Bunyan, John - Die überschwängliche Gnade - III. Kapitel. Seine Bekehrung und die eigenthümlichen Versuchungen, die darauf folgten.

Bunyan, John - Die überschwängliche Gnade - III. Kapitel. Seine Bekehrung und die eigenthümlichen Versuchungen, die darauf folgten.

1648-1650.

Eines Tags führte mich die gute Vorsehung Gottes in meinem Berufe nach Bedford, und in einer der Straßen dieser Stadt sah ich drei oder vier arme Frauen vor der Thür in der Sonne sitzen, welche von göttlichen Dingen sprachen. Da ich jetzt für eine solche Unterhaltung Sinn hatte, machte ich mich herbei, um zuzuhören, denn ich war jetzt selbst ein schneller Schwätzer von religiösen Dingen. Aber sie standen weit über mir. Ihre Unterhaltung war über die neue Geburt, das Werk Gottes in ihren Herzen, und wie sie von ihrem natürlichen Elend überzeugt worden waren. Sie sagten, wie Gott mit Seiner Liebe im Herrn Jesu ihre Seelen besucht hätte, und mit was für Worten und Verheißungen sie erfrischt, getröstet und gegen die Versuchungen des Teufels gestärkt worden wären. Noch mehr. Sie handelten besonders von den Eingebungen und Versuchungen des Teufels, und sagten einander, womit er sie gequält und wie sie unter seinen Anläufen erhalten geblieben. Sie sprachen auch von der Bosheit ihres Herzens, und von ihrem Unglauben, und verurtheilten, verachteten und verschmähten ihre eigene Gerechtigkeit als schmutzig und gänzlich unzulänglich.

Mir schien auch, sie sprächen in so schönen biblischen Aussprüchen und mit solchem Ansehen von Gnade in Allem, was sie sagten, daß sie mir vorkamen, als ob sie eine neue Welt entdeckt hätten, „und ein Volk wären, das besonders wohnte, und nicht unter die Heiden gerechnet wäre.“ 4. Mose 23,9.

Hierüber kam mein Herz in Unruhe und Mißtrauen über meinen eigenen Zustand; denn ich sah, daß bei allen meinen Gedanken über Frömmigkeit und Erlösung, mir doch die Wiedergeburt nie eingefallen war; noch wußte ich etwas von dem Troste des Wortes und der Verheißung, noch von der Hinterlist und Betrüglichkeit meines eigenen Herzens. Was die geheimen Gedanken anging, die hatte ich nicht beachtet, noch verstand ich, was Versuchungen des Teufels seien, und wie man ihnen widerstehe.

Darum, nachdem ich ihre Unterredungen gehört und betrachtet hatte, ging ich wieder an mein Geschäft, aber mein Herz blieb bei ihnen; denn ich war sehr ergriffen von ihren Worten, weil ich dadurch erkannte, daß mir die echten Kennzeichen eines wahrhaft frommen Menschen fehlten, und weil ich zu gleicher Zeit von dem glücklichen und gesegneten Zustande eines solchen überzeugt worden war.

Darum machte ich es mir öfter zum Geschäft, diese armen Leute wieder und wieder zu besuchen, denn ich konnte nicht wegbleiben; und je mehr ich ging, desto bedenklicher wurde mir mein eigener Zustand. Ich entdeckte bald, wie ich mich noch erinnere, zwei Dinge in mir, über die ich mich manchmal wunderte, besonders, weil ich gerade zuvor ein so blinder, unwissender, niederträchtiger und gottloser Wicht war. Das eine war eine große Weichheit und Zartheit des Herzens, durch welche ich überzeugt wurde von dem, was diese Leute nach der Schrift behaupteten; das andere war die Empfänglichkeit meines Gemüths, ein beständiges Erwägen des Gehörten und aller andern guten Dinge, die ich in der Zeit hörte oder las. Mein Gemüth war hierdurch in einen solchen Zustand versetzt, und so verändert, daß es wie ein Blutegel an der Ader hing und stets rief: „Gib her, gib her.“ Sprüche 30,15. Es war so auf die Ewigkeit und die Dinge des Himmelreiche gerichtet, (das heißt, so viel ich davon kannte, obgleich ich, Gott weiß es, erst sehr wenig davon verstand) daß weder Vergnügen, noch Gewinn, noch Ueberredung, noch Drohen es bewegen konnte, davon abzulassen, und, obgleich ich es zu meiner Beschämung sage, es ist doch die reine Wahrheit: es wäre damals so schwer für mich gewesen, mein Gemüth vom Himmel zur Erde zu ziehen, als es mir seitdem oft gewesen, es wieder von der Erde zum Himmel zu erheben.

