Calvin, Jean - An Paolo Gadio, Pfarrer zu Teglio im Veltlin.

Nr. 442 (C. R. – 2138)

Calvin, Jean - An Paolo Gadio, Pfarrer zu Teglio im Veltlin.

Gadio fragte Calvin in folgender Sache um Rat: Eine italienische Adelsfamilie war durch Erbschaft in Besitz eines Gutes gekommen, das jährlich 300 Gulden einbrachte, doch war diese Einkunft an die Bewohnung des Gutes geknüpft, das sonst der Kirche anheimfiel. Der Adlige wollte nun um seines Glaubens willen ins Veltlin umsiedeln, und fragte, ob es erlaubt sei, vom Papste Dispens von der Testamentsbestimmung zu erwirken und dafür jährlich 30 Gulden an die katholische Kirche des Orts zu zahlen. – Mit zwei Ratsgesandten sollte Calvin nach Bern reisen, um Protest gegen den Bescheid des Berner Rats (vgl. 439) einzulegen.

Darf ein Evangelischer der katholischen Kirche Einkünfte verschaffen?

Deinen Brief, bester Bruder, habe ich erst drei Monate nach dem Datum, das er trägt, erhalten, wundere dich also nicht, dass du die Antwort später erhältst, als du sie erwartetest. Auch kann ich dir nur kurz und in Eile antworten, denn ich muss nach Bern und bin sozusagen schon am Abreisen. Um den Rat, den du von mir willst, bin ich in einiger Verlegenheit. Ich möchte herzlich gerne dem guten Mann, der sich aus der Tyrannei des Antichrists losreißen will, die Hand dazu bieten, und sicher ziemt sichs, dass alle Diener Christi sein frommes Bestreben fördern. Doch müssen wir sehen, was der Herr uns erlaubt; denn es steht uns nicht zu, etwas von seinen Geboten abzulassen. Nun liegen in seiner Frage, die du mir vorlegst, zwei Schwierigkeiten, erstens ob es einem Christenmenschen erlaubt ist, vom Papst eine Testamentsaufhebung zu erbitten, zweitens ob, das angenommen, es erlaubt ist, zu erwirken, dass der gute Mann seine Jahreseinkunft freiwillig an des Stifters Stelle einer Kirche zuweise. Und dieser zweite Punkt macht mir hauptsächlich zu schaffen. Denn, wenn es auch schon unsinnig ist, dem Papste soviel Gewalt zuzuschreiben, dass er uns durch seinen Ablass von irgendeinem Bande befreien könnte, so ists doch noch schlimmer, scheints mir, ein Teil seiner Einkünfte den Götzen zu opfern, um den größern Teil zu erhalten. So sehe ich nicht, wie es einem frommen Manne erlaubt sein sollte, in solcher Sache an den Papst ein Gesuch zu stellen, und zwar in dieser Form. Erträglicher wäre ein anderes Vorgehen, wenn er nämlich nur mit dem Domstift, dem die Erbfolge zugedacht ist, unterhandelte. Das zu tun, würde, denke ich, nicht schwer halten, wenn er den Verlust eines Drittels seines Vermögens nicht scheut. Denn die Domherren, - sie mögen sonst sein, wie sie wollen, - werden dann in einer immerhin unsicheren Sache nicht ungern nachgeben, wenn ein solcher momentaner Gewinn sie lockt. Fällt es dem guten Manne schwer, ein Drittel seiner Einkünfte sozusagen zu verschleudern, so soll er bedenken, dass es besser wäre, die ganzen Einkünfte, und wären sie hundertmal so groß, zu verlieren, als ein Unrecht zu tun. Auch wenn die Domherren dann diese Einnahme zu ihren Kirchengräueln verwenden, so bietet diese Art Vertrag doch kein Ärgernis, weil es vom Standpunkt des guten Mannes aus doch keine abergläubische Stiftung ist, sondern nur der Preis, mit dem er sich aus seiner Haft loskauft. Denn er soll nicht sagen, er überlasse ihnen diese Einkunft für ihren falschen Kult, um sein Gewissen frei zu machen, sondern es soll so abgeschlossen werden, weil er jetzt im Besitz von 300 den Domherren zinspflichtigen Gulden sei, so überlasse er ihnen 100 vollständig, damit dann 200 frei blieben. Braucht es dann zur Bekräftigung des Vertrags päpstliche Vollmacht, so können die Domherren in ihrem Namen darum bitten. Von dieser Bestätigung mag der gute Mann dann zu seinem Nutzen Gebrauch machen; denn hier handelt sichs nicht um ein geistliches Recht [des Papstes], sondern nur um den ruhigen Besitz seines Vermögens. Zeigt sich dieses Vorgehen nicht als durchführbar, so muss er eben den ganzen Besitz den Domherren verkaufen, oder mit ihrer Einwilligung einem beliebigen andern, so dass er ihnen ein Drittel des Erlöses zufallen lässt. Ich möchte ja gerne anders raten, d. h. mit kleinerem Schaden für ihn, aber er muss verzeihen, wenn ich nicht weiter zu gehen wage. Denn es ist besser, mit den Domherren einen Vertrag abzuschließen in irgendwelcher Art, wenns nur als weltliches Geschäft zur Lösung der Haft geschieht, als ihnen einen Heller unter dem Schein einer frommen Stiftung zu überlassen. Wenn der fromme Mann sich gelassen eines Teils seiner Güter entäußert, wird ihn Gottes Segen so reichlich überströmen, dass es ihm nicht arg sein dürfte, ein kleineres Vermögen zu haben als vorher. Du aber, lieber Bruder, bist schon so redlich gesonnen, dein Amt recht zu verwalten, dass du keines Ansporns von mir bedarfst. Ehe du in den Dienst der Kirche tratest, waren dir die Mühen und Schwierigkeiten ja schon bekannt, mit denen du jetzt zu ringen hast, nun heißts nur, Gott bitten, dass er dir unerschütterliche Standhaftigkeit und stets neue Kräfte verleihe, damit du durch Hindernisse aller Art deinen Lauf vollendest bis ans Ziel. Lebwohl, bester, liebster Bruder. Der Herr sei stets mit dir, gebe deinem frommen Wirken guten Erfolg und leite dich mit seinem Geiste. Grüße die frommen Brüder bei Euch von mir.

5. März 1555. 

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