Calvin, Jean - Apostelgeschichte - Kapitel 13.

Calvin, Jean - Apostelgeschichte - Kapitel 13.

1 Es waren aber zu Antiochien in der Gemeine Propheten und Lehrer, nämlich Barnabas und Simon, genannt Niger, und Lucius von Kyrene und Manahen, der mit Herodes dem Vierfürsten erzogen war, und Saulus. 2 Da sie aber dem Herrn dieneten und fasteten, sprach der heilige Geist: Sondert mir aus Barnabas und Saulus zu dem Werk, dazu ich sie berufen habe. 3 Da fasteten sie und beteten und legten die Hände auf sie und ließen sie gehen.

Die nun folgende Geschichte von der Verordnung des Paulus zum Lehrer der Heiden ist nicht bloß erwähnenswert, sondern auch überaus nützlich zu wissen; denn seine Berufung war gleichsam der Schlüssel, mit welchem uns Gott das Himmelreich öffnete. Wir wissen, dass der Bund des ewigen Lebens allein mit den Juden geschlossen war. Also hätte es uns nichts genützt, dass Christus der Welt das Heil brachte, wäre nicht die Trennung aufgehoben und uns der Eintritt in die Gemeinde eröffnet worden. Gewiss hatten schon die Apostel den Auftrag, das Evangelium über den ganzen Erdkreis zu verbreiten; aber sie hatten sich bis dahin noch in den Grenzen von Judäa gehalten. Die Sendung des Petrus zu Kornelius erschien als etwas ganz Unerhörtes und Wunderbares; zudem konnte man an einen außerordentlichen Vorzug denken, der nur wenigen Menschen gewährt ward. Indem aber Gott jetzt mit erklärter Absicht den Paulus und Barnabas für die Heiden bestimmt, stellt er diese den Juden gleich, und das Evangelium wird ein unterschiedslos gemeinsamer Besitz. So hat die Berufung des Paulus für uns die gewaltige Bedeutung, als riefe Gott öffentlich vom Himmel her, dass das einst dem Abraham und seinem Samen verheißene Heil heute genau so auch uns angehe, als stammten wir von Abraham ab. Darum weist Paulus so oft und nachdrücklich auf seine Berufung hin; er will die Heiden unbedingt vergewissern, dass die Lehre des Evangeliums nicht durch Zufall oder menschlichen Vorwitz, sondern erstlich nach Gottes wunderbarem Rat, sodann durch seinen offenkundigen Befehl zu ihnen gekommen sei, indem er den Menschen jetzt bezeugte, was er bei sich beschlossen hatte (Gal. 1, 15; 2, 8).

Es waren in der Gemeinde usw. Wodurch Propheten und Lehrer sich gemeinhin unterscheiden, wird zu Eph. 1, 11 und 1. Kor. 12, 28 auseinandergesetzt. An unserer Stelle wird kaum ein Unterschied sein, und Lukas will nur zum Ausdruck bringen, dass in jener Gemeinde mehrere Leute mit einer besonderen Gnadengabe des Geistes ausgerüstet und dadurch zum Lehren befähigt waren. Wir haben dabei zu beachten, was diese Angabe eigentlich bezweckt: Paulus und Barnabas waren Diener der Gemeinde zu Antiochien, aus welcher heraus Gott sie nun anderswohin ruft. Lukas tritt nun der Annahme entgegen, dass Gott jene Gemeinde von rechtschaffenen und brauchbaren Lehrern entblößt habe, um mit ihrer Schädigung für andere zu sorgen. Er teilt mit, dass die Gemeinde eine Fülle von Lehrern besaß, so dass sie dem Bedürfnis anderer zu Hilfe kommen konnte und selbst doch noch genügend gedeckt war. Man sieht daraus, wie freigebig Gottes Gnade über jene Gemeinde sich ergossen hatte, so dass man ihre Bächlein noch anderswohin ableiten konnte. So hat Gott auch zu unserer Zeit manche Gemeinden vor anderen reich gemacht, dass sie Pflanzstätten für die Ausbreitung des Evangeliums wurden.

Manahen, der mit Herodes erzogen war, muss eben darum aus einer vornehmen Familie stammen. Lukas erwähnt dies zum Ruhme seiner Frömmigkeit, denn dieser Mann hat den Glanz der Welt verachtet und sich der niedrigen und unangesehenen Herde Christi angeschlossen. Wenn wir bedenken, in welcher Lage die Gemeinde damals war, dann wird uns einleuchten, dass jemand, der zum Evangelium sich bekannte, sich öffentlicher Schmach aussetzte. Durch dies Beispiel will uns also der Herr zur Verachtung der Welt anleiten; wir sollen lernen, in tapferem und hohem Mut die Welt mit Füßen zu treten, wenn wir auf andere Weise nicht wahre Christen sein können; ja, wir sollen, was dem Fleisch kostbar ist, in solchem Falle als schädliche Hinderung wegwerfen.

V. 2. Da sie aber dem Herrn dieneten usw. Buchstäblich ließe sich übersetzen: da sie dem Herrn feierlichen Gottesdienst taten. Da der Ausdruck zuweilen vom Opfer gebraucht wird, finden die Papisten hier gern einen Beweis dafür, dass schon die Apostel das Messopfer darbrachten. Aber das ist lächerlich; das Opfer der christlichen Gemeinde bestand vielmehr darin, dass ein jeder sich und das Seine dem Herrn aufopferte, dass aber die öffentlichen Diener mit dem geistlichen Schwert des Evangeliums die Seelen als Opfer schlachteten, wie Paulus einmal sagt (Röm. 15, 16). Außerdem sind die Gebete aller Frommen jene geistlichen Opfer der Lippen, die in rechter Weise den Herrn gnädig stimmen, wenn man sie ihm auf seinem heiligen Altar, d. h. in Christi Namen, darbringt (vgl. Ebr. 13, 15; Hos. 14, 3). Wenn also Lukas berichtet, dass die Propheten und Lehrer dem Herrn dienten, als die Zusprache des heiligen Geistes erfolgte, so ist darunter nichts anderes zu verstehen als ein öffentlicher, feierlicher Gottesdienst. Es wird hinzugefügt, dass sie fasteten. Wir sollen wissen, dass ihre Herzen sich von allem Ballast befreiten, so dass nichts sie hinderte, der Weissagung volle Aufmerksamkeit zu schenken.

Sondert mir aus usw. Gott will, dass durch die Stimme der Gemeinde Paulus und Barnabas eben dafür abgeordnet werden, wozu er selbst sie bestimmte. Daraus schließen wir, dass es bei einer Pastorenwahl nur dann richtig zugeht, wenn Gott dabei den entscheidenden Einfluss hat. Nur solche Leute dürfen also zum Lehramt berufen werden, welche Gott sich schon zuvor irgendwie erwählt hat. Dabei ist es nicht nötig, dass uns der Geist durch einen Ruf aus dem Himmel die göttliche Berufung des Betreffenden bestätige. Vielmehr nehmen wir solche Leute, die Gott mit den nötigen Gaben ausgerüstet, also durch seine Hand gebildet und geeignet gemacht hat, nicht anders an, als hätte seine Hand sie uns übergeben. Indessen scheint die Aussage des Lukas, dass Paulus durch die Stimmen der Gemeinde verordnet ward, mit dessen eigenen Worten nicht zu stimmen; leugnet doch Paulus durchaus, dass er von Menschen oder durch Menschen gesandt sei (Gal. 1, 1). Aber die Abordnung durch die Gemeinde wird ja nicht darum anbefohlen, damit des Paulus Berufung vom Urteil der Menschen abhängig werde. Vielmehr gibt Gott seinen bisher nur wenigen Menschen bekannten Rat durch eine öffentliche Erklärung bekannt und will ihn durch feierliche Unterschrift der Gemeinde besiegelt wissen. Übrigens werden Paulus und Barnabas nicht erst jetzt unter die Lehrer eingereiht, sondern es wird ihnen das außerordentliche Amt aufgetragen, dass sie mit der Ausbreitung der Gnade Gottes zu den Heiden insgemein beginnen sollen. Dies wollen die Worte besagen: Sondern sie mir aus zu dem Werk, dazu ich sie berufen habe. Es handelt sich ohne Zweifel um ein neues und bisher ungebräuchliches Amt. Doch wie kann hier Barnabas als Genosse neben Paulus erscheinen, von dem wir niemals lesen, dass er das Lehramt ausgeübt habe? Er wird doch ohne Zweifel treulich getan haben, was Gott ihm anvertraute, und nicht als stummer Zuschauer dagestanden sein. Nur hat Lukas, der ja auch von den Predigten des Paulus die allerwenigsten erwähnt, von seinen Predigten nicht ausdrücklich berichtet.

Sprach der heilige Geist usw. Hier haben wir ein deutliches Zeichen für die göttliche Wesenheit des Geistes, gegen welches keine Ausflucht aufkommen kann. Ist es doch Gottes allereigenstes Werk, durch seine Macht und seinen Befehl als einziger Herr die Gemeinde zu leiten. Und nun nimmt dieses Recht der Geist für sich in Anspruch, indem er befiehlt, dass man den Paulus und Barnabas aussondere, und bezeugt, dass sie durch seinen Wink berufen wurden. So werden wir auch später (20, 28) in einer Predigt des Paulus hören, dass die Bischöfe, welche die Gemeinde leiten sollen, vom heiligen Geist gesetzt seien; und doch darf nach dem Zeugnis desselben Paulus nur der als rechtmäßiger Hirt der Gemeinde gelten, den Gott berufen hat; und eben mit dem Kennzeichen stempelt Gott die falschen Propheten, dass er sie nicht gesandt habe. Also ziehen wir den Schluss, dass der heilige Geist wahrhaftiger Gott ist, da ja sein Ansehen hinreicht, Pastoren zu erwählen, und er die oberste Bestimmung bei ihrer Einsetzung hat. Das gleiche wird auch durch die Worte des Jesaja (48, 16) bekräftigt: „Und nun sendet mich der Herr und sein Geist.“ Außerdem ist diesen Worten zu entnehmen, dass der Geist eine selbständige Person in Gott ist.

V. 3. Da fasteten sie und beteten usw. Im Gehorsam gegen die göttliche Weisung entlässt man den Paulus und Barnabas nicht einfach, sondern setzt sie auch mit feierlicher Handlung zu Heidenaposteln ein. Mit einem öffentlich angesagten Fasten, wie es bei schwierigen und wichtigen Dingen Sitte war, stimmt man sich und andere zu ernstem Gebetseifer. Wird doch in der Schrift oft das Fasten als Hilfsmittel zum Gebet gefügt. Das Gebet zielt jetzt darauf, dass Gott die Männer, die er selbst sich bereits erwählt hatte, mit dem Geist der Klugheit und Tapferkeit rüste, dass er sie mit seiner Kraft gegen alle Anläufe des Satans und der Welt unbesieglich mache, dass er ihrer Arbeit Segen und Frucht schaffe, und der neuen Ausbreitung des Evangeliums die Tür auftue. Die Handauflegung, die Lukas als drittes Stück verzeichnet (vgl. auch 6, 6), ist eine Form der Weihe; diese aus dem Alten Testament stammenden Gebräuche behielten die Apostel ebenso bei wie die Kniebeugung und ähnliche zur Frömmigkeit nützliche Formen. Alles in allem hatte die Handauflegung lediglich den Zweck, dass die Gemeinde den Paulus und Barnabas dem Herrn darstellte und durch ihre Zustimmung öffentlich bezeugte, dass ihr Amt ihnen von Gott übertragen ward. Denn die Berufung war recht eigentlich Gottes Sache allein; die äußere Einsetzung im Gehorsam gegen den göttlichen Fingerzeig war Sache der Gemeinde.

4 Diese nun, wie sie ausgesandt waren vom heiligen Geist, kamen sie gen Seleucia, und von dannen schifften sie gen Cypern. 5Und da sie in die Stadt Salamis kamen, verkündigten sie das Wort Gottes in der Juden Schulen; sie hatten aber auch Johannes zum Diener. 6 Und da sie die Insel durchzogen bis zu der Stadt Paphos, fanden sie einen Zauberer und falschen Propheten, einen Juden, der hieß Bar-Jesus; 7 der war bei Sergius Paulus, dem Landvogt, einem verständigen Mann. Derselbige rief zu sich Barnabas und Saulus und begehrte, das Wort Gottes zu hören. 8 Da widerstand ihnen der Zauberer Elymas (denn also wird sein Name gedeutet) und trachtete, dass er den Landvogt vom Glauben wendete. 9 Saulus aber, der auch Paulus heißet, voll heiliges Geistes, sah ihn an 10 und sprach: O du Kind des Teufels, voll aller List und aller Schalkheit und Feind aller Gerechtigkeit, du hörest nicht auf, die rechten Wege des Herrn zu verkehren; 11 und nun siehe, die Hand des Herrn kommt über dich und sollst blind sein und die Sonne eine Zeitlang nicht sehen. Und von Stund an fiel auf ihn Dunkelheit und Finsternis, und ging umher und suchte Handleiter. 12 Als der Landvogt die Geschichte sah, glaubte er und verwunderte sich der Lehre des Herrn.

V. 4. Wie sie ausgesandt waren vom heiligen Geist. Hier wird an die Erwählung durch die Gemeinde nicht wieder erinnert, weil die Berufung vollkommen göttlichen Ursprungs war; die Gemeinde nahm einfach die Leute an, die Gottes Hand ihr bot. Es wird nun berichtet, dass sie zuerst nach Seleucia kamen, einer bedeutenden Stadt Syriens, von wo man in kurzer Zeit nach Cypern überfahren konnte.

V. 5. Dort übten sie zuerst das Lehramt in der bekannten Stadt Salamis. Doch scheinen sie einen verkehrten Anfang zu machen; denn sie verkündigen den Juden Gottes Wort, obwohl sie doch insbesondere zu den Heiden gesandt waren. Indessen waren sie diesen nicht in einer solchen Weise verpflichtet, dass sie die Juden hätten zurücksetzen und immer sofort zu den Heiden gehen müssen. Ganz im Gegenteil werden wir am Schluss des Kapitels sehen (V. 46), dass der Anfang bei den Juden gemacht werden musste. Nebenher merkt Lukas an, dass die Missionare in ihrer Predigt des Evangeliums von Johannes unterstützt wurden; von diesem frommen Eifer hebt sich dann später dessen unentschuldbarer Rücktritt von dem heiligen Beruf ab.

