Burger, C. H. A. - Dreiundzwanzigste Predigt. - Am fünfundzwanzigsten Sonntag p. Trin. 1855.

Burger, C. H. A. - Dreiundzwanzigste Predigt. - Am fünfundzwanzigsten Sonntag p. Trin. 1855.

Text: 1. Thess. 4, 13-18
Wir wollen euch aber, lieben Brüder, nicht verhalten von denen, die da schlafen, auf daß ihr nicht traurig seid, wie die andern, die keine Hoffnung haben. Denn so wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird Gott auch, die da entschlafen sind durch Jesum, mit ihm führen. Denn das sagen wir euch als ein Wort des Herrn, daß wir, die wir leben und überbleiben in der Zukunft des Herrn, werden denen nicht vorkommen, die da schlafen. Denn Er selbst, der Herr, wird mit einem Feldgeschrei und Stimme des Erzengels, und mit der Posaune Gottes hernieder kommen vom Himmel, und die Todten in Christo werden auferstehen zuerst. Darnach wir, die wir leben und überbleiben, werden zugleich mit denselbigen hingerückt werden in den Wolken, dem Herrn entgegen in der Luft, und werden also bei dem Herrn sein allezeit. So tröstet euch nun mit diesen Worten unter einander.

Ein Trostwort will uns der Apostel in dem vorgelesenen Texte geben; freilich in seinem nächsten Sinne und Zusammenhange ein Trostwort von besonderer Art und Beziehung, wie wir es, fürchte ich sehr lebhaft, so nicht mehr bedürfen. Daß unsre Reihen durch den Tod gelichtet werden von Jahr zu Jahr, das wissen wir, und den Schmerz, den jeder solche Riß bereitet, haben viele unter uns erfahren; ganz ist er so leicht keinem unbekannt geblieben, der auch nur mäßig lang gelebt hat. Aber wer dabei zu beklagen sei, die Sterbenden oder die Ueberlebenden, darüber schwankt das Urtheil oder wenigstens die Aeußerungen, und ein christliches Gemüth ist immer mehr geneigt, die Todten als die Lebenden für den glücklicheren Theil zu preisen. Anders die Leser, für die der Apostel schreibt in unserm Texte. Sie hatten eine Hoffnung, welche ihnen das Leben trotz aller Last und Angst, die es in reichem Maße für sie mit sich führte, doch als ein unschätzbares Gut erscheinen ließ; sie hofften ihren Herrn im Fleische noch zu sehen in Seiner Herrlichkeit, und trauerten um die Entschlafenen, daß sie das nicht mehr erleben sollten. Darüber tröstet der Apostel sie in unserem Texte. Nun dieser Grund der Trauer ist uns fremd geworden, wenn man auch nicht loben kann, daß es vielfach geschehen ist auf Kosten unsrer Christenhoffnung. Aber sonst sind noch Schmerzen uns genug geblieben, die uns des Trostes bedürftig, wollte Gott! auch immer dafür recht empfänglich machen könnten, und darum darf ich unserem Text eine weitere Beziehung geben, als die er hat in seinem nächsten Sinne, und darf im Allgemeinen reden

von dem Troste des Christen bei der zeitlichen Trennung von seinen Liebsten durch den Tod.

Diesen Trost lehrt uns der Apostel finden in drei Stücken; denn

  1. kennt der Christ ein Band der Liebe, welches der Tod nicht zerreißt;
  2. hat er eine Bürgschaft des Lebens für sich und die im Herrn ihm Verbundenen, die in der Traurigkeit ihn nicht versinken läßt;
  3. hat er eine Aussicht vor sich, welche die kühnsten Wünsche seines Herzens übersteigt.

