Calvin, Jean - An die Evangelischen in Frankreich.

Nr. 615 (C. R. – 3139)

Calvin, Jean - An die Evangelischen in Frankreich.

Die Kirche Christi in heißer Verfolgung.

Die Liebe Gottes unseres Vaters und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei stets mit Euch durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Sehr liebe Brüder, es gibt ohne Zweifel solche, die es unpassend finden, dass ich Euch eben jetzt schreibe, wo die Verfolgungswut der Ungerechten gegen die Christen so hoch auflodert und es nicht nötig wäre, ihre Wut noch mehr zu reizen. Aber die so denken, irren sich; denn gerade in dieser Zeit bedürft Ihr mehr als je der Ermahnung und Ermutigung. Die Verfolgungen sind die wahren Kämpfe der Christen, die ihre Standhaftigkeit und Glaubenstreue prüfen. Wenn sie angegriffen werden, was sollen sie da anders tun, als zu den Waffen greifen? Nun unsere Waffen, um diesen Kampf recht durchzufechten und den Feinden zu widerstehen, sind die Stärkungen, die uns Gott in seinem Worte zeigt, und je furchtsamer sich einer von uns fühlt, umso mehr muss er zu diesem Mittel greifen. Dabei sehen wir nun aber gerade, wie groß die Neigung der meisten Leute ist, sich mit ihren Fehlern zu schmeicheln; denn gerade die, die sich am leichtesten überraschen lassen, weigern sich, in Gott ihre Stärke zu finden durch die Mittel, die er ihnen gibt. Merkt doch, liebe Brüder, dass eben jetzt die rechte Zeit ist, Euch zu schreiben, wenn das Feuer der Verfolgung brennt und die arme Kirche Gottes betrübt ist bis in den Tod. Wir sehen, dass auch die guten Märtyrer unter sich den Brauch hatten, sich gerade dann durch fromme Ermahnung zur Wachsamkeit zu ermuntern, wenn sie sahen, dass die Tyrannen alles taten, um das Christentum zu vernichten. Seht, darin müssen wir ihrem Beispiel folgen. Wir hören ja auch, wie unser Herr Jesus, als er seine Jünger unterrichtet hatte von den großen Trübsalen, die da kommen müssen und von denen wir jetzt einen Teil erleben, hinzufügt: Freuet Euch, hebet Eure Häupter auf, darum dass sich Eure Erlösung nahet [Luk. 21, 28]. Wenn wir das noch nicht tun, so müssen wir doch wenigstens uns bemühen, das zu überwinden, was und daran hindert.

Ich kenne die Gefahren, in denen Ihr schwebt, und möchte nicht durch unbedachten Eifer Euren wutentbrannten Feinden ein neues Schwert in die Hand geben. Doch muss auch unsere Furcht nicht so maßlos sein, dass die, die der Stärkung durch Gottes Wort bedürfen, eines solchen Gutes beraubt würden. Urteilt selbst, ob Ihr nicht viel Unglauben unter Euch wahrnehmt, indem viele so niedergeschlagen sind, als ob Gott nicht mehr lebte. Daraus könnt Ihr sehen, wie nötig es ist, dass ich versuche, sie, so gut ich kann, wieder aufzurichten, damit Gottes Gnade nicht ganz erlösche in ihnen. Es ist Euch ja nicht neu, zu sein wie Schafe im Rachen der Wölfe; aber jetzt ist ihre Wut schärfer als je darauf aus, die arme Herde Jesu Christi zu zerstören. Und das nicht bloß an einem Orte; denkt daran, dass in fernen Ländern Eure Brüder, die mit euch Glieder eines Leibes sind, dieselben Kämpfe zu bestehen haben wie Ihr. So ists mehr als je Zeit, zu zeigen, dass wir nicht umsonst unterrichtet worden sind. Wir müssen leben und sterben im Dienste dessen, der für uns gestorben ist. Denn es heißt nicht, unser Glaube ist der Sieg über die Welt [Joh. 4, 5], damit wir im Schatten ohne allen Kampf Triumphe feiern dürften; sondern er muss uns eine Waffe sein, Satan und alle seine Ränke wider uns zu überwinden, und die Lehre des Evangeliums ist nicht dazu da, uns zu unserm Vergnügen zu unterhalten, sondern damit wir in der Tat zeigen, dass uns die Welt nichts gilt gegenüber dem Himmelreich. Deshalb sind die, die in Verfolgungszeiten so erschrecken, dass sie nicht wissen, was tun, noch nicht weit gekommen in der Schule Gottes. Entsteht Furcht, so ist das ja nicht zu verwundern; denn da wir Menschen sind, ists gar nicht anders möglich, als dass wir alle menschlichen Gefühle auch empfinden. Aber da Gott unsere Schwäche erträgt, haben wir allen Grund, ein Gleiches zu tun, und selbst die, welche große Furcht spüren, brauchen den Mut nicht zu verlieren, als wären sie schon besiegt. Die Hauptsache ist, dass wir, statt in dieser Schwachheit zu verharren, suchen, uns davon loszumachen und uns aufrichten lassen durch Gottes Geist. Es gibt, wie ich schon oft gesagt habe, nichts, was dem Christentum, das wir bekennen, mehr widerspricht, als wenn wir, vom Sohn Gottes, unserm Hauptmann, zum Kampfe gerufen, nicht nur kalt und feig sind, sondern so völlig bestürzt, dass wir ihn sogar im Stiche lassen. So lasst uns denn unserm Fleische widerstehen; denn es ist unser großer Feind. Um Gottes Nachsicht zu erhalten, dürfen wir gegen uns selbst nicht nachsichtig sein, sondern unnachsichtig urteilende Richter. Jeder, der sich träge fühlt, treibe sich an, und da wir alle miteinander fühlen, dass wir unsere Pflicht nicht tun, so müssen wir froh sein, wenn wir anderswoher daran gemahnt werden und uns Gott gerade soviel Sporenstöße gibt, als unsere Trägheit nötig macht.

