und es wuchs ein mühseliges Wesen auf mit vielerlei Waschungen von Bechern, Schüsseln usw. So sehen wir, dass die menschliche Verkehrtheit immer zum Missbrauch wendet, was nach Gottes ursprünglicher Einsetzung einen recht guten Sinn hatte.

Abschnitt 46. – 5. Mose 14, 21. / 2. Mose 22, 30. / 3. Mose 17, 15 – 16.

5. Mose 14.

V. 21. Ihr sollt kein Aas essen. Das Essen von Tieraas oder durch ein wildes Tier zerrissenem Fleisch zählt unter die Verunreinigungen. Als „Aas“ ist aber ein solches totes Tier anzusehen, welches durch Hunger oder Tod zugrunde gegangen ist: denn durch solche Todesart wird auch ein sonst reines Tier unrein. Den Zweck des Gebots erkennt man aus dem angefügten Grunde: denn du bist ein heilig Volk dem Herrn. Eben darauf deutet die 3. Mose 17, 15 angeordnete Waschung. In der Stelle 2. Mose 22, 30 wird eine gleiche Verfügung über ein von einem wilden Tier zerrissenes Geschöpft getroffen. Denn ein solches Tier ist hässlich anzusehen und gilt darum als unrein. Dass im Unterschiede vom verbotenen Genuss des Blutes (3. Mose 17, 14) hier allein der Gedanke an die Verunreinigung obwaltet, ergibt sich aus der verschiedenen Strafe. Wer Blut isset, der soll ausgerottet werden. Wer aber von einem Aas isset, wird nur unrein bis zum Abend und muss sich waschen. Was für den Menschen unrein wäre und Gottes heiliges Volk beflecken würde, mag man dem Hunde vorwerfen. Auffallen könnte die Anordnung, dass man das unreine Fleisch einem Fremdling geben oder verkaufen darf. Heißt das nicht, ihn zur Sünde verführen? Ist das nicht, als drückte jemand, der zu einem Morde gedungen ist, den Mordstrahl einem Verrückten in die Hand, um die Schuld von sich selbst abzuwälzen? Die Schwierigkeit löst sich doch einfach dadurch, dass die Heiden unterschiedslos jede Speise essen durften: sie kannten keinen Unterschied, der eben nur für das erwählte Volk ein Zeichen seiner Scheidung von den Heiden war. Schwieriger löst sich der scheinbare Widerspruch zwischen dieser Erlaubnis und der 3. Mose 17, 15 scharf eingeprägten Verordnung, dass niemand, er sei ein Einheimischer oder Fremdling, ein Aas oder vom Wild zerrissenes Tier essen soll. Es ist jedoch zu bedenken, dass oft diejenigen Heiden, die das Gesetz Israels angenommen hatten, noch immer Fremdlinge hießen, obgleich sie doch durch die Beschneidung die gleichen Pflichten vor Gott auf sich genommen hatten, wie der Same Abrahams. Mit ihnen hat es eine ganz andere Bewandtnis, als mit den ganz fremden, dem Gesetze nicht unterstellten Heiden, welche durch die Vorhaut von Abrahams Samen geschieden sind. Wer aber Gottes Namen trägt und sich zu seinem Volke zählt, ist zu einem heiligen Wandel berufen und muss sich von jeglicher Befleckung frei halten.

Abschnitt 47. – 5. Mose 21, 10 – 13.

V. 10. Wenn du in einen Streit ziehst usw. Eine ähnliche Vorschrift wie vorher über die Speisen wird jetzt auch über die Weiber gegeben. Was freilich die Kanaaniter angeht, welche zur Ausrottung bestimmt waren, so war den Juden überhaupt verboten, aus ihnen Weiber zu nehmen, damit solche Verbindung sie nicht zur Sünde reize (2. Mose 34, 16). Bezüglich der andern Völker aber verordnet Mose hier, dass die Israeliten im Kriege gewonnene Weiber nur nach feierlicher Reinigung zur Ehe nehmen dürfen. Sie sollen sich eben nicht in ungeheiligte Verbindungen einlassen, sondern sollen sich auch darin rein und ohne Tadel halten: denn sie sind als Gottes Eigentum von andern Völkern geschieden. Freilich wäre es am besten gewesen, derartige Eheschließungen überhaupt zu vermeiden: aber es war zu schwierig, die menschliche Begierde so zu zügeln, dass auch nicht die geringste Abweichung von der reinsten Keuschheit vorgekommen wäre, und wir wissen, dass namentlich im Kriege ein siegendes Volk sich mancherlei gestattet und nicht leicht in ganz engen Schranken gehalten werden kann. Dem allem kommt Gottes Gesetz entgegen, gibt aber doch den Israeliten einen Fingerzeig, dass sie ihrer Kindesstellung nicht vergessen sollen, zu welcher des Herrn Gnade sie erhoben hatte: sie sollen sich nicht ohne weiteres wegwerfen, sondern sollen auch bei heißer Begierde die Pflicht der Frömmigkeit im Auge behalten. Übrigens handelt es sich hier nicht um unerlaubten Raub, sondern Mose denkt nur an solche Weiber, die man nach Kriegsrecht als Beute überkommen hatte. Wir wissen, dass die Sieger mit ihnen ungestraft Missbrauch zu treiben pflegten, weil sie ja in ihrer Gewalt und Herrschaft waren. Und weil mancher wohl auch den Schmeicheleien solcher Weiber unterlag, so schiebt Gott einen Riegel vor: kein Israelit durfte solche Frau zur Ehe nehmen, wenn sie nicht ihrem eigenen Volke und ihrem vorigen Leben ganz und gar den Abschied gab. Eben dies bedeutet die Zeremonie (V. 12 f.), dass das Weib ihr Haar abscheren und ihre Nägel beschneiden und die Kleider ablegen soll, darinnen sie gefangen ist, dass sie ihren Vater und ihre Familie einen Monat lang beweinen soll. Mit alledem vollzieht sie die Scheidung von ihrem früheren Leben und der Übergang zu dem anderen Volke und seinen Sitten. Darauf scheint Ps. 45, 11 anzuspielen: „Höre, Tochter, siehe, und neige deine Ohren; vergiss deines Volks und deines Vaterhauses“. Dies will doch besagen, dass Salomo ein fremdes Weib zu reiner und rechtmäßiger Ehe nur nehmen kann, wenn dasselbe seinen Aberglauben wegwirft und sich dem Herrn in eifriger Frömmigkeit weiht. Und es hat seinen guten Grund, dass Gott die Kinder Israel so nachdrücklich vor der Verbindung mit Frauen warnt, die bis dahin den wahren Glauben noch nicht kennen: lehrt doch die Erfahrung, dass gar mancher sich damit einen Strick zum Verderben bindet. Sind wir nun auch heute auf die äußere Zeremonie nicht mehr verpflichtet, so gilt es doch unverändert, dass ein Mann sich nicht leichtsinnig an eine Frau binden soll, die noch in Unfrömmigkeit und Aberglauben gefangen ist.

Abschnitt 48. – 5. Mose 18, 19. / 5. Mose 13, 6.

