Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (735).

Nr. 735 (C. R. – 3974)

Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (735).

Vgl. 728.

Von Calvins Krankheit und der Lage in Frankreich.

Die Gedankenlosigkeit eines guten, aber etwas unbedachten Mannes zwingt mich, dir diesen Brief in aller Eile zu diktieren; er wollte nämlich seine Söhne nach Zürich schicken und machte mich erst auf ihre Abreise aufmerksam, als sie sich eben aufmachen sollten. Ich bin jetzt einen großen Schmerz losgeworden, seitdem ich einen fast haselnussgroßen Blasenstein herausgebracht habe. Da mir die Harnbeschwerde sehr lästig war, war ich auf Rat des Arztes ausgeritten, damit das Schütteln hülfe, den Stein heraus schaffen. Als ich heimgekommen war, kam statt des Urins trübes Blut. Am nächsten Tag rutschte der Stein aus der Blase in die Harnröhre; das machte noch ärgere Schmerzen. Mehr als eine halbe Stunde versuchte ich, durch Schütteln des ganzen Körpers ihn loszuwerden. Ich erreichte nichts damit, bis ich warmes Wasser zu Hilfe nahm; die Harnröhre war im Innern ganz wund, so dass reichlich Blut floss. Jetzt scheint´ s mir, ich lebe erst wieder, seit ich zwei Tage Ruhe habe.

Von der Lage Frankreichs wollte ich mehr schreiben, wenn ich mehr Zeit hätte. In Lyon sind die Kirchen den Messpriestern zurückgegeben worden; nur vier durften wir für uns behalten; eine davon bekamen wir dazu nur durch List unter einem falschen Vorwand. Der früherer Gouverneur [d´ Agoult] ist zurückberufen worden, ein ruhiger, milder Mann, bei den Papisten verhasst, weil er uns begünstigt. Die Frommen fassen überall wieder Mut. An manchen Orten machen aber auch die Feinde noch Unruhe, und ihr Fanatismus freut sich an Brand und Mord. Sie werden schließlich so weit gehen, dass sie spüren werden, auch ihre jetzigen Gönner seien ihre unversöhnlichen Feinde geworden. Der Connetable wird von Tag zu Tag milder. Die Königin-Mutter schmeichelt zwar dem Prinzen, aber leichtfertig und gewandt, wie sie ist, erweckt sie uns keine, auch nicht die geringste Hoffnung. Wenn auch kein Funken von Ehrlichkeit in ihr ist, so erwiese sie sich doch gefällig, wenn sie sähe, dass sie es mit einem tapfern, hochherzigen Manne zu tun hätte. Das Pariser Parlament hat schließlich die Mitglieder, die geflohen waren, wieder aufgenommen; aber viele haben abgedankt, d. h. sich mit Geld losgekauft. Der Kanzler nimmt dies sehr übel; denn er möchte möglichst viele von unsrer Partei darin haben; so hat er, soweit es in seiner Macht liegt, diese Abdankungen streng verboten. Der Admiral erholt sich noch auf seinem Schlosse; sein Bruder ist bei Hofe. Der Connetable ließ sich schließlich mit Mühe von dort losreißen, um seine Truppen gegen die Engländer zu führen. Wenn nicht bald eine Änderung eintritt, so ist nichts schändlicher als de Condes Schwäche und Feigheit. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Der Herr erhalte dich gesund, mache dich stets reich an seinen Gaben und unterstütze dein Wirken. Grüße alle unsere Kollegen angelegentlich; auch meine Kollegen, die eben bei mir sind und aus deren Gesellschaft ich mich ein wenig zurückzog, um dies zu diktieren, lassen Euch alle grüßen.

Genf, 2. Juli 1563.
Dein
Johannes Calvin.

Dass das Luthertum nicht in Frankreich einschleiche oder eingeschleppt werde, darüber wache ich eifrig; das darfst du mir glauben. Das geeignetste Vorgehen schiene es mir, wenn jetzt ein von mir im Namen de Condes und der andern Führer geschriebenes Bekenntnis veröffentlicht würde, das ihn bei Treuwort und Ruf behaftete und auch versuchte, die deutschen Fürsten zu uns herüberzuziehen. Ich erwarte de Condes Antwort; der Admiral drängt ihn zur Unterschrift. Wenn wir sie ihm ablocken können, so gibt uns das gewonnen Spiel. Einstweilen ist die Lage der Kirchen besser, als man glaubte, und es herrscht größere Freiheit, denn es bleibt ihnen ihr Glaube selbst unangetastet; das dem König vorgelegte Bekenntnis samt dem Katechismus ist gestattet worden. Es ist schließlich noch ein ziemliches Durcheinander; aber es ist nicht zu befürchten, die Papisten nähmen die Augsburgische Konfession an, wenn man sie ihnen auch hundertmal aufdrängen möchte.

Da meine Vorlesungen zu Jeremia auf die nächste Messe erscheinen, habe ich im Sinne, das Buch dem Pfalzgrafen zu widmen. In der Vorrede will ich die Hauptpunkte des Zwistes kurz darstellen; es wird so kommen, dass sich dann Brenz gegen mich wenden wird.

Der Vater der Knaben, die dir diesen Brief überbringen, bittet mich, sie dir zu empfehlen. Er möchte dir keine Mühe machen, sondern meint nur, wenn du dich gelegentlich erkundigen wolltest, ob sie sich recht aufführen, und danach sehen, dass sie zu ihrer Pflicht angehalten werden.
Joinvilliers lässt dich ehrerbietig und herzlich grüßen.

Dein
Johannes Calvin.

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