Hauptsächlich erschreckt uns die maßlose Grausamkeit, die man an unsern armen Brüdern auslässt. Das ist wirklich ein schreckliches Schauspiel und kann Unbeständige schon zittern machen; aber andrerseits müssen wir eben auch auf die unüberwindliche Festigkeit sehen, die Gott ihnen gibt. Was es auch sei, sie überwinden alle Qualen, die die Bösen erfinden, um sie zunichte zu machen. Satan steht auf der einen Seite, versucht, was er kann, die armen Gläubigen ins Wanken zu bringen und zum Abweichen vom Weg der Wahrheit, der zur Seligkeit führt; mit verhängtem Zügel lässt er seine Wut auf sie losfahren. Doch Gott steht ihnen bei; wohl dulden sie große Ängste in der Schwachheit ihres Fleisches; aber doch beharren sie standhaft auf dem Bekenntnis seines Namens, und darin seht Ihr sie sieghaft. Soll also die Grausamkeit der Feinde, die überwunden sind, wenn man sie verachtet, leichter Euren Mut ertöten können, als die Kraft aus der Höhe, mit der Gott den Seinen beisteht, vermöchte, Eure Zuversicht auf seine Wahrheit zu mehren? Ihr seht, wie Gottes Hilfe Meister bleibt, und wollt Euch nicht ruhig darauf verlassen? Ihr seht den Glauben triumphieren in den Märtyrern, die in den Tod gegangen sind, und trotzdem könnte Euer Glaube hinfällig werden? Deshalb, liebe Brüder, wenn die Tyrannen die Blitze ihrer Wut auf Euch schleudern, lernt Eure Augen erhaben und auf die Hilfe schauen, die Gott den Seinen schickt, und wenn Ihr seht, dass er sie nicht verlässt, so fasst wieder Mut und hört nicht auf, zu kämpfen wider die Versuchungen Eures Fleisches, bis Ihr soweit gekommen seid, Euer Vertrauen darauf zu gründen, dass wir selig sind in Jesu Christo, es sei zum Tode oder zum Leben.