Bis dahin habe ich solche Anhänge zum ersten Gebot verzeichnet, die als gesetzliche Zeremonien mit dem Schattenwerk des alten Bundes zusammenhängen. Das Gebot selbst wird bis ans Ende der Tage in Kraft bleiben und gilt für uns ebenso wie für die Juden. Die Zeremonien hatte Gott einst als vorübergehende Hilfsmittel hinzugefügt, deren Gebrauch für uns jetzt aufgehört hat, und die uns doch in ganz nützlicher Weise zeigen, wie man Gott richtig verehrt und wahre Frömmigkeit beweist. Ein bleibender Gehalt liegt nur in dem Gebote selbst, die äußeren Übungen sind eine Hülle und Form, auf welche Gott sein Volk nur unter dem alten Bunde verpflichtete. Nunmehr wenden wir uns zu Anhängen bürgerlichen Inhalts, in denen Gott für den Fall der Verletzung des rechten Gottesdienstes Strafen verordnet. Denn auch die bürgerlichen Gesetze haben es keineswegs nur mit irdischen Geschäften zu tun: sie wollen die Menschen nicht etwa bloß zur Rechtlichkeit und Billigkeit im gegenseitigen Verkehr erziehen, sondern auch zur Verehrung Gottes. Damit macht auch Plato in seinem Buche über den Staat den Anfang, indem er die Gottesfurcht das Vorspiel und die Grundlage aller Gesetze nennt. Überhaupt gibt es nirgends einen heidnischen Schriftsteller, der es nicht als das Hauptstück eines wohl geordneten Staatswesens betont hätte, dass alle Bürger einmütig Gott fürchten und verehren. Freilich hat sich die Menschenweisheit manchmal blind gezeigt, wenn man dafür hielt, dass man jede beliebige Religion durch rechtlichen Zwang und Strafen durchsetzen könne; aber der Grundsatz an sich war doch richtig, dass die Rechtsordnung zusammenbrechen muss, wenn man die Pflege der Frömmigkeit dabei vernachlässigt. Übrigens legt Gott zwar den Richtern eifrige Fürsorge für die Religion ans Herz und will ihre Verachtung öffentlich gestraft wissen: aber er begegnet anderseits auch dem nahe liegenden Fehler, dass nicht ein unüberlegter Eifer sich zu übergroßer Strenge fortreißen lasse. Da nämlich oft jedes einzelne Volk, Stadt oder Reich sich törichterweise seine eigenen Götter erdichtet, so stellt Gott einfach sein Gesetz hin, von dessen Regel man nicht abweichen darf. Es war klug, wenn irdische Gesetzgeber dem wehrten, dass niemand seine besonderen Götter habe: aber es wird das alles vergeblich sein, wenn nicht die Erkenntnis des wahren Gottes voranleuchtet. So bindet Gott mit Recht sein Volk an die Lehre, die er ihm selbst gegeben hat, und will den gestraft wissen, der sie freventlich verachtet. Und weil es nicht genügen würde, über den rechten Gottesdienst durch ein einmal geschriebenes Gesetz Unterricht zu geben, so überträgt Gott ausdrücklich seine Autorität auf seine Propheten und droht demjenigen Strafe an, der sich ihnen nicht beugen wird. Zuvor (5. Mose 18, 18) hatte er gesagt, er werde Propheten erwecken, damit sein erwähltes Volk nicht schlechter daran sei, als andere Völker. Da er nun bei diesen Propheten den Schatz der Frömmigkeit niedergelegt und sie zu dessen Wächtern bestellt hat, so verordnet er jetzt die Strafe der Ausrottung für solche, die ihren Befehlen nicht gehorchen wollen. Freilich trifft das nicht auf jeden „Propheten“ zu, der diesen Namen sich anmaßt; denn der Herr fügt hinzu: er wird in meinem Namen reden. Gemeint sind also nur solche Propheten, die Gott gesandt hat, und die nichts anderes vorbringen, als was er sie hieß. So darf auch heute nicht jedermann auf Gottes Namen pochen und eine Autorität beanspruchen, die ihm Gott nicht gibt: sondern es gilt nur bei den treuen und rechten Lehrern, dass sie in Gottes Namen reden. Wenn also Christus verheißt (Mt. 18, 20): „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“, - so dürfen sich darauf nicht die Heuchler berufen, die mit gotteslästerlicher Frechheit seinen Namen missbrauchen, sondern nur solche, die wirklich an seinen Namen sich halten. Dass es auch hier so gemeint ist, zeigt die an zweiter Stelle beigebrachte Verordnung vollends deutlich.

5. Mose 13.

V. 6. Ein falscher Prophet usw. Weil die Diener des Satans unter täuschender Hülle sich oft als Gottes Propheten ausgeben, so hat im vorhergehenden (5. Mose 13, 2 ff.) Mose gemahnt, dass man nicht unterschiedslos auf alle Lehrer hören, sondern die falschen von den wahren unterscheiden und mit rechtem Urteil nur denen Glauben schenken soll, die es verdienen. Und nun kündigt er solchem Menschen, der als ein falscher Prophet das Volk zum Abfall verführen will, seine Strafe an. Denn freilich soll nicht mit dem Tode gestraft werden, der nur in unwichtigen Nebendingen falsche Lehren vorträgt, sondern der als Verführer zum Abfall die Frömmigkeit bis auf den Grund zerstört. Dabei wollen wir auch bemerken, dass solche Strenge nur da am Platze ist, wo eine sichere Gotteserkenntnis aufgerichtet ward. Darum wird hier die grobe Gottlosigkeit des falschen Propheten an dem Kennzeichen beschrieben, dass er das Volk vom Dienst des wahren Gottes abführen will. Und um jede Entschuldigung auszuschließen, erinnert Mose, dass es hinreichend geoffenbart sei, was Gott ist und wie man ihn ehren solle, nämlich durch die wunderbare Wohltat der Erlösung aus Ägypten und die Gebote des Gesetzes. Um also zu zeigen, dass Gott mit Recht über Abtrünnige eine so schwere Strafe verhängt, stellt er die Gewissheit des Glaubens, die in Israel herrschen sollte, uns vor Augen: es gibt keine Entschuldigung für unfrommen Unglauben, das der Herr die Majestät seiner Gottheit durch das Wunder der Erlösung besiegelt und seinen Willen im Gesetz kundgetan hat. Wir halten also fest, dass Gottlosigkeit nur dann als Verbrechen bestraft werden kann, wenn der Glaube einstimmig und öffentlich angenommen ward, und vor allem wenn so klare und unzweifelhafte Zeugnisse für die Wahrheit vorliegen, dass jede Unsicherheit ausgeschlossen erscheint. So ist es freilich eine verkehrte Strenge, wenn man abergläubische Einrichtungen mit dem Schwerte schützen will, - und doch dürfen in einem wohl geordneten Staate gottlose Menschen, welche die Religion zugrunde richten, nicht geduldet werden. Diese Behauptung erscheint freilich Leuten, welche gern ungestraft alles auf den Kopf stellen möchten, unerträglich: sie schelten uns, die wir durch die öffentliche Autorität religionsverderbliche Irrtümer in Schranken halten wollen, Bluthunde. Aber was werden sie ausrichten, da sie offensichtlich wider Gott streiten? Gott hat befohlen, dass man die falschen Propheten hinrichte, welche die Grundlagen der Frömmigkeit umreißen und das Volk zum Abfall lehren und führen. Wenn man sagt, dass Gottes Wahrheit solcher Stütze nicht bedürfe, so ist das freilich ganz richtig: aber wie töricht ist es doch, dem Herrn das Gesetz vorzuschreiben, dass er in diesem Stück nicht eine gehorsame Obrigkeit als Werkzeug gebrauchen dürfe! Aber was sollen wir über den Nutzen streiten, da es dem Herrn nun einmal so gefallen hat. Gott könnte für den Schutz des Glaubens des Schwertes auch entbehren, aber er will nicht. Und was hat es denn Anstößiges, dass Gott die Obrigkeit, welche doch Diebstahl, Hurerei und Zuchtlosigkeit nicht ungestraft hingehen lässt, auch zur Rächerin seiner Ehre aufruft? Muss der Richter über viel geringere Vergehen seines Amtes walten, so sollte er es gleichsam nicht sehen dürfen, wenn man den Dienst Gottes und die ganze Frömmigkeit untergräbt, und sollte dadurch das Verbrechen fördern helfen? Wir werden hören, dass über Ehebrecher die Todesstrafe verhängt wird (3. Mose 20, 10), - und nun sollte es den Verächtern Gottes ungestraft hingehen, wenn sie die Lehre des Heils verfälschen und die armen Seelen zu geistlichem Ehebruch verführen? Giftmischer werden gestraft, die allein den Leib verderben, - aber es sollte Freiheit sein, die Seelen ins ewige Verderben zu führen? Die Obrigkeit verhängt schwere Strafen über die Auflehnung gegen die eigene Autorität, - und sie sollte die Entweihung des heiligen Namens Gottes ungestraft hingehen lassen? Gibt es noch etwas Wunderlicheres? Doch es erübrigt sich, mit Gründen zu streiten, da doch Gott einmal ausgesprochen hat, was ihm gefällt: bei seinem unantastbaren Gesetz muss man beharren. – Aber man wirft die Frage auf, ob dieses Gesetz für das Reich Christi, welche doch geistlich ist und anderer Art als irdische Staaten, noch gelte. Und manche sonst durchaus nicht unfromme Menschen urteilen, dass unsere Lage unter dem Evangelium eine andere sei, als die des alttestamentlichen Volkes unter dem Gesetz: denn nicht nur sei Christi Reich nicht von dieser Welt, sondern Christus habe auch in den Anfängen desselben den Gebrauch des Schwertes verboten (Joh. 18, 36. 11). Aber der Charakter des Reiches Christi erleidet dadurch gar keine Veränderung, wenn irdische Richter dazu mithelfen, es zu fördern. Und wenn auch Christus unter dem Widerspruch einer ganzen Welt und ihrer Macht sein Evangelium ausgebreitet wissen wollte, wenn er auch seine Jünger, nur mit dem Schwerte des Wortes bewaffnet, wie Schafe unter die Wölfe sandte, so hat er sich damit doch nicht ein ewiges Gesetz aufgelegt, dass er nicht auch Könige unter seinen Gehorsam beugen, ihre Wut in Sanftmut wandeln und aus feindlichen Verfolgern Schirmherren und Hüter seiner Kirche machen dürfte. Im Anfang haben die Obrigkeiten wider die Kirche Gewalt geübt: denn es war die Zeit noch nicht gekommen, dass sie den Sohn Gottes küssen, ihre Gewalt ablegen und Pfleger und Säugammen der Kirche werden sollten, die sie bekämpft hatten, wie es doch für die messianische Zeit geweissagt war (Jes. 49, 23). Und wenn Paulus uns heißt (1. Tim. 2, 2), Fürbitte zu tun für die Könige und für alle Obrigkeiten, so fügt er ausdrücklich auch als Grund hinzu, dass wir unter ihrer Herrschaft ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Christus will freilich nach seiner Milde, dass auch seine Jünger in die Spuren seiner Sanftmut treten: aber damit streitet doch nicht, dass fromme Obrigkeiten für das Heil und den Frieden der Kirche sorgen, indem sie die Frömmigkeit schützen; ja, eine Vernachlässigung dieser Pflicht wäre die höchste Treulosigkeit und Grausamkeit. Es wäre doch nichtswürdig, ruhig zuzusehen, dass gottlose und verbrecherische verstockte Betrüger die armen Seelen ins ewige Verderben führen, als ob man deren Heil für nichts achten dürfe. Freilich hat solcher Vorwand unter der Herrschaft des Aberglaubens auch oft zur Vergießung unschuldigen Blutes geführt: aber kein menschlicher Missbrauch darf zunichte machen, was Gott einmal verordnet hat. Freilich darf das verordnete strenge Verfahren, wie ich schon sagte, nicht auf untergeordnete Irrtümer ausgedehnt, sondern nur auf vollendete Gottlosigkeit und Abfall angewendet werden. So sagt ja Mose ausdrücklich, der Prophet soll sterben, der dich abzufallen gelehret usw. Und wir schließen daraus, dass die Strafe an niemand vollzogen werden darf, der nicht durch Gottes klares Wort überwiesen ist: menschliche Willkür darf im Gerichte nicht walten; und nur ein sündhafter Eifer handhabt das Schwert ohne vorausgegangene gesetzmäßige Untersuchung.