Eins darf ich nicht übergehen. Es war ein junger Mann in unsrer Stadt, mit dem ich früher inniger verbunden gewesen war, als mit irgend einem andern; da er sich aber mit Fluchen, Schwören und Hurerei als sehr böse offenbarte, so trennte ich mich von ihm. Etwa ein Vierteljahr nachher begegnete ich ihm in einer engen Gasse, und fragte ihn, wie es ihm gehe? Nach seiner alten verwegenen und fluchenden Weise antwortete er, es gehe ihm wohl. „Aber Heinrich, sagte ich, warum fluchest und schwörest Du so? Was soll aus Dir werden, wenn Du in diesem Zustande stirbst?“ Er antwortete mir in großer Wuth: „Woher wollte der Teufel Gesellschaft bekommen, wenn es nicht auch Solche gäbe, wie ich bin?“

Um diese Zeit kamen einige von den Büchern der Ranters1) in meine Hände, welche von manchen alten Bekennern des Christenthums sehr hoch geachtet wurden.

Einige davon las ich, war aber nicht fähig, sie zu beurtheilen. Als ich das einsah, betete ich recht herzlich wie folgt: „O Herr, ich bin ein Thor und kann die Wahrheit nicht vom Irrthum unterscheiden. Herr, laß mich nicht in meiner eignen Blindheit, weder diese Lehre gut heißen, noch sie verwerfen. Ist sie von Gott, so laß mich sie nicht verachten; ist sie vom Teufel, so laß mich sie nicht annehmen. Herr, ich lege in dieser Sache meine Seele allein zu Deinen Füßen; laß mich nicht betrogen werden, das bitte ich in Demuth von Dir.“ Damals hatte ich einen vertrauten, christlichen Bekannten, und das war jener arme Mann, dessen ich schon gedacht habe; aber um diese Zeit wurde er ein äußerst teuflischer Ranter, und stürzte sich in alle Arten von Unreinigkeit.

Er leugnete auch das Dasein eines Gottes, Engels, oder Geistes, und lachte über alle Ermahnungen zu einem ordentlichen Leben. Wollte ich seine Bosheit strafen, so lachte er desto mehr, und behauptete, er sei durch alle Religionen hindurchgegangen und habe die rechte noch nie getroffen, aber jetzt habe er sie. Weil ich nun diese verfluchten Grundsätze verabscheute, so verließ und vermied ich seine Gesellschaft für immer, und wurde gerade so fremd gegen ihn, wie ich früher vertraut mit ihm gewesen war.

Aber nicht allein dieser Mann brachte mich in Versuchung, sondern von diesen Ranters waren auch mehre andre Leute verführt worden, die es früher in geistlichen Dingen sehr genau genommen hatten. Sie wohnten auf dem Lande, wohin mich mein Beruf führte. Diese sprachen auch mit mir von ihrer Weise, und verurtheilten mich als gesetzlich und unerleuchtet. Sie aber behaupteten jetzt allein zur Vollkommenheit gelangt zu sein, und thun zu dürfen, was sie wollten, ohne damit zu sündigen. O, diese Versuchungen waren meinem Fleische angenehm, denn ich war damals noch ein junger Mann, und in der Blüthe meiner Jahre; aber Gott, der mich, wie ich hoffe, zu etwas Besserem versehen hatte, erhielt mich in der Furcht Seines Namens, und ließ mich solche verfluchte Grundsätze nicht annehmen. Gelobt sei Gott, Der es mir in mein Herz gab, zu Ihm um Bewahrung und Leitung zu schauen, und nicht meiner eignen Weisheit zu vertrauen. Seitdem habe ich die Frucht dieses Gebets gesehen, denn Gott hat mich bewahrt, nicht nur vor jenen Irrthümern, sondern auch vor andern, die seither aufgekommen sind. Die Bibel war mir in jenen Tagen köstlich.

Nun fing ich an, mit neuen Augen in meine Bibel zu blicken; besonders waren mir die Briefe des Apostels Paulus süß und lieblich. Ich konnte mich damals nie von der Bibel trennen, sondern war immer entweder mit Lesen oder Erwägen beschäftigt und beständig im Gebet zu Gott, damit ich die Wahrheit und den Weg zum Himmel und zur Herrlichkeit erkennen möchte.

Als ich nun fortfuhr und las, kam ich an die Stelle: „Einem wird gegeben durch den Geist zu reden von der Weisheit, dem Andern wird gegeben zu reden von der Erkenntniß, nach demselbigen Geist; einem Andern der Glaube rc. 1. Cor. 12,8. Obgleich ich nun seitdem gesehen habe, daß der heilige Geist in dieser Stelle sich hauptsächlich auf außerordentliche Dinge bezieht, - so wurde sie mir damals doch wichtig und überzeugte mich, daß ich der genannten Dinge bedurfte, nämlich der Erkenntniß und der Weisheit, wie sie andere Christen haben. Ich dachte über die Stelle nach und wußte nicht was ich sagen sollte. Besonders das Wort „Glaube“ machte mich verlegen, denn ich konnte nicht anders, als es manchmal in Frage stellen, ob ich Glauben habe oder nicht. Ich konnte nicht zum Schluß kommen, daß ich keinen hätte, sondern dachte: „Würde ich einen solchen Schluß ziehen, so würde ich mich in der That selbst als einen ganz Verworfenen erachten.“

„Nein,“ sagte ich zu mir selbst, „bin ich gleich ein unwissender Thor und habe die werthen Gaben der Erkenntniß und des Verständnisses nicht, wie andere Leute, so will ich es dennoch wagen, mich nicht für ganz glaubenslos zu halten, obgleich ich nicht weiß, was Glauben ist.“ Denn es wurde mir gezeigt (und zwar, wie ich seit dem gesehen habe, noch dazu vom Teufel), daß Diejenigen, die sich selbst dafür halten, daß sie in einem glaubenslosen Zustande sind, weder Rast noch Ruhe in ihren Seelen haben, und ich befürchtete, ganz in Verzweiflung zu sinken.