Das Alles wollest Du uns, Herr, erkennen und zu Herzen nehmen lassen, daß es in uns ein Licht und Quell der Freude werde. Der Du den Schmerz schickst, gib ihm mit den Segen, den er für Deine Kinder bringen soll; und nimmt die Erde zurück, was von ihr ist, so laß uns unser besseres Theil in Deine Hände übergeben, daß es bewahret bleibe auf den Tag des Sieges und der Offenbarung Deiner Herrlichkeit, wo die Leidtragenden getröstet werden sollen. Amen.

1.

Es ist ein großer Trost, wenn uns der Tod von unsern Liebsten zeitlich trennt, daß wir wissen, es gibt ein Band der Liebe, über das er keine Macht hat. Wollten wir nur dies Liebesband auch besser in's Auge fassen und uns ernstlicher darum bemühen. Der Apostel grenzt schon im ersten Verse unsers Textes den Kreis ab, den er trösten will. Wenn er sagt: „Ich will euch, lieben Brüder, nicht verhalten von denen, die da schlafen, daß ihr nicht traurig seid, wie die andern, welche keine Hoffnung haben,“ - so fühlet jeder, der das liest, daß der Apostel sich in die Mitte des treuen Häufleins versetzt hat, dem die Liebe Christi theurer ist denn. Alles, das sich geschart hat um die Hoffnung zu Ihm und um das Bekenntniß Seines Namens, und durch diese Hoffnung, dieß Bekenntniß, trotz aller sonstigen Beziehungen des äußern Lebens, welche dadurch nicht bestimmt sind, doch innerlich aufs tiefste und wesentlich sich unterscheidet von „den andern,“ welche nicht zu diesem Kreise gehören, weil sie selbst nicht wollen. Es schaffet der gemeinsame Glaube auch ein gemeinsames Band der Liebe für die Christen; innerhalb desselben hat jede engere Beziehung Raum; jede wird durch das gleiche Glaubensband geheiligt und getragen und befestigt; es macht auch keineswegs engherzig und abschließend, sondern gibt die Kraft nach allen Seiten Liebe zu erweisen; je inniger das Glaubensband ist, je fester der Zusammenschluß auf Grund desselben, in dem Maße wächst auch die Kraft und Wirksamkeit nach außen und verbreitet ihren Segen ferne und nahe. Aber ein Liebesband, dem dieser Grund der Einheit in dem Herrn abgeht, das ist gebrechlich, eitel und vergänglich in sich selber, und dafür weiß ich weiter keinen Trost, wenn es gelöst wird, als daß es ja nicht hat bestehen können seiner eigenen Natur nach. Und dennoch macht man häufig so viel Redens und Aufhebens von Verbindungen der Liebe, denen jener geheiligte Grund und Boden fehlt. Wenn bloß der Zug des Fleisches oder Reiz der Sinne, wenn der Vortheil, die Genußsucht, die Habsucht, die Bequemlichkeit, ja die Gewohnheit zwei Menschen an einander knüpft, daß sie sich vertragen und ruhig den Weg zusammen gehen, auf den sie gegenseitiges Bedürfniß weiset, so nennet man das alsbald Liebe; und wenn der Tod vorzeitig einkehrt und die Gemeinschaft trennt, in welcher man sich sicher und behaglich fühlte, so sollen wir mit Tröstungen beispringen, die den Schmerz besiegen, den das Vermissen weckt. Aber wie kann ich trösten ohne Wahrheit? und wie kann ich mit Wahrheit ein Band der Liebe höher schätzen als den Ursprung, den sie genommen, den Geist, der sie bestimmt und sie erfüllt hat? wenn der nun zeitlich und vergänglich war, was kann die Liebe mehr sein? Wahr ist, es sind von Gott gewollte Bande, durch welche Gatten an einander, die Eltern mit den Kindern, Geschwister, Freunde unter sich verbunden werden; Seine Ordnungen vollziehen sich in dem Allen. Aber ob diese Ordnungen noch eine weitere Kraft und Dauer üben als für die Verhältnisse, für welche sie gegründet sind; ob etwas aus ihnen übrig bleibt, das über die Grenzen dieser Welt und Zeitlichkeit, für welche sie zunächst bestimmt sind, noch hinaufreicht: das hängt fürwahr ab von dem geistigen Gehalt, mit dem wir sie erfüllen; und wo nicht eine Kraft der Ewigkeit in diesen zeitlichen Formen wirksam wird und sie zur Vorbereitung auf eine andre, höhere Weise des Seins und Wirkens heiligt: so, wie sie an sich selbst sind, werden sie uns nicht begleiten bis jenseits dieser irdischen Erscheinungswelt. Wen wir daher nicht trösten können mit der Frucht des Glaubens, wo das sichtbare Liebesband getrennt wird: was sollen wir ihm denn zum Troste sagen, als etwa: Warte nur, es wird dein Leid sich bald von selbst verlieren! Denn jedes Wort mehr wäre doch nur ein Gedicht und nichtiges Gerede. -

