Calvin, Jean - Das christliche Leben

Calvin, Jean - Das christliche Leben

Wir bezeichneten es als das Ziel der Wiedergeburt, daß im Leben der Gläubigen sich Zusammenstimmung und Harmonie zwischen Gottes Gerechtigkeit und ihrem Gehorsam offenbare; dadurch machen sie ihre Berufung zur Gotteskindschaft fest, Die Gestalt dieses neuen Wesens, durch welches Gottes Bild in uns wiederhergestellt wird, ist uns zwar in Gottes Gesetz bereits vorgezeichnet: weil aber unsere Trägheit immer wieder gestachelt und getrieben werden muß, wird es nützlich sein, aus verschiedenen Schriftstellen einen Aufriss der christlichen Lebensführung zu geben, damit Leute, die ernstlich den Weg zur Umkehr betreten wollen, in ihrem Eifer nicht fehlgreifen.

… Der hier in Betracht kommende Unterricht der Schrift bewegt sich hauptsächlich um zwei Punkte. Erstlich soll die Liebe zur Gerechtigkeit, zu der wir von Natur keineswegs geneigt sind, ins Herz gegossen und geprägt werden; sodann Sollen wir uns an eine Norm und Regel halten können, die unser Streben nach Gerechtigkeit in die rechte Bahn weist.

Von welchem besseren Fundament könnte aber die Schrift den Ausgang nehmen als von der Mahnung, daß wir heilig sein sollen, weil unser Gott heilig ist :(3. Mos. 19, 1 f.; 1. Petr. 1,16)? Denn wir waren wie Schafe zerstreut und in den Irrwegen dieser Welt umgetrieben: da sammelte der Herr selbst uns und nahm uns zu seinem Eigentum. Hören wir aber von dieser unserer Gemeinschaft mit Gott, so wollen wir alsbald gedenken, daß Heiligkeit das Band sein muß, durch welches sie besteht, Gewiß nicht in dem Sinne, als gelangten wir durch das Verdienst unserer Heiligkeit zur Gemeinschaft mit Gott vielmehr müssen wir zuerst an ihm hängen, um von seiner Heiligkeit uns durchströmen zu lassen und dann seinen Winken folgen zu können ,Aber es gehört im höchsten Grade zu Gottes Ehre, daß er keine Gemeinschaft mit ungerechtem und unreinem Wesen habe. Also lehrt die Schrift, daß wir dieses Ziel unserer Berufung uns immer vor Augen stellen sollen, wollen wir anders dem Ruf Gottes wirklich folgen. Denn was könnte ihm daran liegen, uns aus der Schlechtigkeit und dem Schmutz der Welt herauszureißen, in den wir versunken waren, wenn wir uns während unseres ganzen Lebens weiter darin wälzen wollen? Zudem mahnt uns der Herr (Jes. 35,8 und öfter), daß wenn wir zu seinem Volk gezählt werden wollen, wir Einwohner der heiligen Stadt Jerusalem sein müssen: diese aber hat Er sich zum Eigentum geweiht, so daß sie nicht durch unreine Bewohner entweiht werden darf.

Um uns noch gründlicher aufzuwecken, stellt uns die Schrift vor, daß der Vater uns durch Christum nicht bloß mit sich versöhnt hat. sondern daß er in ihm auch sein Bild ausprägte, zu dem wir gestaltet werden sollen… Was kann es Wirksameres geben, als diesen einen Gedanken? Was weiter ist überhaupt vonnöten. Denn wenn der Herr uns unter dieser Bedingung zu seinen Söhnen angenommen hat, daß unser Leben eine Nachahmung Christi sei, und dies die Gewähr ist, so lehnen wir uns, wenn wir uns nicht der Gerechtigkeit weihen und befleißigen, nicht nur frevelhaft gegen unseren Schöpfer auf, sondern verleugnen ihn auch als unseren Erlöser.

Die christliche Freiheit steht in drei Stücken: erstlich erheben sich die Gewissen der Gläubigern wenn sie nach der Gewißheit ihrer Rechtfertigung vor Gott fragen, über das Gesetz und dürfen die ganze Gerechtigkeit des Gesetzes vergessen Aus dem ersten ergibt sich das zweite Stück unserer Freiheit: das Gewissen folgt dem Gesetz nicht mehr um des gesetzlichen Zwanges willen, sondern gehorcht, obgleich es nicht mehr unter dem Joch des Gesetzes steht, dem Willen Gottes mit freiem Trieb. Der fortwährende Schrecken, der unter der Herrschaft des Gesetzes das Gewissen ängstet, vermag es nicht zu freudigem Gehorsam gegen Gott zu stimmen: darum muß ihm erst die Freiheit geschenkt werden… Wer an das Joch des Gesetzes gebunden ist, gleicht einem Sklaven, der seinem Herrn nicht unter die Augen zu kommen wagt, solange er nicht alle ihm zugeteilten Leistungen aufs peinlichste erfüllt hat. Kinder aber wagen einem freundlichen Vater auch noch unvollendete und nicht fehlerfreie Arbeiten zu bringen, weil sie wissen, daß ihr Gehorsam und ihre Willigkeit bei ihm gilt. Sie sollen wir auch sicher vertrauen, daß unsere Gehorsamstaten trotz all ihrer Schwachheit von dem freundlichen Vater im Himmel angenommen werden.

Das dritte Stück der Freiheit steht darin, daß wir zur Beobachtung äußerer Dinge, die an sich gleichgültige Mitteldinge sind, vor Gott nicht mehr verpflichtet sind,

Gehört es zu den Vorzügen der christlichen Freiheit, daß, wie wir darlegten, die Gewissen nicht an äußerliche Satzungen gebunden werden dürfen, so haben wir auch festzustellen, daß sie über jede menschliche Vergewaltigung erhaben sind.

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