Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (326).

Nr. 326 (C. R. – 1535)

Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (326).

Zwischen dem englischen und dem französischen Hof wurde über eine Heirat des jungen Königs mit einer Tochter Heinrichs II. von Frankreich verhandelt. Die grausamen Gesetze gegen den Protestantismus wurden am 2. September 1551 unter dem Namen des Edikts von Chateaubriand veröffentlicht.

Von der Not der französischen Protestanten.

Der Mangel an geeigneten Boten macht mich träg im Schreiben. Denn ich mag dir keinen Brief senden, der durch sein Alter seinen Wert verloren hat, ehe du ihn erhältst. Da aber jetzt unser lieber Beza es unternommen hat, dafür zu sorgen, dass mein Brief rasch zu dir komme, so will ich meine Pflicht, in der ich zu lässig gewesen zu sein gestehe, nicht länger versäumen.

Was in England vorgeht, weiß ich nicht. Die neue Verwandtschaft mit dem Franzosen lässt mich nicht so viel Gutes ahnen, wie manche sich davon versprechen. Könnte der junge König nur ein wenig die Verfolgungswut seines Schwiegervaters dämpfen! Denn es sind wieder grausame Edikte veröffentlicht worden, in denen der bisher stets gültige Rechtszustand in Frankreich vernichtet wird, nur, um neue Wege zur Verfolgung der Frommen zu finden. Was bisher Giftmischern, Falschmünzern und Straßenräubern erlaubt war und noch erlaubt ist, nämlich das Appellationsrecht an die höchsten Gerichte, wird den Christen genommen und befohlen, dass die gewöhnlichen Richter sie ohne weitere Berufung gleich zum Scheiterhaufen schleppen können. Ihren Verwandten, die um ihr Leben zittern, ist verboten, Fürbitte für sie einzulegen, und wenn sie nicht als Begünstiger der Ketzer behandelt sein wollen. Damit dem Feuer der Zunder nicht fehle, wird den Denunzianten der dritte Teil des Vermögens der Verurteilten versprochen. Wenn die Richter zu milde scheinen, wird ihnen Strafe auferlegt. Es wird dafür gesorgt, dass der königliche Kanzler keine Leute an öffentliche Ämter bringe, die nur je von dem geringsten Verdacht getroffen waren, und dass fortan in den Gerichten nur erklärte Feinde Christi sitzen. Wer sich um ein öffentliches Amt bewirbt, muss Zeugnisse einer Menge Leute vorlegen, mit denen er sich als gehorsamer Sohn der römischen Kirche ausweist. Versucht dabei einer einen Betrug, so trifft die Strafe auch die, die ihn empfohlen haben. Ebenso wird den Städten Strafe angedroht, die Magistrate wählen, die nur im Geringsten der lutherischen Lehre verdächtig sind. Den höchsten Gerichtshöfen wird das Gebot auferlegt, wenn es von einem Parlamentsrat nur scheine, er begünstige unsere Lehre, so müsse er sich durch einen Eid von dem Verdacht reinigen. Jedermann wird angehalten, den Gott im Brot noch eifriger als bisher mit Kniebeugung zu verehren. Den Pfarrern wird geboten, die Artikel der Sorbonne jeden Sonntag der Gemeinde von der Kanzel aus vorzulesen; so soll die feierliche Verleugnung Christi überall ertönen. Die Güter aller derer, die zu uns auswandern, werden dem Fiskus zugesprochen, auch wenn sie vor der Auswanderung verkauft oder irgendwie sonst entäußert worden sind, falls nicht gerichtlich nachgewiesen ist, dass der Verkauf vor dem Beschluss zur Auswanderung erfolgt ist. Genf wird dabei zehnmal genannt, immer mit einer sehr schimpflichen Bezeichnung; aber es wird auch immer beigefügt: und alle andern Orte, in denen ein Abfall vom römischen Stuhl erfolgt ist.

Diese Verfolgungswut muss die schwersten Wirren hervorrufen, und schon sind auch überall die Scheiterhaufen aufgeflammt und alle Wege versperrt, die zu unserm Asylort führen. Wenn sich irgendein Weg zeigt, den armen Brüdern zu helfen, so darf man keine Mühe scheuen. Ich wäre schon, um Rat zu finden, zu Euch nach Zürich gereist, wüsste ich nicht, dass Euren Bitten gegenwärtig der Zugang [zum französischen Hof] gesperrt ist. Trotzdem beschwöre ich dich, um Christi willen, überlege dir jede Möglichkeit sorgfältig. Bei denen [in Bern] aber, die selbst in ihrer eigenen Gefahr müßig bleiben, sehe ich keine Hoffnung auf Hilfe. Wie ungeheuerlich ist das doch! Man wetzt das Schwert, uns zu ermorden, und wir unterlassen es, uns als Brüder untereinander zu beraten. Übrigens müssen uns diese Tatsachen lehren, unsern Blick gen Himmel zu wenden. Wie fürchte ich, dass wir bald für unsere Gefühllosigkeit härter gestraft werden, als wir wünschen!

Aber ich wundere mich nicht, dass sie im Zurückweisen feindlicher Angriffe so träg sind, da sie mitten unter sich windige Gesellen hegen, durch die Kirche zerspalten und zerrissen und dem Gespött der Feinde ausgesetzt wird. Ein gewisser Dominikaner, der unter bösen Vorzeichen sich aus dem Mönchsschmutz erhob, ist jetzt Diener am Wort in einem benachbarten Dorf. Der hat vor seinen Gemeinderäten erklärt, er habe mit mir und der Genfer Kirche einen Zwist, und das tat er, ohne irgendwie gereizt zu sein. Damit noch nicht zufrieden, brachte er noch ein Blatt voll geschrieben mit hässlichen Schimpfereien vor, in dem er mich mehr als zwanzigmal feindselig herunterreißt. Nach Untersuchung der Sache [in Bern] wurde er einfach nach Hause gesandt. Durch diese Straflosigkeit noch frecher geworden, beschimpft er mich nun nicht weniger leidenschaftlich, als irgendein Trabant vom Konzil zu Trient. Das ist nun die Gemeinschaft der Kirche, die wir täglich bekennen! Ich lasse anderes nicht weniger Schmähliches weg, das ich nicht ohne Trauer hinunterwürgen muss. Freilich nicht um meinetwillen bewegt es mich, sondern um des Gemeinwohls willen, weil ich sehe, dass eine so unordentliche und unchristliche Entzweiung nicht lang bestehen darf. Lebwohl, bester und vor allen hoch verehrter Bruder. Der Herr leite Euch stets, segne, was Ihr Frommes unternehmt, und behüte Euch in seinem Schutze.

Genf, 15. Oktober 1551.

Grüße Herrn Theodor, Herrn Pellikan, Herrn Gwalther und die übrigen Brüder angelegentlich von mir.

Dein
Johannes Calvin.

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