V. 6. Da sie die Insel durchzogen usw. Dies taten sie gewiss nicht ohne Frucht. Lukas würde es sicherlich nicht verschwiegen haben, wenn sie allgemeine Zurückweisung erfahren hätten. Er begnügt sich aber mit dem Hinweis, dass sie auch auf dem Wege zu lehren nicht aufhören, wendet sich dann aber schnell zu der folgenden denkwürdigen Geschichte. Da Salamis auf dem östlichen Ufer Syrien gegenüber lag, konnten Paulus und Barnabas auf das entgegengesetzte Ende, nach Paphos, nur gelangen, indem sie mitten über die Insel zogen. Diese Stadt lag am Meere gegen Südwesten. Sie war der Hauptsitz der Venusverehrung, der überhaupt die ganze Insel geweiht war. Umso wunderbarer ist Gottes Güte, welche das Licht des Evangeliums in solch schmutzige und schändliche Höhle dringen lassen wollte. Man kann sich denken, auf welcher Höhe Sittenreinheit, Schamhaftigkeit, Ehrbarkeit und Zucht in jener Stadt standen, wo die Religion den Einwohnern die höchste Freiheit zu einem schändlichen und verbrecherischen Leben gewährte.

Fanden sie einen falschen Propheten usw. Da die Religion bei den Juden völlig verderbt ward, ist es nicht zu verwundern, dass sie zu allerlei unfrommem Aberglauben herabsanken. Zu verwundern ist aber, wie Elymas (V. 8) mit seinen Gaukeleien einen würdigen und verständigen Mann fangen konnte. Indem Lukas den Sergius als einen solchen bezeichnet, gibt er jedenfalls zu verstehen, dass derselbe nicht aus Torheit und Leichtsinn den Betrügereien des Zauberers erlag. Wir sehen hier aber wie in einem klaren Spiegel, wie flüchtig und nichtig die Klugheit des Fleisches ist, nicht imstande, sich vor so groben Fallstricken des Satans zu hüten. Hat doch der hässlichste und wunderbarste Aberglaube unter den scharfsinnigsten Heidenvölkern, welche die höchste Geisteskultur hervorgebracht hatten, geherrscht. Urteil und Weisheit kommt also allein von Gottes Geist. Übrigens ist es auch möglich, dass Sergius Paulus schon des alten heidnischen Aberglaubens überdrüssig geworden war und sich einer reineren Gottesverehrung entgegenstreckte, als er jenem Zauberer in die Hände fiel. Dann wäre es ein wunderbares Gericht Gottes gewesen, wenn er es zuließ, dass ein von frommem Eifer beseelter Mann sich in die verderblichen Schlingen Satans begab. So übt aber zuweilen Gott seine Auserwählten und führt sie durch mancherlei Irrungen, bevor sie auf den rechten Weg geleitet werden.

V. 7. Dass aber Sergius Paulus, indem er etwas Besseres suchte, als er von Jugend auf gelernt hatte, unglücklicherweise zu mancherlei Aberglauben gezogen ward, - diese Vermutung drängt sich mir darum auf, weil er Paulus und Barnabas aus freien Stücken als Lehrer zu sich rief. Er hatte also eine gewisse Ehrfurcht vor dem wahren, aber noch unbekannten Gott gewonnen; und da er überzeugt war, dass der Gott, den man im jüdischen Lande verehrte, der wahre sei, so wünschte er aus dessen Wort eine reine und gewisse Regel der Frömmigkeit zu empfangen; nachdem er von den Träumen des falschen Propheten gekostet, bleibt er in der Schwebe. Ohne Zweifel reizte nun Gott seinen Geist, sich bei diesen Eitelkeiten nicht völlig zu beruhigen, obwohl er es zuließ, dass der gottlose Mensch ihn eine Weile täuschte.

V. 8. Und trachtete, dass er den Landvogt vom Glauben wendete. Es ist nicht zu verwundern, dass der Betrüger das Licht zu verscheuchen versucht, welches seine Finsternis zu zerstreuen drohte. Mit solchen Hindernissen haben auch wir zu ringen. Sind auch nicht immer und überall Zauberer vorhanden, die uns zu schaffen machen, so bringt der Satan doch viele Zerstreuungen herbei, die unsere Sinne gefangen nehmen und Christus fernhalten, welche aufzunehmen das Fleisch nur zu bereit ist. Die Lockungen der Welt und die sündhaften Neigungen unseres Fleisches sind lauter Zaubergesänge, mit welchen der Satan unaufhörlich den Glauben angreift.

V. 9. Saulus aber, der auch Paulus heißet usw. Jetzt zeigt Lukas, wie Gott den Knoten abhieb, welcher den Prokonsul fesselte. Da er dem Zauberer sich allzu sehr ergeben hatte, konnte er nicht wie ein freier und ungebundener Mann die wahre Lehre annehmen; denn der Teufel hält die Seelen, die er verstrickt hat, in unglaublicher Weise fest, so dass sie die offenkundigste Wahrheit nicht sehen. Nachdem aber der Zauberer niedergeschlagen, gewinnt Paulus leicht Eingang beim Landpfleger.

V. 10. O du Kind des Teufels usw. Darunter ist ein hoffnungslos verlorener Mensch zu verstehen, wie es ein jeder ist, der mit Bosheit und Absicht die Gerechtigkeit und Wahrheit bekämpft. Darum nennt Paulus den Zauberer auch einen Feind aller Gerechtigkeit. Es war nicht willkürlich, dass er in solch glühendem Eifer redete; bei mäßigerem und sanfterem Verfahren hätte er auf keinen Erfolg hoffen dürfen. Gewiss sollen wir immer mit Belehrung anfangen: Leute, die man noch nicht für ganz verstockt halten muss, sollen erst erinnert, ermahnt und angetrieben werden. Sicherlich hat Paulus auch nicht bei der ersten Begegnung so heftig gegen den Zauberer gedonnert. Als er aber sieht, dass er böswillig gegen die Lehre der Frömmigkeit kämpft, behandelt er ihn als ein Eigentum Satans. So muss man mit verzweifelten Feinden des Evangeliums umgehen, bei denen sich offene Auflehnung und frevelhafte Verachtung Gottes zeigen, namentlich wenn sie anderen den Weg verschließen. Damit nun aber niemand glaube, der Zorn des Paulus habe das rechte Maß überschritten, sagt Lukas ausdrücklich, dass er voll heiliges Geistes so redete. Im Übrigen zeigt die Angabe der beiden Namen schon vor der Bekehrung des Prokonsuls, dass es ein Irrtum ist, Paulus habe diesen Namen von Sergius Paulus gleichsam als ein Zeichen des Triumphs angenommen. Er trug vielmehr von vornherein einen jüdischen und einen römischen Namen, wie denn Juden, die römische Bürger waren, sich einen solchen beizulegen pflegten.

Du hörst nicht auf, zu verkehren usw. Als Wege des Herrn werden alle die Mittel und Weisen bezeichnet, durch welche Gott uns zu sich leitet. Und es wird bezeugt, dass dieselben glatt und „recht“ sind. Den Zauberer aber trifft die Anklage, dass er sie mit seinen Drohungen und Wendungen verkehrt, verdreht und verschlungen mache. Gott zeigt uns in seinem Wort einen schlichten und dornenfreien Weg. Der Satan aber schafft es durch seinen Betrug, dass wir nicht auf leichtem Wege zum Herrn gelangen. Man soll darum auch die Knechte Christi, die etwa mit heftigem Angriff gegen die erklärten Feinde der Wahrheit losfahren, welche mit ihren Dornen den Weg verzäunen oder ihn sonst ungangbar machen, nicht tadeln. Damit würden wir den heiligen Geist selbst der Maßlosigkeit bezichtigen. Freilich sollen fromme Lehrer sich auch vor fleischlichem Eifer hüten, solange noch Mäßigung am Platze ist. Auch sollen sie nicht unpassenden Schmähungen die Zügel schießen lassen, wobei sie doch unwürdige Dinge mit entsprechend gewichtigen Worten bezeichnen müssen. Solch heiliger Eifer und solche heftige Geisteskraft fanden sich bei den Propheten. Weiche und empfindliche Menschen, welche dieselben für gar zu stürmisch halten, bedenken nicht, wie teuer und wert dem Herrn seine Wahrheit ist, noch verstehen sie, was es heißt (Ps. 69, 10): „Der Eifer um dein Haus verzehrt mich.“

V. 11. Die Hand des Herrn kommt über dich. Gottes Hand legt die Strafe auf. Mit diesem Ausdruck gibt Paulus zu verstehen, dass Gott der Urheber der Rache ist, er selbst nur der Diener. Es scheint hier von jener Begabung die Rede zu sein, die Paulus 1. Kor. 12, 28 die Gabe der „Machttaten“ oder des Wundertuns nennt. Denn wie die Gläubigen Geisteskraft zu wunderbarer Hilfe besaßen, so hatten sie auch eine Geißel in der Hand, Aufrührer und Widerspenstige zu bändigen. Eine derartige Rache Gottes hat Petrus an Ananias und Saphira vollzogen. Weil aber die Wunder in der Regel der Art Christi entsprechen mussten, der ganz und gar menschenfreundlich, sanftmütig, guttätig und barmherzig ist, wollte er Zeichen einer anderen Macht nur selten durch die Apostel geschehen lassen. In unserem Falle ist die Art der Strafe durchaus entsprechend; der Zauberer, der die Sonne zu verdunkeln und anderen die Wohltat des Lichts zu entreißen strebte, wird selbst mit Recht in schreckliche Finsternis versenkt. Da nun heute viele von den Papisten ihn an Gottlosigkeit noch übertreffen, so könnte man sich wundern, warum ihnen ihr frecher und prahlerischer Übermut ungestraft hingeht. Wir wissen aber, dass die Wunder der ersten Zeit gewirkt wurden, damit sie bleibende Geltung hätten und uns vor Augen ständen, so dass sie auch solche Gerichte Gottes, die nicht so offenkundig sind, uns jetzt in das rechte Licht rücken. Im Übrigen ist es nicht unsere Sache, dem Herrn die Weise vorzuschreiben, wie er seine Feinde strafen soll. Sergius Paulus, der vor seinem Eintritt in das Mannesalter nichts von wahrer Religion wusste, dem seine Erziehung in mancherlei Aberglauben schwere Glaubenshindernisse bereiten musste, und der zuletzt noch den ihn vom Glauben zurückhaltenden Trügereien des Zauberers in die Hände gefallen war, bedurfte einer besonders eindrücklichen Hilfe. So kam es, dass Gott gleichsam seine Hand spürbar vom Himmel her ausreckte.

V. 12. Als der Landvogt die Geschichte sah usw. Jetzt wurden die Stricke zerrissen, mit welchen Elymas ihn gebunden hielt. Das Wunder leitete ihn zum Glauben an, weil ja ein ehrfürchtiges Aufmerken auf die Lehre der Anfang und die Vorbereitung des Glaubens ist. Da der Landvogt ein deutliches Zeichen göttlichen Kraftwirkens mit Augen sah, so musste er erkennen, dass Paulus von Gott gesandt war; so fing er an, seine Lehre, deren Glaubwürdigkeit ihm bis dahin zweifelhaft war, zu verehren. Wenn nun der Herr den Glauben an sein Evangelium, den man mit vielen und starken Mitteln allerseits zu erschüttern sucht, in vieler Herzen wunderbar und kräftig erhält und es in unglaublicher Weise schafft, dass der Lauf des Glaubens durch tausend Hindernisse hindurch bricht, so wollen wir mit diesem Gnadenwirken uns zufrieden geben und nicht murren noch mit Gott streiten, als wäre unsere Lage schlechter, wenn er nicht täglich neue Wunder nach unserem Begehren geschehen lässt.

13 Da aber Paulus, und die um ihn waren, von Paphos schifften, kamen sie gen Perge im Lande Pamphylien. Johannes aber wich von ihnen und zog wieder gen Jerusalem. 14 Sie aber zogen weiter von Perge und kamen gen Antiochien im Lande Pisidien und gingen in die Schule am Sabbattage und setzten sich. 15 Nach der Lektion aber des Gesetzes und der Propheten sandten die Obersten der Schule zu ihnen und ließen ihnen sagen: Lieben Brüder, ist bei euch ein Wort der Erinnerung an das Volk, so saget an.

V. 13. Hier wird von der zweiten Missionsstation des Paulus berichtet. Von Paphos begab er sich nach Antiochien im Lande Pisidien, wo er eine denkwürdige Predigt hielt, die Lukas zugleich mit dem Erfolg derselben mitteilen wird. Zuvor erwähnt er noch kurz den Weggang des Johannes, der nachher Anlass zu einem traurigen Zwiespalt bot. Dieser Seitenblick auf des Johannes Weichmütigkeit bedeutet ein Lob für die anderen, die in standhafter Unermüdlichkeit dem Paulus folgten.

V. 14. Und gingen in die Schule am Sabbattage. Man pflegte am Sabbat in den Synagogen zusammenzukommen, damit bei der Ruhe von der Arbeit nicht unnütze Trägheit aufkäme. Freilich hatte die Einrichtung des Sabbats noch ein anderes Ziel: er sollte ein Abbild der geistlichen Ruhe sein, in welcher die Gläubigen, dem Fleisch und der Welt abgestorben, dem eigenen Willen absagen und von ihren eigenen Werken ruhen. Die Wahrheit davon erscheint für uns in Christus, wenn wir mit ihm begraben werden und den alten Menschen ausziehen. Darum ist das alte Schattenbild vergangen. Indessen sorgte Gott zugleich auch für die äußere Ordnung: die Juden sollten, frei von allen anderen Sorgen und Geschäften, heilige Zusammenkünfte halten können. Die Ruhe von irdischer Arbeit gewährte Raum für ihre himmlischen Übungen. So sollen auch wir heute die Feiertage benutzen; eben darum ziemt es sich, alles andere zu unterlassen, damit wir desto ungehinderter für Gott freistehen.