Diese Gedanken erhielten eine Zeit lang die Furcht in mir, meinen Mangel an Glauben zu erkennen, aber Gott wollte mir meine Seele nicht so verderben lassen, sondern schuf in mich, trotz dieses meines traurigen und blinden Schlusses, solch ein Verlangen, daß ich nicht ruhen konnte, bis ich zu einiger Gewißheit gekommen war, ob ich auch Glauben habe; denn die Frage war mir beständig im Gemüthe: „Wie, wenn mir doch der Glaube fehlte? Aber wie kannst du wissen, ob du Glauben hast?“ Außerdem wußte ich, daß ich sicherlich für immer verloren gehen würde, wenn ich keinen Glauben hätte. Bald wollte ich die Frage wegen des Glaubens übergehen, bald, nachdem ich die Sache näher betrachtet hatte, wollte ich mich selbst auf die Probe stellen, ob ich Glauben habe oder nicht. Aber ach! so unwissend war ich armer Mensch, daß ich nicht besser wußte, wie dies anzufangen sei, als ich gewußt hätte, ein seltenes und besonderes Kunstwerk zu machen, das ich nie gesehen oder betrachtet hatte.

Darum, während ich noch überlegte (denn man muß wissen, daß ich bis dahin mein Herz noch Niemandem geöffnet hatte, sondern bloß hörte und beobachtete) kam der Versucher mit dem verfänglichen Vorsatz an mich, ich könne auf keine andere Weise erfahren, ob ich Glauben habe, als wenn ich versuchte, irgend ein Wunder zu thun, indem er mir zugleich die Schriftstellen vorhielt, welche dazu antreiben und diese Versuchung zu stärken scheinen. Ja, eines Tags, als ich zwischen Elstow und Bedford war, wurde ich schwer versucht, meinen Glauben durch ein Wunder zu probieren; und dieses Wunder sollte sein, daß ich zu den Pfützen im Wege sagen würde: „Seid trocken!“ und zu den trockenen Plätzen: „Seid Pfützen!“ Und in Wahrheit, einmal war ich im Begriff, es zu thun; aber als ich gerade sprechen wollte, kam der Gedanke in mein Gemüth: „Gehe erst hinter die Hecke dort und bete, daß Gott dich dazu befähigen möge.“ Als ich indessen beschlossen hatte, zu beten, fiel es mir heiß auf die Seele, daß, wenn ich betete und wiederkäme und probierte und dann dennoch nichts thun könnte, so müßte ich sicherlich schließen, ich hätte keinen Glauben, sondern wäre ein Verworfener und also verloren. „Nein,“ dachte ich, „ich will es nicht versuchen, sondern noch ein wenig warten.“

So blieb ich in großer Verlegenheit, denn ich dachte und schloß, wenn nur die Glauben hätten, die solche wunderbare Dinge thun können, dann könnte ich mich weder des Glaubens getrösten, noch wäre Aussicht für mich, ihn je zu bekommen. So wurde ich zwischen dem Teufel und meiner eigenen Unwissenheit hin und hergeworfen und war so verworren, daß ich nicht wußte, was ich thun sollte.

Um diese Zeit wurde mir der Zustand und die Seligkeit jener armen Leute in Bedford in einer Art von Gesicht vorgestellt. Es schien mir, als ob sie an der sonnigen Seite eines hohen Berges wären und sich in den warmen Strahlen der Sonne erquickten, während ich von Frost, Schnee und dunkeln Wolken geplagt, schauderte und bebte vor Kälte. Mir däuchte, zwischen mir und ihnen wäre eine Mauer, die diesen Berg umgäbe. Durch diese Mauer nun verlangte meine Seele sehr zu gehen; denn ich dachte, wenn ich das könnte, so könnte auch ich mich in den Strahlen ihrer Sonne erquicken. Nun schien es mir, als ob ich an dieser Mauer auf und ab ginge, immer betend während ich ging, um zu sehen, ob ich keinen Weg oder Durchgang finden könnte, durch welchen ich zu ihnen hinein kommen möchte: aber ich konnte eine Zeit lang keinen finden. Zuletzt sah ich etwas wie eine enge Oeffnung oder wie ein kleines Thürloch in der Mauer, wodurch ich hindurchzudringen versuchte. Aber die Oeffnung war sehr enge und schmal; ich machte viele Versuche aber vergeblich. Endlich, däuchte mir, ich brächte mit großer Mühe mein Haupt hinein; dann indem ich mich seitwärts zwängte, auch meine Schultern und endlich meinen ganzen Leib. Da war ich sehr froh, ging und setzte mich in ihre Mitte und wurde dann erquickt vom Lichte und der Wärme ihrer Sonne.

