Calvin, Jean - An die Evangelischen in Frankreich.

Nr. 604 (C. R. – 3081)

Calvin, Jean - An die Evangelischen in Frankreich.

Im Juni 1559 erließ Heinrich II. scharfe Schreiben an alle Gerichtshöfe, die ihnen die energischste Verfolgung der Protestanten zur Pflicht machten.

Trost in der heftiger werdenden Verfolgung.

Sehr liebe und verehrte Brüder, da Ihr alle im allgemeinen heimgesucht seid und der Sturm so fürchterlich tobt, dass kein Ort ist, da er nicht Verheerungen angerichtet hätte, so wussten wir, da wir nicht unterrichtet sind, was für jeden einzelnen Ort gut ist, nichts Besseres, als ein allgemeines Schreiben an Euch zu richten, um Euch im Namen Gottes zu ermahnen: Fallt nicht ab, welche Angriffe der Satan auch wider Euch richte, und verscherzt den Euch verheißenen, sichern Sieg nicht, indem Ihr Euch vom Kampfe zurückzieht. Wahrlich, ließe Gott dem Satan und seinen Helfern nicht die Zügel schießen, so könnten sie Euch nicht so plagen, und doch müsst Ihr den Schluss ziehen: wenn Eure Feinde Euch zu vernichten trachten, so hat Gott seinerseits ihnen solche Macht nur gegeben, um Euren Glauben zu prüfen, und hat unzählige Mittel in der Hand, all ihre Wut zu unterdrücken, wenn er seinen Namen durch Eure Standhaftigkeit verherrlicht sieht. Seid Ihr nun zu solcher Prüfung berufen, so bleibt Euch nichts anderes übrig, als das Bekenntnis Eures Glaubens abzulegen, wie Gott es von Euch fordert, als ein Opfer, das ihm wohl gefällt, obschon die Welt es verachtet und Eurer Einfalt spottet. Und muss es sein, dass Ihr geopfert werdet zu bekräftigenden Siegel Eures Zeugnisses, so fasst den Mut, alle Versuchungen zu überwinden, die Euch davon abhalten. Denn wir haben Grund, uns leiten zu lassen von der Hand eines so guten Vaters, wiewohl es uns hart und schwer erscheint. Wären wir in Gefahr, von ihm verlassen zu werden, so könnten wir wohl stutzig werden; da aber er selbst, der uns in seiner Hut hält, es ist, der uns prüfen will in all den Kämpfen, die an uns kommen können, so ists an uns, unsere Gefühle im Zaum zu halten und uns durch die Lage, in die er uns bringt, nicht befremden zu lassen. Wir wissen wohl, wie Schreckliches Ihr zu dulden habt, und dass Ihr auch nicht unempfindlich seid, sondern viel Widerstreit und Widerspruch gegen das Leiden in Eurem Fleische spüret. Aber Gott muss doch gewinnen! Es heißt ja auch vom Tode St. Petri: man wird dich führen, wo du nicht hinwillst [Joh. 21, 18]. So hat auch er sein natürliches Empfinden bändigen müssen, um sich führen zu lassen nach Gottes Wohlgefallen, und selbst darein zu willigen. Deshalb folgt seinem Beispiel; kämpft tapfer wider Eure Schwachheit, damit Ihr auch siegreich bleibt gegenüber dem Satan und allen Euren Feinden. Die Wut und Grausamkeit gegen die ganze arme Kirche ist groß; die Drohungen sind schrecklich; die Zurüstungen sind so, dass es scheint, alles sei verloren, und doch braucht es noch viel, bis die Verfolgung so maßlos wird, wie unsere Väter sie erdulden mussten. Nicht als ob der Teufel und die Seinen nicht ebenso wutentbrannt und fest entschlossen wie je wären, Böses zu tun, aber Gott hilft unserer Schwachheit und hält die Feinde eingeschlossen wie wilde Tiere. Denn gewisslich, hätte er nicht bisher seine Hand über uns gehalten, wir wären schon hundertmal verschlungen worden, und führe er nicht auch jetzt fort, uns insgeheim zu behüten, wir wären bald vertilgt. Da wir so die Barmherzigkeit und das Mitleid Gottes gegen uns aus Erfahrung kennen, so müssen wir uns umso ruhiger unter seinen Schutz stellen in der Hoffnung, er werde zeigen, wie teuer ihm unser Leben ist. Wir selbst müssen indessen unser Leben gering schätzen und für nichts achten, wenn es gilt, es zu brauchen zu seinem Dienste, unter anderm um sein Wort zu verteidigen; denn darin sollen wir nach seinem Willen seine Ehre leuchten lassen. So sollen wir nach dem Worte unseres Meisters unsere Seelen in Geduld fassen als einen Besitz, dessen treuer Hüter er sein wird [Luk. 21, 19]. Und übrigens wenn wir freiwillig dieses gebrechliche, hinfällige Leben verlieren, so erhalten wir es viel besser wieder in seiner himmlischen Herrlichkeit. Das ist die Hauptlehre, die Ihr jetzt ins Auge fassen müsst, dass die heilige Schrift uns Fremdlinge auf Erden nennt [Hebr. 11, 13], damit uns nichts abwendig mache von dem ewigen Erbe, nach dem wir nur recht streben können, wie wir sollen, wenn wir bereit sind, abzuscheiden, wann und wie Gott uns immer abrufen will von der Erde. Ich will nun hier nicht haufenweise Zeugnissen anführen, die dazu dienen könnten, Euch in der Geduld zu stärken; denn ich fände damit kein Ende, weil die ganze Schrift voll davon ist. Ich will auch nicht folgern, wie wir mit unserm Haupte, dem Sohne Gottes, in den Tod gehen müssen, um mit ihm aufzuerstehen [Röm. 8, 17], dass wir tragen müssen sein Bild [1. Kor. 15, 49] und erstatten müssen, was noch mangelt an seinen Trübsalen [Kol. 1, 24], damit wir teilhaft werden der Ruhe, die er uns verheißen hat. Es muss uns ja ein allgemein bekannter Satz sein, dass, wie er zur Herrlichkeit eingegangen ist durch viele Trübsale, so auch wir denselben Weg gehen müssen. Für den Augenblick genügts, Euch ins Gedächtnis zurückzurufen, dass alle Bedrückungen, die über die Kirche kommen, dazu da sind, den Glauben der Erwählten zu prüfen, und dass Gott sie nach seinem Gutdünken zu rechter Zeit verordnet. Da nun unser Herr Jesus seines Blutes nicht geschont hat, die Wahrheit des Evangeliums, in dem unser Heil liegt, zu bekräftigen, so dürfen wir uns nicht weigern, ihm zu folgen, besonders da wir sicher sind, dass trotz aller Feindesränke alles sich zu unserm Besten wenden muss. Und um mehr Mut zu fassen, zweifelt nicht daran: wenn die Bösen ihre ganze Grausamkeit an Euch ausgelassen haben, so wird kein Tropfen Blut geflossen sein, der nicht Frucht gebracht hat zur Mehrung der Zahl der Gläubigen. Scheints auch auf den ersten Blick nicht, als ob die Standhaftigkeit der Geprüften wirke, so unterlasst es doch nicht, Eure Pflicht zu tun, und überlasst Gott die Wirkung, die von Eurem Leben oder Sterben ausgehen wird zur Erbauung der Kirche; denn er weiß die Frucht zu suchen zur rechten Zeit und am rechten Ort. Je mehr die Bösen seinen Namen auf Erden auszurotten suchen, umso mehr Kraft wird er Eurem Blute geben, ihn zur Geltung zu bringen. Man darf gewiss glauben, Gott will seinen Namen erhöhen und das Reich Jesu Christi jetzt um ein rechtes Stück vorwärts bringen. Nur wollen wir jetzt dieses Wolkendunkel vorüberziehen lassen und warten, bis Gott sein Licht wieder aufstrahlen lässt zu unserer Freude, wiewohl wir es nie entbehren müssen, auch mitten in unseren Trübsalen nicht, wenn wir Licht suchen in seinem Wort, wo es uns angeboten wird und unaufhörlich leuchtet.