V. 15. Nach der Lektion aber des Gesetzes usw. Obwohl man ohne Zweifel auch das Gebet nicht unterließ oder vernachlässigte, geschieht desselben doch keine Erwähnung. Da aber Lukas von der Predigt berichten will, die Paulus dort hielt, ist nicht zu verwundern, wenn er nur das anrührt, was auf die Ordnung der Lehre zielt. Die Stelle ist wichtig und lässt ersehen, wie man damals bei den Juden die Lehre handhabte, Gesetz und Propheten standen an erster Stelle, weil der Gemeinde nichts vorgesetzt werden darf, was nicht aus dieser Quelle geschöpft ward. Daraus lässt sich auch schließen, dass der Gebrauch der Schrift nicht auf wenige Leute beschränkt war, sondern allen ohne Unterschied zustand. Weiter ist zu ersehen, dass die Männer, welche die Gabe der Lehre und Ermahnung besaßen, nur die zweite Linie behaupteten, eben als Ausleger der Schrift, die man gelesen hatte. Doch zeigt Lukas endlich, dass nicht jedermann das Reden erlaubt war, damit nicht aus der Freiheit Verwirrung werde, sondern dass das Amt der Ermahnung bestimmten Männern zustand, die man Synagogenvorsteher oder Lehrer nannte. Darum beginnen Paulus und Barnabas nicht eigenmächtig zu reden, wodurch sie die gewohnte Ordnung in überstürzter Weise gestört hätten, sondern sie warten bescheiden, bis ihnen die Gelegenheit zur Rede gegeben wird, und zwar durch die Erlaubnis derjenigen, welche nach öffentlicher Anerkenntnis die Gewalt in Händen hatten. Wir wissen, in welch verderbtem Zustande sich damals jenes Volk befand, und Lukas wird am Ende des Kapitels zeigen, wie die Antiochener sich mehr als stolz und widerspenstig zeigten, indem sie Christi Gnade verschmähten; dies Gute aber war bei ihnen übrig geblieben, dass sie ihre Versammlung in geziemender Ordnung und Ehrbarkeit abhielten.

Ist bei euch ein Wort der Erinnerung. Diese Redeweise deutet an, dass alle Begabung, welche Menschen zur Erbauung der Gemeinde besitzen, als göttliche Gnade bei ihnen niedergelegt ward. Übrigens schließt die „Erinnerung“ oder Ermahnung die Belehrung nicht aus. Es scheint aber dieser Ausdruck geläufig gewesen zu sein, weil es recht eigentlich die Pflicht eines Lehrers ist, nicht aus seinem Sinn etwas Neues hervorzubringen, sondern die Schrift, in welcher die ganze Weisheit der Frommen begriffen ist, für das gegenwärtige Bedürfnis des Volks zurechtzulegen. So lehren sie eigentlich nicht, sondern passen die anderswoher entnommene Lehre der Erbauung der Gemeinde an. Und eben hierfür scheint mir der Ausdruck „Erinnerung“ besonders geeignet.

16 Da stand Paulus auf und winkte mit der Hand und sprach: Ihr Männer von Israel und die ihr Gott fürchtet, höret zu! 17 Der Gott dieses Volks hat erwählet unsre Väter und erhöhet das Volk, da sie Fremdlinge waren im Lande Ägypten, und mit einem hohen Arm führte er sie aus demselbigen; 18 und bei vierzig Jahre lang duldete er ihre Weise in der Wüste. 19 Und vertilgte sieben Völker in dem Lande Kanaan und teilte unter sie nach dem Los deren Lande. 20 Darnach gab er ihnen Richter bei vierhundertundfünfzig Jahre lang bis auf den Propheten Samuel. 21 Und von da an baten sie um einen König; und Gott gab ihnen Saul, den Sohn des Kis, einen Mann aus dem Geschlechte Benjamin, vierzig Jahre lang. 22 Und da er denselbigen wegtat, richtete er auf über sie David zum Könige, von welchem er zeugete: „Ich habe gefunden David, den Sohn Jesses, einen Mann nach meinem Herzen, der soll tun allen meinen Willen.“ 23 Aus dieses Samen hat Gott, wie er verheißen hat, kommen lassen Jesum, dem Volk Israel zum Heiland.

V. 16. Es empfiehlt sich, zuerst einen Gesamtriss der Predigt zu geben, damit uns die Worte des Paulus nicht als zufällig anmuten. Er scheint zwar die Sache vom Anfang an zu erzählen, sagt indessen nichts, was nicht mit dem gegenwärtigen Zweck trefflich zusammenstimmte. Seine Absicht ist, Juden zum Glauben an Christus zu führen. Um dies zu erreichen, muss er ihnen zeigen, wie sie allein dadurch vor anderen Völkern einen Vorzug haben, dass ihnen der Erlöser verheißen ward, dessen Herrschaft das vollkommenste und einzige Glück bringen soll. So hebt Paulus damit an, dass sie einst erwählt wurden, Gottes Eigentumsvolk zu sein, dass sie trotz aller ihrer Unwürdigkeit in ununterbrochener Zeitfolge mit vielen Wohltaten überschüttet wurden, und dass dies alles eben von der Verheißung des Messias abhing und dem Ziel entgegenstrebte, dass Gott sie durch die Hand des Messias regieren wollte. So haben sie nichts, dessen sie sich rühmen können, wenn sie nicht unter ihr Haupt sich sammeln lassen; und wenn sie dasselbe nicht annehmen, da es ihnen angeboten wird, muss der Bund des Lebens, den Gott mit ihren Vätern geschlossen hatte, ungültig werden und ihre Kindschaft nicht mehr sein. Damit beschäftigt sich nun der erste Teil der Predigt, wie er das Hauptstück des Gesetzes und das Fundament des göttlichen Bundes sei, dass sie Christus zum Führer und Leiter haben, der bei ihnen alles in rechten Stand bringen soll, - und dass ohne ihn die Religion keinen Bestand haben kann und sie selbst die elendesten Leute sein werden. Dann geht Paulus zum zweiten Hauptgedanken über, dass der Jesus, den er predigt, wahrhaftig der Christus sei, durch welchen dem Volk das Heil erschlossen wird. Auch erläutert er die Weise, wie durch ihn die Erlösung beschafft ward. Außerdem handelt er von Christi Kraft und Amt, um den Juden zu zeigen, welche Güter sie von ihm erwarten dürfen. Der Schluss droht ein schreckliches Gericht für den Fall an, dass sie den Urheber des Heils, der aus freien Stücken sich anbietet, verschmähen sollten, zu dessen sehnsüchtiger Erwartung sie doch Gesetz und Propheten aufriefen. Nach dieser Angabe des Hauptinhalts will ich das einzelne der Reihe nach erörtern.

Ihr Männer von Israel und die ihr Gott fürchtet. Paulus redet die Männer von Israel nicht nur im Allgemeinen an, sondern erinnert auch durch den weiteren Zusatz, dass sie wahre Israeliten nur sein werden, wenn sie Gott fürchten. Nur dann werden sie auch rechte Zuhörer sein, weil die Furcht des Herrn der Weisheit Anfang ist. Obwohl viele sich der Abrahamskindschaft rühmen, die so hoher Ehre durchaus nicht würdig sind, so beweist ihr – das will Paulus sagen – dass ihr nicht ein ehebrecherischer Same seid. Es leidet also jedes Zeitalter daran, dass die rechtschaffenen und echten Gottesverehrer mit Heuchlern vermischt sind, die nun alle zusammen den Namen der Kirche tragen. Wir aber sollen ernstlich dahin streben, in Wahrheit zu sein, was wir heißen. Und dazu wird uns wahre Gottesfurcht, nicht ein bloß äußeres Bekenntnis, verhelfen.

V. 17. Der Gott dieses Volks hat erwählet usw. Diese Vorrede bezeugt, dass Paulus durchaus nicht auf eine Neuerung ausgeht, welche das Volk vom Gesetz Moses abführen müsste. Gewiss ist Gott aller Völker Gott, aber er bezeichnet ihn als den Gott jenes Volkes, mit welchem er sich verbunden hatte. Dieser Gott wurde bei den Nachkommen Abrahams verehrt, bei welchen allein die wahre und unverfälschte Religion in Blüte stand. Demselben Zweck dient auch die Aussage, dass Gott die Väter erwählt habe. Paulus bezeugt mit diesen Worten, dass er nichts weniger anstrebt, als sie zum Abfall von dem wahren und lebendigen Gott zu bringen, der sie von der übrigen Welt absonderte. Außerdem will dieser Hinweis Gottes unverdiente Liebe zum Volk rühmen; denn nur darum bildeten allein Abrahams Kinder Gottes Gemeinde und Erbe, weil es dem Herrn gefiel, sie von den anderen Völkern abzusondern. Es war keine Würdigkeit vorhanden, durch die sich selbst herausgehoben hätten, sondern der Unterschied hob mit Gottes Liebe an, welche den Abraham unverdienterweise umfasste. Diese unverdiente, gnädige Gesinnung Gottes ruft Mose oft den Juden ins Gedächtnis (z. B. 5. Mos. 4, 37; 7, 8; 10, 15; 14, 2; 32, 6 ff.). Der Herr gab ein herrliches Schauspiel seines wunderbaren Rats, indem er den Abraham als einen unberühmten Menschen und elenden Götzendiener, an welchem er nichts von Vorzug fand, der ganze Welt vorzog. Übrigens betraf diese Erwählung, in welcher Gott Abrahams Samen zu seinem Eigentum nahm, ebenso wie die Beschneidung das gesamte Volk. Daneben stand aber eine andere verborgene Erwählung, kraft deren Gott aus der Schar der Abrahamskinder sich wenige aussonderte und dadurch bezeugte, dass nicht alle, die nach dem Fleisch von Abraham stammen, zum geistlichen Samen zählen (Röm. 9, 7).

Und erhöhet das Volk usw. Dieser Ausdruck will die Juden, die einst Fremdlinge waren, erinnern, in wie großartiger und glänzender Weise Gott sie befreite. Dabei lehrt Paulus, dass alle späteren auf sie gehäuften Wohltaten aus jener unverdienten Gnade flossen, mit welcher Gott ihre Väter umfangen hatte. Nur sie war der Grund, dass Gott sie mit wunderbarer Kraft erlöste und sie mit seiner Hand zum Besitz des Landes Kanaan geleitete, wobei viele Völker ihnen zugute niedergeschlagen werden mussten. Unverdiente Gnade war auch der Grund, dass Gott in wunderbarer Geduld das widerspenstige Volk, welches sonst durch seine Verkehrtheit sich tausendmal zugrunde gerichtet hätte, nicht verstieß. Wenn darum die Schrift erinnern will, dass für die Sünden des Volks Vergebung bereit stand, sagt sie, dass Gott an seinen Bund gedacht habe.

V. 18. Und duldete ihre Weise usw. Wiederum will Paulus sagen, dass Gottes Erwählung der Grund war, um dessentwillen seine Güte mit der Bosheit des Volkes rang. Indessen wollen wir uns merken, in welcher Weise sich Gott, der fest an seinem Vorsatz hielt, des auserwählten Volks erbarmte. Trotz allem hat er nämlich Aufrührer und gottlose Leute schwer gestraft. Er hat das Volk geschont und vor der völligen Vertilgung, zu der er berechtigt gewesen wäre, bewahrt, hat aber zugleich einen Weg gefunden, Verbrechen nicht ungestraft bleiben zu lassen. So wurde das Wort des Jesaja erfüllt (10, 22): „Wenn das Volk wäre wie der Sand am Meer, soll nur der Rest gerettet werden.“

V. 20. Darnach gab er ihnen Richter, d. h. Führer und Regierer. Es ist aber ein Zeugnis unermesslichen Erbarmens über die Juden, dass Gott ihren vielfachen Abfall immer wieder verzieh. Wahrscheinlich hat Paulus deutlicher und reicher ausgeführt, was Lukas nur kurz zusammenfasst. Wir wissen, in welchem Zustand sich damals das Volk befand, da es immer wieder in ungebändigter Anmaßung das Joch abschüttelte; oft trafen es die schwersten Niederlagen; sobald es sich aber demütigte, entriss es Gott sofort wieder der feindlichen Tyrannei. So hat er durch mancherlei Sterben hindurch den Leib des Volkes während dieser ganzen vierhundertundfünfzig Jahre unversehrt erhalten. Man sieht daraus, wie unwert sie der immer wieder verachteten und zurückgestoßenen Gottesgnade gewesen wären, hätte nicht die Erwählung in ihrer Beständigkeit gesiegt. Nur darum hielt Gott unermüdlich dem hundertmal bundbrüchigen Volk die Treue, weil er sein Auge auf seinen Christus richtete und den in ihm begründeten Bund nicht untergehen ließ.

V. 21. Von da an baten sie um einen König. Mit dieser Veränderung wollten sie das von Gott eingesetzte Regiment offen abschütteln, wie er selbst klagt (1. Sam. 8, 5. 7). Aber die unerschütterliche Festigkeit der Erwählung hinderte es, dass sie für diesen Wahnsinn nicht die verdiente Strafe empfangen. Ganz im Gegenteil bot das sündhafte und unerlaubte Begehren des Volks dem Herrn eine neue und unglaubliche Gelegenheit, das Königreich aufzurichten, aus welchem später der Messias hervorgehen sollte. Denn wie hätte es geschehen können, dass das Zepter zum Stamm Juda kam, wenn nicht das Volk die Begierde ergriffen hätte, einen König zu wählen? Dabei handelte das Volk unrecht, aber der Herr, der Böses zum Guten dienen lässt, wandelte das Vergehen in Heil. Dass Saul aus dem Königtum verstoßen ward, sollte die Schuld des Volks eindrücklich machen; indem aber bald darauf das Königtum in Davids Familie Bestand gewann, wurde Jakobs Weissagung (1. Mos. 49, 10) erfüllt.

