Calvin, Jean - An die Pfarrer von Neuchatel.

Nr. 124 (C. R. – 607)

Calvin, Jean - An die Pfarrer von Neuchatel.

Der in 121 angekündigte Brief. Die theologische Widerlegung Chaponneaus ist weggelassen; nur Einleitung und Schluss sind gegeben, da sie die Kampfart besonders charakterisieren. Chaponneau war Doktor der Sorbonne in Paris.

Anklage gegen Chaponneau.

Chaponneau schrieb mir kürzlich, er wundere sich, dass, als er mir einige an mein Buch [Institutio religionis Christianae] anschließende Bemerkungen machte, ich es vorzog in ein paar Worten zu entgegnen, als über jeden Punkt in längerer Rede zu streiten. Er fügte bei, es scheine ihm, ich hätte aus Missachtung seiner Person so gehandelt. Daran merke ich, dass er doch einmal vernünftig war. Freilich, ihn persönlich habe ich sicher nie verachtet, schon aus dem einen Grunde nicht, weil er den Dienst am Wort verwaltet. Doch da mich seine Dummheiten verdrossen, was hatte es da für einen Zweck, mir Mühe zu geben, sie zu behandeln? Jetzt aber, da ich sehe, dass er so undankbar ist [für diese Schonung], reut es mich sogar, auch nur eine Stunde verloren zu haben auf seinen Wunsch. Übrigens droht er, er werde dafür sorgen, dass die Kandidaten der Theologie, die durch meine Lehre geködert seien, nicht länger betrogen würden. Ob er nun in verkehrtem Streben nach elegantem Ausdruck oder aus Mangel an einem originelleren und passenderen Wort so redet, weiß ich nicht. Ists Dummheit, so will ich es gern auf sich beruhen lassen. Nennt er aber absichtlich meine Schriften Betrügereien, so könnt Ihr schon daran die giftige Geistesart dieses Menschen erkennen. Dass ihm vieles in meinen Schriften missfällt, wundert mich nicht, noch ärgert es mich. Ich habe nie nach Billigung von Leuten seinesgleichen gestrebt, und weder war das mein Ziel von Anfang an, noch kann ich es mir jetzt wünschen. Wenn ich ein Knecht Christi bin, wird mir das Zeugnis meines Gewissens allein stets mehr wert sein als der Beifall der ganzen Welt. Übrigens, auch wenn ich auf Menschenurteil sähe, müsste es mir mehr als genug sein, dass allen guten, frommen Leuten meine Arbeiten angenehm sind, und dass alle gelehrten und klugen Männer sie als nützlich und fruchtbringend für die Kirche beurteilen.

Ich will nicht weiter davon reden, damit ich keinem zu ruhmredig scheine. Was brauche ich mich also vor dem Abschaum der Sorbonneherde zu fürchten? Muss es mir nicht eher ein Vergnügen sein, dass solche Leute meine Gegner sind, deren Urteil und deren Bosheit ich für nichts achte, wie es sich auch gehört. Hätte ich doch mit einem ernsten, Maß haltenden Manne zu tun, oder doch mit einem, dessen Hirn in Ordnung ist und der auf guten Rat hört! Dann wäre die Sache schon unter uns beigelegt, und ich müsste Euch nicht lästig fallen. Aber was soll ich tun? Ich mag mit Vernunftgründen ihn angreifen, wie ich will, es ist verlorene Mühe. Das ist der Grund, weshalb ich es unterlasse, an ihn zu schreiben, da ich es lieber habe, er prahle über mein Stillschweigen, als dass ich seiner Zudringlichkeit nachgeben und mit ihm den Narren machen muss. Damit er nicht vorschütze, man habe ihm nichts sagen können, zeige ich ihn rechtzeitig an, damit er seine Dummheit nicht immer mehr verrät. Wäre ich nicht besorgt um seine Ehre, nie hätte ich dazu geraten. Griffe mich ein Papist in so abgeschmackter Weise an, ich wollte ihn reizen und herauslocken zum offenen Kampf. Denn was wäre wünschenswerter, als dass sich die Feinde der Frömmigkeit dem allgemeinen Spott aussetzten? Freilich, einer Antwort würde ich ihn auch nicht würdigen. Es wäre ja auch nicht nötig. Denn auch das ist mir nicht verborgen, wie sehr sich nun dieser Euer Chaponneau schmeichelt, besonders seit er eine so berühmte Probe seines Genies abgelegt hat. Ich glaube, ihn zu sehen, wie er mit der Zunge die Mundwinkel leckt bis zu den Backen, sich die Schultern reibt, den Kopf zurückwirft, Maul und Augen verdreht, seinen langen Hals herausstreckt und schließlich in der ganzen prahlerischen Haltung frohlockt, die er gewöhnlich zur Schau trägt, wenn er für sich einen Triumph über nichts feiert. Wie schon gesagt, ich enthalte mich, ihm zu antworten, weil ich glaube, es würde bei einem Menschen der Art doch nichts nützen.