Aber, Geliebte in dem Herrn, lasset doch das zur Ermunterung uns dienen, daß wir für unsre Liebe den Gehalt gewinnen, welcher allein sie siegreich machen kann auch über Tod und Grab. Es ist kein andrer, als die Liebe zu Dem, welcher uns zuerst geliebt hat, der bis an's Ende liebt die Seinen, dessen Liebe auch die Ewigkeit erfüllt. In ihr muß unsre Liebe zu einander Wurzeln schlagen, und wenn sie das thut, so vermag sie auch kein Tod zu tödten. Sie streitet jetzt schon manchen Kampf, den sie sieghaft beendet, und in dem letzten mit dem Schmerz der Trennung wird sich der Herr nicht unbezeugt an ihr lassen. Denn der Feind aller Liebe ist ja nicht der Tod; er heißt ganz anders. Wenn wir nicht der Eigensucht so unterworfen wären, der alles Entbehren bitter ist um deß willen, was wir dabei verlieren und vermissen; wenn wir in rechter Hingebung herzlichen Eingehens auf den andern sein Glück und seine Freude höher als die eigne schätzten, und nach dem Sinn des Herrn das Wort verstünden und es übten in aller Weise, im eignen Hause und draußen, an den Gatten, Kindern, Freunden, Hausgenossen wie an denen, die sonst uns auf dem Wege des Berufes zugewiesen werden, daß Geben seliger denn Nehmen ist, weil wir in unsers Gottes Liebe einen Reichthum haben, den nichts ausschöpft: dann würden wir auch eine Kraft der Liebe in uns tragen, die leichter mit dem Trennungsschmerz den Kampf bestehen kann. So aber müssen wir zu unsrer Züchtigung es oft erleben, daß eben die Trennung, welche wir beklagen, erst unsrer Liebe aufhilft und sie heiligt und erhebt; daß sie erst um so reiner uns ersteht, wenn der Genuß derselben mit seiner mancherlei Versündigung vorbei ist. Dann aber trägt die Trennung ihren Trost bei sich. Dann zeigt sie uns aufs klarste, daß die Liebe selber durch den Tod nicht ausgelöscht ist, und alle Seligkeit, die in dem Lieben für sich selbst liegt, die bleibt uns und soll uns immer reichlicher und schöner werden. Aber das kann sie nur, wenn sie geläutert ist von den Befleckungen des Fleisches und des bloßen zeitlichen Begehrens, und daß sie das vermöge, muß sie in dem Herrn wurzeln, der unsers Glaubens Mittelpunkt und das Ziel unsrer Hoffnung ist. So gilt denn unser Trost den Christen, die der Tod betrübt hat. Sie sollen nicht trauern als die keine Hoffnung haben; denn was die Christen mit einander einigt, das besteht und bleibet; ihr Liebesband zerreißt kein Tod. Was er verzehren kann, das ist in sich vergänglich und des Behaltens nicht fähig, weil nicht werth. Was aber Christus in uns pflanzt und nährt und heiligt, das hat auch Kraft genug, und kann die schmale Kluft des Todes überspringen. Die in dem Herrn Entschlafenen und die noch leben in dem Herrn auf Erden sind nicht geschieden, sondern sind die Glieder Eines Bundes und Einer heiligen Gemeinde Gottes, die gen Zion pilgert, in's himmlische Jerusalem, das droben ist. Die Einen sind schon eingegangen zu den Thoren der Stadt Gottes, die andern wallen noch dahin von ferne; aber ihre Liebe ist so dauernd, als ihre Hoffnung und ihre Zuversicht gewiß ist. Sie tauscht das zeitliche Gewand mit einem schönem Ehrenkleide; aber sie selber höret nimmer auf, und das ist unser erster Trost, wenn uns der Tod auf Zeit von unsern Liebsten scheidet.