V. 22. Ich habe gefunden David usw. Diesen rühmlichen Spruch bringt Paulus weniger um der Person Davids willen bei, als um die Aufmerksamkeit der Juden zur Aufnahme Christi zu stimmen. Davids Person, der ein so besonderer Ruhm zuteil wird, soll die Gedanken der Gläubigen zu Christus erheben. Die Stelle ist dem 89. Psalm (V. 21) entnommen. Paulus fügt aber zur weiteren Erhöhung der Gnade Gottes ein, was dort nicht steht, dass David der Sohn Jesses war. Sein Vater war ein Viehzüchter, und es bedurfte eines wunderbaren, göttlichen Wirkens, um den geringsten unter seinen Söhnen von den Schafhürden auf den Königsthron zu bringen. Dass Gott den David „gefunden“ hat, drückt aus, dass er einen Mann traf und gewann, wie er ihn wünschte. Freilich hat es David nicht durch eigene Kraft und Bemühung schaffen können, dass er dem Herrn als ein solcher begegnet; aber der Ausdruck ist der gewöhnlichen, menschlichen Redeweise entnommen. Indessen lässt sich fragen, wieso Gott dem David, der doch einen so schweren Fall tat, das Zeugnis beständigen Gehorsams geben kann. Die Antwort ist eine doppelte: einmal schaut Gott mehr auf die beständige Lebenshaltung Davids als auf seine einzelnen Werke; sodann schmückt er ihn mit solchem Lob nicht nach eigenem Verdienst, sondern um seines Christus willen. Sicherlich hatte David durch dies eine Verbrechen für sich und die Seinen ewigen Tod verdient, und, soviel an ihm war, hatte er dem Segen Gottes den Weg verschlossen, so das er von Bathseba keinen anderen als Schlangensamen hätte erhalten können. Und doch wurde seine verbrecherische Hinmordung des Uria durch Gottes wunderbaren Rat ins Gegenteil verkehrt, indem aus jener unglücklichen, treulosen und viel befleckten Verbindung Salomo geboren wurde. Weil aber David trotz dieser überaus schweren Sünde in der Gesamtrichtung seines Lebens dem Herrn folgt, empfängt er das uneingeschränkte Lob, dass er in allen Stücken sich dem Herrn gehorsam bewies. Immerhin führt uns durch diese Aussage, wie wir schon erinnerten, der heilige Geist höher empor, ja es wird uns hier die gemeinsame Berufung aller Gläubigen in ihrem Haupte Christus abgebildet.

V. 23. Wie er verheißen hat. Auch dieses Satzglied bestätigt, was wir schon öfter sagten, dass Gott in der Sendung Christi lediglich auf seine Treue und Güte Rücksicht nahm. Er sandte ihn, weil er es versprochen hatte. Die betreffenden Verheißungen waren den Juden so geläufig, dass sie den Messias allgemein Davids Sohn nannten (Mt. 22, 42). Paulus sagt nun, dass Gott Jesus dem Volk Israel habe kommen lassen. Denn wenn in ihm auch Heil für die ganze Welt vorhanden ist, so war er doch in erster Linie ein Diener der Beschneidung, um die den Vätern gegebenen Verheißungen zu erfüllen (Röm. 15, 8). Der hebräische Name „Jesus“ bedeutet übrigens nichts anderes als „Heiland“. Und doch ist die Wiederholung nicht überflüssig. Paulus will erinnern, dass Christus in Wahrheit ist und leistet, was der auf Gottes Geheiß durch den Engel ihm beigelegte Name besagt.

24 Vor seinem Einzug aber hatte Johannes dem ganzen Volk Israel die Taufe der Buße zuvor gepredigt. 25 Da aber Johannes seinen Lauf erfüllte, sprach er: „Ich bin nicht der, dafür ihr mich haltet; aber siehe, er kommt nach mir, des ich nicht wert bin, dass ich ihm die Schuhe seiner Füße auflöse.“ 26 Ihr Männer, lieben Brüder, ihr Kinder des Geschlechtes Abraham, und die unter euch Gott fürchten, euch ist das Wort dieses Heils gesandt.

V. 24. Wir wissen, dass es des Johannes Aufgabe war, dem Herrn den Weg zu bereiten, dass er nicht einen ausgedachten, sondern den wahren Christus Gottes predige, den ihnen jener berühmte Herold im voraus empfohlen hat. Freilich genügt zum Erweis einer so großen Sache eines Menschen Zeugnis nicht, aber mit Johannes, den jedermann mit fester Überzeugung für einen Propheten Gottes hielt, hatte es doch eine andere Bewandtnis. Zwei Stücke bringt nun Paulus in Kürze von Johannes bei; erstlich, dass er vor Christi Ankunft die Bußtaufe gelehrt, zum anderen, dass er den Titel und die Ehre, der Messias zu sein, freiwillig für sich abgelehnt und Christus zugeschoben habe.

Die Taufe der Buße. Die Einführung dieser Taufe, die über die Gebräuche und die Sitte des Gesetzes hinausging, war ein Zeichen gewaltiger Veränderung. Solche Neuerung ziemte sich erst angesichts des Auftretens des Messias. Allerdings hatten auch die Juden im Gesetz ihre Reinigungen, die ebenfalls Übungen der Buße waren. Johannes aber war der Stifter oder vielmehr Verwalter einer neuen und ungewohnten Taufe, bei welcher man die Hoffnung auf die lang erhoffte und ersehnte Wiederherstellung fassen musste. Die Bezeichnung als Bußtaufe schießt die Vergebung der Sünden nicht aus, sondern wurde entsprechend dem Zusammenhange gebraucht, weil jene Taufe eine Vorbereitung zum Glauben an Christus war. Beachtenswert ist auch der Hinweis, dass Johannes von der Taufe gepredigt habe. Er erinnert uns, dass die Sakramente nur dann richtig verwaltet werden, wenn zu dem sichtbaren Zeichen auch eine Belehrung kommt: der Mund des Täufers darf nicht stumm sein, weil das Zeichen ohne Lehre hohl ist.

V. 25. Da aber Johannes seinen Lauf erfüllte usw. Dies ist das zweite Glied des Zeugnisses: Johannes hat, als er sich dem Ende seiner Laufbahn näherte, seine Jünger zu Christus geschickt. Seine Worte können vielleicht noch nachdrücklicher in Frageform übersetzt werden: „Für wen haltet ihr mich? Ich bin es nicht.“ Sein Zeugnis verdient nun umso mehr Glauben, weil er die ihm angebotene Ehre, die er mit großem Beifall hätte annehmen können, verschmäht und einem anderen abtritt. Indem er erklärt, er sei nicht wert, dass er ihm die Schuhe seiner Füße auflöse, erniedrigt er sich in sprichwörtlicher Rede, soviel er kann, damit nicht seine Größe den Ruhm Christi verdunkle. Er wollte treulich dafür Sorge tragen, wie es ihm anbefohlen war, dass allein Christus hervorrage; trotz seiner eigenen Größe also erklärt er sich im Vergleich mit ihm für ein Nichts. So müssen alle Sterne vor dem Glanz der Sonne verschwinden.

V. 26. Ihr Männer usw. Wiederum lockt Paulus die Juden, Christus zu ergreifen. Denn es musste nicht geringen Eifer und Aufmerksamkeit in ihrem Herzen erregen, wenn sie hörten, dass es sich um ihr Heil handle und dass die Botschaft des Heils insbesondere für sie bestimmt sei. Als Kinder des Geschlechtes Abraham bezeichnet sie Paulus nicht bloß um der Ehre willen, sondern auch, um anzudeuten, dass sie Erben des ewigen Lebens sind. Denn wenn auch den Heiden die Tür zum Himmelreich aufgetan war, hatten die Juden doch nicht ihre Ehrenstellung verloren, kraft deren sie als die Erstgeborenen in Gottes Familie galten. Ihnen also ist das Wort dieses Heils gesandt, weil sie den ersten Rang einnehmen. Wen übrigens diese ehrenvolle Bezeichnung des Evangeliums nicht anlockt, der muss von mehr als eiserner Härte sein. Obwohl aber damit die eigentliche Natur des Evangeliums beschrieben wird, hat es doch die Nebenwirkung, dass es für die Verworfenen ein Geruch des Todes zum Tode wird (2. Kor. 3, 16).

27 Denn die zu Jerusalem wohnen und ihre Obersten, dieweil sie diesen nicht kannten, noch die Stimmen der Propheten (welche auf alle Sabbate gelesen werden), haben sie dieselben mit ihrem Urteilen erfüllet. 28 Und wiewohl sei keine Ursache des Todes an ihm fanden, baten sie doch Pilatus, ihn zu töten. 29 Und als sie alles vollendet hatten, was von ihm geschrieben ist, nahmen sie ihn von dem Holz und legten ihn in ein Grab. 30 Aber Gott hat ihn auferweckt von den Toten; 31 und er ist erschienen viel Tage denen, die mit ihm hinauf von Galiläa gen Jerusalem gegangen waren, welche sind seine Zeugen an das Volk.

V. 27. Klüglich und zur rechten Zeit begegnet Paulus einem Anstoß, welcher den Glauben der Juden hemmen konnte. Jerusalem war Gottes Heiligtum, der königliche Sitz, der Quell der Wahrheit und das Licht der ganzen Welt; und doch war dort Christus getötet worden. So schien es nichts Ungereimtes zu geben, als dass man ihn annehmen solle, der aus dem Tempel Gottes ausgestoßen war. Sollte man die Lehre des Heils anderswo suchen als an dem Orte, von dem sie nach Gottes Zeugnis ausgehen sollte (Jes. 2, 3)? Dazu sonderte man sich von der Gemeinde, wenn man an Christus glaubte. Diesen Anstoß beseitigt nun Paulus nicht nur, sondern wendet ihn sogar nach der anderen Seite. Weil man nämlich zu Jerusalem den Urheber des Lebens verachtet und verworfen hatte, mahnt Paulus die Antiochener, oder wenigstens die unter ihnen Gott fürchten, dass sie ihn umso williger annehmen möchten. Dies will das „denn“ besagen: da Jerusalem sein Gutes nicht erkannt hat, müsst ihr euch umso mehr erwecken und entzünden lassen, damit sich bei euch nicht die gleiche Undankbarkeit und Verkehrtheit finden. Doch Paulus hebt den Anstoß noch mit einem anderen Grunde: die Gottlosigkeit der Leute von Jerusalem hat der göttlichen Herrlichkeit Christi so wenig Eintrag getan, dass sie ihr vielmehr zum Beweise und zur Bekräftigung dienen musste. Es trägt doch am meisten zum Verständnis Christi bei (Lk. 24, 25 f.), wenn man erkennen muss, dass in ihm alles erfüllt ward, was Gesetz und Propheten zuvor gesagt haben. Und nun haben Christi Feinde nichts anderes erreicht, als dass an ihm die Wahrheit der Schrift offensichtlich erstrahlen musste. Der Messias musste von den Obersten verworfen werden. So war es ja zuvor verkündigt (Ps. 118, 22): Den Stein, den die Bauleute verworfen haben, hat Gott zum Eckstein aufgerichtet. Christus musste unter den Übeltätern verurteilt werden, damit er uns vor Gott freispräche; ihm mussten unsere Sünden aufgelegt werden, damit er uns die Sühne derselben schaffe; er musste am Kreuz geopfert werden, um den schattenhaften Opfern des Gesetzes ein Ende zu machen. Denn auch dies enthielt die Schrift (Jes. 53, 4 f.; Dan. 9, 26). Mit je heftigerem Angriff also die Führer des Volks Christus zu ersticken trachteten, umso gewisser bewiesen sie durch die Tat, dass er der Messias ist. Der Herr hat sie in wunderbarer Weise in der Erwartung getäuscht, so dass ihre verstockte Unfrömmigkeit mehr zur Erbauung als zur Zerstörung des Glaubens der Frommen beiträgt. Solche Bewandtnis hat es mit fast allen Anstößen, durch welche schwache und oberflächliche Gemüter sich von Christus abwenden lassen. Denn wenn sie den ganzen Fortgang des Werkes Gottes genauer erwägen würden, müsste, was sie zu Falle bringt, nur ein Anlass zur Bestätigung werden. Meist ist unsere Gedankenlosigkeit schuld, dass Anstöße uns verwirren. Weil wir, was Christus betrifft, mit finsterem und blödem Auge ansehen, halten wir für schwarz, was weiß ist. Wir sehen aber, dass Paulus nichts verhehlt, sondern offen bekennt, was der Wahrheit entspricht, dass Christus nicht bloß der Volksmasse, sondern auch den führenden Geistern verhasst war. Wenn sich jetzt das Evangelium in der gleichen Lage befindet, wollen wir uns nicht schämen, mit Paulus zu bekennen, dass die stolzen Herrscher dieser Welt und die Obersten der Kirche Feinde Christi sind. Dient doch dies mehr zum Ruhme als zur Schande Christi, weil dadurch die Schrift erfüllt wird.

Dieweil sie diesen nicht kannten. Ließen sich auch die Obersten durch entschlossene Bosheit zur Unterdrückung Christi treiben, so setzt Paulus dies doch mit gutem Grund auf Rechnung der Unwissenheit, wie er auch anderwärts sagt (1. Kor. 2, 8), dass den Obersten dieser Welt die Weisheit des Evangeliums verborgen gewesen sei, weil sie sonst den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt hätten. Gewiss und ohne Zweifel sind Leute, die sich nicht scheuen, zu ihrem eigenen Verderben mit Gott Krieg anzufangen, der gesunden Sinne und des Lichtes des Geistes beraubt. Doch wirft ihnen die Schrift auch Unwissenheit vor. Und damit niemand einwende, dass er von einer unbekannten und dunkeln Sache rede, fügt Paulus zugleich hinzu, dass er nur an solche Weissagungen denke, welche auf alle Sabbate gelesen werden. Er gibt damit zu verstehen, dass die Sprüche der Schrift, von denen sie nichts wissen, ganz klar und auch den Elementarschülern bekannt seien. Er will damit den Zuhörern zeigen, an welch wunderbarem und verabscheuungswertem Unglauben sie leiden. Dies Beispiel lehrt uns, dass Gott uns zwar durch die Schrift ein Licht aufsteckt, dass aber nicht jedermann Augen dafür hat. Die stumpfe Unempfänglichkeit des Volks war so groß, dass ihm eine Decke vor die Augen gelegt war, die sie den gegenwärtigen Mose nicht sehen ließ (2. Kor. 3, 15). Bemerkenswert ist aber, dass wir zur Schrift gewiesen werden, damit uns nicht das Ansehen großer Leute täusche. Paulus ermahnt die Antiochener, dass sie wider die Scheinherrscher der Kirche ihr Urteil nach der Schrift bilden sollen. Denn dazu ward sie gegeben, damit man sie lese. Dies Lesen aber ward nicht vergeblich vom Herrn verordnet; vielmehr soll es die Frommen weiterführen und ihnen ein Urteil darüber geben, was recht ist.