Hält er nun beides für schimpflich, dass ich ihn übergehe und dass ich nicht gerade ehrerbietig über ihn zu Euch rede, so mag er das nehmen, wie er will; nur hat er kein Recht zu klagen, ich habe etwas nicht nach Pflicht und Billigkeit getan. Er muss mir sicher erlauben, in der Sache nicht seinen Gelüsten zu Gefallen zu sein. Es ist nicht meine Art, frech mit Schimpfwörtern zu kämpfen. Dazu aber will er mich verlocken. Aber man könnte einwenden, er habe doch nur in der Absicht geschrieben, dass wir in aller Sanftmut hin und her in Privatbriefen plänkeln sollen. Was er zu wünschen vorgibt, dabei will ich mich gar nicht aufhalten. Erwägt die Tatsachen mit mir ein wenig und urteilt danach, in welchem Sinn er mich reizte. Zuerst wirft er mir Unwissenheit, Phantasterei, Blindheit vor; dann sagt er, zuweilen rede ich so dumm, als ob mir nie eine Studierlampe geschienen hätte; ich weiche auch von der Weisheit so schmählich ab, dass seines Erachtens noch niemand so weit abgewichen sei. Nicht zufrieden mit solch frecher Schimpferei geht noch weiter. Denn nicht nur sagt er, ich spiele mit schwindelhaften Kunstgriffen, sondern er fügt noch bei, ich mache es wie die bösen Juristen, die, um eine schlimme Sache zu verteidigen, wider ihr Gewissen die Gesetze zu falscher Auslegung verdrehen. Schließlich nennt er mich sogar ein schlaues Füchslein. Ich will nicht davon reden, dass er mich an einen Kurort für Geistesschwache schicken will und mich mit tausend Schmähungen der Art herunterreißt. Das sind so die Späße, mit denen er mir sozusagen als Freund scherzt. Ich aber bin nicht an so gemeine Frechheit gewöhnt, und kann mich meiner Natur nach nicht dran gewöhnen. Mein Geist widerstrebt dem, und es ist meinem ganzen Wesen zu fremdartig. Nun könnte man wieder sagen, er habe doch seine Schrift sorgfältig und wohl verschlossen mir zugesandt, um meinem guten Ruf bei andern Leuten nicht zu schaden. Wie wenn er nicht schon überall seit drei Jahren geprahlt hätte, dass er damit beschäftigt sei, die Schrift zurechtzuschneidern; wie wenn er sie nicht schon oft seinen Kumpanen vorgelesen hätte; wie wenn er nicht in seiner Schlechtigkeit soweit gegangen wäre, selbst einigen frommen, gelehrten Leuten etwas draus vorzulesen. Wenn er wollte, dass es allen und überall bekannt werde, so kann er sich nicht beklagen, dass es durch mich auch Euch bekannt wird.

Jetzt will ich über die Schrift selbst kurz sagen, was ich darauf zu entgegnen habe. Wahrhaftig, Chaponneau tut mir eigentlich herzlich leid, wenn ich denke, wie sehr er sich an einem so unglücklichen und verkehrten Machwerk abgemüht hat. Denn da er nur allzu sehr nach eleganter, glänzender Sprache strebt, und zuweilen auch keinen rechten Grund zur Hand hat, scharrte er von hier und da an Redensarten zusammen, was er konnte, trug auf einen Haufen, was er je in seinem Leben gelesen hatte, das ihm wohlklingender schien. So hat er lang und viel darüber geschwitzt, seine Sprache durch unnatürliche Geziertheit mehr zu verhunzen als zu verschönern. Doch schimmern zuweilen unter dem Löwenfell die weißen Eselsöhrchen vor. Doch will ich auch das bei Seite lassen und zum Inhalt kommen. - - -

Ich führe das an, um den Angriff des wütend gewordenen Bullen etwas aufzuhalten, der gleich schreit, es seine arianische oder sabellianische Ketzereien, wenn man ihn mit einem Wörtlein ärgert. - -

Ich komme zurück auf den entsetzlichen Vorwurf gottloser Ketzerei, den er mir und Euch zugleich macht. Habt Ihr nicht Mut genug, solchen Übermut zu bändigen, so werde ich zwar Eure allzu große Geduld missbilligen, aber meine und der Kirche Sache dem Herrn empfehlen und mich ruhig und still verhalten. Wenn Ihr aber drangeht, mutig Eure Kirche von diesem Schmutzflecken zu reinigen, so zweifle ich nicht daran, dass der Herr seiner so frommen Tat den Erfolg geben wird, den alle Guten wünschen müssen. Ich glaube, meine Pflicht getan zu haben dadurch, dass ich meine Klage vor Euch brachte. Es bleibt nun nur noch übrig, dass auch Ihr Euch auf Eure Pflicht besinnt, damit nicht durch Euer Versäumnis (um ein stärkeres Wort zu brauchen) ein nur zu schädliches und verderbliches Übel noch höher anschwelle und sich ausbreite. Lebt wohl, liebste und mir stets im Herrn verehrte Brüder. Ich bitten den Herrn, er möge mit Euch sein und Euch ausrüsten mit dem Geist und der Klugheit, der Stärke, des Eifers und der Standhaftigkeit zu seines Reiches Erbauung.

21. Januar 1545.

Euer
Johannes Calvin.

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