Dies Gesicht wurde mir so gedeutet: Der Berg bedeute die Gemeine des lebendigen Gottes; die Sonne, darauf schien, das Leuchten Seines gnädigen Angesichtes über die, die darin sind; die Mauer, däuchte mir, wäre die Welt, die die Scheidung macht zwischen den Christen und den Kindern der Welt; und die Oeffnung in der Mauer, dachte ich, wäre Jesus Christus, der der Weg zu Gott dem Vater ist. Joh. 14,6. Da aber die Oeffnung so wunderbar enge war, so enge, daß ich nur mit großer Schwierigkeit hindurchdringen konnte, so zeigte mir das, daß Niemand hineindringen könne, außer dem, welchem es rechter Ernst ist und welcher die böse Welt hinter sich lassen will; denn hier war nur Platz für Leib und Seele, nicht für Leib und Seele und Sünde. Matth. 7,14.

Diese Vorstellung blieb mir viele Tage im Sinne, während welcher Zeit ich mich selbst in einem verlorenen und traurigen Zustande sah, aber dabei auch zu starkem Hunger und Durst gereizt war, Einer von der Zahl Derer zu sein, die im Sonnenschein saßen. Zu dieser Zeit betete ich auch, wo ich nur war, daheim oder draußen, im Haus oder im Felde; und öfter sang ich auch mit Erhebung des Herzens die Worte des einundfünfzigsten Psalms: „Herr, siehe an meinen Jammer;“ denn noch wußte ich nicht, wo ich war; konnte auch zu keiner tröstlichen Ueberzeugung gelangen, daß ich Glauben an Christum habe. Statt dessen wurde meine Seele mit neuen Zweifeln wegen meiner zukünftigen Seligkeit bestürmt, besonders mit solchen, wie diese: „Bin ich auch erwählt? Wie, wenn der Tag der Gnade vorbei und vergangen wäre?“ Durch diese zwei Versuchungen wurde ich sehr betrübt und beunruhigt; manchmal von der einen, und manchmal von der andern.

Was die erste betrifft, so entmuthigte mich, obgleich ich in einem Flammeneifer war, um den Weg zum Himmel und zur Herrlichkeit zu finden und mich nichts davon abhalten konnte, doch diese Frage so sehr, daß es mir, besonders manchmal, war, als ob selbst die Kraft meines Leibes von der Schärfe und Kraft dieser Versuchung verzehrt worden wäre. „So liegt es nun nicht an Jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.“ Röm. 9,16. Diese Schriftstelle schien mir auch mein Verlangen darnieder zu treten. Ich wußte nicht, was ich mit diesen Worten anfangen sollte; denn ich sah ganz deutlich, daß, wo nicht Gott mich freiwillig zu einem Gefäße der Barmherzigkeit erwählet habe, ich darnach verlangen und mich sehnen und arbeiten könne, bis mein Herz breche, so werde es mir doch nichts nützen. Darum fragte ich mich beständig: „Wie kannst du wissen, daß du erwählt bist? Und wenn du es nicht wärest? Wie denn?“ „O Herr,“ dachte ich, „wie wenn ich es wirklich nicht wäre?“ Es mag sein, daß du es nicht bist,“ sagte der Versucher; „Es mag in der That so sein,“ dachte ich. „Dann,“ sagte Satan, „könntest du ja ebensowohl mit dem Beten aufhören und brauchtest dich nicht weiter zu bemühen; denn in der That, wenn du nicht von Gott bestimmt und auserwählt sein solltest, so bleibt dir auch keine Hoffnung errettet zu werden; denn „es liegt ja nicht an Jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.“ Ueber diese Dinge stand mir der Verstand still; ich wußte nicht, was ich sagen, oder wie ich diesen Versuchungen begegnen sollte. Uebrigens erkannte ich dies nicht als ein Anfechtung vom Satan, sondern glaubte vielmehr, daß es meine eigene Vernunft sei, die diese Frage vorgebracht; denn daß die Erwählten allein das ewige Leben ererben, das glaubte und schloß ich ohne irgend einen Widerspruch; aber ob ich einer von ihnen sei? das war die Frage.