Haben sie dieselben mit ihrem Urteilen erfüllet. So sehen wir, dass nicht bloß die empfindungslosen Kreaturen, sondern auch der Teufel und alle Gottlosen der Vorsehung Gottes unterworfen sind: er führt durch sie aus, was er bei sich beschlossen hat (vgl. auch 2, 23; 4, 28). Alle ihre Raserei hat Christi Feinde nicht erreichen lassen, dass sie ihn nach ihrer Absicht verderbten; vielmehr hat Gott durch ihre Hände verwirklicht, was er in seinem Plan festgestellt hatte. Dies trägt nicht wenig zum Ruhm der göttlichen Wahrheit bei: der Herr ist nicht nur hinlänglich stark, zu leisten, was er versprochen hat; es müssen auch die Leute, die seine Pläne zunichte machen streben, mit ihrer Arbeit wider ihren Willen dieselben nur bekräftigen. Wie sollte nun Gottes Wahrheit nicht bestehen, welche durchzuführen die gewaltigsten Feinde gezwungen werden? Betrachtet man ihr Werk an sich, so ist es dem Herrn völlig entgegen; wie aber Gott an der Sonne und den übrigen Gestirnen entgegengesetzte und einander sich stoßende Bewegungen mit wunderbarer Kunst ausgleicht, so lenkt er auch die verkehrten Bestrebungen gottloser Leute mit geheimer Kraft zu dem entgegengesetzten Ziel, als sie meinten und wollten; so können sie lediglich seinen Willen vollziehen. Sie für sich handeln gegen seinen Willen; aber in einer unbegreiflichen Weise muss ihr Tun zur Förderung seines Willens ausschlagen. Da dieser Lauf über die Natur hinausgeht, ist es nicht zu verwundern, wenn er der Weisheit des Fleisches nicht sichtbar ward. Darum soll man ihn mit dem Auge des Glaubens anschauen oder vielmehr mit Ehrfurcht anbeten, die frechen Hunde aber, welche dawider bellen, verachten.

V. 28. Wiewohl sie keine Ursache des Todes fanden. Es war sehr viel daran gelegen, zu wissen, dass Christus zu Unrecht getötet ward. Mit einem Tode, den er für eigene Sünden hätte leiden müssen, hätte er uns keine Gerechtigkeit erwerben können. Er musste unschuldig sein, sollte anders sein Tod zur Sühne für die Sünden der Welt werden. Ohne Zweifel hat Paulus gründlich auseinandergesetzt, dass Pilatus nicht pflichtmäßig als Richter Christus verdammt, sondern dem gottlosen Verlangen des Volks nachgegeben und zugelassen habe, dass er dem Tode übergeben ward. Zugleich wird er dargelegt haben, dass die Juden die böse Lust und nicht ein gerechter Grund trieb, Christi Tod zu verlangen. Denn die Zuhörer mussten erschreckt werden, damit sie sich nicht innerlich zu Genossen eines so nichtswürdigen Verbrechens machten. Lukas aber macht in seiner Weise dies alles nur mit wenigen Worten ab.

V. 29. Und als sie alle vollendet hatten, nämlich alles, was Gott durch sie ausrichten wollte. Denn sie haben Christus derartig behandelt, dass an den Weissagungen der Schrift nichts mehr fehlte. Dass dieselben Leute, die Christus töteten, ihn auch in ein Grab legten, scheint mit der evangelischen Geschichte nicht zu stimmen. Vielleicht lässt sich aber der ganze Satz allgemein mit einem „man“ übersetzen. Wenn man aber will, kann man in irgendeinem Sinne auch an die gleichen Personen denken. Denn mit des Pilatus Erlaubnis wurde Christus begraben, und nach dem Willen der Hohenpriester wurden Wächter ans Grab gestellt. So würde diese Erinnerung zum Beweis der Auferstehung Christi dienen: ihn, der ins Grab verschlossen war und den die Feinde bewachten, hat Gott von dort entfernt. Paulus will also sagen, dass Christi Leichnam nicht heimlich und verstohlen weggenommen, sondern an einem viel besuchten und den Feinden bekannten Orte niedergelegt ward; sie haben für die Bewachung Sorge getragen und ihn darnach doch nicht gefunden. So ergibt sich ein gewisser Schluss auf die Auferstehung.

V. 30. Aber Gott hat ihn auferweckt. Gewiss war Christi Tod das Heil der Frommen, aber nur weil die Auferstehung sich ihm anschloss. Darum verweilt Paulus länger bei diesem zweiten Stück. Denn niemals hätte er seine Zuhörer überzeugt, dass man das Heil im Tode Christi suchen müsse, hätte sich nicht Gottes Macht in seiner Auferstehung sehen lassen.

V. 31. Nachdem Paulus erinnert, dass Christus aus dem Grabe hervorging, welches die bezahlten Diener der Feinde bewachten, fügt er nun hinzu, dass er von vielen seiner Jünger gesehen ward, welche dem Volk ein zuverlässiges Zeugnis gaben. So folgt, dass die Sache zu Jerusalem wohl bezeugt war. Dieser Beweis war umso weniger zu verachten, als angesichts der schrecklichen Feinde, die zum Widerstand gerüstet waren und in ihrem Fanatismus nichts unterließen, doch Leute vorhanden waren, welche als Augenzeugen Christi Auferstehung öffentlich behaupteten; denn wäre irgendeine Widerlegung zur Hand gewesen, so hätten die Schriftgelehrten sie sich gewiss nicht entgehen lassen.

32 Und wir auch verkündigen euch die Verheißung, die zu unsern Vätern geschehen ist, 33 dass dieselbige Gott uns, ihren Kindern, erfüllet hat in dem, dass er Jesum auferweckte; wie denn im zweiten Psalm geschrieben stehet: „Du bis mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget.“ 34 Dass er ihn aber hat von den Toten auferweckt, dass er hinfort nicht soll verwesen, spricht er also: „Ich will euch die Gnade, David verheißen, treulich halten.“ 35 Darum spricht er auch an einem andern Ort: „Du wirst es nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe.“ 36 Denn David, da er seinen Zeitgenossen gedienet hatte nach dem Willen Gottes, ist entschlafen und zu seinen Vätern getan und hat die Verwesung gesehen. 37 Den aber Gott auferweckt hat, der hat die Verwesung nicht gesehen.

V. 32. Und wir auch verkündigen euch. Nunmehr nimmt Paulus das Amt und die Ehre eines Apostels für sich in Anspruch, damit man auf ihn als einen rechtmäßigen Diener Gottes höre. Als Hauptinhalt der ihm aufgetragenen Botschaft gibt er an, dass die von Gott einst gegebene Verheißung nunmehr (V. 33) erfüllet sei. Bemerkenswert ist dabei die Zusammenstellung des gegenwärtigen Geschlechts mit den Vätern: was den Vätern versprochen war, haben die jetzigen Zuhörer erlangt; je reicher also über sie Gottes Güte sich ergoss, desto schmählicher würde ihr Undank sein, wenn sie das unschätzbare Gut verachten oder verschmähen würden. Indessen kann man fragen, ob nicht auch schon die Väter, die unter dem Gesetz lebten, einen Anteil an den Verheißungen hatten. Sind doch alle Kinder Gottes Erben des gleichen himmlischen Reichs und Teilhaber der geistlichen Güter. Auch hat Gott schon den Alten einen Geschmack seiner Liebe im gegenwärtigen Leben gewährt, wie wir dieselbe jetzt schmecken. Indessen war Christus, in welchem alle Gottesverheißungen Ja und Amen sind (2. Kor. 1, 19 f.) und in welchem die eigentliche Kraft des ewigen Lebens und aller Güter ruht, ihnen nur verheißen, uns aber gegeben; sie erwarteten ihn als einen noch weit abwesenden, wir besitzen ihn als den gegenwärtigen.

V. 33. Uns, ihren Kindern. Sicherlich ist es des Paulus Absicht, die Juden zu Christus zu locken; soll dies erreicht werden, so müssen sie durch einen besonderen Vorzug von der großen Masse unterschieden und über dieselbe erhoben werden. Daraus folgt doch nicht, dass Gottes Gnade sich an den fleischlichen Samen gebunden hätte; denn wenn die Verheißung des Lebens den Nachkommen Abrahams auch als ein Erbe vermacht war, so haben doch viele durch ihren Unglauben sich derselben beraubt. Der Glaube also macht es, dass aus der großen Schar nur wenige als Kinder verrechnet werden; durch den Glauben aber sondert Gott ab, die ihm gehören. Das ist die doppelte Erwählung, von der wir schon sprachen. Die eine gehört unterschiedslos dem ganzen Volk, weil die erste Annahme zur Gotteskindschaft die gesamte Familie Abrahams umspannt. Die andere erscheint durch Gottes verborgenen Rat beschränkt und wird endlich durch den Glauben bekräftigt und vor Menschen erkennbar vollzogen. Paulus behauptet also mit Recht, dass den Juden geschenkt sei, was Gott ihren Vätern versprochen hatte. Denn auch ihnen galt diese Zusage, wie Zacharias in seinem Lobgesang rühmt (Lk. 1, 73), dass Gott den Eid, den er unserem Vater Abraham geschworen habe, uns geben werde. Indessen schließt die Würde jenes Volks nicht aus, dass Christi Gnade sich zugleich über die ganze Welt ausbreite; behauptet auch der Erstgeborene die oberste Stelle, so lässt er doch den zweiten Platz seinen Brüdern. Es war eine neue Gelegenheit, die Gemeinde aus allen Völkern zu sammeln, als das alte Volk zurückgeschoben und dadurch für die draußen Stehenden ein Platz freigemacht wurde; wäre aber das Volk im Glauben bestanden, so würden die Heiden mit ihm zur Gemeinschaft der gleichen Ehre verbunden worden sein.

Dass er Jesum erweckte. Es ist hier nicht, wie im nächsten Verse, an die Auferweckung von den Toten zu denken, sondern an die göttliche Einsetzung und Einführung in das messianische Amt. In diesem Sinne sagt die Schrift oft, dass Könige und Propheten vom Herrn erweckt werden. Darauf deutet hier nicht bloß der griechische Ausdruck, sondern auch der Gedankenzusammenhang: eben dadurch, dass Gott seinen Sohn in die Welt sandte, hat er tatsächlich erfüllt, was er einst seinen Knechten verhieß.

Wie denn im zweiten Psalm geschrieben stehet usw. Ich leugne nicht, dass David, als er sich auf allen Seiten von übermächtigen Feinden angegriffen sah, sich in diesem Psalm an den Schutz des Gottes klammerte, der ihn, wie er wusste, in das Königtum gesetzt hatte. Da aber David ein Vorbild des wahren Messias ist, wissen wir auch, dass an seiner Person uns abgeschattet wurde, was völlig allein auf den Messias zutrifft. Und der Zusammenhang zeigt hinlänglich, dass wir es nicht einfach mit einer Danksagung zu tun haben, die sich auf Davids Königtum bezieht, sondern dass der Psalm eine tiefere Weissagung enthält. Denn David hat in seinem Leben kaum den hundertsten Teil der Herrlichkeit geschmeckt, die er hier rühmt. Ausführlicheres haben wir darüber zu 4, 25 gesagt. Jetzt haben wir die Worte näher ins Auge zu fassen. „Söhne Gottes“ heißen zwar die Könige insgemein (Ps. 82, 6). Da es aber Gottes Absicht ist, David allen anderen Königen voranzustellen und über ihre Schar zu erheben, wird ihm vor anderen dieser Titel in einem ganz besonderen Sinne beigelegt. Nicht als wäre solche Ehre sein persönliches Eigentum, vielmehr gewährt ihm Gott diesen herrlichen Schmuck in Rücksicht auf den Messias, dessen Abbild er war; so erkennt er ihn nicht als einen gewöhnlichen König an, wie alle anderen, sondern als den eingeborenen Sohn. Zur Begründung schließt sich der Satz an: „Heute habe Ich dich gezeuget.“ Das geschah in dem Zeitpunkt, als Gott das Königtum in Davids Hand befestigte. Denn dies geschah nicht durch menschliche Regsamkeit; vielmehr bewies Gott die unbesiegliche Kraft seiner Hand vom Himmel her, so dass es offenbar werden musste, wie David auf Grund göttlichen Rats das Königtum führte. In Anwendung dieses Satzes auf Christus ist zu sagen, dass Gott ihn zeugte, als er ihm die bestimmten Merkmale des eingeborenen Sohnes, die Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit, einprägte, an welchen man das wahre und klare Bild des Sohnes zu erkennen vermochte. Damit streitet nicht, dass Christus auch die ewige Weisheit ist, die von dem Vater vor aller Zeit gezeugt wird. Indessen ist hier nicht von jener verborgenen Zeugung die Rede,l sondern von der Offenbarung für die Menschen. Da nun nach dem Zeugnis desselben Paulus (Röm. 1, 4) Christus als Sohn Gottes in Kraft offenbart wurde, da er von den Toten auferstand, ziehen wir den Schluss, dass dies der vorzüglichste Erweis seiner himmlisch – erhabenen Stellung war. Nachdem er zuvor durch Annahme der Knechtsgestalt sich erniedrigt hatte (Phil. 2, 7), tauchte er nunmehr als Sieger über den Tod und Herr des Lebens wieder empor, so dass nichts mehr an der Majestät fehlte, die für den eingeborenen Sohn Gottes sich ziemt.

V. 34. Dass er hinfort nicht soll verwesen. Die Zuversicht, die man aus Christi Auferstehung gewinnen könnte, müsste sehr schwach und frostig sein, wenn noch immer ein Untergang oder eine Veränderung seiner wartete. Darum wird von Christus gesagt, dass er in Gottes Reich eingegangen sei, im in Ewigkeit zu leben und die Seinen mit ewiger Glückseligkeit zu beschenken. Indessen scheint die angeführte Stelle aus Jesaja (55, 3) mit dem Beweis der Unsterblichkeit Christi nichts zu tun zu haben: Ich will euch geben die gewissen Heilsgüter oder Gnaden Davids – wie wörtlich zu übersetzen wäre, wobei sich Paulus der seinen ungelehrten Zuhörern geläufigen griechischen Übersetzung anschließt. Da aber Jesaja von der dem David verheißenen Erlösung spricht und von ihr behauptet, dass sie beständig und fest sein werde, ergibt sich von hier aus mit gutem Grunde ein Schluss auf Christi unsterbliche Königsherrschaft, auf welche die Ewigkeit des Heils sich gründet.

