Calvin, Jean - An Ambrosius Blaurer in Biel (348)

Nr. 348 (C. R. – 1674)

Calvin, Jean - An Ambrosius Blaurer in Biel (348)

Am 11. November wurde zwei Gegnern Calvins erlaubt, ihre Kinder auf Namen zu taufen, die Calvin als unchristliche nicht dulden wollte; kurz darauf wurde Trolliet, obwohl Calvin durch das Eingreifen Farels und Virets, die am 9. November in Genf für ihn sprachen, gerechtfertigt worden war, vom Rat ebenfalls eine Erklärung seiner Ehrenhaftigkeit zugestellt. Zwei deutsche Heere fielen in Frankreich ein, das eine durch die Champagne, das andere durch die Picardie; von diesem wurde Calvins Vaterstadt Noyon eingeäschert. Robert Etienne, der berühmte Pariser Buchdrucker, weilte seit einiger Zeit als Refugiant in Genf.

Von bösen Leuten in Genf. Vom Brand Noyons.

Weil ich hoffe, gleichzeitig mit diesem Briefe komme mein innig geliebter Bruder, Herr Theodor Beza, zu dir, der dir von meiner und der Genfer Kirche Lage ausführlicher berichten kann, als ich im längsten Briefe vermöchte, so will ich mich kurz fassen im Schreiben. Er wird dir erzählen, wie viel Last und Unruhen uns die böswilligen Gesellen machen, die nur durch die Straflosigkeit und Freiheit, die man ihnen gewährt, fähig sind, Schaden anzurichten. Aber vielleicht will uns der Herr nur darum aller Menschenhilfe berauben, damit er allein uns in seiner Hut halte. Dabei habe ich nun auch, was ich nie gedacht hätte, meine Vaterstadt überlebt. Denn meine Geburtsstadt ist vor kurzem ganz vom Feuer verzehrt worden. Wir müssen auch täglich noch von weiteren furchtbaren Niederlagen aus der Picardie hören. Und doch wird dadurch die Leidenschaft des Königs so wenig gebändigt, dass er übermütiger als je Gott Hohn spricht. Dürfte man doch aus Euerm Deutschland Erfreulicheres vernehmen! Weil aber heute nichts als Trauriges oder wenigstens Unklares vor sich geht, wage ich kaum, nach den Ereignissen in Deutschland zu fragen. Ohne Zweifel zitterst auch du bei jeder Botschaft ängstlich, aus Furcht, es könnte zum bisherigen Schlimmen noch mehr kommen. Denn wenn nicht der Herr vom Himmel her seine Hand ausreckt, so muss, wer vorsichtig und scharfen Blickes ist, in den schon so schweren und bittern Erlebnissen nur das leichte Vorspiel ungeheuren Unglücks erkennen. Denn in wie fürchterlicher Frechheit Satan auch rast, so ists bei der heillosen Bosheit der Welt eigentlich noch zu verwundern, dass ihm vom Herrn nicht noch weit mehr erlaubt wird. Wir aber, die wir einen festen Anker im Himmel haben, müssen diese stürmischen Wogen nicht anders durchsegeln, als wenn wir schon im ruhigen Hafen wären, bis uns der Herr zur seligen Ruhe seines Reiches sammelt.

Ich sende dir beiliegende Briefe an meinen lieben Beza, weil er mir versprach, bei der Reise nach Bern den Heimweg über Biel zu machen. Kommt er nicht zu dir, so schicke sie bei erster Gelegenheit an Farel zurück. Robert Etienne hat eben meinen Kommentar zum Johannesevangelium unter der Presse. Sobald er fertig ist, will ich dafür sorgen, dass du ein Exemplar erhältst. Lebwohl, hochberühmter Mann und trefflicher Diener Christi, mir von Herzen verehrter Bruder. Der Herr fahre fort, dich mit seinem Geiste zu leiten, dich mit seinem Schutz zu behüten und dich in jeder Weise zu segnen. Deinen Amtsbruder [Fünkli] grüße vielmals von mir. Meine Kollegen und meine Begleiter von der letzten Reise lassen Euch beide grüßen. Auch Eurem Stadtseckelmeister [Meyer] und den andern frommen, tapfern Männern möchte ich einen Gruß ausgerichtet haben. Dich aber bitte ich dringend, du wollest mich deiner Fürbitte empfohlen sein lassen, denn ich habe diese Hilfe nötiger, als ich mit Worten sagen kann. Nochmals lebwohl samt deiner Frau und deiner Familie. Genf, 19. November 1552.

Von Herzen dein
Johannes Calvin.

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