Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (378)

Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (378)

Nr. 378 (C. R. – 1790)

Zum Anfang vgl. 372. Die Zahl der Refugianten deutscher, französischer und italienischer Nation, die in London lebten, schätzte Bullinger auf 15 000; er hatte auch geschrieben, dass Kaiser Karl. V. seiner Nichte Maria von England geraten habe, den Kardinal Reginald Pole, den päpstlichen Legaten für England, seit Heinrich VIII. im Exil lebend, als „Reformator aus Rom“ zu berufen. Der Beschluss des Rats, über den Prozess Servets bei den schweizerischen Kirchen Gutachten einzuholen, erfolgte erst am 19. September. Der Zürcher Pfarrer Gwalther war am 3. September in Genf und nahm diesen Brief mit.

Von der drohenden Verfolgung in England. Weiteres vom Servetprozess.

Ich war nicht im Zweifel des Briefes wegen, dass du treulich deine Pflicht getan hast, damit er sicher in meine Hände komme. Doch hat dich der Jude betrogen, oder zum mindesten hat er nicht geleistet, was du hofftest. Endlich ist er zu uns gekommen; er klagte, er sei in Freiburg beraubt worden, von dem Brief konnte er nichts Sicheres sagen. Da er hier keine Stellung fand, wie er sie sich wünschte, reiste er nach England. Ich erinnerte ihn daran, wie gefährlich dort eben die Verhältnisse seien und suchte ihn von seinem Vorsatz abzubringen; doch erreichte ich nichts damit. Lassen wir ihn fahren! England selbst macht uns mit Recht Angst, ja es quält uns geradezu. Was wird aus der großen Menge Frommer werden, die dorthin in freiwillige Verbannung gegangen waren? Was aus den vielen Einheimischen, die Christum aufgenommen haben? Wenn der Herr nicht vom Himmel her wunderbare Hilfe schickt, so ist Gefahr, dass wir bald sehr traurige Nachrichten hören werden. Von Reginald Pole geht hier dasselbe Gerücht. Übrigens, weil ich stets gehört habe, dass es eine sehr übermütige Bestie sei, die sich jetzt des Königtums bemächtigt hat, und dazu eine grausame, so kommt mir zuweilen die Ahnung, es könnte geschehen, dass sie sich in ihrer Kühnheit selbst zu Fall brächte; du weißt, wie hitzig das Volk dort ist. Schließlich wird sie fast allen feind sein. Wenn sie versucht, ohne die nötige Macht auch die staatlichen Verhältnisse zu ändern, wird sie nicht wenig Opposition finden. Indessen wird Gottes Kirche allerdings elendiglich sozusagen in mancherlei Stürmen umher geworfen; wir müssen also all das unklare Wirrsal dem Herrn anempfehlen.

Nächstens wird unser Rat die Thesen Servets nach Zürich senden, um Euer Urteil darüber zu hören. Sie machen Euch diese Mühe trotz unseres Widerspruchs; aber sie sind eben so weit gekommen in ihrer sinnlosen Leidenschaft, dass ihnen alles verdächtig ist, was wir sagen. Wenn ich z. B. behauptete, es sei um Mittag hell, sie begönnen gleich, es zu bezweifeln. Unser Bruder, Herr Gwalther, wird mehr davon berichten. Denn da viele Leute da sind, die ich in meinem Haus vorfand, als ich vom Mittagessen heim kam, muss ich schließen. Also lebwohl, berühmtester Mann und im Herrn verehrter Bruder. Grüße deine Kollegen, deine Schwiegersöhne und dein ganzes Haus. Christus behüte Euch alle, leite Euch und segne Euch. Amen. Meine Kollegen lassen dich vielmals grüßen, alle in großer Trauer.

Genf, 7. September 1553.
Dein
Johannes Calvin.



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