So war ich also in großer Verlegenheit und wollte oft in Verzagtheit des Gemüths versinken. Eines Tages indessen, nachdem ich viele Wochen gedrückt und niedergeschlagen gewesen war, und als alle meine Hoffnungen, je das Leben zu erlangen, ersterben wollten, da wurde mir der Ausspruch lebendig, und wichtig in meinem Geiste: „Sehet an die Exempel der Alten und merket darauf. Wer ist jemals zu Schanden geworden, der auf Ihn gehoffet hat?“ Durch dies wurde ich sehr in meiner Seele ermuthigt, denn so wurde es mir in demselben Augenblick ausgelegt: „Fange beim ersten Buch Mosis an und lese bis an's Ende der Offenbarung, und siehe, ob du finden kannst, daß jemals Solche, die dem Herrn vertraut haben, zu Schanden geworden sind.“ nach Hause gekommen, ging ich sogleich an meine Bibel, um zu sehen, ob ich die Stelle finden könnte; denn ich zweifelte nicht, daß ich sie sogleich finden würde, weil sie mit solcher Stärke und mit solchem Troste in meinem Geiste war, daß mir war, als ob sie zu mir spräche. Ich fand sie indeß nicht; sie blieb aber in meinem Herzen. Ich erkundigte mich bei dem einen und dem andern, ob er wisse, wo die Stelle stehe, aber Niemand wußte von einer solchen Stelle. Darüber wunderte ich mich, daß ein Schriftwort so plötzlich mit solcher Stärke und mit solchem Troste mein Herz ergreifen und darin bleiben sollte, und daß doch Niemand dasselbe finden könnte; denn ich zweifelte nicht, daß es in der Bibel sei. So suchte ich über ein Jahr lang, und konnte die Stelle nicht finden; aber endlich, als ich meine Augen auf die apocryphischen Bücher warf, fand ich sie in Sirach 2, 10.11. Dies entmuthigte mich anfangs ein wenig, weil es nicht in den canonischen Schriften stand; allein weil dieses Wort die Summa und der Inhalt vieler Verheißungen war, so war. es meine Pflicht, mich damit trösten zu lassen; und ich danke Gott für das Wort; denn es war gut für mich. Das Wort leuchtet mir jetzt noch oft vor meinem Angesicht.2)

Nach diesem kam der andere Zweifel gewaltig über mich: „Aber wie, wenn du deine Gnadenzeit versäumt hättest?“ Ich erinnere mich, daß ich eines Tages auf dem Lande tief in Gedanken darüber war: „Aber wie, wenn der Tag der Gnade vorbei wäre?“ - Um meine Befürchtungen zu vermehren, stellte mir der Versucher jene lieben Leute in Bedford vor und sagte zu mir, diese, die bereits bekehrt wären, seien die bestimmte Zahl, die Gott in dieser Gegend habe erretten wollen; und daß ich zu spät käme, denn diese hätten den Segen hinweg, ehe ich gekommen wäre. Nun kam ich wieder in große Verlegenheit, indem ich dachte, dies möchte wirklich der Fall sein. Darum ging ich auf und ab, und beklagte meine traurige Lage, in die ich durch mein langes Zurückbleiben, und weil ich so viele Jahre in Sünden zugebracht hatte, gekommen war. Ich rief aus: „O, daß ich eher umgewandt! O, daß ich vor sieben Jahren ums gekehrt wäre!“ Ich zürnte auch mit mir selbst, daß ich nicht mehr Verstand gehabt und meine Zeit vertändelt, bis meine Seele und der Himmel verloren gegangen!

Als ich aber lange mit dieser Furcht geplagt gewesen und fast unfähig war, einen Schritt weiter zu thun, da brechen, grade am selben Platze, wo ich meine frühere Tröstung empfangen hatte, die Worte in mein Gemüth herein: „Nöthige sie, herein zu kommen, auf daß mein Haus voll werde“ - „es ist noch Raum da.“ Luc. 14,22.23. Diese Worte: „Es ist noch Raum da,“ waren mir lieblich; denn ich dachte, der Herr Jesus habe an mich gedacht, als Er diese Worte gesprochen; und daß Er, der gewußt, wie die Zeit kommen werde, wo ich von der Furcht, als sei kein Platz mehr für mich an Seinem Busen, geplagt werden würde, - dies Wort zuvor gesprochen und schriftlich hinterlassen habe, damit ich darin Hülfe gegen diese schnöde Versuchung finden möchte. Dies glaubte ich nun gewiß. Im Lichte und Troste dieses Wortes wandelte ich nun eine gute Weile. Der Trost war um so süßer, wenn ich dachte, der Herr Jesus habe diese Worte absichtlich um meinetwillen gesprochen; denn das glaubte ich fest. Aber ich war nicht ohne meine Versuchungen, wieder zurück zu gehen; Versuchungen, sage ich, vom Satan, von meinem eignen Herzen und von fleischlichen Bekannten. Aber ich danke Gott, daß diese alle überwogen wurden von dem Gedanken an den Tod und den Tag des Gerichte, das, so zu sagen, beständig vor meinen Augen war. Oft dachte ich an Nebucadnezar, von dem gesagt ist, „Gott habe ihm alle Königreiche der Erde gegeben.“ Dan. 5,18.19. Dennoch, dachte ich, wenn dieser große Mann auch alle Herrlichkeit dieser Welt hatte, so wird doch eine Stunde im Höllenfeuer ihn das Alles vergessen lassen. Diese Betrachtung war mir sehr nützlich.

Ich wurde damals in etwas befähigt, Einiges in Betreff der Thiere zu erkennen, die Moses rein oder unrein nannte. Ich dachte, diese Thiere wären Vorbilder auf Menschen. Die reinen deuteten auf das Volk Gottes; die Unreinen auf die Kinder des Bösen. Als ich las, daß die reinen Thiere „wiederkäuen“; da dachte ich: Die zeigen uns, daß wir uns mit dem Worte speisen sollen. Sie „spalten die Klauen“ - dies, dachte ich, zeigt uns, daß wir auch, wenn wir erlöset werden wollen, „spalten“, d. h. uns scheiden müssen von den Wegen der ungöttlichen Menschen. Ferner fand ich bei weiterem Lesen, daß, wenn wir auch wiederkäuen, aber die Klauen nicht spalten wie der Hase, oder wenn wir auch die Klauen spalten wie das Schwein, aber nicht wiederkäuen wie das Schaf, so sind wir doch, trotzdem, noch unrein. Denn ich betrachtete den Hasen als ein Bild derer, die vom Worte reden, aber doch in Sünden leben; das Schwein aber als ein Bild dessen, der die äußere Befleckung verlassen hat, dem aber doch noch das Werk des Glaubens fehlt, ohne welches kein Weg der Erlösung sein kann, wenn ein Mensch auch äußerlich noch so fromm ist. 5. Mose 14.

