Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (54).

Nr. 54 (C. R. – 238)

Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (54).

Im August 1540 heiratete Calvin Idelette von Büren, die Witwe eines von ihm zur Kirche zurückgeführten und bald darauf an der Pest gestorbenen Wiedertäufers Jean Stordeur (vgl. 44, 45). Eine Madame du Vergier und ihr Sohn lebten als Pensionäre in Calvins Haus; Demoiselle war Bezeichnung auch für verheiratete Frauen adligen Standes. In Genf begann man ernstlich an die Rückberufung Calvins zu denken; Marcourt und Morand (vgl. 30) reichten ihre Entlassung ein. Farel hatte Calvin nach Neuchatel eingeladen. Margaretha von Navarra war schon in Frankreich Calvins Gönnerin gewesen.

Von allerlei Krankheit zu Beginn des Ehestandes und deutscher Politik.

Ich antworte dir so spät, weil ich, als dein Brief kam, vor Schwäche meines Leibes keinen Finger rühren konnte, und seither immer noch in meinem Sinn unentschlossen war und dir deshalb keine bestimmte Antwort geben konnte. Ja, der Herr hat, damit unsere Ehe nicht gar zu fröhlich beginne, gleich von Anfang an unsere Freude gedämpft, dass sie das rechte Maß nicht überschreite. Am 3. September hatte ich ein dumpfes Kopfweh, ein Übel, das ich so gewöhnt bin, dass es mir nicht mehr viel macht. Am Sonntag, der darauf folgte, spürte ich, als ich in der Vormittagspredigt etwas warm wurde, dass die Säfte, die meinen Kopf eingenommen hatten, flüssig wurden. Bevor ich aus der Kirche kam, packte mich ein Schnupfen, der mit beständigem Fluss mich bis zum Dienstag ziemlich quälte. Als ich an diesem Tag wie gewöhnlich predigte, wobei mir das Sprechen recht schwer fiel, weil meine Nase durch den Fluss verstopft war und im Hals die Heiserkeit mit fast erwürgte, fühlte ich plötzlich ein Schütteln durch den Leib gehen. Der Schnupfen stockte, aber zur Unzeit, da mein Kopf noch voll böser Säfte war. Am Montag war nämlich etwas passiert, was mir die Galle erregt hatte. Denn als unsere Demoiselle, die ja oft ihre Zunge, mehr als recht ist, den Lauf lässt, meinem Bruder ein Schimpfwort zurief, wollte er sich dergleichen nicht mehr gefallen lassen. Doch schlug er keinen Lärm, sondern ging in aller Stille aus dem Haus und schwur, er komme nicht mehr zurück, solange sie bei mir bleibe. Sie selbst ging nun, als sie sah, dass mich das Weggehen meines Bruders so betrübt hatte. Ihr Sohn blieb aber einstweilen bei mir wohnen. Nun habe ich die Gewohnheit, wenn mir ein Ärger oder eine große Angst heiß gemacht hat, mich beim Essen zu vergessen und gieriger hinunter zu schlingen als schicklich ist. Das passierte mir auch da. Da ich mir nun am Nachtessen den Magen überladen hatte mit zu viel und unpassender Speise, quälte mich am folgenden Morgen der verdorbene Magen entsetzlich. Dagegen wäre nun Fasten gut gewesen, uns so habe ich es gewöhnlich gehalten. Damit nun aber der Sohn der Demoiselle mein Wegbleiben vom Tisch nicht als einen Kunstgriff auslege, auch ihn fortzutreiben, zog ich es vor, ohne Rücksicht auf meine Gesundheit eine solche Kränkung zu meiden. Am Dienstag also, als der Schnupfen, wie gesagt, aufgehört hatte, befiel mich etwa um neun Uhr nach dem Nachtessen eine Ohnmacht. Ich ließ mich zu Bett bringen. Es folgte ein heftiger Fieberanfall, große Hitze und seltsamer Schwindel im Kopf. Mittwochs, als ich aufstehen wollte, war ich so geschwächt an allen Gliedern, dass ich zugeben musste, ich sei krank. Ich aß einfach zu Mittag; nach dem Essen hatte ich wieder zwei Ohnmachtsanfälle auszustehen. Dann häufige Fieberanfälle, aber unregelmäßig, so dass sich keine bestimmte Fieberart feststellen ließ. Ich schwitzte also, dass das Kissen fast ganz durchnässt war. Als ich derart drangenommen wurde, kam dein Brief. Weit entfernt davon, ausführen zu können, was du wünschtest, konnte ich vielmehr kaum drei Schritte gehen. Endlich verwandelte sich die Krankheit, was es auch gewesen sein mag, in ein Wechselfieber, das zuerst sehr heftige Anfälle zeigte, aber nach dem dritten nachließ. Es gab freilich nachher noch ab und zu Anfälle, die mich dann aber nicht mehr so unbarmherzig quälten. Als ich wieder gesund zu werden anfing, war die Zeit, [auf die du mich eingeladen], schon vorbei. Doch hatte ich noch nicht Kraft genug gesammelt, um eine Reise aushalten zu können. Das hinderte aber keineswegs, dass ich, wie wenn ich ganz gesund und die Zeit noch günstig wäre, mit Capito und Butzer