Abschnitt 49. – 5. Mose 17, 12. 13.

Eine ähnliche Strafe wird nun für diejenigen verordnet, welche den Spruch der Priester freventlich verachten. In alten Zeiten war mit dem Priestertum auch das prophetische Amt verbunden, wie denn Maleachi (2, 4 ff.) bezeugt, dass Gott mit Levi einen Bund gemacht habe, kraft dessen seine Nachkommen Hüter der Weisheit und Ausleger des Gesetzes sein sollten. Allerdings wurde die Nachlässigkeit der Priester oft damit bestraft, dass Gott seinem Volke andere Lehrer gab. In jedem Falle aber waren Priester oder Propheten Boten an Gottes Statt. Wie nun soeben die Autorität der Propheten bestätigt wurde, so wird das gleiche jetzt auch bezüglich der Priester gesagt, und mit Recht: denn den Gott zu verachten, der diesen Stand eingesetzt hat, ist kein geringes Verbrechen. Dabei müssen wir freilich im Auge behalten, was ich schon sagte, dass den Priestern nicht etwa eine tyrannische Allgewalt zugesprochen wird, so dass niemand auch nur das Geringste verwerfen dürfte, was sie vielleicht willkürlich verordnet haben. Indem er sie einsetzte, hat Gott selbst nicht abgedankt, noch hat er die Gewissen unterschiedslos an jeden beliebigen Beschluss gebunden; er wollte nur dem Vorwitz einen Zügel anlegen, der ohne Scheu das gesetzmäßige Regiment der Kirche für nichts achtet. Denn wenn jeder ohne weiteres verwerfen dürfte, was die kirchlichen Oberen anordnen, so müsste eine hässliche und schreckliche Verwirrung einreißen. Zudem wäre es lächerlich, Männer ins Regiment zu setzen, und ihnen doch nicht die nötige Würde zuzuerkennen: dass man also den hier geforderten Gehorsam allen rechtmäßigen Vorgesetzten schuldet, sagt uns schon das natürliche Gefühl. Gott hatte Priester eingesetzt und Richter verordnet. Was wäre nun törichter, als dass man diese in Gottes Namen und auf sein Geheiß verordneten Beamten ungestraft hätte verachten und verspotten dürfen? Allerdings hat der Herr niemals einen sterblichen Menschen so hoch erhoben, dass er sein eigenes Recht wegwürfe; vielmehr war es oft nötig, sich kühn wider priesterliche Befehle zu setzen. Oder hätte etwa Jesaja es gutheißen sollen, dass (2. Kön. 16, 12) der Priester Uria auf dem heidnischen Altar, den Ahas nach damascenischem Vorbild errichten ließ, opferte? Es war doch ganz im Gegenteil eine abscheuliche Schmeichelei, wenn das Volk sich die Anordnung des verbrecherischen und ungetreuen Priesters gefallen ließ. Die Propheten waren sehr oft weit entfernt, den Priestern beizustimmen, haben vielmehr offen mit ihnen Krieg geführt. Alle Schwierigkeit hebt sich, wenn wir beachten, dass Mose nicht jeden Ungehorsam unbedingt verwirft, sondern dass er seine Anordnung durch den Vordersatz einschränkt: wo jemand vermessen handeln würde, dass er dem Priester nicht gehorchte usw. Ungehorsam gegen den Priester oder Richter war also nur dann ein todeswürdiges Verbrechen, wenn er sich als freche Auflehnung gegen die von Gott gesetzte Ordnung darstellte. Man musste den Priestern insoweit gehorchen, als es im Interesse des öffentlichen Friedens lag, dass die von Gott verordneten Hirten in Achtung und Ansehen standen. Dabei durfte der Ehre Gottes selbst als des einigen und obersten Hauptes aller Hirten nichts abgebrochen werden. Daraus sehen wir, dass es einfach lächerlich ist, wenn die Papisten die Autorität ihrer Priester auf dieses Gebot gründen wollen.

V. 13. Dass es alles Volk höre und sich fürchte. Das ist der Zweck, um dessen willen man hochmütige Verächter nicht schonen soll: ihre Bestrafung soll zur allgemeinen Abschreckung dienen; blieben sie ungestraft, so würde dies nur einen Freibrief für die zügellose Willkür bedeuten, und dem Verderben der Kirche wäre Tür und Tor geöffnet.

Abschnitt 50. – 5. Mose 13, 7 – 12.

V. 7. Wenn dich dein Bruder usw. Die Strafe, welche falsche Lehrer treffen sollte (5. Mose 13, 6), wird jetzt auch auf jedermann aus dem Volke ausgedehnt. Wenn es bei einem Privatmann auch minder strafwürdig war, dass er andere etwa in einen Irrtum hineinzog, da ja Unwissenheit sich bei ihm leichter entschuldigen ließ und er nicht mit einem öffentlichen Lehramt betraut war, - so bleibt doch der Abfall von der Frömmigkeit in Gottes Augen unerträglich, komme er nun woher er wolle. Dabei sind nur die zwei Stücke, die wir zuvor schon (Abschnitt 48) anmerkten, festzuhalten: eine solche Strafe findet nur da ihre Stätte, wo das Religionswesen sich in rechter Ordnung befindet; und es soll nicht jeder leichte Irrtum unterschiedslos mit dem Tode gestraft, sondern diese schwere Rache allein über Abtrünnige verhängt werden, welche die Frömmigkeit bis auf die Wurzel ausrotten, den Gottesdienst verfälschen und die reine Lehre vertilgen wollen. Auch will Gott nicht jedes unbedachte Wort mit dem Tode gestraft wissen, sondern, wie sich aus dem Wortlaut ganz deutlich ergibt, nur einen verbrecherischen und wohlüberlegten Anschlag wider die Religion. Dabei ist denn freilich wohl zu beobachten, wie Gott uns den Eifer für die Pflege und Verteidigung der Frömmigkeit bis ins einzelnste ans Herz legt. Weil allgemeine Gesetze nur zu leicht umgangen werden, spricht Gott ausdrücklich von Bruder, Sohn, Tochter, Weib oder Freund: keiner darf gegebenen Falls geschont werden. Dass aber (V. 9) das Auge seiner nicht schonen soll, wird in dem Sinne gesagt, dass ja der Anblick am meisten unsere Stimmung in die eine oder andere Richtung zu lenken pflegt. Darum fordert Gott mit Recht unbeugsame Rücksichtslosigkeit, die sich weder durch Tränen noch durch schmeichelnde Bitten oder den trostlosen Anblick zum Mitleid verführen lässt. Sehr nachdrücklich lauten auch die beigefügten Wendungen: dein Bruder, deiner Mutter Sohn, das Weib in deinen Armen, oder dein Freund, der dir ist wie dein Herz. Keine menschliche Regung darf den heiligen Eifer ersticken, der sich regen muss, wo man Gottes heiligen Namen entweiht sieht. Christus hat verkündigt, dass er niemanden als seinen rechten Jünger annehme (Mt. 10, 37), der im entscheidenden Falle Vater, Mutter oder Kinder mehr liebt als ihn. So erklärt Gott an unsrer Stelle selbst die zartesten von der Natur uns eingepflanzten Triebe, die oft gerade den Besten zum Fallstrick werden, für sündhaft, wenn sie uns daran hindern, für seine Ehre einzutreten. Weib und Kinder zu lieben wir sein eigenes Herz ist fromm und alles Lobes wert; den Bruder und den Freund mit gleicher Liebe zu umfassen, ist unverwehrt: aber über allen soll Gott stehen, dessen Ehre hinter Menschenliebe zurückzusetzen schwere Sünde ist. Wer hier Gattenliebe und dergleichen vorwendet, setzt doch nur sein eigenes Gefühl wider Gottes Gebote. Es ist schlechte Weichmütigkeit, die hier von Gott geforderte Strenge abmäßigen zu wollen. Dass aber eine so schwere Strafe verordnet wird, ist wohlbegründet: denn für die Rächung der göttlichen Ehre, für die wir am meisten begeistert sein sollten, zeigen wir alle uns nur zu kalt; und wie die Kraft des Heilmittels im rechten Verhältnis zur Gefährlichkeit des Leidens stehen muss, so kann man auch eine so schädliche und wahrhaft todbringende Seuche nicht mit sanften Mitteln angreifen. Darauf deutet auch (V. 7) das Wörtlein „heimlich“ . Allerdings könnte es unmenschlich scheinen, dass man den verraten soll, der doch nicht öffentlich gesündigt hat. Weil aber solche verführerische Winkelprediger das Licht scheuen und heimliche Schleichwege gehen, so musste vorgebeugt werden, dass sie nicht, wie immer zu geschehen pflegt, mit ihrem trügerischen Gift Haus um Haus ansteckten: Gott kommt rechtzeitig allen hinterhältigen Umtrieben zuvor, damit die Ansteckung nicht weiter schleiche.