V. 35. „Du wirst es nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe.“ Diese Stelle aus dem 16. Psalm hat auch Petrus in seiner ersten Predigt angeführt (2, 27). Ich verweise die Leser auf die dort gegebene Auslegung. Paulus behauptet, dass die Aussage allein auf Christus wirklich zutrifft, weil er vor der Verwesung bewahrt blieb; denn obwohl sein Körper ins Grab gelegt ward, hatte doch die Verwesung kein Recht an ihn, indem er dort unversehrt wie in einem Bette bis zum Tag der Auferstehung ruhte.

V. 36. David, da er seinen Zeitgenossen gedienet hatte usw. Dem Einwurf, dass an jener Stelle doch von David die Rede sei, begegnet Paulus von vornherein mit dem Hinweis, dass die Aussage nicht in jedem Betracht auf David passe, dessen Leichnam im Grabe von der Verwesung verzehrt ward. Da es sich hier um einen ganz einzigartigen Vorzug Christi handelt, bleibt also nur die Annahme, dass David im Geist von ihm geweissagt habe. Dabei sollen wir auf den Zusammenhang zwischen Haupt und Gliedern achten; ist die völlige und ganze Verwirklichung dieser Weissagung allein in Christus als dem Haupt vorhanden, so hat sie doch auch in jeglichem Glied nach seinem Maß und entsprechender Ordnung ihre Stelle. Da Christus zu dem Zweck auferstand, damit er unseren nichtigen Leib seinem verklärten Leibe gleichförmig mache (Phil. 3, 21), waltet auch über den Frommen, die in die Grube hinabsteigen, das Gesetz, dass Verwesung ihre Leiber nicht verzehre. Gemäß der Hoffnung auf die künftige Erlösung rühmt David also mit Recht, dass er die Verderbnis nicht sehen werde; denn von einer solchen kann eigentlich nicht die Rede sein, wo eine bessere Wiederherstellung bereit ist; die Leiber der Gläubigen verwesen nur, um zu ihrer Zeit selige Unverweslichkeit anzuziehen. Dadurch wird aber nicht aufgehoben, dass die Lage des Hauptes und der Glieder sehr verschieden bleibt und wir dem Sohn Gottes nur aus der Ferne und allmählich nachfolgen. Nun sehen wir, wie beides wahr und gerecht geredet ist, dass David und die anderen Gläubigen die Verwesung nicht sehen werden, insofern sie ihrem Haupt gleich gestaltet werden sollen, und dass doch allein der Sohn Gottes im Vollsinne von der Verwesung frei und unangetastet blieb. Bemerkenswert ist die Aussage, dass David seiner Zeit oder seinen Zeitgenossen gedient habe. Denn niemand ward für sich selbst geboren, sondern das menschliche Geschlecht ist durch ein heiliges Band untereinander zusammengefasst. Wollen wir also nicht die Gesetze der Natur umstoßen, so müssen wir bedenken, dass wir nicht für uns persönlich leben, sondern für unsere Nächsten. Allerdings könnte man fragen, ob wir nicht auch für die Nachkommen sorgen sollen. Ich antworte, dass der Dienst der Frommen auch für die Nachkommen Nutzen schafft, wie wir den heute spüren, dass der längst verstorbene David uns mehr nützt als ein großer Teil der Leute, die mit uns leben. Indessen will Paulus nicht einfach sagen, dass die Gläubigen während ihres ganzen Lebenslaufes sich und ihre Dienste den Nächsten weihen, dass aber der Tod ihnen ein Ziel setzt, weil sie nichts mehr wirken können, wenn der Herr sie aus der Welt ruft.

Ist nach dem Willen Gottes entschlafen. Diese Zusammenfassung der Worte ist empfehlenswerter als die andere, dass David seinen Zeitgenossen nach dem Willen Gottes gedient habe. Paulus hätte einfach sagen können, dass David entschlafen sei; der Zusatz aber, dass dies nach dem Willen Gottes geschah, will uns wissen lassen, dass in seiner, des Propheten, Person noch nicht erfüllt ward, was wir im Psalm lesen. Wir werden auch erinnert, dass Gott den Grenzpunkt unseres Lebens und Sterbens festgesetzt hat, wie es auch im 90. Psalm heißt (V. 3): „Der du die Menschen lässest zurückkehren und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder.“ Auch Plato sagt trefflich, dass billigerweise die Menschen nur nach Gottes Willen die Erde verlassen, durch dessen Hand sie in diese Station für eine Zeit gesetzt wurden. Insbesondere aber spricht Paulus bei der Erinnerung an Davids Tod ausdrücklich von Gottes Willen, um uns einzuprägen, dass nicht durch Zufall ihn die Verwesung traf, als hätte Gott seine Zusage vergessen, sondern dass dies nach Gottes Vorsehung geschah. So sollen die Gläubigen wissen, dass man der Weissagung noch eine andere Beziehung geben muss.

38 So sei es nun euch kund, lieben Brüder, dass euch verkündiget wird Vergebung der Sünden durch diesen und von dem allen, wovon ihr nicht konntet im Gesetz Moses gerecht werden. 39 Wer aber an diesen glaubet, der ist gerecht. 40 Sehet nun zu, dass nicht über euch komme, das in den Propheten gesagt ist: 41 „Sehet, ihr Verächter, und verwundert euch und werdet zunichte; denn Ich tue ein Werk zu euren Zeiten, welches ihr nicht glauben werdet, so es euch jemand erzählen wird.“

V. 38. So sei es nun euch kund usw. Nachdem Paulus dargelegt, in welcher Weise uns das Heil durch Christus geschafft ward, handelt er nun von dessen Amt und Kraft. Ist es doch überaus wichtig, zu wissen, welcher Güter Christi Ankunft uns brachte, und was man von ihm erhoffen darf. Obgleich nun Lukas nur mit einem Wort darauf hindeutet, dass Paulus von den Wohltaten Christi gepredigt habe, soll doch niemand zweifeln, dass der Apostel so wichtige Dinge mit dem entsprechenden Nachdruck und deutlich behandelt hat. Dass dieselben den Hörern „kund“ sein sollen, deutet an, dass nur ihre Gedankenlosigkeit es verschuldet, wenn sie von einer so hellen und klaren Sache keine Kunde haben. Es sei ganz ungereimt, dass die Gläubigen nichts davon wissen sollten, welche Wohltaten ihnen durch Christus geschenkt wurden. Ward er doch mit der vernehmlichen Botschaft des Evangeliums gesandt, auf welche unser Glaube treulich hören muss, um einen sicheren Zugang zum Besitz seiner Güter zu gewinnen. Wir müssen verstehen, wie Christus ist, sollen wir anders ihn in Wahrheit genießen. An erster Stelle steht die Vergebung der Sünden, durch welche Gott uns mit sich aussöhnt. Da Gott diese seinem ganzen Volk verkündigt wissen will, wird gezeigt, dass sie für jedermann unentbehrlich ist. Denn Paulus spricht nicht zu dem einen oder anderen, sondern zu allen Juden, die in Antiochien waren. Man soll also zuerst wissen, dass wir alle durch unsere Sünden mit Gott verfeindet sind (Kol. 2, 13). Daraus folgt, dass wir alle dem Reich Gottes fern und dem ewigen Tod verfallen sind, bis uns Gott durch unverdiente Vergebung der Sünden in seine Gnade aufnimmt. Sodann müssen wir merken, dass uns Gott die Sünden verzeiht und uns gnädig gestimmt wird durch den Mittler, außer welchem es keine Sühne und darum auch keine Vergebung und Lösung von Schuld gibt. Das sind die Grundelemente unseres Glaubens, von welchen man in den Schulen der Philosophen nichts lernt.

Von dem allen, wovon ihr nicht usw. Die Juden konnten einwenden: wenn allein dieser Mittler uns durch Austilgung der Sünde Gott zum Freunde macht, wozu dann die vielen Reinigungen und Sühnemittel, deren wir uns bisher bedient haben? Paulus lehrt nun, dass Christus eben das leiste, was jene Reinigungen nicht zu leisten vermochten. Das Zeremonialgesetz hätte ein Erziehungsmittel sein sollen, das uns zu Christus leitete. Alle die äußerlichen Gebräuche, die Gott vorgeschrieben hatte, sollten Mittel sein zur Förderung und Unterstützung des Glaubens. Wie aber die Menschen immer in ihrer Verkehrtheit Gottes heilige Einrichtungen verderben, so haben sie sich auch durch die Zeremonien den Weg verrammelt und die Tür des Glaubens verschlossen, so dass sie nun nicht mehr zu Christus kommen konnten. Sie wähnten, dass man die Gerechtigkeit in den Opfern besitze, durch Waschungen wahre Reinigkeit gewinne und Gott versöhne, wenn man nur den äußeren Prunk abmache. Alles in allem ließen sie den Körper fahren und hielten sich an den nichtigen Schatten. Gewiss hatte Gott im Gesetz keine unnützen Spielereien angeordnet; darum waren die Zeremonien treue und unzweifelhafte Zeugnisse für die Sündenvergebung; auch hatte Gottes Wort nicht gelogen, wenn es den Sünder anwies, zu opfern, um seine Ungerechtigkeit zu sühnen. Da aber Christus das Ziel des Gesetzes und das himmlische Urbild der irdischen Hütte war (Röm. 10, 4; Ebr. 8, 5), hing die Kraft und Wirkung aller Zeremonien an ihm; so folgt, dass wenn man ihn beseitigt, sie zu hohlen Schatten werden. Mit gutem Grunde also spricht Paulus dem Gesetz die Kraft ab, Gerechtigkeit zu bewirken, und schreibt sie allein Christus zu. Nun verstehen wir seine Absicht: er wollte die Juden von einem falschen und verkehrten Vertrauen auf das Gesetz abbringen, damit sie in ihrer Aufgeblasenheit nicht meinten, Christi nicht zu bedürfen, oder nur äußeres Glück bei ihm suchten.

Im Gesetz gerecht werden. Diese Stelle zeigt klar, was die auch sonst oft vorkommenden Ausdrücke „gerecht werden“ oder „gerecht gesprochen werden“ bedeuten, nämlich frei und los gesprochen werden. Es war von Vergebung der Sünden die Rede; und nun erklärt Paulus, dass man dieselbe auf keine andere Weise gewinne als durch Christi Gnade. Gegen den Einwurf, dass das Gesetz allerlei Mittel biete, setzt er die Antwort, dass diese alle unwirksam seien. Er will also offenbar sagen, dass man Freispruch von den Sünden im Gesetz nicht gewinne, weil dessen Zeremonien nicht der rechte und entsprechende Preis zur Lösung der Schuld waren, weil sie an sich Gerechtigkeit nicht bringen konnten, noch der entsprechende Ausgleich waren, Gott gnädig zu stimmen. Es wäre also ein Frevel, wollte man leugnen, dass jene Gerechtsprechung aufs engste mit der Vergebung der Sünden verbunden ist, nämlich als das Mittel und der Weg, sie zu erlangen. Paulus führt den Beweis folgendermaßen: da weder die Reinigungen noch alle anderen Gebräuche des Gesetzes uns den rechtfertigenden Freispruch von Sünden bringen, wird derjenige durch Christus gerechtfertigt, welchen er von der Schuldverhaftung und dem Gericht des ewigen Todes umsonst loslöst. Dies ist die Gerechtigkeit des Glaubens: Gott sieht uns für gerecht an, indem er uns die Sünden nicht zurechnet. Schon die bloße Bedeutung des Wortes Rechtfertigung genügt zur Widerlegung des Fündleins der Papisten, welche behaupten, dass wir nicht durch Verzeihung und gnädige Annahme, sondern durch den tatsächlichen Zustand, in welchen eine eingegossene Gerechtigkeit uns versetzt, gerecht seien. Sicherlich wollte uns Gott bezeugen, dass die Menschen allein durch das Sterben seines Sohnes gerecht gesprochen werden; denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit hätten (2. Kor. 5, 21). Daraus folgt, dass alles, was die Menschen an Genugtuungen ersonnen haben, dazu dienen muss, Christus seiner Ehre zu berauben. Dass man „im“ Gesetz oder „in“ Christus Gerechtigkeit erlangt, bedeutet nach hebräischem Sprachgebrauch soviel wie „durch“. Wenn wir durch Christus „von dem allen“ gerecht gesprochen werden, wovon kein Gesetz uns lossprechen kann, muss das papistische Fündlein dahinfallen, dass nur die Erbsünde und die vor der Taufe begangenen Tatsünden ohne weiteres und aus freier Gnade durch Christus vergeben würden, während wir von anderen Sünden durch genugtuende Leistungen und das Bußsakrament gelöst würden. Erklärt doch Paulus deutlich, dass wir während unseres ganzen Lebenslaufes durch Christus von Sünden gerecht gesprochen werden. Wir müssen bedenken, dass die Juden durch die Gebräuche des Gesetzes tatsächlich empfinden lernen sollten, mit wie gutem Grunde die Reinigungen und Sühnopfer beständig wiederholt wurden. Lässt sich die Wahrheit und das Wesen aller dieser Dinge allein in Christus finden, so folgt, dass es zur Tilgung der Sünden kein anderes Sühnemittel gibt als seinen Tod. Es soll also unangetastet bleiben, dass die Gerechtigkeit, mit der wir in Christus beschenkt werden, nicht an einem Tag oder Augenblick hängt, sondern beständige Geltung hat, so dass das Opfer des Todes Christi uns an jedem Tage wieder mit Gott versöhnt.

V. 39. Wer aber an diesen glaubt usw. Damit erläutert Paulus, in welcher Weise die Menschen in den Besitz der Gerechtigkeit Christi kommen, nämlich indem sie dieselbe durch den Glauben ergreifen. Was aber der Glaube erlangt, bekommen wir durch kein Verdienst der Werke. Darum ist es ohne Zweifel des Paulus Meinung, dass wir allein durch den Glauben gerecht werden. Freilich gibt es auch noch andere Wohltaten Christi, die wir uns durch den Glauben aneignen; denn indem er durch seinen Geist uns neu gebiert, stellt er Gottes Bild in uns her; und indem er unseren alten Menschen kreuzigt, gestaltet er uns zu einem neuen Leben um. Lukas aber begnügt sich, nur dies eine auszudrücken, wie die Menschen wieder in die Gnade Gottes zurückkehren können, von dem sie sich durch die Sünde entfremdet haben. Denn von diesem Punkte aus gewinnt man leicht den Übergang zu allem anderen.