2.

Aber für diese Zuversicht bedürfen wir auch eine Bürgschaft. Was wir von einer Kraft ewiger Liebe sagen, ist nur ein Traum, wenn ihr nicht eine gleiche Kraft des Lebens zu Grunde liegt. Wie kann ich lieben, was nicht lebt? und wenn der Tod das Ende des Lebens ist, begräbt er nicht auch unsre Liebe? müssen wir nicht trostlos stehen an ihrem Grabe? Es wäre so, wenn die Voraussetzung als richtig sich erwiese; es ist so bei denen, „welche keine Hoffnung haben,“ wie der Apostel sagt in unserm Texte. Wir aber haben in Christo eine Bürgschaft des Lebens für uns und für alle, welche in Ihm mit uns Eins sind, die uns nicht in der Traurigkeit versinken läßt. „Denn so wir glauben,“ schreibt unser Text, „daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird Gott auch, die da entschlafen sind durch Jesum, mit Ihm führen.“ Es begegnet dem Christen nichts Neues mehr; Alles kann er an seinem Herrn schon im Vorbilde sehen. Sein Leben hat zuerst die Probe bestanden, ob der Tod es auch bezwingen könne; Sein Sieg und Seine Auferstehung verbürgt uns den gleichen Sieg. Er hat im Kampf und in der Mühe Seiner irdischen Wallfahrt Grund gelegt zu dem ewigen Triumphe, den Er mit uns theilet. Der Weg der Nachfolge geht für uns billig auch durch Kampf und Mühe; aber erworben ist der Sieg bereits für uns, und in den Schmerzen unsrer Pilgrimschaft soll nur das Gold des Glaubens und des Lebens aus dem Glauben, das der Herr in uns gelegt hat, geschieden werden von den Schlacken, die noch daran hängen. Aber diese Scheidung erstrecket ihre sichtende Gewalt auf Alles, worin nur irgend etwas Gutes steckt, das des Behaltens werth ist; es muß Alles durch's Feuer der Trübsal gehen, damit es zuletzt geläutert und bewährt erfunden werden könne. Was uns am tiefsten beugt, das schließt gerade in sich die Kraft uns auch am höchsten zu erheben. Vom Kreuz des Herrn, da Seine Schmach und Kampfesnoth nicht höher steigen konnte, war nur ein Schritt zu Seiner Auferstehung, und die Stufen des Leidens, die Ihn immer weiter abwärts führten, verwandeln sich im Lichte der Erfüllung in eben so viel Schritte zur Erhöhung, deren jeder das Ziel gewisser, näher brachte, bis der Tag der Herrlichkeit erschien, und alle Nebel der Umhüllung, die Seinen Lauf verdunkelt hatten, ewiglich zerstreute. Wenn aber der Meister diesen Weg ging, was darf dann der Jünger dazu sagen? Was darf er vollends sagen, wenn er seine eigene natürliche Gestalt betrachtet, und erwäget, wie alles Leid und alle Noth an uns noch einen gar viel andern Dienst zu leisten hat als den der Herr bedurfte? Das wollen wir dem Herrn danken auf den Knieen alle Tage und es nimmermehr vergessen, damit Sein Lob nicht einen Augenblick bei uns verstummen dürfe, daß Er uns arme sündige Gefäße angenommen und geliebt und mit einem Angebinde, einer Gabe Seines Lebens jetzt bereits erfüllt hat. Dieß heilige Geschenk und diese unschätzbare Gabe laßt uns pflegen und anbauen und bewahren und darüber wachen, daß sie nimmer Schaden nehme. Wenn aber dem Fleische weh geschieht und