Calvin, Jean - An Viret in Genf (75).

Nr. 75 (C. R. – 341)

Calvin, Jean - An Viret in Genf (75).

Im Streit zwischen Bern und Genf waren die Basler als Schiedsrichter gewählt; eine Kommission weilte gerade in Genf.

Neue Verzögerung der Rückkehr. Empfehlung einer älteren Dame.

Jetzt ists schon der fünfte Tag, seit Butzer wieder hier ist. Doch hab ichs noch nicht gewagt, ihn zu drängen, dass wir uns zur Reise rüsteten; erstens weil ich wusste, dass ich es doch nicht leicht durchsetzen könnte, solang die Schiedsrichter in Genf seien, damit es nicht scheine, wir wollten etwas dagegen unternehmen; zweitens weil er bis jetzt beschäftigt war, teils mit einer recht notwendigen Schreiberei, teils mit einer häuslichen Angelegenheit, von der ihn erst der gestrige Tag frei gemacht hat. Aber die Schreiberei wird, glaube ich, bald fertig sein, und von Stunde zu Stunde erwarten wir, dass die Basler melden, was sie zustande gebracht haben. Ich habe es aber schon mehr als hundertmal bereut, dass ich nicht gleich nach der Rückkehr von Regensburg nach Genf geeilt bin. Denn wenn auch meine Gegenwart dort wenig genützt hätte, so hätte sie doch mich von großer Angst befreit. Denn ich war in unaufhörlicher Sorge, wie die Sache ausgehe, und habe zugleich gefürchtet, ich fehle den Unsern in diesen Schwierigkeiten. Andererseits aber hielt mich eine andere Befürchtung zurück, unsere alten Freunde [in Bern], die ja gewöhnlich alles zum Bösen auslegen, könnten einen neuen Verdacht fassen. Sobald aber irgendeine Botschaft kommt, werde ich nicht ablassen, bis ich Butzer mit mir schleppe. Schiebt er es mir dann doch noch länger hinaus, so komme ich trotzdem, um wenigstens nur mit dir und Andern nach der gegenwärtigen Lage Rat zu halten. Denn die Not der Kirche duldet keine längere Verzögerung, und ich kann nicht ruhig bleiben in solcher Ungewissheit, auch ertragen es meine häuslichen Verhältnisse nicht, dass ich noch länger so in der Schwebe bleibe. So habe ich in der Schule neulich angezeigt, dass ich nicht weiter lese, bis so oder so etwas festgemacht sei. Das Ende des Reichstags war, wie ich mirs immer gedacht habe. Das ganze Werk eines Friedensschlusses ging in Rauch auf, da es auf ein allgemeines, oder wenn das nicht bald erreicht werden kann, doch ein nationales Konzil verschoben worden ist. Was ist das anders als Täuschung? Denn wenn dann beigefügt wird, nach sechs Jahren solle ein neuer Reichstag abgehalten werden, wenn aus den Konzilien nichts werde, so ist das erstens eine zu lange Zeit; zweitens hat uns der vergangene Reichstag nicht gerade gute Hoffnung gemacht; zuletzt ists wahrscheinlich, dass dann der Kaiser mit andern Dingen so beschäftigt sein wird, dass er mit Recht auf einen Reichstag verzichten wird. Wie dem auch sei, die Gegner merken doch, dass sie keinen geringen Schaden davon getragen haben, und das wird jeder Tag deutlicher zeigen. Aber ich will die Erzählung nicht länger fortsetzen, weil ichs mündlich besser berichten kann, was ich, so Gott will, bald werde tun können. Die alte Dame, [die dir diesen Brief bringt] lebte hier etwa fünfviertel Jahr. Weil es ihr aber sehr beschwerlich ist, in einem Land zu leben, wo man sie nicht versteht, dann auch, weil sie fürchtet, wenn ich hier weggehe, werde sie noch übler dran sein als vorher, zieht sie vor, nach Genf zu ziehen. Sie hat zu leben. Hilf ihr nur, dass sie eine Wohnung findet. Ihr Alter verdient es schon und sie hat sehr ehrenwerte Söhne. Mach also, dass sie merkt, meine Empfehlung habe ihr genützt. Die Freundlichkeit, die ich von dir fordere, kannst du ihr, glaube ich, ohne zu große Schwierigkeit erweisen. Ich meine nicht, du sollst sie in deinem Hause behalten, sondern nur, dass du ihr durch Freunde eine Wohnung zu anständigem Mietzins verschaffen mögest, damit sie nicht lange im Gasthaus bleiben muss. Lebwohl, bester Bruder. Der Herr behüte dich und lenke dich bei seinem Werk.

Straßburg, 13. August.
Dein Joh. Calvin.

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