V. 8. Von den Göttern der Völker usw. Gott will einfach dies, dass sein Volk bei der erkannten Wahrheit beharre und dass es seine Ohren allerlei Menschengedichten verschließe. Der nachbarliche Verkehr pflegt es ja mit sich zu bringen, dass man gegenseitig mache Sitten von einander annimmt. So tauscht man aber auch die Fehler aus, und unsere Geneigtheit zum Bösen bringt es mit sich, dass das Gute vom Schlechten überwuchert wird. Da nun das Volk Israel auf allen Seiten von Götzendienern umgeben war, so hätte es ohne besondere Vorbeugung leicht zu deren Nachahmung verlockt werden können. Es ist aber ausdrücklich von allen Völkern von einem Ende bis an das andre die Rede, weil ja ein besonderer Vorwand, sich verführen zu lassen, gerade der Umstand war, dass Israel in seiner Religion sich nicht bloß von einem Volke, sondern von allen Völkern ringsum unterschied: wohin es auch blickte, standen ihm verlockende Beispiele vor Augen, die es zu neuen und fremdartigen Religionsformen verführen konnten. So wird es vor allen Völkern gewarnt, sie seien dir nahe oder ferne: nicht bloß von seinen Nachbarn, sondern von dem ganzen Menschengeschlecht sollte Israel sich abheben. Es war aber keine geringe Versuchung, in der ganzen Welt und unter allen Völkern keinen Genossen zu finden, an den man sich hätte anlehnen können. Zudem erscheint gerade das aus weiter Ferne Stammende Leuten, die damit nicht vertraut sind, oft als besonders verehrungswürdig: menschlicher Vorwitz und Leichtsinn fliegt über Länder und Meere und holt sich unter dem gleißenden Schein der Neuheit die verderblichsten und ungeheuerlichsten Gestaltungen herbei. So hebt Gott den auf sein Wort gegründeten Glauben auf eine unvergleichliche Höhe: aller Völker Sitten, Einrichtungen, Religionsgebräuche und Gewohnheiten bleiben tief unter ihm liegen. Der rechte Fortschritt in der Frömmigkeit besteht also darin, dass man alles Fremdartige verabscheut.

V. 10. Sondern sollst ihn erwürgen. Die Meinung ist nicht, dass jeder Privatmann ohne öffentlichen Urteilsspruch die Strafe vollziehen soll. Es schwebt vielmehr der in Israel gültige Gebrauch vor (5. Mose 17, 7), dass die Hand der Zeugen bei der Steinigung die erste über dem verurteilten Verbrecher war. Dass nach Gottes Gesetz derjenige, der das Verbrechen angegeben hatte, auch der erste Vollstrecker der Strafe sein sollte, hatte seinen guten Grund: wer ein Zeugnis abgab, sollte besonders vorsichtig und zurückhaltend sein. Der für die Strafe angegebene Grund (V. 11): denn er hat dich wollen verführen von dem Herrn, der dich aus Ägyptenland geführt hat, - lässt die Undankbarkeit des Verführers in besonders grellem Lichte erscheinen: sie war umso abscheulicher, je unschätzbarer die Wohltat der Erlösung war. Von dem erkannten Gott abzufallen war an sich ein schweres Verbrechen, ein noch schwereres aber, seinen Erlöser für nichts zu achten. Endlich (V. 12) wird auf den Nutzen und die Frucht der geforderten Strenge hingewiesen: die über einen Übeltäter verhängte Strafe soll allen anderen Furcht einjagen; so wird das Verderben des Einen ein abschreckendes Exempel und damit eine heilsame Lehre für die Gesamtheit.

Abschnitt 51. – 5. Mose 13, 13 – 18.

V. 13. Wenn du hörest von irgendeiner Stadt usw. Für den Fall einer weiteren Verbreitung der Unfrömmigkeit und des Abfalls will Mose lieber ganze Städte mit ihren Einwohnern vertilgt wissen, als das ein solches Verbrechen ungestraft bleibe. Wir schließen daraus, dass es nur aus unreinem Weichmut entspringt, wenn man von Strafen für Verletzung des Gottesdienstes nichts wissen will. Im Allgemeinen pflegt ein gerechter und besonnener Führer seine Strenge zu mäßigen, und wenn in einem Heere oder Volke ein Aufstand ausgebrochen ist, der auch die ganze Masse ergreift, nur die Rädelsführer mit dem Tode zu bestrafen: wenn aber hier Gott alle ohne Ausnahme vernichtet wissen will, so entnehmen wir daraus, wie abscheulich das Verbrechen sein muss. Es ergeht hier auch eine Mahnung an uns: wenn uns nicht der wahre Glaube mehr wert ist, als die Unversehrtheit einer einzigen Stadt oder eines Volkes, dann wissen wir noch gar nicht, was es heißt, für Gottes Ehre eifern. Wenn ganze Scharen nötigenfalls zur Todesstrafe geführt werden sollen, so ist es doch eine abscheuliche Anmaßung und eine in Wahrheit grausame „Barmherzigkeit“, wenn man sich für die Schonung eines einzigen Menschen einlegt und dabei die beleidigte Majestät Gottes für nichts achtet. Da wir zu keinem andern Zweck geschaffen sind und nur darum leben, damit Gott durch uns verherrlicht werde, so ist es besser, dass die ganze Welt zugrunde gehe, als dass Menschen die Frucht der Erde essen und sie doch mit Freveln beflecken, die dem Herrn seine Ehre rauben. Hätte man schon von den ersten Zeiten des Christentums an einen brennenderen Eifer bewiesen, so wäre nicht die wahre Frömmigkeit so vielfach verderbt und fast ganz erstickt worden. Dabei ist aber immer im Augen zu behalten, was ich schon sagte, dass solche Strenge nur da ihren Platz hat, wo die angegriffene Religion nicht bloß durch die öffentliche Autorität eingeführt und allgemein angenommen, sondern auch hinlänglich als wahr erwiesen ist. Nur unter diesen Voraussetzungen werden wir wirklich als Rächer Gottes wider die Gottlosen dastehen.

V. 14. Es sind etliche Kinder Belial ausgegangen usw. Damit setzt Mose einen häufig eintretenden Fall. Denn insgemein pflegt nicht gleich eine ganze Bevölkerung sich zur Gottlosigkeit zu wenden, sondern der Satan stiftet nur einige auf, welche bei den andern die unreine Glut anfachen. Sie verführen die Masse und ziehen sie nach sich. Solche nennt Mose „Kinder Belial“, d. h. Menschen der Nichtswürdigkeit, an denen sich nichts Gutes oder irgend Lobenswertes findet: der Name pflegt auf Verbrecher und ganz und gar verlorene Menschen angewendet zu werden. Paulus sagt (2. Kor. 6, 15): „wie stimmt Christus mit Belial?“ – und meint damit den Satan, aller Gottlosen Haupt. „Ausgegangen“ sind die Kinder Belial, als sie mit ihrem gottlosen Wesen öffentlich auftraten. Obwohl nun das Böse nur von wenigen Rädelsführern seinen Anfang nahm, soll die Strafe doch nicht auf sie beschränkt bleiben: es soll für das Volk nicht als Entschuldigung gelten, dass der Anstoß von außen kam. Dass man im Falle der Verführung (V. 15) fleißig suchen, forschen und fragen soll, hat einen doppelten Grund: einesteils soll man sich nicht gleichgültig und träge zeigen, andrerseits nicht mit unbedachter Heftigkeit ein Urteil fällen, welches schwerlich das Rechte treffen würde. So wird Eifer und Mäßigung zugleich empfohlen.