unter unsern Augen, unsern Händen uns vergehet und uns entzogen wird, was so, wie wir es hatten, ja nicht ewig dauern konnte: so gebe Gott, daß wir mit dem Apostel unter dem Gefühl des Leides darüber dennoch sagen können: „Darum werden wir nicht müde; sondern ob unser äußerlicher Mensch verweset, so wird doch der innerliche von Tag zu Tag verneuert“ (2. Cor. 4, 16). Dann geht auch unsrer Liebe nichts verloren. Die Kraft, aus der sie ihre Nahrung zog, ist unvergänglich; was zeitlich, irdisch daran war, das mußte verfliegen früher oder später; was in dem Herrn gegründet ist, das sieget mit Ihm durch Kraft Seines Lebens. Aber unsre Aufgabe ist, daß wir das nicht vergessen; unsre Pflicht, uns auch in diesem Stücke nicht gleich zu stellen dieser Welt, sondern durch unsre Trauer allezeit die Macht der Hoffnung durchleuchten zu lassen, die im Voraus schon gewiß weiß, daß nur der Schmerz vergänglich ist, das Leben und die Liebe aber, welche Grund in Gott hat, ewig währet. Was soll sonst das Wort des Apostels heißen: „Unser Wandel ist im Himmel“ (Phil. 3, 20), das wir so oft gelesen haben und zuweilen auch im Munde führen? Jetzt wandeln wir ja noch auf Erden; wie kann im Himmel unser Wandel sein? Er ist es in so ferne, als wir wissen, daß unser Bürgerrecht und unsre Hausgenossenschaft und unsre Heimath, da wir bleiben werden, nicht hier ist, sondern dort, und als wir darum auch in unserer Fremdlingschaft nicht den Charakter als Bürger eines bessern Vaterlandes verleugnen, sondern uns gegenwärtig halten und vor aller Welt es frei bekennen, daß unser Herz und unsre Liebe ein höheres Ziel und eine bessere Bestimmung hat, als uns hier eine Zeit lang zu vergnügen; daß wir mit allen Fäden unsrer Zuversicht und Sehnsucht uns strecken nach dem Vaterland, in das wir jetzt schon eingebürgert sind durch unsern göttlichen Beruf und unsern Glauben. Dann aber kann der Schmerz uns zwar verwunden, doch nicht übermögen. Die Kraft ewigen Lebens, die in Christo uns aufgegangen und geschenkt ist, bricht schon jetzt hindurch. Was von der Zeit verzehret werden kann, verfällt ihr auch mit Recht; wir machen es nicht streitig. Aber wie unser Haupt der Sünde gestorben ist zu Einem Male, das Er aber lebet, das lebet Er Gott, und wird hinfort in Ewigkeit nicht sterben (Röm. 6, 9. 10): so geben wir dem Tode willig preis, worüber er noch Macht hat; aber was in Christo unser worden ist und was geheiligt ist durch Seine Gemeinschaft und durch Seinen Segen, das bleibt uns sicher. Damit trösten wir uns auch, wenn uns der Tod das Liebste von der Seite reißt. Hat ein Band zwischen uns und ihm bestanden, welches Theil hat an dem ewigen Leben, das durch Gottes Gnade uns geschenkt ist, so kann es nicht vergehen, so wenig als dies Leben, und die Auferstehung Christi gibt unsrer Zuversicht die Bürgschaft, deren sie bedarf. Denn was aus Gott geboren ist, das ist der Macht des Todes schon von vorn herein entnommen. Aus Gott geboren aber ist das Leben jedes Christen, wenn er ein Recht dazu hat, daß er diesen Namen führe.