Darauf müsst Ihr Euren Blick richten in diesen großen Unruhen und Euch freuen, dass er Euch die Ehre erweist, leiden zu dürfen für sein Wort, statt gezüchtigt zu werden für Eure Sünden, wie wir es ja alle verdienten, wenn er uns nicht trüge. Und da er selbst den armen Sündern Trost verspricht, die geduldig die Züchtigung annehmen von seiner Hand, so dürft Ihr Euch auch darauf verlassen, dass die Hilfe und Unterstützung seines Geistes Euch nicht fehlen wird, wenn Ihr im Vertrauen auf ihn die Lage hinnehmt, in die er die Seinen bringt. Erwartet nicht, dass die Großen dieser Welt Euch den Weg zeigen, vielmehr führen sie oft sogar ihre Brüder vom rechten Weg ab und bringen sie zurück statt vorwärts. Ja, es soll nicht einmal jeder auf seinen Genossen sehen und sagen wie St. Petrus: Herr, was soll aber dieser? [Joh. 21, 21.] Sondern jeder soll folgen, wie er gerufen wird; denn es muss auch jeder für sich Rechenschaft ablegen. Schaut eher auf die unüberwindliche Tapferkeit so vieler Märtyrer, die Euch ein Beispiel gegeben haben, und fasst Mut, miteinander zu wandern in so guter Gesellschaft, die der Apostel deshalb eine große, dicke Wolke nennt [Hebr. 12, 1], weil er sagen will, ihrer sind so viele, dass wir sie gar nicht mit unsern Augen überschauen können. Ja noch mehr, die Vorbilder, die uns Gott täglich vor Augen stellt, sind, wenn man sie recht betrachtet, wie sie es verdienen, wohl stark genug, uns zu wappnen gegen das Ärgernis, das wir nehmen könnten an der Feigheit einzelner weniger.

