Calvin, Jean - An den Fürsten Nikolaus Radziwil in Wilna.

Nr. 437 (C. R. – 2113)

Calvin, Jean - An den Fürsten Nikolaus Radziwil in Wilna.

Nikolaus Radziwil, Pfalzgraf von Wilna, Großkanzler des Königreichs Polen war ein Hauptförderer der Reformation unter dem polnischen Adel. Er ließ die Bibel ins Polnische übersetzen und berief evangelische Prediger aus Deutschland in sein Gebiet.

Von der Pflicht, die Reformation in Polen zu fördern.

Dass dich, erlauchtester Fürst, der du auf so hohem Ehrenposten stehst, ein Mann ohne Adel und fast auch ohne Wert für die Welt, wie ich es bin, mit einem Briefe angeht, das ist – ich weiß es wohl – eine Kühnheit von mir. Weil ich aber nicht nur auf deine Freundlichkeit, sondern vor allem auf deine Frömmigkeit das Vertrauen setze, du werdest es mir erlauben, so will ich dich nicht mit viel Aufwand an Worten bitten, es zu tun. Denn so gering und dunkel auch meine Stellung ist, so wird mir hoffentlich doch, weil du mich als einen Diener Christi erkennst, um deiner Ehrfurcht vor diesem Herrn willen der Zutritt zu deiner Hoheit offen stehen. Ja, mein Bemühen, das mit deinen frommen Wünschen übereinstimmt, wird, glaube ich, so sehr deine Billigung finden, dass es mir auch ohne weitere Empfehlung deine Gunst zur Genüge verschafft. Denn wenn ich auch wünsche, dass das Reich Christi überall aufblühe, so beschäftigt mich doch mir Recht Polen eben ganz besonders. Denn seitdem dort das Licht der reinen Lehre aufzuleuchten begann, hat dieser gute Anfang mit der Hoffnung auf einen noch bessern Fortgang auch den Wunsch danach entflammt. Wenn du nun nur die Macht hättest, den wahren Glauben zu fördern, wie du es tust, so hätte ich guten Grund, dich zu mahnen und anzutreiben, dass du dich deiner Pflicht vor Gott nicht entziehest und deinen hohen Beruf nicht versäumest. Da du nun aber schon ehrlich gewillt bist, den wahren Glauben zu beschirmen, ja, in heldenhafter Geistesgröße zeigst, wie ernst und treu du dieses Schirmamt übernommen hast, so veranlasst mich dein edles Tun mit Recht, dir zu danken, und gibt mir Grund, dir noch Größeres zuzutrauen. Deshalb bitte ich dich nicht einfach, dass du fortan dir selber gleich bleiben mögest, sondern auch, dass du, mit dir selbst wetteifernd, nach dem allerherrlichsten Siege strebst. Vielfache Erfahrung lässt mich daran nicht zweifeln, dass auch du auch tagtäglich merkst, eine solche Mahnung wie die meine sei durchaus nicht überflüssig. Ohne Zweifel siehst du wohl, wie ungeheuer groß die Aufgabe ist, das himmlische Reich Gottes auf Erden aufzurichten. Du siehst auch, mit wie viel Hemmnissen der Satan es zu hindern und aufzuhalten sucht, ja mit wie vielen listigen Mitteln er zuweilen versucht, heimlich ins Wanken zu bringen oder offen umzustürzen, was von diesem heiligen Bau schon begonnen ist. Du siehst schließlich, wie kühl diese Sache betrieben wird, die nicht nur unsere erste Sorge sein sollte, sondern unser ganzes Sinnen und Denken in Anspruch nehmen müsste. Dieser letzte Fehler kommt daher, dass fast alle, in der Meinung, was man Christo tue, sei sozusagen aus Gnaden und umsonst getan, sich mehr dem zuwenden, was Hoffnung auf Gewinn gibt und Lohn und Preis der Mühe zeigt. Deiner Klugheit aber, erlauchtester Fürst, steht es wohl an, in erster Linie daran zu denken, dass du ja Gott nichts tun kannst, als war er mit Recht als deine Schuldigkeit von dir fordern kann, nicht nur weil du [wie jeder andere] ganz in seiner Schuld stehst, sondern auch, weil er dich durch die hohe Stellung, zu der er dich erhoben, sich noch besonders verpflichtet hat. Bedenke dann auch, welcher außerordentliche Siegespreis dir winkt in dem Worte des Herrn: wer mich ehret, den will ich auch ehren [1. Sam. 2, 30]. Damit er also dein Haus stark und dauernd erhalte, bestrebe dich nach Kräften, sein Reich zu fördern. Obwohl ich weiß, dass Euer allergnädigster König recht guten Willens ist, so ist doch dir, wenn du ihn in schwierigen Verhältnissen nicht die rechten Fortschritte machen siehst, von Gott die Pflicht auferlegt, und du sollst es nicht vergessen, nicht nur Seiner Majestät Begleiter und Helfer zu sein, sondern auch den Zögernden anzutreiben, ja wenn es sein muss, ihm voranzugehen. Ich glaube, er wird es auch nicht übel nehmen, wenn er im Streben nach seinem Ziel vom Eifer anderer ermutigt wird. Lebwohl, erlauchtester, in Hochachtung verehrter Fürst. Der Herr leite dich mit seinem Geiste, helfe dir mit seiner Kraft und erhalte deine hohe Stellung fest auf lange.

Genf, 13. Februar 1555.
Deiner Hoheit ganz ergebener
Johannes Calvin.

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