3.

Was aber der Apostel schließlich noch bezeugt in unserm Texte, das öffnet für uns eine Aussicht, welche auch die kühnsten Wünsche unsers Herzens übersteigt. Sein nächster Zweck ist, daß er seine Leser beruhige, wenn sie aus ihrer Gemeinde Glied um Glied hinsterben sahen und sich dachten: sollen diese alle den hohen Tag der Wiederkunft des Herrn nicht mit uns theilen? Er tröstet sie, indem er ihnen zeigt, daß sie gewiß nicht werden ausgeschlossen sein von jener Freude. Im Gegentheil, „die Todten in Christo werden auferstehen zuerst,“ und darnach werden die Ueberlebenden „zugleich mit denselbigen hingerückt werden in den Wolken dem Herrn entgegen in der Luft, und werden also bei dem Herrn sein allezeit.“ Er spricht dieselbe Verheißung aus im 1. Brief an die Corinther, wo er schreibt (15,51-53): „Siehe ich sage euch ein Geheimniß. Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, und dasselbige plötzlich, in Einem Augenblick, zu der Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune schallen, und die Todten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dies Verwesliche muß anziehen das Unverwesliche, und dies Sterbliche muß anziehen die Unsterblichkeit.“ Dann wird, was wir jetzt hoffen, uns zum Schauen und zu bleibendem Besitz gegeben werden, und was uns jetzt mit Schmerz der Sehnsucht füllt, in neuem Licht und ewiger Verklärung uns neu geschenkt entgegen kommen, daß wir nimmer es verlieren können. Die Erschütterungen der Ueberraschung und des Schreckens, welche jenen Tag bezeichnen werden, gelten nicht uns, den Gläubigen; uns bringt der Tag nur, was wir lange schon im Geist ersehnen, und worauf die Hoffnung uns vertröstet hat in mancher schweren Stunde. Das Zittern und der Schrecken, in dem auch unsre Natur erbeben mag, ist nur ein Zittern wie jener heiligen Frauen bei der Siegesbotschaft: Euer Herr ist auferstanden! Aber schnell weicht der Schrecken hoher seliger Freude; „denn das Erste ist vergangen“ (Offenb. Joh. 21,4), und was dann kommt, um nimmer aufzuhören, das ist das bleibende Daheimsein bei dem Herrn. Dann werden alle in dem Herrn geheiligten Beziehungen, die wir auf Erden knüpften, in verklärter Kraft und Schöne uns erquicken. Das zeitliche Gewand ist davon abgestreift. Die Kinder der Auferstehung werden nicht mehr freien noch sich freien lassen; im irdischen Sinne gibt es bei ihnen keine Väter und Mütter, keine Söhne und Töchter mehr; auch die Baude der Freundschaft und Genossenschaft liebenden Umgangs werden droben anders sich gestalten, wenn wir mit allen Engeln und Auserwählten selige Gemeinschaft haben. Aber nur die Ausschließliche, nur jene Art und Enge der Beziehungen hört auf, die durch die irdischen Verhältnisse bedingt ist. Gerade weil die Liebe um so reifer, heiliger und reiner sein wird, wird sie auch ihre Kreise weiter ziehen können, ohne irgendwie sich selber zu verlieren oder ihre Innigkeit zu schwächen. Denn der Herr, welcher ja die Seinen alle mit gleicher Liebe deckt und mit Seiner Liebeskraft die Welt umspannt, Er wird mit aufgedecktem Angesichte dann von uns geschauet werden in aller Seiner Herrlichkeit, und wird uns selbst verklären in Sein Bild von einer Klarheit zu der andern (2. Cor. 3,18). Wer fasset diese Seligkeit! wer kann mit menschlicher Zunge davon sagen! Gerade wer auf Erden wirklich je geliebt hat, der fasset und beklagt, wie viele und mannigfache Störungen sich überall noch in die Mitte legen, welche aus dem Fleische stammen. Wer kann je sagen, daß er immer recht geliebt hat, wie man lieben sollte, in irgend einem menschlichen Verhältniß, und daß er diese Treue auch zu jeder Zeit genossen und den andern hat genießen lassen? Warum ist nie ein Liebesband hienieden noch zerrissen worden, ohne daß sich in den Schmerz darüber vielfache Reue mischt, die uns zu spät zeigt, wie wir uns selbst verkümmert haben, was wir so viel reiner hätten brauchen, dankbarer hinnehmen, fruchtbarer, mit mehr Segen besitzen können? Klebt die Gebrechlichkeit des Fleisches in mehr als einem Sinn des Wortes nicht Allem an, dem Besten, was hienieden uns geschenkt wird? Mischt nicht die Sünde in Alles hier ihr Gift? Ist auch nur Ein Verhältniß davon ausgenommen? Dort aber hat die Sünde keine Stätte mehr; sie ist begraben mit dem Leib des Todes; sie wird zurückgelassen, wenn der Herr uns das Gewand der Sterblichkeit abstreift und uns mit Kraft der Ewigkeit umgürtet. Dann bricht das Halleluja aus, das nicht mehr aufhört. Dann jauchzen die Gefangnen Zions in der Wonne ewiger Erlösung. Die Thränensaat hat reiche Frucht getragen; die Schmerzen dieser Zeit sind an uns nicht umsonst gewesen; wir haben nichts durch sie verloren, sondern viel gewonnen. Sie haben nur das Fleisch uns müssen tödten helfen, damit das Leben aus dem Geiste seine Schwingen kräftiger entfalten könne, und wenn der Tag kommt, da der Herr spricht: „Siehe, Ich mache Alles neu!“ (Offenb. Joh. 21,5), dann wird mit unserem Leben unsre Liebe neu erblühen, und aus dem Staube der Vergänglichkeit zu steter Kraft und Frische aufstehen.