Ich weiß wohl, welche Gedanken uns da so leicht kommen wollen, nämlich: die Diener Gottes müssen unaufhörlich leiden, und die Bösen übertreiben ihre Grausamkeit immer mehr in der Meinung, sie bleibe ungestraft. Aber es ist eben unsere Pflicht zu leiden, und so heißt es, den Nacken beugen; denn Gott will, dass seine Kirche sich solcher Not unterwerfe, dass, wie ein Pflug über das Feld geht von einem Ende zum andern, so die Ungerechten Macht haben, ihr Schwert über uns gehen zu lassen, wie es im Psalm heißt: Die Pflüger haben auf meinem Rücken geackert und ihre Furchen lang gezogen (Psalm 129, 3). Ist uns das hart und widerwärtig, so müssen wir uns damit zufrieden geben, dass, wenn unser lieber Gott uns dem Tode preisgibt, er es zu unserm Besten wendet. Es ist wahrlich besser, um seines Namens willen leiden und nicht wanken, als sein Wort haben ohne alle Trübsal. Denn im Glück erfahren wir es nicht so, wie sein Beistand und die Kraft seines Geistes uns aufrecht zu halten vermag, wie wenn wir bedrängt werden von den Menschen. Das scheint uns seltsam; aber er, der klarer sieht als wir, weiß eben besser, was uns nützlich ist. Gibt er es nun zu, dass wir so bedrängt werden, so geschieht es zweifellos zu unserm Besten; so müssen wir den Schluss ziehen, dass, was er anordnet, uns auch das Erwünschteste sein muss. Sind wir damit noch nicht zufrieden, so zeigt er uns, dass unser Glaube, wenn er köstlicher ist als Gold und Silber, auch geprüft zu werden verdient [1. Petr. 1, 7]. Ebenso, dass wir durch diese Trübsal absterben sollen, um nicht mehr zu wurzeln in der Liebe dieser Welt, und dass böse Leidenschaften, (viel mehr als wir uns denken können), in uns überwunden werden, und wärs nur, damit wir gedemütigt würden und den Stolz verlören, der immer noch größer in uns ist als nötig. Er will uns auch daran erinnern, wie hoch wir sein Wort schätzen sollen; denn wenn es uns nichts kostete, wüssten wir nicht, was es wert ist. So lässt ers zu, dass wir um seines Wortes willen verfolgt werden, um uns zu zeigen, wie köstlich er es hält. Die Hauptsache ist: er will, dass das Bild seines Sohnes in uns Gestalt gewinne, wie den zwischen Haupt und Gliedern Übereinstimmung bestehen muss. So wollen wir nicht denken, dass wir von Gott verlassen seien, wenn wir um seiner Wahrheit willen Verfolgung leiden müssen, sondern dass er es so verordnet zu unserm Besten. Widerstrebt das unserm natürlichen Sinne, so kommt das daher, dass wir stets geneigt sind, unsere Ruhe vielfach hienieden zu suchen statt im Himmelreich. Da wir aber doch im Himmel triumphieren sollen, müssen wir eben bereit sein, zu kämpfen, solange wir auf Erden leben.