V. 40. Sehet nun zu usw. Weil Paulus mit verstockten Menschen zu tun hatte oder wenigstens viele hartnäckige Leute sich in der Menge befanden, fügt er zur Belehrung scharfen Tadel, gleich als wollte er ihre Widerspenstigkeit mit dem Hammer zerschlagen. Denn wären die Juden lenksam und zum Gehorchen bereit gewesen, so hätte er ohne Zweifel in sanfterer Art versucht, sie zu Christus zu locken. So muss man einen jeglichen, der Christi Gnade verachtet, vor Gottes Richterstuhl zitieren. Immerhin zeigt die Ermahnung, dass noch Raum zur Buße ist.

Das in den Propheten gesagt ist. Die zitierte Stelle ist aus Habakuk 1, 5 entnommen. Weil aber alle Weissagungen zu einem einzigen Bande gesammelt waren, sagt Paulus in der Mehrzahl, dass dieselbe in den Propheten geschrieben stehe.

V. 41. Dabei zitiert er Habakuks Worte nicht buchstäblich. Sie lauten nämlich genauer: „Schauet unter den Heiden, sehet und verwundert euch, denn es wird ein Werk geschehen zu euren Zeiten, das ihr nicht glauben werdet, wenn man davon sagen wird.“ Paulus sagt: „Sehet, ihr Verächter.“ Er will damit die Juden wissen lassen, dass die einmal ihren Vätern auferlegte Strafe über alle Verächter seines Wortes gleicher weise gehen wird. Die Meinung ist etwa: Gott schätzt heute sein Wort, dessen Verachtung er einmal so streng gestraft hat, um nichts geringer ein. Also geht die Androhung des Propheten jedes Zeitalter an: Verächter sollen nicht hoffen, jetzt der Rache entgehen zu können, welche andere erfahren mussten. Die Juden pochten auf den Tempel, rühmten sich, Gottes Volk zu sein, verachteten in geschwollenem Übermut alle Drohungen. So ruft ihnen Paulus ins Gedächtnis zurück, was Gott durch seine Propheten den Verächtern androht.

Ich tue ein Werk zu euren Zeiten usw. Das will besagen: Wer sich weigert, dem Worte Gottes Glauben zu schenken, wird seine Hand spüren müssen, so dass endlich die Strafe ihn überzeugt, wie ernstlich Gott geredet hat. Das gemeine Sprichwort sagt: Wer nicht hören will, muss fühlen. So überführt der Herr die Gottlosen mit der Tat, so dass das Übel sie bändigt und sie anfangen, seine Kraft zuzugestehen. Er verkündigt nun eine Strafe von unglaublicher Härte, die aller Welt Schrecken einjagen wird. Habakuks Weissagung bezieht sich auf die Niederlage, welche die Chaldäer brachten. Aber die Strafe, mit welcher der Herr die Verachtung seines Evangeliums rächte, war noch viel härter. Darum sollen wir uns zur Furcht Gottes und ehrerbietigen Annahme seines Wortes stimmen, damit nicht etwas Derartiges über uns komme.

42 Da aber die Juden aus der Schule gingen, baten die Heiden, dass sie auf den nächsten Sabbat ihnen die Worte sageten. 43 Und als die Gemeine der Schule voneinander ging, folgeten Paulus und Barnabas nach viel Juden und gottesfürchtige Judengenossen. Sie aber sagten ihnen und vermahneten sie, dass sie bleiben sollten in der Gnade Gottes. 44 Am folgenden Sabbat aber kam zusammen fast die ganze Stadt, das Wort Gottes zu hören. 45 Da aber die Juden das Volk sahen, wurden sie voll Neides und widersprachen dem, das von Paulus gesagt ward, widersprachen und lästerten.

V. 42. Da aber die Juden aus der Schule gingen. Vielleicht wäre die Übersetzung noch passender: Da sie aus der Schule der Juden gingen. Denn wahrscheinlich gingen sie hinaus, ehe die Versammlung geschlossen war. Das ergibt sich aus der nachfolgenden Bemerkung, dass nach Schluss der Versammlung einige Juden dem Paulus und Barnabas folgten. Der Sinn ist also, dass, während die Juden noch in ihrer Schule waren, Paulus und Barnabas hinausgingen und nun von den Heiden gebeten wurden, inzwischen auch ihnen ihre Arbeit zu widmen. Später seien dann einige Juden und Judengenossen, so genannte Proselyten, gekommen, teils im Eifer, zu lernen, teils um ihren Glauben zu bekennen. Des Weiteren wird auch besser zu übersetzen sein, dass die Heiden nicht auf den nächsten Sabbat, sondern „in der Zwischenzeit bis zum Sabbat“ das Wort hören wollten. Denn warum sollten sie, die an den Sabbat nicht gebunden waren, ihre Sehnsucht für acht Tage aufschieben? Vielmehr wünschen sie den Paulus zu hören, während er mit den Juden nichts zu tun hat. So lässt ihn der Herr bis zum nächsten Sabbat nicht müßig bleiben, sondern gibt ihm an den Heiden Stoff zu gegenwärtiger Arbeit.

Dass sie ihnen die Worte sageten, nämlich dieselben, welche sie am Sabbat bei den Juden geredet hatten. Während also die Heiden die erste Gelegenheit begierig ergreifen, vernachlässigen die Juden voll Überdrusses, was ihnen vorgelegt ward. Nur einige von ihnen schließen sich dem Paulus und Barnabas an. Ausdrücklich spricht Lukas von den Proselyten, welche die Lehre des Gesetzes angenommen hatten und den Gott Israels verehrten; sie waren nicht so hochfahrend und selbstbewusst wie die Juden, die auf ihre alte Abstammung pochten.

V. 43. Sie aber sagten ihnen und vermahneten sie usw. Das kann man auf die Juden und Proselyten beziehen, welche dann den Paulus und Barnabas ermahnt hätten, nicht den Mut zu verlieren, sondern tapfer in der Gnade Gottes auszuharren. Bezieht man es auf Paulus und Barnabas, so ist der Sinn, dass sie die Leute, die zu ihnen kamen, nicht von sich stießen, sondern gütig und freundlich aufnahmen und in frommer Ermahnung ihnen bekräftigten, dass sie in der angenommenen Gnade verharren sollen. Darunter ist erstlich der Glaube an das Evangelium zu verstehen, sodann alle Güter, die uns durch dasselbe zufließen, kurz die Berufung zur Aussicht auf ewiges Heil.

V. 44. Am folgenden Sabbat aber usw. Das Zusammenströmen des Volks ist ein Zeugnis, dass in der Zwischenzeit bis zu jenem Sabbat Paulus und Barnabas nicht müßig waren und ihre Arbeit unter den Heiden nicht fruchtlos blieb. Der Eifer des Volks war derartig vorbereitet, dass alle sich nach einer genaueren Erkenntnis der ganzen Sache sehnten und dieselbe von einer Erörterung unter den Juden erhofften. Denn man darf vermuten, dass sie zwar sich durch einen süßen Geschmack gelockt fühlen, aber noch nicht zu fester Überzeugung gekommen waren; sie nahmen die Lehre des Evangeliums noch nicht ohne jeden Zweifel an, sondern kamen in die Synagoge, von Hoffnung und Sehnsucht gespannt.

V. 45. Wurden sie voll Neides. Es ist nichts Neues, dass die Wut der Gottlosen sich entzündet, wenn das Licht des Evangeliums näher rückt; namentlich wenn sie einen Fortschritt der gesunden Lehre sehen, steigert sich ihre Wut zu heftigem Widerspruch. Unter dem Neid kann persönliche Missgunst gegen Paulus und Barnabas verstanden werden, wie denn Ehrgeiz allerlei Streit zu gebären pflegt. Als Neid könnte aber auch die Entrüstung darüber bezeichnet werden, dass die Heiden dem Volk Gottes gleichgestellt werden sollten. Denn sie hielten es für eine höchst unwürdige Sache, dass der heilige Schatz der Lehre, das Erbe der Kinder, zu jedermanns Füßen liegen sollte.

Widersprachen und lästerten. Im Eifer des Widerspruchs lassen sie sich endlich zu Lästerungen hinreißen. Fast immer treibt Satan die Gottlosen zu solchem Wahnsinn; sie sind durch Gründe besiegt und gebrochen, verhärten sich aber mehr und speien mit Wissen und Willen Lästerungen gegen Gott und die Wahrheit aus. Umso ängstlicher sollen wir uns hüten, dass nicht die Lust des Widerspruchs gegen die uns vorgelegte, schlichte Gotteswahrheit uns in solchen Abgrund stürze.

46 Paulus aber und Barnabas sprachen frei öffentlich: Euch musste zuerst das Wort Gottes gesagt werden; nun ihr es aber von euch stoßet und achtet euch selbst nicht wert des ewigen Lebens, siehe, so wenden wir uns zu den Heiden. 47 Denn also hat uns der Herr geboten: „Ich habe dich den Heiden zum Licht gesetzt, dass du das Heil seiest bis an das Ende der Erde.“ 48 Da es aber die Heiden höreten, wurden sie froh und priesen das Wort des Herrn und wurden gläubig, wie viel ihrer zum ewigen Leben verordnet waren. 49 Und das Wort des Herrn ward ausgebreitet durch die ganze Gegend. 50 Aber die Juden bewegeten die andächtigen und ehrbaren Weiber und der Stadt Oberste und erweckten eine Verfolgung über Paulus und Barnabas und stießen sie zu ihren Grenzen hinaus. 51 Sie aber schüttelten den Staub von ihren Füßen über sie und kamen gen Ikonion. 52 Die Jünger aber wurden voll Freuden und heiligen Geistes.

V. 46. Sprachen frei öffentlich. Die Knechte Christi ließen sich durch den Widerspruch so wenig stören, dass sie nur umso freier und zuversichtlicher auftraten. Hatten sie auch bisher schon die Zuhörer mit scharfem Stachel getroffen, so übten sie doch eine gewissen Schonung; da sie aber jetzt sehen, dass die Juden Christus in verstockter Bosheit verwerfen, sprechen sie ihnen das Heil und die Zugehörigkeit zu Gottes Reich ab. Es lehrt uns dies Beispiel, dass man die äußerste Strenge erst gegen hoffnungslos verstockte Leute anwenden darf. Je frecher aber die Verworfenen sich wider die Wahrheit erheben, desto größere Zuversicht dürfen wir uns aneignen. Gottes Knechte müssen mit unbesieglicher Standhaftigkeit des Geistes gewappnet sein und dürfen niemals dem Teufel und seinen Dienern weichen, wie Gott den Jeremia (1, 18) mit eiserner Stirn wider die Verworfenen streiten hieß.

Euch musste zuerst das Wort Gottes gesagt werden. Den Juden wird Undank vorgeworfen, weil sie, die Gott aus allen Völkern erwählt und denen Christus sich angeboten hatte, solche Wohltat böswillig von sich stoßen. Zuerst deutet Paulus auf die Stufe der Ehre und Würde, zu welcher Gott sie erhoben hatte. Daran schließt er den Vorwurf, dass sie mutwillig solch große Gnade wegwerfen, und zieht den Schluss, dass es jetzt Zeit ist, das Evangelium auf die Heiden überzuleiten. Dass es „zuerst“ den Juden gepredigt werden musste, bezieht sich auf die Zeit des Reiches Christi; denn unter dem Gesetz, vor Christi Erscheinung, waren die Juden nicht bloß die Ersten, sondern auch die Einzigen. Nachdem Christus die Welt mit dem Vater versöhnt hat, behalten sie, die schon Gott verwandt und vertraut waren, den ersten Platz; es war die rechtmäßige Ordnung, dass die Apostel die Gemeinde zuerst aus den Juden, sodann aus den Heiden sammelten (1, 8; vgl. Röm. 1, 16). Die Größe der Gnade, deren Gott die Juden gewürdigt hatte, macht ihre Sünde desto schwerer, indem sie verwerfen, was ihnen so gütig angeboten wird. Darum fügt Paulus hinzu, dass sie über sich selbst das Urteil sprechen, sie seien des ewigen Lebens unwert; denn da die Verwerfung des Evangeliums eine Verleugnung der Gerechtigkeit Gottes ist, braucht nicht erst ein anderer Richter die Ungläubigen zu verurteilen.

Nun ihr es aber von euch stoßet usw. Paulus scheint keinen richtigen Schluss zu ziehen, indem er behauptet, dass erst die Verwerfung des Evangeliums durch die Juden dasselbe zu den Heiden kommen ließ. War er nicht schon zum Heidenapostel verordnet, ehe er solche Widerspenstigkeit erfuhr? Zum Verständnis muss man auf die nachdrückliche Erklärung achten: so wenden wir uns von euch ab zu den Heiden. Paulus will also sagen, dass er sich von Juden abkehrt, um sich völlig den Heiden zu widmen. Wären jene in ihrem ehrenvollen Stande geblieben, so wäre solche Abkehr nicht erfolgt; der Apostel hätte zu den in Gottes Herde aufgenommenen Juden in ununterbrochener Fortsetzung die Heiden gefügt und hätte beide Teile gleicher weise umspannt. Die Heiden sollten zu den Juden gefügt werden; nachdem aber diese abgefallen und ausgeschlossen waren, traten jene an ihre Stelle. So war, wie Paulus sagt (Röm. 11, 12. 15. 24), der Juden Absterben das Leben der Heiden; die natürlichen Zweige des Ölbaums wurden abgeschnitten und andere in die heilige Wurzel eingepfropft, - bis endlich Gott auch jene wieder in ihre frühere Wurzel eingepflanzt und zu neuem Leben führt, so dass Gottes von allen Seiten gesammeltes Israel gerettet wird.