Übrigens je höher einer im Range steht, desto mehr soll er daran denken, dass er verpflichtet ist, voranzuschreiten und sich nicht zu verbergen, wenn es not tut. Die Edeln und Reichen, die Leute von Stand, sollten sich nicht für bevorzugt halten, sondern im Gegenteil erkennen, dass Gott sie auserwählt hat, um sich an ihnen noch höher zu verherrlichen. Wandelt Ihr in solcher Einfalt und ruft Gott an, dass er barmherzig auf Euch schaue, so werdet Ihr gewiss hundertmal mehr Erleichterung spüren, als wenn Ihr mit Ausflüchten zu entkommen sucht. Ich meine nicht, dass Ihr Euch absichtlich und unvorsichtig dem Wolfsrachen der Verfolger aussetzen sollt; nur hütet Euch davor, Euch der Herde unseres Herrn Jesu zu entziehen, um dem Kreuz auszuweichen, und fürchtet die Zersplitterung der Kirche mehr als alle Todesarten der Welt. Was werdet Ihr sonst als Entschuldigung vorbringen können, wenn Euch unser Herr Jesus, sein Vater und alle Engel im Paradies vorhalten werden, dass Ihr zuerst versprochen habt, ihn zu bekennen im Leben und im Tod, und dann das gegebene Versprechen gebrochen habt? Welche Schande wäre es, nachdem Ihr Euch einmal getrennt habt vom befleckenden Schmutz des papistischen Götzendienstes, wieder umzukehren und Euch darin zu wälzen, doppelt fluchwürdig vor Gott! Kurz, unsere ganze Seligkeit liegt darin, Jünger unseres Herrn Jesu zu sein und zu wissen, dass er auch nicht anerkennt, sondern verleugnet, wer ihn nicht bekennt vor den Feinden. Deshalb härtet Euch ab, Schmach und Verfolgung zu leiden, und wollt Ihr Gott zur festen Burg haben, so heiligt ihn in Euren Herzen und fürchtet Euch nicht vor dem Trotzen der Ungläubigen, wie uns St. Petrus ermahnt [1. Petr. 3, 14. 15]. Verlasst Euch darauf, der Stolz dieser Löwen und Drachen und ihre schäumende Wut wird umso bälder den Zorn Gottes entflammen und sein Rachegericht beschleunigen. Schließlich mache es Euch auch keinen Kummer, von solchen Narren verächtlich beschimpft zu werden, da Eure Namen geschrieben sind im Buch des Lebens und Gott Euch anerkennt, nicht nur als seine Diener, sondern als Kinder und Erben seiner Herrlichkeit, Glieder seines eingeborenen Sohnes, unseres Herrn Jesu, und Genossen der Engel. So sei es Euch genug, ihrem Wüten Gebete und Tränen entgegenzusetzen, die Gott nicht zu Boden fallen lassen, sondern aufbewahren wird in seinen Schalen, wie es im Psalm heißt [Psalm 56, 9].

Damit habe ich in Kürze berührt, wie Ihr Euch halten sollt während dieses Sturmes. Die Hauptsache ist, dass jeder sich fleißig übe, in der Schrift zu lesen, und sich die Mahnungen merke und einpräge, die Gottes Mund uns gibt, und sich durch nichts, was kommen mag, ermatten lasse.

Könnten wir Euch die Sorge und das Mitleid recht ausdrücken, die wir um Euch leiden, am Wunsch und guten Willen sollte es nicht fehlen, wie wir andrerseits denken, die Gefahren, die uns nahe bedrohen, werden Euch auch rühren und bewegen, dass Ihr uns der Hut Gottes anempfehlt. Wir bitten ihn, er möge in seiner unendlichen Güte Euch fühlen lassen, dass er ein Beschützer des Leibes und der Seelen ist, er wolle Euch leiten durch seinen heiligen Geist, Euch unterstützen mit seiner Kraft und in Euch triumphieren dadurch, dass er alle Ratschläge, Unternehmungen und Gewalttaten seiner und Eurer Feinde vernichtet.

[Ende Juni 1559].

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