V. 16. So sollst du die Bürger derselben Stadt schlagen usw. Man stoße sich nicht an der Härte dieser Strafe, sondern bedenke, dass für Verzeihung kein Raum mehr war, weil ja Leute, die in der Lehre des Gesetzes erzogen waren, nur mit Wissen und Willen der Täuschung erliegen konnten. Sie waren der Frömmigkeit müde und liebten den Betrug des Satans. So redet der Prophet (Jer. 2, 10 ff.) im Namen Gottes die Juden an und wirft ihnen ihren Wankelmut vor: Gehet hin zu fernen Inseln und fremden Völkern und schauet, ob die Heiden ihre Götter ändern, wiewohl sie doch nicht Götter sind. Und mein Volk hat doch seine Herrlichkeit verändert um einen unnützen Götzen. Sollte sich doch der Himmel davor entsetzen usw. War es doch in der Tat ein ganz unbegreiflicher Leichtsinn, dass man aus freien Stücken die lebendige Quelle verließ und mit sündhafter Neugier sich an eitles Wesen hängte. Sollte aber jemand einwenden, dass doch zum wenigsten die kleinen Kinder nicht mitschuldig waren, so antworte ich: weil wir alle, klein und groß, vor Gottes Gericht schuldig sind, so werden wir vergeblich mit ihm rechten, selbst wenn er die Ungeborenen, die noch in ihrer Mutter Leibe sind, vernichten will. Als Sodom mit seinen Nachbarstädten zerstört ward, sind unter diesen Scharen zweifellos auch viele Kinder und schwangere Weiber zu Grunde gegangen: will unser Gefühl sich dagegen auflehnen, so sollen wir doch lieber das Gericht des Himmels mit demütiger Scheu anbeten, als es nach unserem Maßstab richten. Das Gleiche gilt, wenn der Prophet (Ps. 137, 9) über Babel ausruft: „Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und zerschmettert sie an dem Stein.“ Es handelt sich eben um Gottes gerechte Sache, und wir sollten nicht dem Herrn sein Recht entreißen, indem wir jene Tiefe, in die selbst Engel nur mit bewundernder Anbetung schauen, mit unserm Verständnis ausmessen wollen. In allen diesen Fällen hat freilich Gott die Kinder in das Todesurteil nur eingeschlossen, weil er sie überhaupt verworfen und für das ewige Verderben bestimmt hatte. Müssen wir nun dem Herrn das Recht lassen, dass er vom ewigen Leben ausschließt, welche er will, wie dürfen wir in einer von ihm verhängten irdischen Strafe, die doch viel leichter ist, ein Unrecht finden? Wir wollen vielmehr aus der Strenge dieses Gesetzes lernen, ein wie abscheuliches Verbrechen es ist, einen falschen und entweihten Gottesdienst aufzurichten: werden dadurch doch nicht bloß kleine Kinder, die noch nicht zum Bewusstsein erwachten, sondern auch Zugvieh und Haustiere, ja selbst Häuser und Wände verpestet. Denn wir hören alsbald:

V. 17. Allen ihren Raub sollst du sammeln … und mit Feuer verbrennen usw. Als Grund dafür wird angegeben, dass alles Geräte solcher Stadt (V. 18) ein Bann ist. Hatte man eine Stadt erobert, so hätte man an sich wohl ihren „Raub“ als Beute nehmen dürfen: Gott aber wollte das alles verbrannt wissen, weil die Kinder Israel sich durch die bloße Berührung befleckt hätten. Es könnte freilich auch sein, dass diese Vorschrift der Begierde nach Gewinn begegnen wollte, damit die Juden nicht räuberische Gedanken unter den Eifer um Gott mischten: der Hauptgrund war doch der, den Mose hier angibt, dass das Volk lernen sollte, ein von Gott so hart gestraftes Verbrechen zu verabscheuen. Das hebräische Wort, welches die Griechen mit „Anathema“ und wir mit „Bann“ übersetzen, bedeutet buchstäblich Tötung oder Vernichtung. Ein „Bann vor Gott“ sind solche Gegenstände, welche der Herr vernichtet wissen will, weil er ihren Anblick nicht ertragen kann. Darum heißt es auch hier: du sollst sie verbrennen dem Herrn, deinem Gott. Damit wird Israel erreichen, was endlich zusammenpassend gesagt wird (V. 18), dass der Herr von dem Grimm seines Zornes abgewendet werde und gebe dir Barmherzigkeit und erbarme sich deiner. Wir ersehen daraus, dass, wenn Gott nach strengem Recht verfahren wollte, das Verbrechen einer Stadt hinreichen würde, Verderben über das ganze Land zu bringen. Wird eine solche Stadt „verbannt“, von Grund aus zerstört und mit all´ ihrem Gerät dem Feuer übergeben, so wirkt dies vor Gott wie ein Sühnopfer.

Abschnitt 52. – 2. Mose 22, 18. / 3. Mose 20, 6. 27. / 4. Mose 15, 30. / 3. Mose 20, 1 – 5. / 2. Mose 12, 15. 19.

2. Mose 22.

V. 18. Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen. Die hier zusammengestellten Gesetze verordnen eine Strafe für den Fall irgendeiner Verletzung des Gottesdienstes. Haben wir soeben gesehen, wie streng Gott den Abfall vom Glauben ahndet, so wenden wir uns nun zu einigen Fällen, wo man nicht grundsätzlich die Religion verwerfen will, aber sich mit allerlei Verderbnis zu schaffen macht, welche sie verunreinigt. Die erste Stelle verfügt Todesstrafe für Zauberinnen. Darunter versteht Mose Weiber, die sich mit magischen, geheimnisvollen Künsten abgeben, um durch Beschwörung Schaden zu stiften, oder auch um vom Satan eine Offenbarung zu erhalten. Eine solche Zauberin war das Weib, zu welchem Saul ging, wenn sie auch nicht geradezu so bezeichnet wird (1. Sam. 28, 7 ff.). Da nun Zauberkünste zu einer verbrecherischen Absage an Gott zu führen pflegen, so ist es nicht verwunderlich, dass sie mit dem Tode bestraft werden sollen. Da übrigens ein solches Verbrechen bei einem Manne durchaus nicht weniger erträglich ist, als bei einem Weibe, so wird sich das vorliegende Gesetz auf das weibliche Geschlecht wahrscheinlich nur darum beschränken, weil dasselbe zu diesem Aberglauben besonders geneigt ist. Inhaltlich die gleiche Vorschrift finden wir bezüglich der Männer 5. Mose 18, 9 ff.: dort fehlt es nur an einer Strafbestimmung, und Gott verordnet einfach, dass kein Zauberer oder Beschwörer im Volke sein solle. Auch die hier mit angeführte Stelle 3. Mose 20, 6 lautet ganz allgemein: Wenn eine Seele sich zu den Wahrsagern wenden wird, soll sie durch Steinigung ausgerottet werden. Der Ausdruck, dass ein solcher den Zeichendeutern nachhuret, erinnert an ein unzüchtiges Weib, welches zur Befriedigung seiner Begier die Augen umherschweifen lässt. Mose deutet damit an, dass, sobald wir die Augen hier und dorthin werfen und sie nicht allein auf den Gott heften, mit dem wir zufrieden sein sollen, wir den heiligen Ehebund brechen, den er mit uns geschlossen hat.