Übrigens, liebe Brüder, zweifelt doch daran nicht, dass nach den Beispielen, die Ihr vor Augen habt, Gott auch Euch stärken wird, so wie es nötig ist. Denn er weiß wohl das Maß der Verfolgung den Kräften anzupassen, die er uns zu unserer Unterstützung geben will. Die Schrift lehrt uns an vielen Stellen, dass die Tyrannen nicht mehr wider uns vermögen, als Gott ihnen erlaubt. Dabei weiß er aber wohl, wer wir sind, und kann deshalb gut für den rechten Ausgang sorgen. Das ist ja doch immer der Grund unserer großen Angst, dass wir nur auf unsere Schwachheit blicken, statt unsere Augen auf die Hilfe zu richten, die wir von Gott erwarten und erbitten müssen; es ist kein Wunder, dass er uns fehlt, wenn wir ihn nicht suchen. Ja, wir müssen sogar hoffen, dass der Herr nach der Prüfung seiner Kirche die Wut der Tyrannen bändigen und ihr ein Ende machen wird trotz ihres Zähneknirschens. Darauf harrend, müssen wir eben unsere Seelen in Geduld fassen. Dann wird er erfüllen, was er verheißen hat im bereits angeführten Psalm: Der Herr hat der Gottlosen Seile abgehauen [129, 4] von dem Pfluge, den sie über unsern Rücken führten, uns zu brechen und zu zerschlagen. Und an einer andern Stelle [Psalm 125, 3]: Der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben über dem Häuflein der Gerechten, und dass die Gerechten ihre Hand nicht ausstrecken zur Ungerechtigkeit. Wie es auch gehe, lasset die Standhaftigkeit auch in Euch walten, die Ihr an Euren Brüdern sahet, die ermordet worden sind um der Wahrheit Gottes willen, damit das Euch stärke, im Glauben zu beharren. Man sagte in alten Zeiten: das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche. Ists ein Same, der einen Anfang schaffen kann in Jesu Christo, so kanns auch ein befruchtender Regen sein, der uns wachsen und gedeihen lässt bis zur rechten Reife. Denn wie dieses Blut Gott köstlich ist, so darfs auch für uns nicht unnütz sein, wie wir denn St. Paulus sich rühmen hören, seine Bande dienten zur Förderung des Evangeliums [Phil. 1, 12. 13], und er warte, dass der Name Jesu Christi hoch gepriesen werde durch seinen Tod [Phil. 1, 20]. Das hat seinen Grund darin, dass uns Gott in der Verfolgung beruft, seine Sache zu führen als seine Sachwalter; nicht als ob er uns nötig hätte oder wir besonders dazu geeignet wären; aber da er uns einmal solche Ehre antut, uns dafür zu brauchen, so will er nicht, dass es verlorene Mühe sei. Deshalb müssen wir die Lästerung einiger Heuchler aufs äußerste verabscheuen, die gegen die Märtyrer, die den Namen des Sohnes Gottes verherrlicht haben bis in den Tod, murren und behaupten, durch ihr Bekenntnis des Christentums hätten sie nur Ärgernis erregt. Solche Leute wissen gar nicht, was Jesus Christus ist, sondern machen sich unter seinem Namen einen Götzen, wenn sie das für ein Ärgernis halten, was uns als Bestätigung der Wahrheit des Evangeliums in unserm Gewissen dient. Sie schämen sich nicht, die Knechte Gottes als tollkühn zu verurteilen, weil sie sich zur Verteidigung der Sache Gottes dem Tode aussetzen; aber diese Heuchler werden einmal zu ihrer großen Bestürzung erfahren, wie viel lieber Gott diese so genannte Tollkühnheit war als ihre Klugheit oder besser teuflische Schlauheit, die sie brauchten, sich zu verstellen und die Wahrheit zu verleugnen, damit sie sich aller Gefahr entzögen. Es ist entsetzlich, wenn solche, die sich Christen nennen, so abgestumpft oder besser verroht sind, dass sie Jesum Christum verleugnen, sobald er sein Kreuz zeigt. Ihr aber, liebe Brüder, haltet das Blut der Märtyrer in Ehren, das vergossen ist zum Zeugnis der Wahrheit, als geweiht und geheiligt dem Ruhme unseres Gottes. Wendet es auch an zu Eurer Erbauung, indem ihr Euch dadurch zur Nacheiferung anspornen lasst. Und fühlt Ihr Euch dazu nicht genügend vorbereitet, so bittet Gott, dass er es tue, und seid betrübt über Eure Schwäche, die Euch von Eurer Pflicht abhält. Denn, wie ich schon anfangs sagte, es ist sehr gefährlich, sich in seiner Angst noch zu schmeicheln; der Glaube kann auch nicht lang schlummern, sonst erlöscht er, wie wir denn sehen, dass die klugen Heuchellarven, die in ihrer Verstellung mit Gott spaßen zu können meinen, schließlich die Erkenntnis des Evangeliums verlieren, als hätten sie nie davon gehört. Indessen da Ihr seht, wie die arme Herde der Kinder Gottes von Wölfen verheert wird, so nehmt Eure Zuflucht zu ihm, bittet ihn, Mitleid mit Euch zu haben und Eure Schwachheit zu tragen. Bittet ihn, er möge seine starke Hand ausrecken, die Wölfe zu verscheuchen, ihre bluttriefenden Schnauzen zuzuhalten, ihr Krallen zu zerbrechen, oder sie gar selbst zu Lämmern zu machen. Vor allem möge er zeigen, dass er sitzt zur Rechten Gottes seines Vaters, die Ehre seiner Majestät und das Wohl der Seinen zu schützen. Dann werdet Ihr Trost bei ihm finden, wenn Ihr Euch demütigt mit Weinen und Beten, und nicht, wenn Ihr Euch auflehnt und den Tyrannen die Zähne weist, wie einige tun, ohne die Zuflucht zu suchen, zu der uns die Verfolgung treiben sollte. Ich möchte, Gott gäbe mir die Möglichkeit, Euch noch mehr aus der Nähe beizustehen. Da mir das aber versagt ist, so bitte ich den lieben Gott, wie er Euch ein für allemal der Hut unseres Herrn Jesu anvertraut hat, so möge er Euch spüren lassen, wie sicher Ihr unter einem so guten Schutzherrn sei, damit Ihr Euch ganz seiner Führung überlasset. Auch möge er sich Eurer erbarmen und aller, die in Trübsal sind, und Euch befreien aus den Händen der Ungerechten, und da er Euch einmal teilhaft gemacht hat der Erkenntnis seiner Wahrheit, so möge er sie stets in Euch mehren und sie Frucht bringen lassen zu seinem Ruhme. So geschehe es.

[Nov. 1559.]

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