beriet, was zu tun sei. Selbst mitten in meiner Krankheit hatte ich nicht aufgehört, Butzer zu bitten, er solle lieber allein reisen, als dass wir deine Erwartung täuschten. Er aber, obwohl ganz geneigt zur Ausführung des Auftrags, wollte mich doch lieber zum Begleiter haben. Selbst der Brief des Grynäus konnte ihn nicht dazu bewegen, der zwar abriet, aber doch versicherte, er werde mit uns kommen, wenn wir auf der andern Meinung bestünden. Als ich noch von der erwähnten Krankheit angegriffen war, fiel auch meine Frau in ein Fieber, von dem sie sich erst jetzt zu erholen beginnt, das aber nur durch ein anderes Übel abgelöst wurde; denn seit acht Tagen ist sie durch häufiges Erbrechen und Durchfall so erschöpft, dass sie sich nur schwer vom Bette erheben kann. Und doch muss ich eingestehen, dass nichts von alledem im Weg gestanden hätte, wenn nicht ein noch größeres Hindernis dazu gekommen wäre. Denn vor vierzehn Tagen entstand das Gerücht und hält sich beständig, der Kaiser komme nach Worms, um dort den Reichstag zu halten, den man zu Hagenau beschlossen hatte. Freilich ist noch keine Ausschreibung auf einen bestimmten Tag erfolgt, aber die Unsern fürchten, er greife wieder zum gleichen Manöver, das er bei der Ausschreibung des Hagenauer Gesprächs gebraucht hat. Denn er gönnte ihnen nur so kurze Zeit, damit sie sich nicht zuerst zu besonderer Beratung unter sich vereinigen könnten. So fürchten sie auch heute, er wolle sie unvorbereitet überraschen. Das hält nun Butzer notwendig hier fest und lässt ihn keinen Schritt tun. Er bittet dich also dringend, ihn entschuldigen zu wollen, da du ja sehen musst, dass es nicht seine Schuld ist, wenn er dir sein Versprechen nicht hält. Und ich kann mich für ihn verbürgen, dass ich nie einen Menschen zu etwas bereitwilliger gesehen habe als ihn zu dieser Reise, wenn ihn eben nicht dies festhielte. Vielleicht stellt es sich bald heraus, dass diese Sorge überflüssig war. Aber was sollten die Unsern anders tun, als gespannt sein, wenn man hört, man habe in Worms bereits die Quartiere verteilt, der Kaiser reise schon heran? Unterdessen, damit du auch das weißt, ist der Kaiser selbst daran, Flandern, Holland, Brabant und Luxemburg mit unerhörter Raubgier auszuplündern, ja auszusaugen. Geschieht weiter nichts, so rufe uns, wenn du willst; Butzer verspricht dir heilig, er werde ohne sich zu weigern, sofort kommen. Zu meiner Entschuldigung brauche ich mich nicht sehr anzustrengen. Denn mit Gott konnte ich nicht streiten, der mich ans Bett fesselte, als es Zeit war, die Reise anzutreten. Dass du nicht an meinem guten Willen zweifelst, denke ich mir. Alle, die bei mir waren, wissen, dass die Klage oft aus meinem Munde kam: So wird nun Farel in seiner Erwartung getäuscht. Aber du und ich, wir müssen es eben geduldig tragen, wenn der Herr, was wir beide wünschten und hofften, aufgehoben oder doch hinausgeschoben hat. Wir wollen glauben, dass er besser voraussah, was das Beste war, als wir es mit unserm Ratschlagen und Überlegen hätten finden können. Neues hören wir nicht hier, als dass der König [von Frankreich] und der Kaiser um die Wette durch ihr Wüten gegen die Frommen dem Götzen zu Rom sich zu verpflichten suchen. Neulich war hier ein Baske, wie es schien ein vornehmer Mann (er führte wenigstens fünf Reiter mit sich); durch ihn schrieb ich der Königin [Margaretha von Navarra] und beschwor sie dringend, in dieser Trübsal nicht zu weichen. Auf öffentlichem Weg vermögen wir nichts in so zweifelhafter Lage. Der Kaiser reist, wie du gehört hast, gegen Worms, doch ohne allzu große Eile. Er hat nun doch gezeigt, dass er eine Fürstenversammlung halten will, hierauf einen Reichstag zu Regensburg, wo dann über die Religionsfrage nach den Verhandlungen der letzten Tagung beschlossen und über den Stand des Reichs beraten werden soll. Die Stadt Regensburg hat aber die ungünstigste Lage, da alle Fürsten, die friedliebender sind, wegen der langen und beschwerlichen Reise nicht hinkommen werden, und die Unsern sich weniger sicher glauben, weil es mitten in Bayern liegt, dessen Fürsten ihre Feinde und mit dem Kaiser durch jenes frevelhafte Bündnis verbunden sind. In Tübingen sind 67 Häuser abgebrannt; man vermutet, das Feuer sei von Brandstiftern angelegt, weiß aber nicht, wer sie sind oder von wem sie dazu angestiftet sein könnten.

[Ende September 1540.]

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