4. Mose 15.

V. 30. Wenn aber eine Seele aus Frevel, wörtlich „mit erhobener Hand“ etwas tut usw. Wer etwas „mit erhobener Hand“ tut, greift in Selbstüberhebung an, was ihm nicht zusteht; denn unsre Hände sollten sich durch Gottes Wort regieren und gleichsam zügeln lassen, damit sie nicht zu hoch greifen. Nun kann ein Mensch auf mancherlei Weise mit frech erhobener Hand sündigen; hier aber ist nur von einer Entweihung des wahren und rechten Gottesdienstes die Rede, die dadurch geschieht, dass man sich in Selbstüberhebung fremdartige Menschengedichte macht. Es wird hier nicht eine Strafe für Raub, Mord und ähnliche Verbrechen verordnet, sondern allein für eine Verkehrung der Frömmigkeit durch lügenhafte Fündlein. Wird doch sofort von der betreffenden Seele gesagt (V. 31): sie hat des Herrn Wort verachtet und sein Gebot lassen fahren. Denn es ist kein geringes Verbrechen, die von Gott gesetzten Grenzen zu überschreiten. Sicherlich entspringt jeder selbst gemachte Gottesdienst einer unfrommen Selbstüberhebung: es scheint, als wollten die Menschen absichtlich Gottes Gebote für nichts achten und verwerfen; und nichts schadet dem reinen Gottesdienst mehr, als der freche Eigenwille, in welchem jeder tut, was ihm beliebt. – Der Schluss: die Schuld sei ihr – kann doppelt verstanden werden. Entweder meint Mose, dass die betreffende Seele mit Recht ihre Strafe tragen wird, oder er will insbesondere sagen, dass die Strafe grade auf ihr liegen soll, - und dies würde heißen, dass man schon beim ersten Anfang der Gottlosigkeit begegnen und ihre weitere Ausbreitung verhindern soll.

3. Mose 20.

V. 1. Und der Herr redete usw. Das Verbot des abergläubischen Molochsdienstes haben wir schon früher ausgelegt (Abschnitt 25); hier hören wir nun von der Strafe, die Gott für seine Übertretung verhängt. Und sicherlich war es ein abscheulicher Gottesraub, die Kinder, welche doch dem Herrn geboren waren, da er den Samen Abrahams zu seinen Kindern angenommen hatte, den Götzen zu weihen. Damit beraubte man nicht nur Gott seines Rechtes, sondern zerstörte auch, soviel man konnte, die Gnadengabe der Kindschaft. Die Vorschrift, dass gesteinigt werden soll, wer seinen Samen dem Moloch darbringt, ist also nur eine besondere Anwendung des allgemeinen wider gräuelhaften Götzendienst erlassenen Gesetzes. Wäre dies nicht noch besonders eingeschärft worden, so hätte man vielleicht die Ausflucht gebraucht, dass man ja vom wahren Gott gar nicht abfallen wolle. Mit ähnlichen Ausreden täuscht man sich ja auch heute im götzendienerischen Papsttum. Nachdem nun Gott den Richtern anbefohlen hat, das Verbrechen mit aller Strenge zu ahnden, fügt er hinzu (V. 4 f.), dass er selbst als Rächer auftreten werde, wenn Menschen sich gar zu schonend und nachgiebig erweisen: er will den, der etwa Menschenhänden entgangen ist, umso härter verfolgen, und auch jeder Mitwisser soll mit ihm schuldig werden.

2. Mose 12.

V. 15. Wer gesäuert Brot isset usw. Diese Vorschrift hängt mit der Passah-Ordnung zusammen. Im vorhergehenden Satz hat Gott den Gebrauch des Sauerteigs während dieses Festes verboten, und nun folgt die nötige Strafbestimmung. Unsre Anordnung des Stoffes bringt es aber mit sich, dass wir die letztere erst an dieser Stelle bringen können, wo wir überhaupt die Strafen verzeichnen, durch welche der Herr seine rechte Verehrung schützen will. Das Verbot des Sauerteigs an sich ist nun gewiss nur von geringer Wichtigkeit. Wie denn Paulus sagt (1. Tim. 4, 8), dass die leibliche Übung wenig nütze sei: aber die angedrohte Strafe zeigt doch, dass diese Zeremonie im Zusammenhang mit der Erlösung des Volkes ihre Bedeutung gewinnt, und dass es also ein schweres Verbrechen war, unbeachtet zu lassen, was Gott vorgeschrieben hatte. Solche gesetzlichen Riten sind eben nach ihrem Zweck zu bemessen.

Abschnitt 53. – 5. Mose 17, 14 – 20.

V. 14. Wenn du ins Land kommst usw. Dieses Gesetz gründet sich darauf, dass Israel „ein priesterliches Königreich“ sein sollte (2. Mose 19, 6). Gott trifft rechtzeitige Fürsorge, dass nicht der Glanz des königlichen Namens die Augen seines Volkes blende und es vergessen lasse, dass doch der Herr selbst ihr oberster Herr und König war: kein Regiment eines sterblichen Menschen darf die Majestät Gottes schmälern. Alles in allem: die königliche Gewalt soll unter Gott bleiben, die Könige selbst sollen sich dem Gehorsam des Herrn weihen, und das Volk soll bei allen künftigen politischen Veränderungen niemals rein weltlich werden. Wenn nun auch schon unter den Richtern die Religion oft verderbt ward, so wird doch nicht ohne Grund ein besonderes Gesetz für die Königszeit gegeben: denn nichts geschieht leichter, als dass irdische Pracht die Menschen von der Frömmigkeit abzieht. So lange Richter über das Volk herrschten, unterschied es sich zudem durch die Regierungsform von allen umliegenden Heidenvölkern, die unter Königen standen; und indem Gott immer wieder neue Richter aus dem Volke erweckte, blieb er der Herr. Als aber Israel sich einen König wünschte, rückte es dadurch gleichsam den heidnischen Völkern näher und konnte auch leichter den von dorther kommenden Verführungen erliegen. In diesem Sinne wird ausdrücklich daran erinnert, dass das Volk sagen wird: ich will einen König über mich setzen, wie alle Völker um mich her haben (vergl. auch 1. Sam. 8, 5). Wird doch dadurch die Scheidung, die Gottes Wille gesetzt hatte, beseitigt. Übrigens enthält dieser Hinweis auch einen Tadel der frechen Auflehnung des Volkes: Gott sagt voraus, dass sie sein Joch abschütteln und ihre eigenen Wege gehen werden. Und so ist es auch gekommen: die Kinder Israel haben den Samuel verschmäht und haben im Volkstumult einen König begehrt, so dass Gott klagen muss (1. Sam. 8, 7): Sie haben mich verworfen. Es erhebt sich aber die Frage, wie dies beides zusammenstimmt, dass das Königtum der Begierde und den törichten Wünschen des Volkes entspringen und doch zugleich eine sonderliche Zierde des Gottesvolkes sein soll, ein einzigartiges Unterpfand der Gnade des Herrn, des Heils und des vollen Glücks. Wir kennen ja Jakobs berühmte Weissagung (1. Mose 49, 10): „Es wird das Zepter von Juda nicht entwendet werden, bis dass Silo komme“. Daraus ergibt sich doch, dass das verheißene Königtum für die Kinder Abrahams eine unvergleichliche Wohltat sein soll; warum will nun Gott doch nicht als dessen Urheber gelten? Ich antworte: Gewiss war es von Anfang an Gottes Absicht, ein Vorbild des Messias in der Gestalt Davids aufzustellen; weil aber die unzeitige Eile des Volkes seine Ordnung gestört hat, so ist dieser Anfang des Königtums unter der Schuld des Volkes zustande gekommen, welches mit sündhaftem Neid auf die Heidenvölker sah und ihnen ähnlich werden wollte. So scheint Gott absichtlich auf ihre Verkehrtheit zu deuten und ihnen gleichsam zuzurufen: Wenn ihr durch eure Königswahl euch den Heiden gleichmachen wollt, so sehet wohl zu, dass solche verkehrte Begier euch nicht völlig von der wahren Frömmigkeit abführe!

V. 15. So sollst du den zum Könige über dich setzen, den der Herr erwählen wird. Das ist das erste Recht, welches Gott dabei für sich fordert: er lässt den Stimmen des Volkes nicht volle Freiheit, sondern legt ihrem frechen und unzeitigen Ansturm einen Zügel an. Weiter verordnet er, dass man nicht irgendeinen Fremden zum König machen soll: denn wäre dies erlaubt gewesen, so müsste offener Abfall die Folge sein. Solcher König hätte sicher seine heimischen Götter Israel aufdrängen wollen, und der wahre Glaube wäre durch königliche Gewalt, Macht und Drohungen unterdrückt worden. So ist auch diese Vorschrift auf den Schutz und die Pflege des wahren Gottesdienstes bedacht.