Nach diesem fand ich beim Lesen des Wortes, daß diejenigen, welche mit Christo in einer andern Welt verherrlicht werden sollen, hier von Ihm berufen werden müssen; berufen, Theil zu haben an Seinem Wort und Seiner Gerechtigkeit, und zu den Tröstungen und ersten Früchten Seines Geistes, welche die Seele wirklich vorbereiten für die Ruhe und für das Haus der Herrlichkeit, das droben im Himmel ist. Hierdurch kam ich wieder in eine große Verlegenheit und wußte nicht, was ich thun sollte; denn ich fürchtete, nicht berufen zu sein. Darum dachte ich: „Wenn ich nicht berufen bin, was kann mir dann helfen?“ Aber o! wie ich jetzt die Worte liebte, die von eines Christen Berufung handeln! wie z. B. etwa die, wo der Herr zu Einem spricht: „Folge mir nach!“ und zu einem Andern: „Komm zu mir!“ „O!“ dachte ich, „daß Er's doch auch zu mir sagen möchte! wie wollte ich mit Freuden zu Ihm laufen!“ Ich kann jetzt nicht ausdrücken, mit welcher Sehnsucht und mit welchen Seufzern in meiner Seele ich zu Christo schrie, daß Er mich doch berufen möchte. So fuhr ich eine Zeit lang fort; ich war in einem ganzen Feuereifer, zu Jesu Christo bekehrt zu werden; ich sah auch damals solche Herrlichkeit in dem bekehrten Zustande, daß ich nicht zufrieden sein konnte, ohne einen Antheil daran zu haben. Gold? Wäre es für Gold zu bekommen gewesen, was wollte ich dafür gegeben haben! Hätte ich eine ganze Welt besessen, ich hätte sie zehntausendmal dafür gegeben, daß meine Seele bekehrt würde.

Wie liebenswürdig war nun Jeder in meinen Augen, den ich für einen Bekehrten hielt, ob Mann oder Weib Sie leuchteten, sie wandelten in meinen Augen wie ein Volk, das das große Siegel des Himmels an sich trug. O, ich sah das Los sei ihnen auf das Liebliche gefallen, ihnen sei ein schönes Erbtheil geworden. Ps. 16,6. Was mich traurig machte, waren die Worte: „Er ging auf einen Berg, und rief zu sich, welche Er wollte; und die gingen hin zu Ihm.“ Mark. 3,13. Diese Schriftstelle machte mich verzagt und furchtsam, und doch entzündete sie ein Feuer in meiner Seele; furchtsam, wenn ich dachte: Christus möchte meiner nicht begehren, denn Er rief zu Sich, „welche Er wollte.“ Aber o! die Herrlichkeit, die ich mir in dem Zustande der Berufenen dachte, nahm mein Herz so hin, daß ich selten von Solchen lesen konnte, die Christus berufen hatte, ohne sogleich zu wünschen: „Hätte ich an ihrer Stelle gestanden! Wäre ich doch als Petrus geboren worden! Wäre ich doch Johannes gewesen!“ Oder: „Wäre ich doch dabei gewesen, als Er sie berief, wie wollte ich gerufen haben: „O Herr berufe mich auch!“ Aber ach! ich fürchtete, Er möchte mich nicht berufen!

Und wirklich, der Herr ließ mich Monate lang so gehen, und zeigte mir nichts, weder daß ich schon berufen sei, noch daß ich später berufen werden sollte. Aber endlich, nachdem ich lange Zeit gewartet und nach vielen Seufzern zu Gott, kam dies Wort zu mir: „Und ich will reinsprechen ihre Blutschuld, welche ich nicht reingesprochen hatte. Und der Herr wird wohnen zu Zion.“ Joel 3,26. Diese Worte, dachte ich, wären zu meiner Ermuthigung gesandt, damit ich noch auf Gott harren möchte, und sagten mir, daß wenn ich so noch nicht wäre, so möchte doch die Zeit kommen, wo ich in Wahrheit zu Christo bekehrt werden würde.