„So tröstet euch mit diesen Worten,“ meine Lieben! laßt eure Trauer durch sie heiligen, die ihr betrübt seid; schaffet, daß ihr unvergängliches Gold des Glaubens in eure zeitlichen Beziehungen verwebt und ihnen dadurch ewigen Gehalt verleihet. Wir stehen heute am Schluß eines Kirchenjahres. Es liegt mit seinen Sorgen, seinen Uebungen und seinen Schmerzen bald völlig hinter uns. Was haben wir davon behalten, das uns bleibet? Laßt uns die Zeit nicht überschätzen, aber noch viel weniger sie zu geringe achten. Sie ist dem Christen hienieden das Gefäß der Ewigkeit, die Hülle unvergänglichen Besitzes und gewisser Güter. Die Hülle wird zerfallen und die Zeit verschwinden; das was darin gesäet ist, Gutes oder Böses, das wird bleiben. So schaffet, daß bei euch viel Gutes bleibe, und daß der Herr einst alle Thränen auch von euern Augen abwischen könne, weil Er euch zeigen kann, wie der Schmerz euch wohlgethan hat, und wie Er auch eure Liebe nur geläutert hat, indem Er euch versucht hat durch das Leid der Trennung. Dem aber, in dem alle unsre Hoffnung wurzelt, dem Herrn, der uns die Wohnungen in Seines Vaters Hause zubereitet, Ihm schalle unser Loblied früh und spät, und alle unsre Pilgerlieder müssen Seinem Namen Preis und Ehre geben, bis uns Sein leuchtend Angesicht mit Wonne ewigen Entzückens füllet. Amen.

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