V. 16. Allein dass er nicht viel Rosse halte usw. Der Gewalt des Königs werden ganz bestimmte Schranken gezogen, damit er nicht, berauscht durch den Glanz seiner Herrschaft, sich übermäßig erhebe. Wissen wir doch, wie unersättlich die Begierden der Könige zu sein pflegen, und wie sie sich schließlich einbilden, dass ihnen alles erlaubt sei. In Israel aber soll das Königtum sich auch dadurch von heidnischer Art unterscheiden, dass es bei aller erforderlichen Würde doch niemals zu einer schrankenlosen Gewalt auswachsen kann. Die besondere Vorschrift, dass der König nicht viele Rosse halten soll, wird wohl gegeben, weil eine solche Macht leicht zu übermütigen Unternehmungen, als deren eine beispielsweise ein Einfall in Ägypten genannt wird, verführen könnte. Doch es fragt sich, weshalb der Herr den Kindern Israel so ausdrücklich sagt, dass sie hinfort nicht wieder diesen Weg kommen sollen. Wahrscheinlich soll dieses Verbot sie ein für alle Mal an ihre Erlösung erinnern, damit sie sich auf die damals ihnen gesetzten Grenzen beschränken. Sie waren aus einem tausendfachen Tod gerissen: wären sie nun aus freien Stücken dorthin zurückgekehrt, um den Feind zu reizen, so würde solcher Übermut beweisen, dass sie die Gnade Gottes verachtet und begraben hätten. Damit also das Gedächtnis der Erlösung tief in ihrem Gemüte hafte, sollten sie nach Gottes Willen seinen Wundertaten die Ehre lassen, dass sie jene Stätten, wo sie geschehen waren, wie Abgründe des Todes flohen. Vielleicht hat das Verbot aber auch den Grund, der Lust zu gottlosen Bündnissen einen Riegel vorzuschieben; denn tatsächlich sind die israelitischen Könige solche Bündnisse umso kühner eingegangen, je mehr sie sich ihres Reichtums an Rossen rühmten. Doch möchte ich die erste Erklärung bevorzugen. Übrigens haben selbst die besten Könige dies Gesetz nicht gehalten (1. Kön. 3, 1; 10, 28). Daraus sehen wir, wie schwer die Willkür und der Übermut von Königen sich zügeln lassen.

V. 17. Er soll auch nicht viel Weiber nehmen. Die Vielweiberei hatte damals derart um sich gegriffen, dass selbst das niedere Volk ungescheut über die eheliche Treue sich hinwegsetzte. So mussten die Könige sich ganz besonders in Schranken halten, damit sie nicht durch böses Beispiel weitere Zügellosigkeit groß zögen. Dazu wäre das Volk durch vermehrten Aufwand schwer belastet worden: denn nach der Eitelkeit ihres Geschlechts hätten alle Weiber des Königs königlich gehalten sein wollen und hätten an üppiger Pracht, wie es zu gehen pflegt, miteinander gewetteifert. Dass David dieses Gesetz übertrat, lässt sich zum Teil vielleicht damit entschuldigen, dass man ihm sein Weib Michal nicht gönnte (1. Sam. 25, 42 ff.); immerhin sehen wir daraus, dass auch bei ihm die Lust stärker war, als die Mäßigung nach Gottes Willen.

Auch soll sein Herz nicht abwendig werden. Diesen Satz machen viele Ausleger noch vom vorigen abhängig: dass sein Herz nicht abgewandt werde. So wäre der Grund angegeben, weshalb der König nicht mehrere Weiber nehmen soll. Und wir wissen, wie Salomo, der an seinen vielen Weibern hing, durch ihre Lockungen sich verführen ließ und in Götzendienst verfiel. Und es muss ja wohl so kommen, dass wenn viele Weiber sich auf einen Mann werfen, sie sein Herz verweichlichen und seine männliche Klugheit ersticken. Trotzdem möchte ich unsern Satz lieber ganz allgemein verstehen: der König soll sich hüten, dass der Glanz seiner Würde seine Seele nicht gefangen nehme und abwendig mache. Denn nichts ist schwerer, als dass ein Mensch, der eine große Macht in Händen hat, bei maßvoller Vernunft bleibt und beharrlich seine Pflicht tut. Weiter schreibt Gott dem König vor, dass er auch nicht viel Silber und Gold sammeln soll: denn dies könnte nicht ohne Räuberei und gewaltsame Erpressungen geschehen; zudem macht üppiger Reichtum die Könige leicht übermütig, reizt ihre Kühnheit zu ungerechten Kriegen, gewöhnt sie an ausschweifenden Luxus und verführt sie zu tyrannischen Übergriffen. Durch dieses Gebot will Gott also erstlich wehren, dass dem Volk nicht das Blut ausgesaugt werde; weiter soll ein überflüssiger Aufwand, den der König doch nur mit fremdem Gut bestreiten könnte, vermieden werden; endlich soll kein Reichtum einen Herrscher verführen, mehr zu wagen, als recht ist.

V. 18. Er soll eine Abschrift dieses Gesetzes schreiben lassen usw. Es genügte nicht, Fehler zu verbieten: die Könige mussten auch zur Gottesfurcht gebildet und in ihrer Pflicht recht unterwiesen werden. So wird ihnen hier die Lehre ans Herz gelegt, die nützlich war, sie zur Frömmigkeit und Gerechtigkeit zu leiten: als Regel alles ihres Tuns sollen sie das in den Händen der Priester und Leviten befindliche Gesetz annehmen. Diesen Satz deuten übrigens viele Ausleger so, als bezöge er sich nur auf „dies andere Gesetz“, d. h. das so genannte Deuteronomium, das fünfte Buch, in welchem Mose das Gesetz wiederholt (5. Mose 5, 1 ff.). Nach der von uns gegebenen Übersetzung aber lässt sich diese Vorschrift besser auf das ganze Gesetz beziehen, wie es schon vom zweiten Buche Mose an mitgeteilt wird. Gehört nun auch das Gesetz dem ganzen Volke, so sollten doch die Könige mit besonderem Eifer darauf bedacht sein, es zu lesen: darum verordnet Gott, dass ihnen ein besonderes Exemplar geschrieben und von den Priestern und Leviten feierlich überreicht werden soll. Wer das Volk regiert, soll wissen, dass er dazu mehr Rat und Weisheit nötig hat, als ein Privatmann. Wenn also Priester und Leviten dem Könige das Buch darbrachten, so war dies, als legte Gott selbst diesen Schatz bei ihm nieder. Es wird auch ausdrücklich verordnet (V. 19), dass er drinnen lesen soll sein Leben lang: denn Könige pflegen wohl reichlich Bücher zu besitzen, jedoch nur um des guten Eindrucks willen; aber sie pflegen nur eben hineinzusehen und alsbald des Lesens müde zu werden. Endlich wird gesagt, wozu das Lesen nütze ist: auf dass er lerne fürchten den Herrn usw. Damit wird auch das Nächste noch zusammen gehören (V. 20): er soll sein Herz nicht erheben über seine Brüder. Dieser letzte Ausdruck wird absichtlich gewählt, um dem Könige einzuprägen, dass auch er ein Mensch ist, wenn er auch über das ganze Volk gesetzt ward, ja dass er die anderen wie seine eigenen Glieder hegen und pflegen soll.

Endlich wird noch einmal eingeschärft, er solle nicht weichen von dem Gebot, weder zur Rechten noch zur Linken, weil, wenn ein Mensch sich viel erlauben darf, sich seine Begehrlichkeit kaum je in den richtigen Schranken halten lässt. Damit nun einem Könige solches Gebot nicht zu beschwerlich sei, sagt ihm Gott noch, dass Mäßigung ihm selbst am meisten nützen könne, dass er seine Tage verlängere auf seinem Königreich. Führt doch ein ungezügeltes Wesen Herrscher nur zu leicht ins Verderben. Auch jener lacedämonische Könige, dessen Gattin sich nicht darein finden mochte, dass man ihm Ephoren oder Volksvertreter an die Seite stellte, hat geantwortet, dass er seinen Kindern eine zwar beschränkte, aber umso bleibendere Macht hinterlasse. An unserer Stelle wird einem Könige, der sich zu mäßigen weiß, gerade die Zusage gemacht, dass Gottes Gnade ihm eine lange Reihe von Nachfolgern aus seinem Geschlechte schenken werde.

Abschnitt 54. – 5. Mose 20, 1 – 4.