Um jene Zeit fing ich an, jenen armen Leuten in Bedford mein Herz ausschütten und ihnen meinen Zustand zu offenbaren, welche, da sie es gehört hatten, dem Herrn Gifford, ihrem Prediger, von mir sagten. Dieser nahm alsbald Gelegenheit, selbst mit mir zu reden und war auch geneigt, wohl von mir zu denken, obwohl, wie ich fürchte, ohne guten Grund. Er lud mich in sein Haus ein, wo ich ihn mit Andern von den Führungen Gottes mit ihren Seelen reden hörte. Durch dies Alles bekam ich noch tiefere Ueberzeugung, und fing von der Zeit an, etwas mehr von der Eitelkeit und inneren Verdorbenheit meines bösen Herzens einzusehen. Bis jetzt hatte ich davon noch nicht viel gewußt; aber nun fing es an, mir geoffenbaret zu werden, und sich zu regen, wie nie zuvor. Ich entdeckte jetzt, daß Lüste und Verderbtheiten sich in bösen Gedanken und Begierden in mir erhoben, welche ich früher nicht beachtet hatte. Mein Verlangen nach dem Himmel und ewigem Leben begann nachzulassen. Meine Seele, die vorher voll Verlangen nach Gott war, fing wieder an, ihrer thörichten Eitelkeit nachzuhängen; ja, mein Herz konnte nicht bewegt werden, das Gute zu suchen, es ging zurück von jeder Pflicht, und war wie ein Klotz am Fuße eines Vogels, um ihn vom Fliegen abzuhalten. „Nein, dachte ich, ich werde jetzt schlimmer und schlimmer; ich bin jetzt weiter von der Bekehrung, als ich je zuvor war.“ Deshalb sank ich immer mehr unter dem Druck in meiner Seele darnieder und fing an, einer Trostlosigkeit in meinem Herzen Raum zu geben, die mich tief wie die Hölle herunterbrachte. Wenn ich jetzt auch auf dem Scheiterhaufen hätte dafür verbrennen müssen, so hätte ich doch nicht glauben können, daß Christus Liebe zu mir hätte. Ach, ich konnte Ihn nicht hören, nicht sehen, noch fühlen, noch irgend etwas von dem Seinigen merken; ich wurde wie vom Sturmwinde getrieben; mein Herz war unrein und „die Cananiter wohnten im Lande“.

Manchmal sagte ich dem Volke Gottes von meinem Zustande: sie bemitleideten mich dann und sagten mir von den Verheißungen; aber sie hätten mir ebenso gut sagen können, ich müsse die Sonne mit meiner Hand erreichen, wie daß ich die Verheißungen annehmen, oder mich darauf verlassen sollte; mein ganzes Wesen und Gefühl war hierin gegen mich. Ich sah, daß ich ein Herz hatte, das sündigen wollte und daß ich unter einem Gesetze sei, welches mich verdammte. Dies hat mich oft an das Kind erinnert, welches der Vater zu Christo brachte und welches, während es zu Ihm kam, noch vom Teufel auf die Erde geworfen, gerissen und gezerret wurde, daß es sich wälzte und schäumte. Luc. 9,42. Marc. 9,20.

Ferner fand ich in diesen Tagen, daß sich mein Herz gegen den Herrn und Sein heiliges Wort zu verschließen pflegte. Ich sah, daß ich selbst, so zu sagen, die Schulter gegen die Thür stemmte, um ihn draußen zu halten; und zwar selbst da, wo ich mit manch einem bitteren Seufzer rief: „Guter Herr, brich sie auf! Herr, zerbrich diese ehernen Thüren, und zerstoße diese eisernen Riegel.“ Psalm 107,16. Doch bewirkte das Wort manchmal eine kurze friedliche Ruhe in meinem Herzen: „Ich habe Dich gerüstet, da Du mich noch nicht kanntest.“. Jes. 45,5.

Aber während dieser ganzen Zeit war ich, was die Thatsünden betraf, nie ängstlicher und genauer als damals. Ich durfte keine Stecknadel, ja keinen Strohhalm nehmen, der nicht mir gehörte, denn mein Gewissen war wund und brannte bei jeder Verletzung. Ich wußte nicht, wie ich meine Worte setzen sollte, aus Furcht, ich möchte sie nicht recht sagen! O, wie vorsichtig war ich damals in Allem, was ich that oder sagte! Ich sah mich in einem schlammigen Morast, der auf und nieder schwankte, wenn ich mich nur regte; und da war ich, als wenn mich Gott und Christus und der Geist und alles Gute verlassen hätte.

Aber ich nahm wahr, daß Gott, obgleich ich ein so großer Sünder vor meiner Bekehrung war, mir niemals die Schuld meiner Unwissenheitssünden auflegte. Er zeigte mir bloß, daß ich verloren wäre, wenn ich nicht Christum hätte, weil ich ein Sünder gewesen war. Um vor Gott ohne Fehler erscheinen zu können, bedurfte ich einer vollkommnen Gerechtigkeit, das sah ich ein; und diese Gerechtigkeit war nirgends zu finden, als in der Person Jesu Christi.