V. 47. Denn also hat uns der Herr geboten usw. Die angeführte Stelle steht Jesaja 49, 6, wo aber Gott nicht die Apostel, sondern seinen Sohn anredet. Wir sollen uns indessen merken, dass vieles, was die Schrift von Christus sagt, auch für seine Diener gilt. Vieles, nicht alles; denn gewisse Ehrentitel bleiben ein persönliches Eigentum Christi, und es wäre ein frevelhafter Gottesraub, mit ihnen seine Diener zu schmücken. Christus heißt unsere Gerechtigkeit, weil er allein als Sühnopfer durch seinen Tod uns den Vater versöhnt hat und darnach auferstanden ist, um den Tod zu besiegen und uns ewiges Leben zu erwerben. Der ganze Grund unseres Heils ruht also in Christi Person; sofern er aber durch seine Diener handelt und ihnen gewissermaßen sein Wirken abtritt, teilt er auch mit ihnen seine Ehrentitel. Dahin gehört die Predigt es Evangeliums. Gewiss ward Christus allein uns vom Vater als Lehrer gesetzt; aber er hat wiederum sich Hirten und Diener untergeordnet, welche die Worte seines Mundes weitergeben sollen. So bleibt ihm allein das Ansehen, und doch hört man ihn in seinen Dienern. Es ist also durchaus passend, wenn Paulus, da es sich um die Predigt des Evangeliums handelt, das Zeugnis des Jesaja auf sich anwendet.

Ich habe dich den Heiden zum Licht gesetzt.“ Es muss nicht gerade die Behauptung des Paulus, dass die Heiden erst erleuchtet werden sollen, nachdem das Licht für die Juden erloschen ist, mit diesem Text gedeckt werden. Der Sinn kann auch sein: Da ihr euch des ewigen Lebens beraubt habt, dürft ihr nicht glauben, dass es eine Entweihung der Gnade Gottes sei, wenn wir über euch hinweg schreiten und die Sorge für die Heiden aufnehmen. Denn der Messias ward nicht euch allein gegeben, sondern der ganzen Welt zum Heil bestimmt, wie geschrieben steht: Ich habe dich zum Licht der Heiden gesetzt usw. Nebenher wollen wir bemerken, dass dies „Licht“ durch den nachfolgenden Ausdruck „Heil“ erklärt wird, entsprechend jenem Wort Christi (Joh. 17, 3): „Das ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, erkennen.“ Wenn allein die Erkenntnis Gottes uns Heil bringt, so ist es auch die einzige Auferstehung aus dem Verderben des ewigen Todes, dass die Erleuchtung zum Glauben an Christus uns aus der Finsternis der Unwissenheit reiße.

V. 48. Da es aber die Heiden höreten usw. Ein Anlass zur Freude für die Heiden war es, wenn sie hörten, dass sie nicht unvermutet zur Heilshoffnung berufen wurden, als wäre dies nicht schon längst von Gott beschlossen, sondern dass jetzt endlich erfüllt werde, was schon vor vielen Jahrhunderten zuvor verkündigt war. Denn es bedeutete eine ganz besondere Bekräftigung des Glaubens, dass ihnen durch Christi Ankunft das Heil verheißen ward; so ergriffen sie das Evangelium mit desto größerer Sehnsucht und Ehrfurcht. Dass sie das Wort des Herrn priesen, will eben besagen, dass sie die ihnen vorgelegte Lehre im Glauben ergriffen. Ohne Zweifel soll gesagt werden, dass sie dieselbe rückhaltlos unterschrieben und nicht weiter streiten noch zweifeln, nachdem sie das sieghafte Auftreten des Paulus gesehen haben. Sicherlich geben wir erst dann dem Worte Gottes die schuldige Ehre, wenn wir uns ihm gehorsam im Glauben unterwerfen; andrerseits kann man es nicht heftiger schmähen, als indem man ihm den Glauben verweigert. Übrigens sehen wir, dass sich die Heiden durch den hochfahrenden Widerspruch, den sie bei den Juden sahen, nicht am Bekenntnis zum Namen Christi hindern ließen. Mit dem gleichen hohen Mut sollen wir den Stolz der Gottlosen verachten und mit Füßen treten, die mit ihrer Verstocktheit uns den Weg verrammeln wollen.

Und wurden gläubig. Das verstehe ich als eine Erläuterung des vorangehenden Satzgliedes; Lukas zeigt, inwiefern sie dem Wort Gottes die Ehre gaben. Bemerkenswert ist die Beschränkung, dass nicht alle ohne Ausnahme gläubig wurden, sondern wie viel ihrer zum ewigen Leben verordnet waren. Ohne Zweifel meint Lukas diejenigen, die durch Gottes unverdiente Annahme erwählt waren. Denn die Übersetzung: es wurden gläubig, wie viel sich zum Glauben disponiert hatten – ist eine lächerliche Ausflucht, zumal nicht vom Glauben, sondern vom ewigen Leben die Rede ist. So lehrt diese Stelle, dass der Glaube von Gottes Erwählung abhängt. Da das ganze Menschengeschlecht blind und widerspenstig ist, bleiben diese Krankheiten an unserem natürlichen Wesen haften, bis die Gnadenwirkung des Geistes sie heilt; diese Heilung fließt aber allein aus dem Quell der Erwählung. Denn dass von zwei Menschen, die unterschiedslos die gleiche Lehre hören, der eine sich gelehrig zeigt, der andere in seiner Bosheit verharrt, kommt nicht aus einem etwaigen Unterschied ihrer Natur, sondern daher, dass Gott den einen erleuchtet, den andern gleicher Gandenwirkung nicht würdigt. Gewiss werden wir durch den Glauben Gottes Kinder (Gal. 3, 26), und von unserem Standpunkt aus ist der Glaube die Tür und die Grundlage des Heils. Gott aber blickt tiefer, denn er fängt nicht erst an, uns zu erwählen, seitdem wir glauben, sondern er versiegelt seine bis dahin verborgene Annahme zur Kindschaft in unserem Herzen durch das Geschenk des Glaubens und macht sie dadurch offenbar und vollzogen. Daraus lässt sich auch schließen, was die Predigt des Evangeliums an sich vermag; sie findet bei den Menschen nur darum Glauben, weil Gott seine Auserwählten inwendig beruft und zu Christus zieht, die ihm zuvor gehörten. Zugleich lehren die Worte des Lukas, dass ein Auserwählter nicht verloren gehen kann, denn er sagt nicht, dass einer oder einige von den Auserwählten gläubig wurden, sondern soviel ihrer auserwählt waren. Ist uns auch Gottes Annahme zur Kindschaft unbekannt, bis wir sie im Glauben ergreifen, so ist sie doch in seinem verborgenen Ratschluss nicht zweifelhaft oder in der Schwebe; denn alle, die er als die Seinen kennt, übergibt er dem Schutz und der Obhut seines Sohnes, der bis zum Ende ein treuer Hüter bleiben wird. Beide Stücke sind nötig zu wissen. Wenn wir feststellen, dass die Erwählung dem Glauben übergeordnet ist, fällt jede Berechtigung für die Menschen, irgendein Stück ihres Heils sich selbst zuzuschreiben. Ist der Glaube, auf welchem das Heil beruht, der uns ein Zeugnis der gnädigen Annahme zur Kindschaft vonseiten Gottes wird, der uns mit Christus verbindet und sein Leben in uns überführt, durch welchen wir Gott mit seiner Gerechtigkeit besitzen, durch welchen wir endlich uns die Gnadengabe der Heiligung aneignen, - ist dieser Glaube nicht in uns begründet, sondern in Gottes ewigem Rat, so müssen wir alles Gute in uns auf Rechnung der Gnade Gottes setzen, die uns aus freien Stücken zuvorkommt. Wiederum, weil viele sich in verwirrte und spitzfindige Einbildungen verwickeln, indem sie ihr Heil in Gottes verborgenem Rat erforschen, sollen wir lernen, dass eben darum Gottes Erwählung uns durch den Glauben bekräftigt wird, damit unsere Gedanken sich zu Christus als dem Bürgen der Erwählung wenden und keine andere Gewissheit suchen, als die im Evangelium uns kundgetan ist. Es muss uns, das ist meine Meinung, das Siegel genügen, dass jeder, der an den eingeborenen Sohn Gottes glaubt, ewiges Leben hat.

V. 49. Das Wort des Herrn ward ausgebreitet. Dieser Fortschritt des Evangeliums, von dem Lukas berichtet, lässt ersehen, wie richtig Christi Gleichnis dasselbe mit einem Sauerteig vergleicht. Soeben hörten wir, dass eine große Volksmenge zusammenlief und der Same der wahren Lehre durch die ganze Stadt ausgestreut wurde; jetzt spricht Lukas von einer noch weiteren Ausbreitung über die ganze Umgegend.

V. 50. Dabei erwähnt er doch, dass eine solche nicht ohne Schweiß und Beschwerde erreicht ward. Bemerkenswert ist seine Notiz, dass die andächtigen und ehrbaren Weiber und der Stadt Oberste eine Verfolgung der Knechte Christi herbeiführten. Es war für unerfahrene Kinder in Christus kein geringer Anstoß, dass sich alle Männer und Weiber, die bei ihnen in Geltung standen und nach Menschenurteil ehrwürdig waren, wider Christus stellten. Die große Volksmasse, die Christus angenommen hatte, gehörte nur den untersten Schichten an. Auf der anderen Seite standen die Vornehmen der Stadt, die mit ihrem Glanz das gemeine und gewöhnliche Volk überstrahlten. Verdächtig, ja verhasst konnte es auch die Lehre machen, weil scheinbar fromme und ehrbare Frauen sich gegen dieselbe feindlich stellten. So mussten nicht bloß die noch in den zarten Anfängen stehenden Gläubigen vom Herrn gestärkt werden, damit ihr Glaube nicht wanke, es musste auch dem Paulus und Barnabas die Hand geboten werden, damit sie sich nicht brechen und zum Abstehen bringen ließen. Übrigens wollte uns Gott durch dies Beispiel lehren, dass man solchen Anstößen tapfer widerstehen und sich hüten muss, dass uns nicht ein hohler Schein von Tugenden die Augen blende und den Blick für die im Evangelium strahlende Ehre Christi trübe. Denn alle erdenkliche Tugend und Ehrbarkeit der Menschen ist sicher reine Heuchelei, wenn sie sich wider Christus setzen; und mit gutem Grunde wird über Christus das Lob gesprochen, dass durch ihn vieler Herzen Gedanken offenbar werden (Luk. 2, 35).

Die betreffenden Weiber werden als „andächtig“ oder religiös bezeichnet. Aber welcherlei Religiosität kann das sein, wo keine Ehrfurcht vor Gottes Wort vorhanden ist? Wir wollen uns merken, dass es vier Arten von Menschen gibt. Auf der einen Seite sind wenige, die treulich und von Herzen Gott verehren, aber auch auf der anderen wenige, die sich offen und grob zu seiner Verachtung bekennen. Damit haben wir schon zwei Gruppen. Die große Menge aber ist weder völlig ohne Religion, noch entfremdet sie sich ganz der allgemein herrschenden Gottesverehrung, die man aber kalt und obenhin, gleichsam mit Gott spielend, vollzieht; bei genauerer Prüfung ergibt sich doch ein unheiliges Wesen. So verbirgt sich heute vieler Leute Unfrömmigkeit unter Gebräuchen und einem Scheinbekenntnis zur Verehrung Gottes. Daneben zeigte sich zu Zeiten des Paulus ebenso wie heute bei einer Minorität ein besonderer, frommer Eifer; solche Leute haben eine unreine Religion, ein trügerisches und doppeltes Herz, erscheinen aber wegen ihres unbesonnenen Eifers immerhin als besonders religiös. Hier sieht man, was eine bloße Religiosität ausrichtet, die ihre Verehrer in den Abgrund eines unbesonnenen Fanatismus stürzt und zum Kampf wider Gottes Reich und zur Unterdrückung seiner Ehre anleitet. Wahrscheinlich waren jene Frauen zwar nicht völlig zum Judentum übergetreten und in der Lehre des Gesetzes unterwiesen, jedoch halb jüdisch gesinnt und darum besonders geneigt, für das Judenvolk schützend einzutreten. In dieser Weise nahm man, nach dem Zeugnis des Paulus, mit Sünden beladene Weiblein gleichsam gefangen (2. Tim. 3, 6).

V. 51. Sie aber schüttelten den Staub von ihren Füßen. Dass dies bei den Juden ein Zeugnis des Fluchs war, kann man auch aus dem Befehl Christi ersehen (Mt. 10, 14; Lk. 9, 5; 10, 11). Auf diese Weise wollte er bezeugt wissen, dass die Gottlosen vor Gott abscheulich sind; wir müssen uns peinlich vor ihnen hüten, dass wir nichts mit ihnen gemein haben und nicht die Ansteckung ihrer Unreinigkeit auf uns übergehe. Gewiss heißt es, dass jeder Verbrecher die Erde, der er seine Fußspuren eindrückt, beflecke; aber nur die Verächter seines Wortes soll man nach des Herrn Befehl mit solch gewaltigem Fluch von sich stoßen. Musste man einen Ehebrecher oder Hurer, einen Meineidigen, Trunkenbold oder Mörder aus der Gemeinde ausschließen, so hätte man dabei doch nicht dies Zeichen angewendet. So wird deutlich, wie unerträglich dem Herrn die Verachtung seines Wortes ist; denn diese Abschüttelung des Staubs von den Füßen will etwa bezeugen, dass die betreffenden Leute Satans Eigentum und unwiederbringlich verlorene Menschen sind, wert, von der Erde ausgetilgt zu werden. So erzieht uns diese Strenge zur Ehrfurcht vor dem Evangelium. Auch sollen die Diener des Worts hier lernen, mit welch brennendem Eifer sie für die Herrlichkeit des Wortes eintreten müssen, damit sie es nicht kaltsinnig übersehen, wenn man dasselbe verachtet.

V. 52. Die Jünger wurden voll Freuden und heiligen Geistes. Freude erfüllte sie, weil die Gnadenwirkung des heiligen Geistes in ihnen ihre Herrschaft übte; denn sie allein macht uns wahrhaftig und völlig froh, so dass wir uns hoch über die ganze Welt erheben. Es gilt, ins Auge zu fassen, was Lukas in diesem Zusammenhang sagen will: so wenig ließen sich die Gläubigen durch jene schweren Anstöße verwirren und erschüttern, durch die Schmach ihrer Lehrer und den Aufruhr in der Stadt, durch Schrecken und Drohungen oder Furcht vor künftigen Gefahren, dass sie tapfer und in hochgemutem Glauben den Glanz falscher Heiligkeit und Macht verachteten. Und in der Tat: wenn unser Glaube in Gott recht gegründet ist und in seinem Wort tiefe Wurzeln getrieben hat, wenn er den Geist als rechtschaffene Schutzwehr besitzt, wird er auch gegen den Aufruhr einer ganzen Welt Frieden und geistliche Freude in unseren Herzen lebendig erhalten.

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