V. 1. Wenn du in einen Krieg ziehest usw. Auch dieses der öffentlichen Ordnung des Staatswesens dienende Gesetz ist ein Anhang zum ersten Gebot: Israel soll seine Kriege führen unter Gottes Oberleitung, im Vertrauen auf seine Hilfe, und soll sich ganz seiner Führung anvertrauen. Auch daran sollte man die wahre Frömmigkeit erkennen, dass Gottes Volk seinen Herrn im Kriege nicht minder als im Frieden vor Augen hatte, und dass es Sieg und Heil nur von der Anrufung seines Namens erwartete. Daraus lässt sich dann ersehen, dass im Frieden der Gottesdienst noch viel mehr seine hervorragende Stelle behauptete. Selbstverständlich will unsere Vorschrift das Volk nicht zu mutwilligen Kriegen anleiten, sondern setzt als selbstverständlich voraus, dass es sich um einen gerechten Kriegsgrund handelt: denn bei einem wider sein Gebot gehenden Unternehmen vom Herrn Hilfe begehren, wäre ein schändlicher Missbrauch seines Namens. Gott ruft seinem Volke zu, es solle sich auch vor einem an Rossen, Stärke und kriegerischer Rüstung überlegenen Feinde nicht fürchten: kein Unglück wird Israel treffen, wenn es auch nicht viele Rosse und Wagen hat. Wir haben soeben gehört (5. Mose 17, 16) dass selbst die Könige sich nicht solche Streitkräfte sammeln durften, deren die Heiden in der Welt sich rühmten. Damit nun sein Volk nicht im Bewusstsein seiner Schwachheit zu erzittern brauchte, spricht Gott ihm zu, dass seine Kraft ihm zu hinlänglichem Schutze dienen werde. Darauf gründet sich denn ohne Zweifel auch der Psalmspruch (Ps. 20, 8): „Jene verlassen sich auf Wagen und Rosse, wir aber denken an den Namen des Herrn, unseres Gottes.“ Und Jesaja (8, 6) tadelt das Volk, dass es die stillen Wasser Siloah verachtet und sich nach großen und reißenden Flüssen sehnt, d. h. dass es (Jes. 31, 1) auf die Rosse Ägyptens sein Vertrauen setzt. Bemerkenswert aber ist, worauf der ruhige Glaube sich stützen soll: das Volk darf hoffen, dass derselbe Gott, der seine Väter aus Ägyptenland geführet hat, mit seiner Macht auch künftig bei ihm bleiben werde.

V. 2. So soll der Priester herzutreten usw. Kommt es zum Kampf, so fällt den Priestern die Aufgabe zu, das Volk zu ermahnen: es soll auf die Hilfe des Gottes seine Zuversicht setzen, der sein einmal erlöstes Volk erhalten und stetig schützen wird. Mit immer wiederholten Worten wird das Volk ermahnt (V. 3): Euer Herz verzage nicht, fürchtet euch nicht usw. Daraus entnehmen wir, dass die sündhafte Furcht, die auf allerlei Weise unser Herz umtreibt und erschüttert und uns nicht zur Ruhe in Gott kommen lassen will, schwer auszutreiben ist. Wissen wir doch auch aus eigener Erfahrung, wie vielerlei Stürme uns umtreiben, so dass unser Glaube vieler Stützen bedarf. Einprägen wollen wir uns endlich auch das Wort, welches die freundliche Nähe Gottes mit wunderbar schönem Ausdruck beschreibt (V. 4): der Herr, euer Gott, gehet mit euch, - natürlich nur dann, wenn Israel nicht durch eigene Schuld, sondern durch einen ungerechten Angriff seiner Feinde in Gefahr gerät.

Abschnitt 55. – 4. Mose 10, 1 – 10.

V. 2. Mache dir zwei Trompeten usw. Diese Anordnung über die zwei silbernen Trompeten können wir insofern recht wohl an das erste Gebot hängen, als sie ja das Zeichen zur Versammlung gaben, damit das Volk immer auf Gottes Stimme und Wink achte. Durch den Hall dieser Trompeten wies Gott immer die Kinder Israel an, wohin sie gehen sollten, und sie durften weder im Krieg noch im Frieden ohne seine Führung und seinen Vorantritt irgendetwas angreifen. So dienten die Trompeten einem dreifachen Zweck: sie riefen das Volk oder seine Obersten zu öffentlicher Versammlung oder aber zum Kampfe wider den Feind, sie gaben auch zum Opfer und zu Festtagen ihren Schall. Dass man zu dem keineswegs ehrenvollen und glänzenden Amte eines Posaunenbläsers die Priester verordnete, könnte freilich wunderlich und unpassend scheinen: aber Gott wollte auf diese Weise das Herz des Volkes zu größerer Ehrfurcht stimmen; alles, was man tat, geschah dadurch unter der Autorität der Priester. Diese leisteten ja nicht den einfachen Dienst, dass sie etwa auf Geheiß eines anderen die Trompeten bliesen, sondern sie traten damit an die Spitze aller öffentlichen Unternehmungen: das Volk konnte nichts in seinen Versammlungen mit blindem Ansturm und unzeitiger Eile tun, sondern es behaupteten Bescheidenheit, Würde und Mäßigung den gebührenden Platz. Wenn man sonst in irdischen Geschäften oft nicht auf Gott sieht, sondern in falschem Selbstvertrauen ohne sein Wort Pläne schmiedet, so bezeugt Gott hier durch das den Priestern gegebene Recht, dass alle Versammlungen, die nicht unter ihrem Vorsitz zusammentreten, verflucht sind. Auch die Heiden hatten ähnliche Ordnungen: ihre Priester achteten auf den Vogelflug und die Eingeweide der Opfertiere, brachten Gebete und Opfer dar, weil schon der natürliche Instinkt es ihnen eingab, dass man ohne göttliche Hilfe in keinem Unternehmen Glück haben könne. Hier aber will Gott auf andere Weise das Volk an seinen Wink binden: es wird durch den Schall der heiligen Posaunen wie durch einen himmlischen Ruf zu heiligen und frommen Beratungen versammelt. Auch dass es gerade (V. 3) vor die Tür der Hütte des Stifts kommen soll, muss den entsprechenden Eindruck machen: dort stand man gleichsam vor Gottes Angesicht. Auch Kriege sollten nicht in überstürztem Angriff oder aus Rachgier unternommen werden, sondern die Priester sollten mit ihrer Weihe selbst über ihnen walten, so dass Gott in eigner Person als Urheber des Kampfes erschien. Und dass sie endlich die Festtage ansagen und das Volk zum Heiligtum versammeln sollten, gehörte zu ihrer besonderen Ehre. – Im Einzelnen wurden verschiedene Zeichen gegeben: mit einfachem Ton (V. 4) wurden die Fürsten oder die Obersten über die Tausende in Israel zusammengerufen; ein verdoppelter Schall ging das ganze Volk an. Des weiteren gab es verschiedene Zeichen, bei welchen die verschiedenen Teile des Heeres vorzurücken hatten. Das Wort (V. 5), welches wir mit „trompeten“ übersetzen, bezeichnet im Unterschied vom ruhigen Blasen einen lebhafteren, längeren, aber mehrfach unterbrochenen Ton. Bemerkenswert ist auch die hier angeschlossene Verheißung (V. 9): dass euer gedacht werde vor dem Herrn und erlöst werdet von euren Feinden. Dies wird freilich nicht darum geschehen, weil etwa das Heil und die Befreiung des Volkes am Klang der Posaune hinge, sondern weil Israel allein im Vertrauen auf Gottes Hilfe in den Krieg zog. So ist denn bei dem äußeren Zeichen der dadurch bedeutete Inhalt mitzudenken, nämlich dass Israel Gottes Kriege führte, ihm als Führer folgte und seine ganze Kraft bei seiner Gnade suchte. Solches vernehmen wir mehrfach aus den Psalmen (Ps. 33, 16. 18; vergl. auch 20, 8): „Einem Könige hilft nicht seine große Macht; ein Riese wird nicht errettet durch seine große Kraft. Siehe, des Herrn Auge siehet auf die, so ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen.“

V. 10. Desselbigen gleichen, wenn ihr fröhlich seid usw. Diese Anordnung gibt zu verstehen, dass dem Herrn keine Festtage angenehm sind, noch Opfer gefallen, die nicht auf seinen Befehl sich gründen. Denn das Volk durfte nicht beliebige Tage dafür wählen. Das Recht, sie anzuordnen, stand bei den Dienern des Heiligtums. Freilich hatte Gott selbst Neumonde und andere Festtage eingesetzt, aber damit die gewöhnliche Neuerungssucht der Menschen nicht Veränderungen herbeiführe, sollten die gesetzlichen Feiertage durch den Schall der Posaunen feierlich angekündigt werden: es war, als sagte Gott selbst durch den Mund der Priester die heiligen Versammlungen an. – Dankopfer oder, wie man auch übersetzt „Friedensopfer“, brachte man als Zeichen des Dankes dar, wenn man sich aus einer großen Gefahr errettet oder sonst mit einer besonderen göttlichen Wohltat beschenkt wusste. Dass das Posaunenblasen zum Gedächtnis vor Gott dienen werde, sagt Mose in dem Sinne, dass der Herr sein Volk, wenn es auf seinen Befehl zusammenkommt, freundlich ansehen und seiner väterlichen Gunst würdigen wird.

Quelle: Müller, Karl / Menges I. - Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift, 2. Band

1)
Eine Drachme ist nach unserem Gelde etwa 78 Pfennige.
2)
Ein Lehrer des 5. Jahrhunderts, der die Kraft des freien Willens verteidigte und die Erbsünde bestritt. Sein kraftvollster Gegner war Augustinus, der die freie Gnade bekannte
3)
Wahrscheinlicher droht der Ausdruck eine Strafe an: der Ertrag eines mit gemischten Gewächs bestellten Feldes wird „geheiligt“ d. h. er wird zum Besten des Heiligtums eingezogen
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