Aber meine natürliche und innere Befleckung - die, die meine Plage und mein Leid; sie brachte die erstaunlich große Schuld auf mich. Durch sie war ich abscheulicher in meinen eignen Augen, als eine Kröte, und das auch in Gottes Augen. „Sünde und Unreinigkeit,“ sagte ich, „quillt so natürlich aus meinem Herzen, wie Wasser aus einer Quelle.“ Ich dachte, Jedermann müsse ein besseres Herz haben als ich. Ich hätte mein Herz jedem Andern für das seine gegeben. Ich dachte, Niemand als der Teufel selbst könne an innerer Bosheit und Unreinigkeit des Gemüths mir gleich kommen. Daher sank ich im Blick auf meine innere Verworfenheit tief in Trostlosigkeit, denn ich schloß, daß mein Zustand mit einem Gnadenstand sich nimmer vertragen könnte. „Sicherlich,“ dachte ich, ich bin verlassen von Gott; sicherlich, ich bin dem Teufel übergeben, und dahingegeben in verkehrten Sinn.“ So blieb's eine lange Zeit, ja wohl zwei Jahre lang.

Während ich so von der Furcht meiner eignen Verdammniß geängstet wurde, wunderten mich zwei Stücke. Das eine war, daß ich selbst alte Leute nach den Dingen dieser Welt jagen sah, als ob sie immer hier bleiben wollten; das andere, daß die Christen oft so sehr niedergeschlagen waren, wegen äußerer Verluste; „Herr!“ dachte ich, welch ein Tagen nach fleischlichen Dingen bei den Einen, und welch ein Kummer über ihren Verlust bei den Andern! Wenn diese so viel arbeiten und so viele Thränen vergießen um der Dinge dieses gegenwärtigen Lebens willen, wie viel mehr bin ich zu bemitleiden, und wie viel sollte für mich gebetet werden. Meine Seele stirbt! Meine Seele geht verloren! Hätte ich nur die Gewißheit, daß es mit meiner Seele wohl stehe, wie reich wollte ich mich achten, wäre mir auch sonst nur Brod und Wasser beschert. Ich würde jenes für nur geringe Leiden achten und es tragen wie kleine Lasten.“ „Wenn aber der Muth liegt, wer kann es tragen?“

Aber, obgleich ich vom Anblick und dem Gefühl meiner eignen Bosheit sehr gedrückt und bekümmert war, so war ich doch zu ängstlich, diesen Anblick und dies Gefühl aus meinem Gemüthe fahren zu lassen. Wenn die Schuld nicht auf die rechte Weise vom Gewissen genommen wird, das heißt durch das Blut Christi, so wird ein Mensch durch den Verlust seines Schuldgefühls eher noch schlimmer, das war mir klar. Darum flehte ich, wenn sie schwer auf mir lag, daß das Blut Christi sie hinwegnehmen möchte. Wurde das Gefühl bisweilen schwächer (denn dies geschah mitunter; es war als ob es sterben und ganz vergehen wollte), so bestrebte ich mich, es wieder hervorzurufen dadurch, daß ich mir in meinem Geiste die Sündenstrafe im Feuer der Hölle vorstellte; und ich flehte: Herr, laß es nicht anders, als auf die rechte Weise von meinem Herzen genommen werden, nämlich durch das Blut Christi, und durch die Wirkungen Deiner Barmherzigkeit an mir durch ihn. Denn die Schriftstelle war viel in meinem Gemüthe: „Ohne Blutvergießen geschiehet keine Vergebung.“ Hebr. 9,22. Was mich noch ängstlicher machte, war dies: ich hatte Leute gesehen, die, so lange die Wunden des Gewissens schmerzten, beteten und flehten; aber wenn sie ein wenig Erleichterung anstatt Vergebung ihrer Sünden fühlten, so lag ihnen nichts daran, wie sie diese Last los geworden waren. Weil sie derselben aber auf die unrechte Weise entledigt worden waren, so gereichte ihnen solches auch nicht zur Heiligung, sondern sie wurden härter und blinder, und um so mehr böse nach ihrer Angst. Dies machte mich besorgt, und bewog mich, desto mehr zu Gott zu rufen, daß es doch nicht so mit mir werden möchte.

In dieser Noth wünschte ich oft, daß Gott mich nie geschaffen haben möchte, denn ich fürchtete, ich wäre verworfen. Ich hielt den unbekehrten Menschen für die jämmerlichste von allen Creaturen. So war ich bekümmert und hin- und hergeworfen, so daß ich mich für den unglücklichsten aller Menschen hielt. Ja, ich dachte, es wäre unmöglich, daß ich je so viel Gottseligkeit des Herzens erlangen könnte, um Gott danken zu können, daß Er mich zu einem Menschen gemacht. Der Mensch, wie er erschaffen worden, ist in der That die edelste von allen Creaturen in der sichtbaren Welt; aber durch die Sünde hat er sich selbst zur niedrigsten gemacht. Die Thiere, die Vögel, die Fische - ich pries sie glücklich in ihrer Lage! Denn die haben keine sündliche Natur, dachte ich; die sind nicht dem Zorne Gottes unterworfen; sie müssen nicht nach dem Tode in das höllische Feuer gehen. Wäre ich doch ihresgleichen!

1)
Die Ranters waren Familisten - eine mystische Secte, ähnlich den Nicolaiten, die unter dem verführerischen Namen „Familie der Liebe“ die schlimmsten Lehren des Antinomianismus verbargen. F. N. B.
2)
Die hier angeführte Stelle aus Sirach ist nur eine Umschreibung von Psalm 22,5 und 6. Die darin enthaltene Wahrheit ist also aus den canonischen Schriften genommen.
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